Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-522732/23/Zo/Eg

Linz, 29.07.2011

 

                                                                                                                                                        

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Zöbl über die Berufung der Frau X, vertreten durch X, vom 24.11.2010, gegen den Bescheid des Polizeidirektors von Linz vom 17.11.2010, Zl. Fe-758/2010, wegen Einschränkung der Lenkberechtigung nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 26.7.2011 zu Recht erkannt:

 

 

Anlässlich der Berufung wird die der Berufungswerberin von der BPD Linz zu Zl. 10/4079/06 erteilte Lenkberechtigung für die Klassen A und B wie folgt eingeschränkt:

1.     Verwendung einer geeigneten Brille

2.     Beschränkung auf Fahrten bei Tageslicht

3.     regelmäßig Vorlage des Befundes einer fachärztlichen neurologischen Kontrolluntersuchung einmal jährlich, erstmals spätestens bis 31.12.2011 an die Führerscheinbehörde

4.     regelmäßige Vorlage des Befundes einer augenfachärztlichen Kontrolluntersuchung alle 3 Jahre, erstmals spätestens bis 31.12.2013 an die Führerscheinbehörde

        

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs. 4, 67a Abs. 1 und 67 d AVG iVm §§ 24 Abs. 1 Z. 2 und 8 Abs. 3     FSG sowie §§ 6 Abs. 1, 7 Abs. 3 und 8 Abs. 2 FSG-GV.

 

Die Berufungswerberin hat gemäß § 13 Abs. 6 FSG zur Ausstellung eines neuen Führerscheines (Eintragung der oben angeführten Einschränkungen) mit der Führerscheinbehörde Kontakt aufzunehmen.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Die BPD Linz hat mit dem angefochtenen Bescheid die Lenkberechtigung der Berufungswerberin wie folgt eingeschränkt:

Befristung bis 22.9.2013

- Tragen einer geeigneten Brille

- Amtsärztliche Nachuntersuchung bis spätestens 22.9.2013 unter Vorlage eines   Gutachtens eines Facharztes für Augenheilkunde und eines Facharztes für   Neurologie

- einmal pro Jahr ärztliche Kontrolluntersuchung (Gutachten eines Facharztes für   Neurologie) bis spätestens 22.9.2011.

 

2. In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung führte die Berufungswerberin zusammengefasst aus, dass die Auflagen und die Befristung sachlich nicht gerechtfertigt seien. Der "beginnende Graue Star" sei von der Fachärztin für Augenheilkunde mit keinem Wort erwähnt worden. Dieser sei in der fachärztlichen Stellungnahme nicht diagnostiziert.

 

Die Polyneuropathie nehme in der Regel einen positiven Verlauf, was auch von der Fachärztin beschrieben werde. Charakteristische Symptome der erworbenen Polyneuropathie seien unter anderem Sensibilitätsstörungen wie Kribbeln, Pelzigkeit- und Taubheitsgefühl in den betroffenen Regionen oder auch Gangunsicherheit. Die Motorik und die Fähigkeit zum Lenken von Kraftfahrzeugen sei in keinem Fall betroffen. Eine Befristung bzw. Einschränkung der Lenkberechtigung sei daher medizinisch nicht gerechtfertigt.

 

3. Der Polizeidirektor von Linz hat den Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen. Es ergibt sich daher die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates, wobei dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 67a Abs.1 AVG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt, Einholung eines Gutachtens eines technischen Sachverständigen anlässlich einer Beobachtungsfahrt sowie eines amtsärztlichen Gutachtens und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung.

 

 

 

4.1. Daraus ergibt sich folgender für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt:

 

Die Berufungswerberin ist im Besitz einer Lenkberechtigung für die Klassen A und B. Am 28.4.2010 verursachte sie einen (geringfügigen) Verkehrsunfall mit Sachschaden, welcher zum Anlass genommen wurde, ihre gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen zu überprüfen. Bei der amtsärztlichen Untersuchung am 17.8.2010 wurde eine Polyneuropathie mit massiver Gehbehinderung und ausgeprägten degenerativen Wirbelsäulenveränderungen festgestellt. Es wurde die Vorlage einer neurologischen und einer augenfachärztlichen Stellungnahme verlangt. Aus der fachärztlichen neurologischen Stellungnahme vom 20.9.2010 ergibt sich eine Polyneuropathie mit einem weitgehend stabilen Zustand bei äußerst langsamem Krankheitsverlauf und der Empfehlung einer einmal jährlichen Kontrolle. Aus der augenfachärztlichen Stellungnahme vom 25.8.2010 ergibt sich die Notwendigkeit der Verwendung von Brillen sowie ein beginnender Grauer Star. Unter Berücksichtigung dieser fachärztlichen Stellungnahmen kam der Amtsarzt zu dem Schluss, dass eine befristete Eignung für 3 Jahre mit jährlichen neurologischen Kontrolluntersuchungen sowie einer augenärztlichen Kontrolluntersuchung in 3 Jahren und einer amtsärztlichen Nachuntersuchung ebenfalls in 3 Jahren notwendig sei.

 

Im Berufungsverfahren wurde vorerst eine Stellungnahme einer Amtsärztin der Landessanitätsdirektion eingeholt, welche zusammengefasst ergab, dass  aufgrund der Paraparese der unteren Extremitäten und der eingeschränkten Beweglichkeit des Kopfes fraglich ist, ob die Berufungswerberin diese Mängel aufgrund ihrer Fahrroutine ausgleichen könne. Beim beginnenden Grauen Star handle es sich seiner Natur nach um eine fortschreitende Erkrankung des vorderen Augenabschnittes, welcher die Fähigkeit des Lenkens von Kraftfahrzeugen maßgeblich beeinflusst. Bezüglich des Augenfacharztbefundes wurde eine Ergänzung bezüglich des Dämmerungssehens verlangt.

 

In weiterer Folge erstellte der technische Amtssachverständige X nach einer Beobachtungsfahrt ein Gutachten, welches zusammengefasst ergab, dass die Berufungswerberin derzeit über ausreichend Kraft und Beweglichkeit verfügt, um ein Fahrzeug im städtischen Verkehr sicher zu lenken. Aus technischer Sicht bestehen daher keine Bedenken gegen die Weitererteilung der Lenkberechtigung ohne die Vorschreibung technischer Ausgleichseinrichtungen. Aus der ergänzten augenfachärztlichen Stellungnahme vom 8.3.2011 ergibt sich, dass ein ausreichendes Dämmerungssehen nicht gegeben ist.

 

Unter Berücksichtigung dieser Untersuchungsergebnisse führte die Amtsärztin in ihrem Gutachten vom 16.5.2011 aus, dass es sich bei der Polyneuropathie mit einer klinischen Paraparese der unteren Extremitäten um eine fortschreitende Erkrankung handelt. Auch die Fachärztin habe regelmäßige jährliche Kontrollen als sinnvoll angesehen, obwohl sie den Verlauf dieser Krankheit als stationär beschrieben habe. Bezüglich des fehlenden Dämmerungssehens sei ein Nachtfahrverbot notwendig. Weiters liege ein beginnender Grauer Star vor, wobei es sich um eine fortschreitende Augenerkrankung handelt, welche regelmäßig kontrolliert und beobachtet werden muss, um die Risiken, die sich durch eine Visusverschlechterung bei fortschreitender Cataracterkrankung und dadurch bedingten Einschränkungen des Gesichtsfeldes ergeben, verringern zu können.

 

In der mündlichen Berufungsverhandlung führte die Amtsärztin nach ausführlicher Erörterung der fachärztlichen Stellungnahmen und ihres Gutachtens aus, dass jährliche Kontrolluntersuchungen bei einem Facharzt für Neurologie und Kontrolluntersuchungen alle 3 Jahre beim Augenarzt jedenfalls notwendig seien, weil es sich in beiden Fällen grundsätzlich um fortschreitende Erkrankungen handelt, welche mit zunehmendem Alter tendenziell schlechter werden. Die Befristung sei jedoch nicht unbedingt notwendig, weil auch anhand der regelmäßigen Befunde durch die Führerscheinstelle eine allfällige Verschlechterung rechtzeitig erkannt werden könne.

 

5. Darüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in rechtlicher Hinsicht Folgendes erwogen:

 

5.1. Gemäß § 24 Abs.1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1.     die Lenkberechtigung zu entziehen oder

2.     die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diesfalls ist gemäß § 13 Abs. 5 ein neuer Führerschein auszustellen.

Für den Zeitraum einer Entziehung der Lenkberechtigung für die Klassen A, B oder F ist auch das Lenken von vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen unzulässig, es sei denn es handelt sich

1. um eine Entziehung gemäß § 24 Abs. 3 achter Satz oder

2. um eine Entziehung der Klasse A wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung, die ausschließlich mit dem Lenken von einspurigen Kraftfahrzeugen zusammenhängt.

 

Gemäß § 8 Abs.3 FSG hat das ärztliche Gutachten abschließend auszusprechen:

„geeignet“, „bedingt geeignet“, „beschränkt geeignet“ oder „nicht geeignet“. Ist der Begutachtete nach ärztlichem Befund

1.     gesundheitlich zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer oder mehrerer Klassen ohne Einschränkung geeignet, so hat das Gutachten „geeignet“ für diese Klassen zu lauten;

2.     zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer oder mehrerer Klassen nur unter der Voraussetzung geeignet, dass er Körperersatzstücke oder Behelfe oder dass er nur Fahrzeuge mit bestimmten Merkmalen verwendet oder dass er sich ärztlichen Kontrolluntersuchungen unterzieht, so hat das Gutachten „bedingt geeignet“ für die entsprechenden Klassen zu lauten und Befristungen, Auflagen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen der Gültigkeit anzuführen, unter denen eine Lenkberechtigung ohne Gefährdung der Verkehrsicherheit erteilt werden kann; dies gilt auch für Personen, deren Eignung nur für eine bestimmte Zeit angenommen werden kann und bei denen amtsärztliche Nachuntersuchungen erforderlich sind;

3.     zum Lenken nur eines bestimmten Fahrzeuges nach § 2 Z24 KFG 1967 geeignet, so hat das Gutachten „beschränkt geeignet“ zu lauten und anzugeben, durch welche körperlichen Mängel die Eignung beschränkt ist und in welcher Form diese körperlichen Mängel ausgeglichen werden können;

4.     zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer oder mehrerer Klassen nicht geeignet, so hat das Gutachten „nicht geeignet“ für die entsprechende Klasse zu lauten.

 

Gemäß § 6 Abs.1 Z5 FSG-GV gilt eine Person als zum Lenken von Kraftfahrzeugen hinreichend frei von Behinderungen, bei der keine eingeschränkte Beweglichkeit der Gelenke, Muskulatur und Gliedmaßen, die das sichere Beherrschen des Kraftfahrzeuges beeinträchtigen kann, vorliegt.

 

Gemäß § 7 Abs. 3 FSG-GV ist die Verwendung eines entsprechenden Sehbehelfes beim Lenken eines Kraftfahrzeuges vorzuschreiben, wenn die in Abs. 2 geforderte Sehschärfe nur mit Korrektur erreicht wird.

 

Bestehen weitere Mängel des Sehvermögens, so ist gemäß § 7 Abs. 4 FSG-GV die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen gemäß § 8 zu beurteilen, wobei lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe 2 nur dann eine Lenkberechtigung oder belassen werden darf, wenn dies ausdrücklich bestimmt ist.

 

Gemäß § 8 Abs. 2 FSG-GV kann eine Lenkberechtigung der Gruppe 1 unter der Auflage ärztlicher Kontrolluntersuchungen erteilt oder belassen werden, wenn eine fortschreitende Augenkrankheit festgestellt wird.

 

5.2. Das durchgeführte Ermittlungsverfahren hat ergeben, dass die Berufungswerberin derzeit zum Lenken von Kraftfahrzeugen geeignet ist. Allerdings ist die Verwendung von Brillen erforderlich und aufgrund des fehlenden Dämmerungssehens ist die Berufungswerberin nur bei Tageslicht geeignet, Kraftfahrzeuge zu lenken. Die Lenkberechtigung der Berufungswerberin war daher entsprechend einzuschränken, wobei darauf hinzuweisen ist, dass die Berufungsbehörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG den Bescheid in jede Richtung abhändern kann, weshalb erforderlichenfalls auch weitergehende Einschränkungen als im angefochtenen Bescheid vorzuschreiben sind.

 

Sowohl bei der Polyneuropathie als auch beim Grauen Star handelt es sich grundsätzlich um fortschreitende Erkrankungen, auch wenn diese von den Fachärzten weitgehend als stabil beschrieben werden. Verschlechterungen dieser Krankheitsbilder sind (auch im Hinblick auf das Lebensalter der Berufungswerberin) aus medizinischer Sicht durchaus wahrscheinlich. Da diese Erkrankungen einerseits mit Bewegungseinschränkungen, andererseits auch mit der Gefahr eines schlechter werdenden Visus bzw. Gesichtsfeldeinschränkungen verbunden sind, würden sich weitere Verschlechterungen auch auf die Eignung zum gefahrlosen Lenken von Kraftfahrzeugen auswirken, weshalb es sachlich notwendig ist, den Verlauf dieser Krankheit regelmäßig zu überprüfen. Nach den schlüssigen Ausführungen der Amtssachverständigen sind daher jährliche Kontrolluntersuchungen eines Facharztes für Neurologie sowie alle 3 Jahre Kontrolluntersuchungen eines Facharztes für Augenheilkunde notwendig. Eine ausreichende Kontrolle des Verlaufes dieser Krankheiten und ihrer Auswirkungen auf die Fähigkeit der Berufungswerberin, Kraftfahrzeuge zu lenken, erscheint durch diese Kontrolluntersuchungen sichergestellt, weshalb die Befristung der Lenkberechtigung nicht unbedingt erforderlich ist.

 

Die Frist für die erstmalige Vorlage der Befunde war entsprechend anzupassen, damit die Berufungswerberin ausreichend Zeit hat, die erforderlichen Facharzttermine zu vereinbaren.

 

Gemäß § 13 Abs. 6 FSG ist der Berufungswerberin ein neuer Führerschein auszustellen, in welchem diese Einschränkungen eingetragen werden müssen. Dazu ist es erforderlich, dass die Berufungswerberin mit der Führerscheinstelle Kontakt aufnimmt.

 


 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

 

Hinweise:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro angefallen.

 

 

 

 

 

Mag. Gottfried  Z ö b l

 

 

 

 

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