Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730150/2/BP/Jo

Linz, 17.08.2011

 

Mitglied, Berichter/in, Bearbeiter/in:                                                                                                                               Zimmer, Rückfragen:

Mag. Dr. Bernhard Pree                                                                                      4A13, Tel. Kl. 15685

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung des x, StA der x, vertreten durch x, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Eferding vom 18. April 2011, GZ: Sich40-285-2010-AS, betreffend eine Ausweisung des Berufungswerbers nach dem Fremdenpolizeigesetz, zu Recht erkannt:

 

            I.      Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.

 

        II.      Eine Rückkehrentscheidung ist auf Dauer unzulässig.

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 iVm. § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

 

 

 

            I.      İtirazın kabul edilmesine ve itiraz edilen kararın tazminsiz ortadan kaldırılmasına.

 

        II.      Geri dönüş kararı uzun sürede geçersizdir.

 

 

 

Hukuki dayanak:

§ 66 Abs. 4 iVm. § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG


Entscheidungsgründe:

 

 

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Eferding vom 18. April 2011, GZ.: Sich40-285-2010, wurde gegen den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) auf Basis der §§ 31, 53 und 66 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung, die Ausweisung aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich angeordnet. Weiters wurde ein Antrag auf Erklärung der dauerhaften Unzulässigkeit einer Ausweisung als unbegründet abgewiesen.

 

Begründend führt die belangte Behörde zunächst zum Sachverhalt aus, dass der Bw, ein Staatsangehöriger der x, am 13. August 2002 illegal nach Österreich eingereist sei und noch am selben Tag einen Asylantrag gestellt habe, der vom BAA Außenstelle Linz mit Bescheid vom 21. August 2003, AZ.: 02 22.239, abgewiesen worden sei. Eine dagegen erhobene Berufung sei mit Bescheid des UBAS vom 26. November 2007, AZ.: 241.902-0/12E-XIX/61/03, abgewiesen und die Behandlung einer diesbezüglichen Beschwerde vom VwGH mit Beschluss vom 24. März 2011 zu Zl. 2008/23/0130 abgelehnt worden.

 

Der Bw sei seit rechtskräftiger negativer Asylentscheidung unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig. Er verfüge über eine arbeitsmarktrechtliche Bewilligung im Sinne des § 31 Z. 6 FPG, welche bis zum 5. Mai 2011 gültig sei. Er habe der belangten Behörde am 15. April 2011 seinen letzten Lohnzettel vom Jänner 2011 vorgelegt, da er ab dem 27. Februar 2011 bis dato Bezieher von Krankengeld sei. In Österreich wohnhafte Familienangehörige habe der Bw – mit Ausnahme zahlreicher Onkeln, Tanten und Cousins, welche hier wohnhaft seien – nicht geltend gemacht.

 

Die belangte Behörde habe am 8. April 2011 das Ausweisungsverfahren eingeleitet und mit Wirkung 15. April 2011 gegen den Bw das gelindere Mittel in Form einer dreimaligen Meldepflicht pro Woche angeordnet.

 

In einem Antrag gemäß § 66 FPG (alte Fassung) habe der Bw ua. ausgeführt, dass durch eine Ausweisung in sein Privat- bzw. Familienleben eingegriffen werde, zumal er seit ca. 1 Jahr in Lebensgemeinschaft mit einer x Staatsangehörigen lebe, die als EU-Bürgerin legal in Österreich niedergelassen sei, als unselbständig Beschäftigte über ein monatliches Einkommen von 1.200,5 Euro brutto verfüge und mit dem Bw seit einigen Monaten am selben Wohnsitz gemeldet sei. Der Bw strebe die Scheidung von seiner in der x lebenden Ehegattin an, welche aber bislang nicht zugestimmt habe. Durch die lange Trennung (seit 2001) sei die Ehe unheilbar zerrüttet, weshalb der Bw Schritte zur Einleitung eines Scheidungsverfahrens in der x eingeleitet habe.

 

Auch zu seinen Kindern, die gegen ihn – wegen der Scheidungsabsicht – aufgebracht seien, bestehe kein Kontakt. Die älteren Töchter seien bereits verheiratet, und die beiden jüngeren Kinder hätten aufgrund des Alters von 6 Monaten bzw. 3 Jahren im Zeitpunkt des Verlassens der Familie durch den Bw zu ihm keine Vater-Kind-Beziehung aufbauen können.

 

Seit dem Jahr 2006 sei der Bw bis dato bei der selben Firma als Chefkoch beschäftigt und verfüge über ein Nettoeinkommen von ca. 800 Euro 14 x pro Jahr.

 

Der Bw sei in Österreich gut integriert und habe im Februar 2010 die Deutschprüfung (Niveau A2) absolviert. Aufgrund des 9-jährigen Aufenthalts in Österreich bestehe der Freundeskreis des Bw lediglich aus hier ansässigen Personen, worunter auch viele österreichische Staatsangehörige seien.

 

In ihrer Interessensabwägung führt die belangte Behörde aus, dass die vom Bw ins Treffen geführte x Staatsangehörige erst seit Februar 2011 in Österreich und darüber hinaus nicht exakt an der selben Adresse wie der Bw gemeldet sei, was die Glaubwürdigkeit der langfristigen Beziehung untergrabe.

Hinsichtlich der Bindungen zum Heimatstaat wird angemerkt, dass sich die Ehegattin und 6 Kinder des Bw genau wie seine Mutter noch in der x befänden und der Bw selbst angegeben habe, die jüngeren Söhne sowie deren Mutter finanziell zu unterstützen. Im Asylverfahren habe der Bw zudem angegeben, den Beruf des Webers erlernt zu haben, wohingegen er vor der belangten Behörde angegeben habe, in der x schon den Beruf Koch – Kellner erlernt zu haben.

 

Seit der Erlassung des letztinstanzlichen Asylbescheides im Jahr 2007 habe sich der Bw des unsicheren Aufenthalts bewusst sein müssen. Von einer Integration könne nur bedingt gesprochen werden.

 

Die Einleitung fremdenpolizeilicher Maßnahmen erscheine unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK zulässig und unbedingt erforderlich.

 

Der geschilderte Sachverhalt stelle eine so schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar, dass die Ausweisung geboten sei. Das in § 53 Abs. 1 FPG eingeräumte Ermessen sei daher im Sinne des Bescheidspruches zu handhaben gewesen. 

 

1.2. Gegen diesen Bescheid erhob der Bw durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter rechtzeitig Berufung mit Schriftsatz vom 2. Mai 2011.

 

Zum Sachverhalt wird zunächst ausgeführt, dass der Bw seine nunmehrige Lebensgefährtin über eine Partnerbörse im Internet kennengelernt und dann die Beziehung per Internet und kurzen Zusammentreffen aufrechterhalten habe, bis die Lebensgefährtin im Februar 2011 zum Bw in Österreich gezogen sei. Bei der unterschiedlichen Meldung der beiden (betreffend lediglich die Türnummern desselben Hauses) handle es sich um ein Versehen, das jedoch bald behoben werde.

 

Der Bw unterstütze lediglich seine beiden Söhne finanziell, nicht aber seine Ehegattin, die von ihrer Ursprungsfamilie unterstützt werde.

 

Weiters wird in rechtlicher Hinsicht ausgeführt, dass sich der Bw bereits seit dem 13. August 2002 in Österreich aufhalte. Das Asylverfahren habe insgesamt 9 Jahre gedauert, wobei dies ein Organisationsverschulden des Staates darstelle.

 

Er sei seit über 5 Jahren als Koch bzw. Kellner (nunmehr als Küchenchef) beschäftigt und sozialversichert. Die Schritte für eine Ehescheidung habe er bereits eingeleitet und beabsichtige seine jetzige Lebensgefährtin nach Abschluss der Scheidung zu ehelichen. Zudem sei der Bw unbescholten.

 

In weiterer Folge wiederholt der Bw die schon in seinem Antrag vom 18. April 2011 dargestellten Argumente und Schilderungen, wonach er in Österreich gut integriert sei; eine Reintegration in der x sei nur theoretisch denkbar.

 

Abschließend wird der Antrag gestellt, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und eine Ausweisung als auf Dauer unzulässig auszusprechen, in eventu den Bescheid aufzuheben und die Rechtssache an die belangte Behörde zurückzuverweisen.  

 

 

2.1. Die belangte Behörde legte zunächst den in Rede stehenden Verwaltungsakt der Sicherheitsdirektion für Oberösterreich vor.

 

Mit 1. Juli 2011 trat das Fremdenrechtsänderungsgesetz, BGBl. I Nr. 38/2011 in wesentlichen Teilen in Kraft. Aus § 9 Abs. 1a FPG in der nunmehr geltenden Fassung ergibt sich, dass der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung über die Berufung zuständig ist, weshalb der in Rede stehende Verwaltungsakt von der Sicherheitsdirektion – nach In-Krafttreten der Novelle am 1. Juli 2011 – dem Oö. Verwaltungssenat übermittelt wurde.

 

2.2.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde.

 

2.2.2. Mit E-Mail vom 12. August 2011 übermittelte der Rechtsvertreter des Bw ua. eine Stellungnahme in der er darauf hinweist, dass das Scheidungsverfahren in der x bereits eingeleitet sei und eine diesbezügliche Verhandlung für den 24. November 2011 angesetzt sei.

 

Der Stellungnahme sind Meldebestätigungen des Bw und seiner Lebensgefährtin nunmehr exakt an der selben Adresse beigefügt. Weiters finden sich ein Versicherungsdatenauszug, der eine – wenn auch nicht durchgängige –Beschäftigung des Bw seit dem Jahr 2006 nachweist, diverse Lohnzettel sowie eine Kopie der Scheidungsklage samt Übersetzung.

 

2.2.3.. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, weil eine solche nicht erforderlich war, nachdem sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt zweifelsfrei aus der Aktenlage ergibt, im Verfahren im Wesentlichen die Beurteilung von Rechtsfragen strittig ist und die Akten erkennen lassen, dass eine weitere mündliche Erörterung eine tiefgreifendere Klärung der Sache nicht erwarten lässt (§ 67d AVG).

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten 1.1. 1.2. und 2.2. dieses Erkenntnisses dargestellten völlig unbestrittenen Sachverhalt aus. Durch die nachträglichen Darstellungen des Bw lösen sich die von der belangten Behörde eruierten Widersprüche – sofern überhaupt verfahrensrelevant – weitgehend auf.

 

2.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

 

3. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1.1. Gemäß § 125 Abs. 14 des Fremdenpolizeigesetzes – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch das Bundesgesetzblatt BGBl. I Nr. 38/2011, gelten vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 erlassene Ausweisungen gemäß § 53 als Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 weiter, mit der Maßgabe, dass ein Einreiseverbot gemäß § 53 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 damit nicht verbunden ist.

 

3.1.2. Im vorliegenden Fall ist völlig klar, dass die in Rede stehende Ausweisung auf Basis des § 53 FPG ("alte Fassung") erlassen wurde, weshalb diese Ausweisung als Rückkehrentscheidung im Sinne des nunmehrigen § 52 FPG anzusehen und zu beurteilen ist.

 

3.2.1. Gemäß § 52 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch das Bundesgesetzblatt BGBl. I Nr. 38/2011, ist gegen einen Drittstaatsangehörigen, sofern nicht anderes bestimmt ist, mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Die Rückkehrentscheidung wird mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Berufung gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 66 Abs. 4 AVG auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

 

3.2.2. Im vorliegenden Fall ist zunächst auch vom Bw selbst unbestritten, dass er über keinerlei Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet verfügt und somit grundsätzlich unrechtmäßig aufhältig ist. Allerdings ist bei der Beurteilung der Ausweisung bzw. der Rückkehrentscheidung auch auf Art. 8 EMRK sowie § 61 FPG Bedacht zu nehmen. 

 

3.3.1. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist allerdings ein Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts gemäß Abs. 1 (nur) statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

3.3.2. Gemäß § 61 Abs. 1 FPG ist, sofern durch eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 2 FPG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

1.      die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der        bisherige          Aufenthalt des Fremden rechtmäßig war;

2.      das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3.      die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4.      der Grad der Integration;

5.      die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;

6.      die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7.      Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des      Asyl-          Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8.      die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem   Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren   Aufenthaltstatus bewusst waren;

9.      die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes in den Behörden       zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 3 FPG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung oder einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung schon allein aufgrund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder 51ff. NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

Gemäß § 125 Abs. 20 FPG,  gelten vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. 38/2011 vorgenommene Beurteilungen und Entscheidungen gemäß § 66 als Beurteilungen und Entscheidungen gemäß § 61 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 weiter.

 

3.4.1. Im Sinne der zitierten Normen ist eine Interessenabwägung – basierend auf einer einzelfallbezogenen Gesamtbetrachtung – vorzunehmen.

 

Es ist festzuhalten, dass es gestützt auf die ständige Rechtsprechung der Höchstgerichte grundsätzlich zulässig und erforderlich ist, Maßnahmen zu ergreifen, um den unrechtmäßigen Aufenthalt einer Person zu beenden, da ein solcher rechtswidriger Status fraglos dazu geeignet ist, die öffentliche Ordnung eines Staates massiv zu beeinträchtigen. Daraus folgt, dass das diesbezügliche öffentliche Interesse hoch anzusetzen ist und eine Ausweisung grundsätzlich ein nicht inadäquates Mittel darstellt, um einen rechtskonformen Zustand wiederherzustellen. Dies gilt jedoch nur insofern, als die privaten bzw. familiären Interessen im jeweils konkreten Einzelfall nicht als höherrangig anzusehen sind.

 

3.4.2. Der belangten Behörde folgend, ist festzustellen, dass im Fall des Bw - mangels Vorliegens eines Familienlebens - im engeren Sinn im Bundesgebiet –lediglich das Privatleben hinsichtlich der Interessensabwägung gemäß § 61 Abs. 2 FPG zu erörtern ist, wobei hier jedoch insbesondere auch auf die eingegangene Beziehung zu der nunmehrigen Lebensgefährtin, einer x Staatsangehörigen und somit unionsrechtlich Aufenthaltsberechtigten, Bedacht zu nehmen sein wird.

 

Hierbei ist insbesondere auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen:

 

Demnach hat der dem § 61 Abs. 2 FPG vergleichbare § 66 Abs. 2 FPG 2005 schon vor dem Hintergrund der gebotenen Gesamtbetrachtung nicht zur Konsequenz, dass der während eines unsicheren Aufenthaltsstatus erlangten Integration überhaupt kein Gewicht beizumessen wäre und ein solcherart begründetes privates bzw. familiäres Interesse nie zur Unzulässigkeit einer Ausweisung führen könnte (vgl. auch VwGH vom 22. Dezember 2009, 2009/21/0348).

 

Der rund 10 Jahre und 9 Monate dauernde Aufenthalt sowie die mehr als 9 Jahre lang kontinuierlich ausgeübte unselbständige Erwerbstätigkeit (in Verbindung mit weiteren Aspekten der erreichten Integration) verleihen den persönlichen Interessen des Fremden am Verbleib im Bundesgebiet ein derart großes Gewicht, dass die Ausweisung gemäß § 66 Abs. 1 FrPolG 2005 - auch bei einem Eingriff nur in das Privatleben - unverhältnismäßig erscheint (vgl. VwGH vom 20. Jänner 2011, 2010/22/0158).

 

3.4.3. Wie sich aus dem Sachverhalt ergibt, befindet sich der Bw schon seit 9 Jahren im Bundesgebiet – davon den überwiegenden Teil mittels Aufenthaltsberechtigung als Asylwerber -, wo er nicht nur seit rund 5 Jahren einer Erwerbstätigkeit nachgeht, selbsterhaltungsfähig und sozialversichert ist, sondern auch seinen Wohnsitz gemeldet hat. Sein derzeitiger Arbeitgeber intendiert eine weitere Beschäftigung, sofern dies arbeitsmarktrechtlich möglich sein wird. Er ist strafgerichtlich unbescholten, wurde aber einmal wegen einer Übertretung des FPG verwaltungsstrafrechtlich belangt.

 

Es kann dem Bw wohl nach einem gut 9-jährigen Aufenthalt ein hohes Maß an Integration zugemessen werden. Dafür sprechen auch die vom Bw glaubhaft vorgebrachten, mittels Zertifikat des Niveaus A2 dokumentierten und auch von der belangten Behörde selbst festgestellten Deutschkenntnisse. Dies wird auch dadurch belegt, dass der Bw ua. durch sein Arbeitsumfeld als Küchenchef sowie durch die von ihm geltend gemachten und von der bealngten Behörde nicht widerlegten Kontakte zu in Österreich ansässigen Personen, darunter auch österreichische Staatsangehörige, sozial integriert ist.

 

Hier ist auch auf die Lebensgemeinschaft zu verweisen, die der Bw seit Februar dieses Jahres mit einer x Staatsangehörigen eingegangen ist, und die er nach Beendigung des Scheidungsverfahrens mit seiner in der x lebenden Ehegattin – nach seinen Angaben - zu heiraten beabsichtigt.   

 

Nach dem in Rede stehenden Zeitraum ist durchaus nachvollziehbar, dass die Bindung an den Heimatstaat nicht allzu intensiv sein dürfte und glaubhaft, dass die Beziehung zu den im Herkunftsstaat lebenden Kindern sowie zur getrennt von ihm lebenden Ehegattin nicht regelmäßig gepflegt wird. Die Frage, ob der Bw lediglich seine beiden minderjährigen Kinder oder auch seine Ehegattin finanziell unterstützt, ist bei der Beurteilung der Bindung an den Heimatstaat eher als untergeordnet anzusehen, zumal eine derartige Verpflichtung nicht Ausdruck seiner emotionalen Bindung zum Heimatstaat darstellt. Glaubhaft dokumentierte der Bw sein Bestreben sich von seiner Ehegattin scheiden lassen zu wollen. Eine entsprechende Scheidungsklage ist eingereicht und ein Verhandlungstermin angesetzt.

 

Hier ist allerdings bei einer Abwägung festzustellen, dass der Bw über 30 Jahre in der x gelebt hat, weshalb auch eine Reintegration nicht undenkbar wäre.

 

Gemäß der oben angeführten Judikatur des VwGH ist aber in diesem Fall wohl nicht mehr die Frage eines unsicheren Aufenthalts nach § 61 Abs. 2 Z. 8 FPG näher zu erörtern und bei einer Gesamtbetrachtung aller Umstände festzustellen, dass die für die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung sprechenden privaten Elemente die des öffentlichen Interesses gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK überwiegen. Nicht zuletzt wird auch davon auszugehen sein, dass gemäß § 61 Abs. 2 Z. 9 FPG von einer eher in die Sphäre der Behörden fallenden langen Verfahrensdauer gesprochen werden muss.

 

Darüber hinaus ist auch in Hinsicht auf § 61 Abs. 3 FPG auf das Interesse der Lebensgefährtin - einer x Staatsangehörigen, die zum Aufenthalt im Bundesgebiet unionsrechtlich berechtigt ist - am Verbleib des Bw Rücksicht zu nehmen, da nach dieser Bestimmung nicht nur deren Familien- sondern auch deren Privatleben geschützt wird. 

 

3.4.4. Im Ergebnis ist also eine Rückkehrentscheidung im Hinblick auf das Privatleben des Bw auf Dauer als nicht zulässig zu betrachten.

 

3.5. Es war daher der Berufung stattzugeben, der angefochtene Bescheid aufzuheben und spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro (Eingabegebühr) angefallen.

 

 

Hukuki itiraz yolu bilgilendirilmesi

İşbu karar karşı olağan kanun yolu açık değildir.

 

Talimat

(Verilen karara karşı kararın tebliğ gününden itibaren altı hafta içinde Anayasa Mahkemesi’nde ve/veya Danıştay‘da itiraz edilebilinir. Yasal istisnalar hariç, şikayetin vekil tayin edilmiş bir avukat tarafından yapılması gerekmektedir. Her itiraz için 220.- Euro dilekçe harcı ödenilir.)  

 

 

Bernhard Pree

 

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