Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281320/25/Kl/Pe

Linz, 23.08.2011

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Ilse Klempt über die Berufung des Herrn x, x, x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 29.3.2011, Ge96-2480-2010, wegen Verwaltungsübertretungen nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 3.8.2011 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird insofern stattgegeben, als das angefochtene Straferkenntnis hinsichtlich Spruchpunkt 1) aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt wird. Hinsichtlich Spruchpunkt 2) wird die Berufung abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis vollinhaltlich bestätigt.

 

II. Hinsichtlich Spruchpunkt 1) entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge. Der Berufungswerber hat einen Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat in der Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafe, das sind 300 Euro, zu leisten (Spruchpunkt 2).

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 5, 19, 22, 45 Abs.1 Z2 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

zu II: §§ 64 und 66 Abs.1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 29.3.2011, Ge96-2480-2010, wurden über den Berufungswerber (im Folgenden Bw) Geldstrafen von 1) 2.000 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 96 Stunden) und von 2) 1.500 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 68 Stunden) wegen einer Verwaltungsübertretung zu 1) gemäß § 130 Abs.1 Z19 iVm § 7 Z1 und 8 ASchG und 2) gemäß § 130 Abs.5 Z1 iVm § 118 Abs.3 ASchG und § 87 Abs.2 BauV verhängt, weil er als persönlich haftender Gesellschafter und somit als das gemäß § 9 Abs.1 VStG zur Vertretung nach außen berufene verwaltungsstrafrechtlich verantwortliche Organ der x Gesellschaft m.b.H. & Co KG mit Sitz in x, x, diese ist Inhaberin einer Gewerbeberechtigung für „Industrielle Erzeugung von Dach-, Wand- und Fassadensystemen“ am Standort x, x, nicht dafür Sorge getragen hat, dass die Vorschriften des ASchG iVm der BauV eingehalten wurden.

Anlässlich einer am 15.3.2010 um 13.10 Uhr von x des Arbeitsinspektorates x durchgeführten Kontrolle auf der Baustelle x, Neubau Halle x, wurde Folgendes festgestellt:

1) Der Arbeitgeber hat die allgemeinen Grundsätze der Gefahrenverhütung für die Verlegung der Dachelemente nicht umgesetzt, da für die Verlegearbeiten in der Höhe von ca. 12,40 m keine kollektiven Schutzmaßnahmen gegen Abstürzen von Arbeitnehmern (z.B. technische Absturzsicherungen) zum Einsatz gekommen sind, sondern dem individuellen Gefahrenschutz (im gegenständlichen Fall der persönlichen Schutzausrüstung) der Vorzug gegeben wurde, obwohl der Arbeitgeber bei der Gestaltung der Arbeitsstätten, Arbeitsplätzen und Arbeitsvorgängen sowie bei allen Maßnahmen zum Schutz der Arbeitnehmer allgemeine Grundsätze der Gefahrenverhütung, wie „Vorrang des kollektiven Gefahrenschutzes vor individuellem Gefahrenschutz“ (Z8) sowie die „Vermeidung von Risiken“ (Z1) umzusetzen hat.

Im gegenständlichen Fall war bei den Verlegearbeiten am Dach ein Arbeitnehmer (Herr x) im Einsatz. Als Absturzsicherung diente die persönliche Schutzausrüstung (Sicherheitsgeschirr) – individueller Gefahrenschutz – und nicht ein kollektiver Gefahrenschutz (z.B. Arbeitsbühnen, Auffangnetze). Zum Zeitpunkt der Kontrolle war der Arbeitnehmer auch nicht angeseilt.

2) Von einem Arbeitnehmer der x Gesellschaft m.b.H & Co KG wurden im vorderen Dachbereich des oben angeführten Objektes Dacharbeiten (Verlegen der Dachelemente), Dachneigung ca. 3°, Traufenhöhe ca. 12,40 m, ohne Absturzsicherungen oder Schutzeinrichtungen durchgeführt – der Arbeitnehmer war auch nicht angeseilt, obwohl bei Arbeiten auf Dächern mit einer Dachneigung von bis zu 20° und einer Traufenhöhe von mehr als 3 m Absturzsicherungen oder Schutzeinrichtungen gemäß §§ 7 bis 10 BauV vorhanden sein müssen.

 

2. Dagegen wurde rechtzeitig und nach Verbesserungsauftrag begründet Berufung eingebracht und die Aufhebung des Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Firma x bei der Baustelle x keine Dacharbeiten ausgeführt habe, sondern lediglich einen Lieferauftrag von der Firma x GmbH in x zur Lieferung von Dachelementen erfüllt habe. Mit der Lieferung der Dachelemente endete der Leistungsauftrag. Die Firma x Dachdeckerei-Spenglerei habe die Dachelemente bei der Firma x gekauft und die Dachelemente inkl. Montage an die Firma x verkauft. Die Erstellung des SiGe-Plans und die Evaluierung der Baustelle sowie alle eventuell notwendigen Maßnahmen zur Einhaltung des ASchG lagen ausschließlich im Aufgabenbereich und Verantwortungsbereich der Firma x. Herr x war zum Zeitpunkt der Montage der Elemente durch die Firma x ausschließlich als Verkäufer und nicht als Monteur bei der Firma x beschäftigt. Die Firma x beschäftige keine Monteure und sei ausschließlich Hersteller von Dach- und Fassadenelementen aus Metall. Montagearbeiten werden von der Firma x nicht durchgeführt. Montagearbeiten seien daher auch nicht im Aufgabengebiet des Herrn x und gab es keinen Auftrag zu solchen Arbeiten. Er war ausschließlich als Außendienstmitarbeiter im Verkauf für die Firma x im Verkaufsgebiet Steiermark und Kärnten tätig. Da Herr x mit keinen Montagearbeiten beauftragt wurde und diese auch nicht zu seinem Aufgabengebiet gehörten, ist ein Kontrollsystem für seine Tätigkeit zum Einhalten von Sicherheitsmaßnamen für seine Person nicht erforderlich. Trotzdem hatte Herr x für einen Eventualfall die erforderlichen Unterweisungen durch die in der Firma verantwortlichen Personen (x und x).  Wenn Herr x auf der Baustelle x angetroffen wurde, war er nicht im Auftrag der Firma x anwesend. In seinen Arbeitszeitaufzeichnungen sei kein Eintrag von einem dienstlichen Besuch der Baustelle x.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme sowie durch Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 3.8.2011, zu welcher die Verfahrensparteien geladen wurden. Der Bw und ein Vertreter des zuständigen Arbeitsinspektorates x haben an der Verhandlung teilgenommen; die belangte Behörde hat sich entschuldigt. Weiters wurden die Zeugen x sowie x geladen und einvernommen.

 

4.1. Im Grunde des durchgeführten Beweisverfahrens steht folgender Sachverhalt als erwiesen fest:

 

Der Bw ist unbeschränkt haftender Gesellschafter der x Gesellschaft m.b.H. & Co KG mit Sitz in Vöcklamarkt, welche über eine Gewerbeberechtigung für das freie Gewerbe (Industriebetrieb) für „industrielle Erzeugung von Dach-, Wand- und Fassadensystemen“ am Standort x verfügt.

Die Firma x sollte nach Auftragsbestätigung Nr. x vom 8.3.2010 über Auftrag der x GmbH Dachdeckerei-Spenglerei, x, Dachelemente für ein Element-Dach auf die Baustelle in x, Neubau Halle x, liefern.

Am 15.3.2010 um 13.10 Uhr wurde vom Kontrollorgan des Arbeitsinspektorates x festgestellt, dass Arbeitnehmer mit dem Verlegen von Dachelementen in einer Höhe von ca. 12,40 m bei einer Dachneigung von ca. 3° beschäftigt waren, wobei keine kollektiven Schutzmaßnahmen wie technische Absturzsicherungen vorhanden waren und keiner der Arbeitnehmer angeseilt war. Unter den Arbeitnehmern befand sich auch x. Dieser wurde auf einem Dachelement vorgefunden und war damit beschäftigt, von einem Verladekran ein Dachelement von der Anhängeeinrichtung abzuhängen und auszurichten. Herr x trug ein Sicherheitsgeschirr, war aber nicht angeseilt. Es stand für ihn eine persönliche Schutzausrüstung, nämlich Sicherheitsgeschirr und Sicherheitsseil auf der Baustelle zur Verfügung. Der Arbeitnehmer wurde nach einer Unterweisung, nach einer Baustellenevaluierung und nach Verlegerichtlinien gefragt, er konnte aber keinerlei Unterlagen vorweisen.

Für die Baustelle gab es einen SiGe-Plan, der auch bei der Kontrolle vorgezeigt wurde. Hinsichtlich der Verlegearbeiten der Dachelemente war im SiGe-Plan eine Netzung vorgesehen. Ein solches Netz war auf der Baustelle nicht vorhanden.

Die Sicherheitsrichtlinien für die Montage der x-Elemente wurden dem Arbeitsinspektor nachträglich vorgelegt, diese wurden aber am Kontrolltag auf der Baustelle nicht vorgezeigt. In diesen Sicherheitsrichtlinien, die für derartige Dachelemente gleich anzuwenden sind, ist vorgesehen, dass bei Bestellung eines Planungs- und Baustellenkoordinators die im SiGe-Plan festgelegten kollektiven technischen Schutzmaßnahmen umzusetzen sind (Abs.1, Seite 1 der Sicherheitsrichtlinien mit Stand Jänner 2009).

Neben dem Arbeitnehmer Baumgartner der Firma x waren Arbeitnehmer der Firma x und ein Arbeitnehmer der Firma x GmbH mit dem Verlegen der Dachelemente bzw. Herstellung der Dachhaut beschäftigt.

Sowohl der zuständige Baustellenkoordinator mit Straferkenntnis der  Bezirkshauptmannschaft Knittelfeld vom 5.7.2010 als auch der Verantwortliche der Firma x GmbH mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Bludenz vom 14.12.2010 sind einer rechtskräftigen Bestrafung zugeführt worden.

 

Der Arbeitnehmer x war bis September 2010 bei der Firma x, also auch zum Tatzeitpunkt 15.3.2010, als Außendienstmitarbeiter für den Verkauf beschäftigt. Er hat auch der Firma x GmbH das Element-Dach verkauft. Es ist nicht üblich, dass Verkäufer bei der Montage anwesend sind, allerdings wissen die Verkäufer die Liefertermine. Weil der Arbeitnehmer aber interessiert war, ob alles ordnungsgemäß geliefert wurde, fuhr er zur Baustelle. Da ihm über Probleme mit den Aufmaßen berichtet wurde, ließ er sich einen Gurt geben und er wollte sich die Sache anschauen. Weil dies in seiner Natur liege, habe er auch mit geholfen, Elemente vom Kran abzuhängen. Der Arbeitnehmer ist mit dem Steiger auf das Dach gestiegen. Bei den Dachelementen gab es von vornherein geeignete Anschlagpunkte. Ob es für die Baustelle einen SiGe-Plan gab, wusste der Arbeitnehmer nicht. Er kannte zwar die Sicherheitsrichtlinien für die Montage der x-Elemente, er weiß aber nicht, ob sie auf der Baustelle waren. Diese Richtlinien kannte er von der jährlichen Sicherheitsunterweisung in der Firma. Die Sicherheitsunterweisung bekamen Außendienstmitarbeiter für jene Fälle, dass auf das Dach gestiegen werden muss. Diese Unterweisung findet einmal jährlich statt. Der Arbeitnehmer ist Dachdecker- und Spenglermeister. Montagearbeiten führte er für die Firma x nie aus. In seinem Verkaufsgebiet wurde eine Montage durch die Firma x nie durchgeführt, sondern wurden die Montagen immer vom Auftraggeber ausgeführt. Die Firma x hat zwei geschulte Mitarbeiter, die über Verlangen zu den Kunden fahren und ihnen zeigen, wie die Elemente zu verlegen sind. Der Einsatz des Lehrverlegers ist auch in der Auftragsbestätigung festgehalten und macht dieser lediglich eine Einweisung in die Handhabung. Er ist nicht verantwortlicher Montageleiter. Es ist in den Lieferbedingungen auch festgehalten, dass Lieferanten bzw. Verkäufer bei der Montage nicht mithelfen.

Der Bw selbst war nie auf der Baustelle.

 

4.2. Diese Feststellungen sind aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens erwiesen. Insbesondere stützen sich die Feststellungen auf die Aussagen der einvernommenen Zeugen sowie auch auf die der Anzeige beigeschlossenen Fotos. Daraus ist die Tätigkeit des angetroffenen Arbeitnehmers Baumgartner sowie auch die örtliche Situation einwandfrei festzustellen. Insbesondere ist auch ersichtlich, dass zum Abhängen der Dachelemente von der Anhängevorrichtung des Kranes sowie auch zum Befestigen und Montieren der Dachelemente, die Dachelemente bestiegen werden. Es ist auch einwandfrei aus den Fotos ersichtlich, dass keinerlei technische Schutzmaßnahmen vorhanden waren. An der Glaubwürdigkeit und Richtigkeit der Aussagen besteht kein Zweifel.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 7 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz – ASchG, BGBl. Nr. 450/1994 idF BGBl. II Nr. 13/2007, haben Arbeitgeber bei der Gestaltung der Arbeitsstätten, Arbeitsplätze und Arbeitsvorgänge, bei der Auswahl und Verwendung von Arbeitsmitteln und Arbeitsstoffen, beim Einsatz der Arbeitnehmer sowie bei allen Maßnahmen zum Schutz der Arbeitnehmer, folgende allgemeine Grundsätze der Gefahrenverhütung umzusetzen:

1.      Vermeidung von Risiken;

2.     Vorrang des kollektiven Gefahrenschutzes vor individuellem Gefahrenschutz.

 

Gemäß § 87 Abs.2 Bauarbeiterschutzverordnung – BauV, BGBl. Nr. 340/1994 idF BGBl. II Nr. 21/2010, müssen bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung bis zu 20° und einer Absturzhöhe von mehr als 3,00 m Absturzsicherungen oder Schutzeinrichtungen gemäß §§ 7 bis 10 vorhanden sein.

 

Gemäß § 118 Abs.3 AschG gilt die Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) als Verordnung nach diesem Bundesgesetz.

 

Gemäß § 130 Abs.5 Z1 AschG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 Euro bis 7.260 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 290 Euro bis 14.530 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber/in den nach dem 9. Abschnitt weitergeltenden Bestimmungen zuwiderhandelt.

 

5.2. Aufgrund der Feststellungen ist erwiesen, dass am 15.3.2010 auf der näher bezeichneten Baustelle der Arbeitnehmer x der x GmbH & Co KG Arbeiten auf dem Dach, nämlich auf dem Dachelement, bei einer Traufenhöhe bzw. Absturzhöhe von ca. 12,40 m und einer Dachneigung von ca. 3° ohne entsprechende Schutzeinrichtungen oder Absturzsicherungen ausgeführt hat. Es waren keine Umwehrungen, kein Sicherheitsnetz und keine sonstigen absturztechnischen Sicherheitseinrichtungen vorhanden. Es war zu Spruchpunkt 2) daher der objektive Tatbestand der Verwaltungsübertretung gemäß § 87 Abs.2 BauV iVm § 130 Abs.5 Z1 AschG erfüllt. Der Bw ist persönlich haftender Gesellschafter der x Gesellschaft.m.b.H. & Co KG und als solcher gemäß § 9 Abs.1 VStG verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich.

 

5.3. Den Berufungsausführungen, dass der Arbeitnehmer Baumgartner ausschließlich als Verkäufer beschäftigt sei und keine Montagearbeiten durch die Firma durchgeführt werden, ist das Beweisverfahren entgegenzuhalten, wonach erwiesen ist, dass der Arbeitnehmer Baumgartner sich auf dem Dachelement befunden hat und auch konkret Arbeiten durchgeführt hat, nämlich jedenfalls das Abhängen der Dachelemente von der Kransicherung. Es wurden daher jedenfalls Arbeiten auf dem Dach, nämlich auf dem Dachelement durchgeführt. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (z.B. vom 16.12.2005, 2005/02/0238) trägt der 11. Abschnitt der BauV (§§ 87ff) die Überschrift „Arbeiten auf Dächern“. „Für welche Art von Bauarbeiten die BauV gilt (vgl. ihren § 1 Abs.1), ergibt sich aus § 1 Abs.2 BauV. Werden daher ‚Arbeiten auf Dächern’ verrichtet, so ist es unerheblich, um welche Art von Bauarbeiten im Sinne des § 1 Abs.2 BauV es sich dabei ‚konkret’ handelt. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers bedurfte es daher weder einer diesbezüglichen Verfolgungshandlung im Sinn des § 32 Abs.2 VStG über die ‚Art’ der Bauarbeiten, noch deren Umschreibung im Spruch gemäß § 44a Z1 VStG (vgl. Erkenntnis vom 15.4.2005, Zl. 2003/02/0182). Es ist daher rechtlich unerheblich, ob es sich im Beschwerdefall um ‚Verlegen und Abdichten von Trapezflächen’ oder um die ‚Verlegung von Dämmplatten’ oder um ‚Spenglerarbeiten’ (im Rahmen von Bauarbeiten iSd § 1 Abs.2 BauV) gehandelt hat.“

Nach dieser Judikatur ist es daher unerheblich, welche Arbeiten konkret verrichtet wurden.

 

Im Sinn der Bestimmung des § 87 Abs.2 BauV ist es aber auch unerheblich, ob der Arbeitnehmer angeseilt war oder nicht, zumal eine individuelle Schutzausrüstung nach dieser Bestimmung nicht ausreicht. Da es sich im Übrigen auch nicht nur um geringfügige Arbeiten handelte, war die Ausnahme von § 87 Abs.5 BauV nicht heranzuziehen.

 

Wenn sich hingegen der Bw darauf stützt, dass für Montagearbeiten nicht die §§ 87ff BauV sondern die entsprechenden Bestimmungen der §§ 85f BauV über Montagearbeiten heranzuziehen seien, so ist ihm entgegenzuhalten, dass schon gemäß § 85 Abs.1 Satz 3 BauV die für die Durchführung der Montagearbeiten erforderlichen Standplätze, die Absturzsicherungen, die Schutzeinrichtungen und die Befestigungseinrichtungen für die persönliche Schutzausrüstung (Sicherheitsgeschirr) festzulegen sind. Die Montageanweisung gemäß § 85 Abs.1 muss die erforderlichen Angaben für den Transport und die Montage enthalten, insbesondere Herstellerangaben betreffend Maßnahmen gegen Abstürzen von Personen bei der Montage (§ 86 Abs.3 Z9 BauV).

Dazu legte der Bw selbst die Sicherheitsrichtlinien für die Montage der x-Elemente vor, wonach gleich im ersten Absatz bei Vorhandensein eines SiGe-Planes dieser bzw. die darin festgelegten kollektiven technischen Schutzmaßnahmen umzusetzen sind. Erwiesenermaßen ist für die gegenständliche Baustelle ein SiGe-Plan vorhanden, der einen kollektiven Gefahrenschutz, nämlich ein Sicherheitsnetz, verlangt und wäre daher auch nach der Montageanweisung der Firma x eine kollektive Schutzmaßnahme, nämlich das Sicherheitsnetz, vorzusehen und zu verwenden.

Auch das Vorbringen des Bw, dass der Außendienstmitarbeiter x keinen Auftrag gehabt hätte, Arbeiten auf dem Dach, insbesondere Montagearbeiten durchzuführen, hilft dem Bw nicht, weil zum tatbestandsmäßigen Verhalten bzw. zur Rechtswidrigkeit nicht erforderlich ist, dass ein entsprechender Auftrag des Arbeitgeber vorliegt.

 

5.4. Der Bw hat die Tat aber auch in subjektiver Hinsicht zu verantworten.

 

Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar, wobei zur Strafbarkeit bereits Fahrlässigkeit ausreicht und Fahrlässigkeit im Sinn der zitierten Bestimmung ohne weiteres anzunehmen ist, sofern vom Bw kein Entlastungsnachweis erbracht wird. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Bw initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch ein geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringen von Beweismittel oder die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die Glaubhaftmachung nicht aus.

Im Sinne der Arbeitnehmerschutzbestimmungen und der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Arbeitgeber dafür Sorge zu tragen, dass die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sowie der dazu erlassenen Verordnungen eingehalten werden. Ist er selbst nicht anwesend, hat er einen geeigneten Arbeitnehmer zu bestimmen, der auf die Durchführung und Einhaltung der zum Schutz der Arbeitnehmer notwendigen Maßnahmen zu achten hat. Es wird zwar darauf Bedacht genommen, dass die im heutigen Wirtschaftsleben notwendige Arbeitsteilung es nicht zulässt, dass sich der Unternehmer aller Belange und Angelegenheiten persönlich annimmt, es ist ihm vielmehr zuzubilligen, die Besorgung einzelner Angelegenheiten anderen Personen selbstverantwortlich zu überlassen und die eigene Tätigkeit in diesen Belangen auf eine angemessene Kontrolle zu beschränken. Es ist der Unternehmer dann persönlich von der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung befreit, wenn er den Nachweis zu erbringen vermag, dass er Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen. Der dem Berufungswerber nach § 5 Abs.1 VStG obliegende Entlastungsnachweis kann aber nicht allein dadurch erbracht werden, dass die ihn betreffende Verantwortung auf eine hiezu taugliche Person übertragen wird. Es bedarf vielmehr des weiteren Beweises, dass auch für eine geeignete Kontrolle der mit der Wahrnehmung dieser Aufgaben beauftragten Person Vorsorge getroffen worden ist (VwGH vom 18.9.1991, 90/19/0177, sowie vom 13.12.1990, 90/09/0141). Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes reichen die bloße Erteilung von Weisungen und die Wahrnehmung einer „Oberaufsicht“ nicht aus (VwGH 30.6.1994, 94/09/0049). Entscheidend ist, ob auch eine wirksame Kontrolle über die Einhaltung der vom Verantwortlichen erteilten Weisungen erfolgte. In diesem Sinne führt der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20.12.2002, 99/02/0220, aus, dass der Hinweis auf die Betrauung Dritter mit Kontrollaufgaben, auf die Erteilung entsprechender Weisungen und auf stichprobenartige Überprüfungen nicht den Anforderungen an ein wirksames Kontrollsystem genügt (vgl. auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichteshofes vom 23.5.2006, 2005/02/0248). Insbesondere bemängelt der Verwaltungsgerichtshof, dass der Beschwerdeführer nicht geltend gemacht hat, dass er etwa die Einhaltung der erteilten Aufträge und Weisungen während deren Ausführung überprüft hätte. „Gerade für den Fall, dass die Arbeitnehmer aus eigenem Antrieb aufgrund eigenmächtiger Handlungen gegen die Arbeitnehmerschutzvorschriften verstoßen, hat das entsprechende, vom Arbeitgeber eingerichtete Kontrollsystem Platz zu greifen. Im Beschwerdefall zeigt jedoch das eigenmächtige Verhalten des verunfallten Arbeitnehmers zum Tatzeitpunkt, dass kein wirksames Kontrollsystem im Sinn der hg. Judikatur vorhanden war“.

 

Im Sinn dieser Judikatur ist das Vorbringen des Bw nicht ausreichend, ihn von seinem Verschulden zu befreien. Insbesondere hat das Beweisverfahren ergeben, dass der Bw selbst nie auf der Baustelle war. Es war daher eine lückenlose Kontrolle von vornherein nicht gegeben. Darüber hinaus reicht es aber nach der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht aus, dass Schulungen und Unterweisungen durchgeführt wurden, sondern es ist auch die Einhaltung der angewiesenen Maßnahmen entsprechend lückenlos zu kontrollieren. Insbesondere wurde nicht dargelegt und unter Beweis gestellt, welche Maßnahmen konkret der Bw getroffen hat, um Verstöße gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften hinanzuhalten. Der Verwaltungsgerichtshof hat mehrmals ausgesprochen, dass ein lückenloses Kontrollsystem insbesondere auch für den Fall Platz zu greifen hat, dass Arbeitnehmer – wie hier konkret der Außendienstmitarbeiter – aus eigenem Antrieb aufgrund eigenmächtiger Handlungen gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften verstoßen. Das Kontrollsystem soll nämlich genau dazu dienen, dass eigenmächtige Vorgangsweisen der Arbeitnehmer nicht eintreffen und soll das Kontrollsystem verhindern, dass gegen das Wissen und gegen den Willen des Arbeitgebers Arbeitnehmer Handlungen treffen und Arbeitnehmerschutzvorschriften außer Acht lassen (z.B. Erkenntnis vom 26.9.2008, Zl. 2007/02/0317, und vom 24.9.2010, Zl. 2009/02/0097-5). Es genügt daher nicht, dass außer der Lieferung Montagearbeiten nicht vorgesehen sind und auch Außendienstmitarbeiter keine Montagearbeiten durchführen dürfen. Vielmehr ist nach den Anforderungen des Verwaltungsgerichtshofes durch ein lückenloses Kontrollsystem auch die Einhaltung dieser Anweisung sicherzustellen und zu kontrollieren.

 

Es hat daher der Bw die Tat in subjektiver Hinsicht zu verantworten, weshalb der Schuldspruch zu Spruchpunkt 2) des angefochtenen Straferkenntnisses zu bestätigen war.

 

5.4. Hinsichtlich Spruchpunkt 1) des angefochtenen Straferkenntnisses ist aber darauf hinzuweisen, dass gemäß § 22 Abs.1 VStG Strafen nebeneinander zu verhängen sind, wenn eine  Tat unter mehrere einander nicht ausschließende Strafdrohungen fällt.

Von einer unechten (scheinbaren) Idealkonkurrenz (auch Gesetzeskonkurrenz) spricht man aber dann, wenn der Täter zwar nur eine deliktische Handlung begangen hat, die jedoch Merkmale mehrerer Deliktstypen aufweist, wobei aber mit der Unterstellung unter einen Deliktstypus der Unrechtsgehalt voll erfasst wird. So kommt es für das in Art.4 Abs.1, 7. Zusatzprotokoll zur EMRK verankerte Verbot der Doppelbestrafung nicht darauf an, welcher Sachverhalt in den jeweiligen Strafverfahren erhoben wurde; maßgebend ist vielmehr, dass der in einem Strafverfahren herangezogene Deliktstypus den Unrechts- und Schuldgehalt eines Täterverhaltens vollständig erschöpft, sodass ein weitergehendes Strafbedürfnis entfällt, weil das eine Delikt den Unrechtsgehalt des anderen Delikts in jeder Beziehung mitumfasst (Hauer-Leukauf, Handbuch des österr. Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage, S 1377 und E67 mit Judikaturnachweisen).

Weil die Bestimmung des § 87 Abs.2 BauV ebenfalls technischen Gefahrenschutz vorschreibt, aber über den allgemeinen Grundsatz des § 7 AschG hinaus speziell für Arbeiten auf Dächern mit bestimmter Neigung und bestimmter Absturzhöhe gilt, sind hier zusätzliche Deliktsmerkmale gegeben und geht daher die Bestimmung des § 87 Abs.2 BauV als speziellere Bestimmung der Bestimmung des § 7 AschG vor. Mit der Nichtbeachtung der Anordnung der Herstellung von technischen Sicherheitsmaßnahmen gemäß § 87 Abs.2 BauV ist somit auch der allgemeine Grundsatz des Vorranges des kollektiven Gefahrenschutzes mitumfasst und miterfüllt und liegt daher auch kein weiteres Bedürfnis einer weiteren Bestrafung vor. Es ist daher aufgrund der Spezialität lediglich eine scheinbare Konkurrenz vorhanden, sodass wegen desselben Delikts der Beschuldigte nicht noch einmal nach einer anderen Bestimmung zur Verantwortung gezogen werden kann, weil dies dem Doppelbestrafungsverbot widersprechen würde. Aus diesem Grunde war daher der Tatvorwurf zu Spruchpunkt 1) des Straferkenntnisses aufzuheben und das diesbezügliche Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG einzustellen.

 

5.5. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat (Abs.1).

Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung des Bescheides soweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist.

 

Die belangte Behörde hat bei der Strafbemessung die bisherige Unbescholtenheit als Strafmilderungsgrund gewertet. Besonders berücksichtigt wurde der Unrechtsgehalt der Tat, insbesondere die große Absturzhöhe von ca. 12,40 m. Dies ist ein erheblicher Eingriff in den Schutzzweck der Norm, zumal durch die Arbeitnehmerschutzbestimmung das Leben und die Gesundheit der Arbeitnehmer geschützt werden soll und durch die konkrete Arbeitssituation in erheblichem Maß das schützenswerte Interesse der Arbeitnehmer gefährdet war. Die persönlichen Verhältnisse wurden mangels Angaben des Bw mit einem monatlichen Nettoeinkommen von ca. 2.500 Euro, keinem Vermögen und keinen Sorgepflichten geschätzt. Diesen Ausführungen hat der Bw kein Vorbringen entgegengesetzt. Auch brachte er keine weiteren Milderungsgründe vor und kamen auch solche während des Berufungsverfahrens nicht hervor. Es kann daher vom erkennenden Verwaltungssenat nicht gefunden werden, dass die belangte Behörde bei dem ihr bei der Strafbemessung zukommenden Ermessen in gesetzwidriger Weise vorgegangen wäre. Die verhängte Geldstrafe liegt im untersten Bereich des gesetzlichen Strafrahmens und ist auch im Hinblick auf die persönlichen Verhältnisse des Bw nicht überhöht. Sie ist vielmehr dem Unrechts- und Schuldgehalt der Tat angepasst. Es konnte daher auch die verhängt Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe bestätigt werden. Da nur der Milderungsgrund der Unbescholtenheit vorliegt, ein erhebliches Überwiegen von Milderungsgründen daher nicht festzustellen war, waren die Voraussetzungen für eine außerordentliche Milderung gemäß § 20 VStG nicht gegeben. Auch liegt nicht Geringfügigkeit des Verschuldens vor, da das tatbildmäßige Verhalten des Bw nicht weiter hinter dem in der Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt der Tat zurückbleibt. Es war daher auch nicht mit einem Absehen von der Strafe gemäß § 21 VStG vorzugehen.

 

6. Weil die Berufung hinsichtlich Faktum 1 des Straferkenntnisses Erfolg hatte, entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge gemäß § 66 Abs.1 VStG zum Spruchpunkt 1). Hinsichtlich Spruchpunkt 2) des Straferkenntnisses wurde jedoch der Berufung keine Folge gegeben und war daher ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat gemäß § 64 VStG in der Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafe, das sind 300 Euro, festzusetzen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. Ilse Klempt

 

 

Beschlagwortung: Kontrollsystem

 

 

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