Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281281/55/Wim/Bu

Linz, 31.08.2011

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Leopold Wimmer über die Berufung des Arbeitsinspektorates Vöcklabruck gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis vom 4.11.2010, Ge96-1-2010, mit welchem ein gegen Herrn X, vertreten durch X – X Rechtsanwälte GmbH, Linz, eingeleitetes Verwaltungsstrafverfahren wegen Übertretung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften eingestellt wurde, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 31.5.2011 zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben.

 

Herr X, X, X, hat als verantwortlich Beauftragter der Berglandmilch reg.Gen.m.b.H für die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften folgende Ver­waltungs­über­tretung zu verantworten:

 

Die X reg.Gen.m.b.H hat am 6.10.2009 um ca. 20.00 Uhr in dem von ihr betriebenen Werk in X, X, nicht dafür gesorgt, dass das Arbeitsmittel "Käsemischtrommel" während Reinigungsarbeiten nicht eingeschaltet werden konnte, obwohl Einstell- Wartungs-, Instandhaltungs- und Reinigungsarbeiten sowie Arbeiten zur Beseitigung von Störungen nicht an in Betrieb befindlichen Arbeitsmittel durchgeführt werden dürfen und durch geeignete Maßnahmen ein unbeabsichtigtes, unbefugtes oder irrtümliches Einschalten der Arbeitsmittel zu verhindern ist. Die X reg.Gen.m.b.H hat dadurch die Verpflichtungen betreffend die Beschaffenheit, die Aufstellung, die Benutzung, die Prüfung oder die Wartung von Arbeitsmitteln verletzt.

Durch das Fehlen geeigneter Maßnahmen konnte es geschehen, dass der Arbeitnehmer X schwer verletzt wurde, als er mit der rechten Hand Reinigungsarbeiten in der Mischtrommel durchgeführt hat und das Rührwerk dabei eingeschaltet wurde.

 

Dies stellt eine Verwaltungsübertretung nach § 130 Abs. 1 Z16 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz – ASchG iVm. § 17 Abs. 1 Arbeitsmittelverordnung – AM-VO dar.

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über den Beschuldigten gemäß § 130 Abs. 1 Einleitungssatz ASchG eine Geldstrafe von 800 Euro, im Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 48 Stunden verhängt.

Ferner sind 80 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens gemäß § 64 VStG zu zahlen, dass sind 10 % der Strafe.

 

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe und Kosten) beträgt daher 880 Euro.

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 - AVG iVm §§ 19, 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991  - VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde gegen den Beschuldigten das Verwaltungsstrafverfahren wegen der im Spruch angeführten Übertretung eingestellt. Die Erstbehörde hat dazu ausgeführt, dass ihrer Auffassung nach eine unzulässige Doppelbestrafung vorliege.

 

2. Dagegen wurde rechtzeitig vom zuständigen Arbeitsinspektorates Berufung erhoben und zusammengefasst im Wesendlichen ausgeführt, dass gegen den Beschuldigten von der Staatsanwaltschaft Ried wegen des Verdachtes des § 88 StGB ermittelt worden sei und dieses Ermittlungsverfahren die Staatsanwaltschaft gemäß § 190 StPO eingestellt habe. Nach Auffassung des Arbeitsinspektorates würde in diesem Fall jedoch keineswegs eine Verletzung des Doppelbestrafungsverbotes vorliegen. Die Einstellung des Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft gemäß §190 StPO sei keine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung im Sinne des Art. 4 des 7. ZB-EMRK, weil diese nicht aufgrund eines strafgerichtlichen Verfahrens erfolge. Ein gerichtliches Strafverfahren habe noch gar nicht stattgefunden, da die Prüfung durch die Anklagebehörde erst die Frage zum Gegenstand hatte, ob überhaupt ein gerichtliches Strafverfahren einzuleiten sei. Überdies könne die Staatsanwaltschaft gemäß § 193 Abs. 2 StPO bis zum Eintritt der Strafbarkeitsverjährung die Fortführung eines nach § 190 beendeten Ermittlungsverfahrens anordnen, sodass auch von einer rechtskräftigen Entscheidung keine Rede sein könne. Außerdem würden die Delikte des § 88 StGB mit der nunmehrigen vorgeworfenen Übertretung der Arbeitsmittel­verordnung nicht denselben Unrechtsgehalt haben. Eine Bestrafung wegen der Übertretung des § 17 Abs. 1 AM-VO erfolge nicht wegen Körperverletzung sondern weil eine der genannten Arbeiten an einem im Betrieb befindlichen Arbeitsmittel durchgeführt worden sei. Die Verwaltungsübertretung liege auch dann vor, wenn es zu keiner Körperverletzung komme. Auch hinsichtlich des Verschuldens bestehe ein gravierender Unterschied, weil es sich bei der Verwaltungsübertretung um ein Ungehorsamsdelikt handle, bei dem Fahrlässig­keit gesetzlich vermutet werde solange der Beschuldigte nicht seine Unschuld glaubhaft mache. Nach Auffassung des Arbeitsinspektorates würden sich die beiden Straftatbestände von einander in wesentlichen Elementen und in ihrem jeweiligen Schuld- und Unrechtsgehalt unterscheiden, sodass auch aus diesem Grund die Fortführung des Verwaltungsstrafverfahrens und die Verhängung einer Verwaltungsstrafe nicht gegen das Doppelbestrafungsverbot verstoße.

 

Es wurde der Antrag gestellt, den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass gegen den Beschuldigten wegen Übertretung des § 17 Abs. 1 der Arbeitsmittelverordnung die vom Arbeitsinspektorat mit Anzeige vom 7. Jänner 2010 beantragte Verwaltungsstrafe von 1.000 Euro gemäß § 130 Abs. 1 Z16 ASchG verhängt werde.

 

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben, durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verfahrensakt sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 31.5.2011 in welcher an Ort und Stelle ein Lokalaugenschein vorgenommen wurde, der Beschuldigte und als Zeugen der Werksleiter, der anzeigende Arbeitsinspektor, der langjährige Leiter des Arbeitsinspektorates Vöcklabruck, der verunfallte Arbeitnehmer, der Arbeitnehmer der Gegenschicht, die Sicherheitsfachkraft, sowie der Instandhaltungsleiter als Zeugen einvernommen wurden.

 

3.2. Vom Rechtsvertreter des Beschuldigten wurde im Berufungsverfahren vorgebracht, dass auf seine bisherigen Äußerungen verwiesen werde und das bisherige Vorbringen. Das in der Verhandlung durchgeführte Beweisverfahren habe gezeigt, dass es im Unternehmen ein wirksames und effizientes Sicherheits- und Kontrollsystem gebe. So gebe es klare Anweisungen und seien bis auf den Zeugen Lechner alle Arbeitnehmer auch damit vertraut. Weiters habe es bisher keine Beanstandungen weder innerbetrieblich noch auch von Seiten des kontrollierenden Arbeitsinspektorates gegeben, sodass für den Beschuldigten ein derartiger Unfall nicht vorhersehbar gewesen sei, der auch bei ordnungsgemäßer Durchführung nicht stattfinden hätte können. Fraglich sei somit wie ein rechtmäßiges Alternativverhalten überhaupt von statten hätte gehen sollen.

 

Im erstinstanzlichen Verfahren wurde vorgebracht, dass den Beschuldigten kein Verschulden an der gegenständlichen Übertretung treffe. Es würde eine Dienstanweisung bestehen, dass vor jeder Reinigung die Maschinen abgeschaltet werden müssten und nach Maßgabe der angesprochenen Dienstanweisung bei der Käsemischtrommel der Hauptschalter auszuschalten und der Netzstecker herauszuziehen sei. Dadurch erfolge eine Stromausschaltung die sicherstelle, dass sich das Rührwerk während der Reinigungsarbeiten nicht mehr in Bewegung setze.

Entgegen dieser bestehenden Dienstanweisung habe Herr X nach Produktionsschluss offensichtlich darauf vergessen den Hauptschalter auszu­schalten und den Netzstecker zu ziehen. Weiters sei anzunehmen, dass die Reinigung entgegen der Dienstanweisung nicht durch die durch das Beiseiteschieben der Anlage frei werdende Einlauf- und Auslauföffnung erfolgt sei, sondern durch den auf der Oberseite der Anlage befindlichen Deckel, der als fest verschraubte Verkleidung ausgeführt sei.

Die im Betrieb beschäftigte Sicherheitsfachkraft habe am 20.2.2008 im Rahmen eines Sicherheits- und Gesundheitsschutzdokumentes sämtliche einzuhaltenden Sicherheitsmaßnahmen erstellt. Das Unternehmen habe in regelmäßigen Abständen Schulungen und Belehrungen der Mitarbeiter insbesondere auch im Hinblick auf das sichere und ordnungsgemäße Bedienen und Reinigen der Maschinen durchgeführt und dabei stets auch auf die Dienstanweisung hingewiesen. An diesen Schulungen habe auch der verunfalle Arbeitnehmer teilgenommen und sei daher unfassend über die Gefahren einer allfälligen ordnungswidrigen Bedienung der Maschine informiert gewesen.

 

Der § 17 Arbeitsmittelverordnung überlasse es bewusst dem Arbeitgeber geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um Unfälle wie den gegenständlichen zu vermeiden. Während des jahrelangen Einsatzes dieser Käsemischtrommel sei es bisher noch zu keinen Unfällen im Zusammenhang mit Arbeiten bzw. Reinigungstätigkeiten gekommen. Die Arbeitgeberin habe geeignete Maßnahmen gesetzt, um ein unbeabsichtigtes, unbefugtes oder irrtümliches Einschalten der Arbeitsmittel zu verhindern. Es sei jedoch durch die Arbeitsmittelverordnung weder vorausgesetzt noch vom Arbeitgeber abverlangt, dass durch diese Maßnahme jegliche Risken und Gefahren bei Einsatz der Arbeitsmittel auszuschließen seien. Die gesetzten Maßnahmen seien Dienstanweisungen, die Erstellung eines Sicherheits- und Gesundheitsschutzdokuments sowie die regelmäßigen Schulungen der Mitarbeiter. Der konkrete Arbeitsunfall sei auf Grund einer Unachtsamkeit sowie durch Verletzung einer konkreten Dienstanweisung verursacht worden und treffe den Beschuldigten daher kein Verschulden. Auch der nach dem Unfall angebrachte Notausschalter stelle keine Verbesserung des Zustandes dar, weil bei Nassreinigungen nicht auf die Funktion dieses Schalters vertraut werden könne.

 

3.3. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht von folgendem entscheidungs­wesentlichen Sachverhalt aus:

 

Der Beschuldigte ist verantwortlicher Beauftragter der X reg. GmbH für die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften im Werk X. In diesem Werk erfolgt die Verarbeitung und Verpackung von Käse. Dazu gibt es auch eine sogenannte Reibkäselinie in der Pizzakäse hergestellt wird. In dieser Produktionsanlage befindet sich auch eine Käsemischtrommel die den zerkleinerten Käse mit Maisstärkemehl mischt der dann in der Folge verpackt wird.

Diese Käsemischtrommel ist über eine elektrische Verbindung an einen Schaltkasten angeschlossen bei dem es neben einzelnen Bedienungsschaltern seitlich auch einen Hauptschalter und vorne einen Notausschalter gibt. Bei Betätigung eines dieser Schalter wird die Maschine stromlos geschaltet.

 

Die Anlage wird im Zweischichtbetrieb gefahren und ist es üblicherweise so, dass zwischen 19.15 Uhr und 19.30 Uhr die Produktion eingestellt wird und mit den Reinigungsarbeiten dieser Produktionsstraße begonnen wird. Um ca. 20.00 Uhr hat der Arbeitnehmer Herr X die Käsemischtrommel gereinigt. Dazu hat er weder den Hauptschalter noch den Notausschalter betätigt noch den Stecker des elektrischen Anschlusses der Maschine vom Schaltkasten gezogen. Er hat die Maschine auch nur teilweise aus der Produktionsstraße heraus geschoben, soweit dies die angesteckte Stromleitung zuließ.

Er hat dazu auch den Oberdeckel dieser Mischtrommel abgeschraubt, der mit Flügelmuttern befestigt war und üblicherweise auch für derartige Reinigungsarbeiten zu entfernen ist.

Im Zuge der Durchführung der Reinigungsarbeiten als er im Inneren der Mischtrommel hantierte, setzte sich das Rührwerk wieder in Bewegung und quetschte seinen Arm ein, sodass dieser schwer verletzt wurde und der Arbeitnehmer insgesamt sieben Monate im Krankenstand war.

 

Die Reinigungsarbeiten werden erst am Abend durchgeführt gegen Ende der zweiten Schicht zu einem Zeitpunkt an dem in der Regel keine Vorgesetzten insbesondere auch der Beschuldigte als verantwortlich Beauftragter sowie die Sicherheitsvertrauenspersonen und die Sicherheitsfachkraft nicht anwesend ist

 

Im gegenständlichen Betrieb gab es die grundsätzliche Anweisung, dass bei elektrischen Geräten für Reinigungsarbeiten diese grundsätzlich stromlos zu machen sind und auch Hauptschalter bzw. Stecker zu ziehen sind. Der verletzte Arbeitnehmer gab an, nicht genau über die Dienstanweisung Bescheid gewusst zu haben.

 

Die gegenständliche Käsemischtrommel war bei Öffnen des Oberdeckels nicht mit Kontaktschaltern ausgestattet, die diese bei Abnahme des Deckels stromlos schalten würden. Erst nach dem Unfall wurden derartige Kontaktschalter angebracht. Die Käsemischtrommel wurde dann nach einigen Monaten durch eine völlig neuartige Anlage ersetzt, die völlig eingehaust ist und von unbefugtem Zutritt geschützt ist.

 

Im Unternehmen gibt es regelmäßige in etwa halbjährliche Schulungen bei denen auch Arbeitnehmersicherheit immer wieder ein Thema ist und die auch vom verunfallten Arbeitnehmer besucht wurden.

Weiters gibt es eine externe Sicherheitsfachkraft, die auch ein Sicherheits- und Gesundheitsdokument für diese Käsereibeanlage erstellt hat. Überdies werden regelmäßige Sicherheitsbegehungen durchgeführt und werden auch morgendliche Frühbesprechungen abgehalten an denen die Sicherheitsver­trauens­personen teilnehmen und wo auch sicherheitsrelevante Umstände besprochen werden.

 

Vor dem gegenständlichen Arbeitsunfall hat es noch keinerlei Beanstandungen weder im Unternehmen intern noch durch das Arbeitsinspektorat gegeben und ist es auch im Betrieb noch zu keinerlei größeren Arbeitsunfällen bisher gekommen, insbesondere auch nicht bei der angesprochenen Käsemischtrommel.

 

Gegen den Beschuldigten wurde aufgrund einer Anzeige des Arbeitsinspektorates Vöcklabruck vom Bezirksanwalt der Staatsanwaltschaft Ried gemäß § 190 Z2 StPO ein Verfahren wegen des Verdachtes der Übertretung des § 88 StGB eingestellt.

 

3.4. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem erstinstanzlichen Verfahrensakt und dem durchgeführten Beweisverfahren der Erstbehörde und insbesondere auch aus dem umfassenden Ermittlungsverfahren durch den Unabhängigen Verwaltungssenat. Er wurde im Rahmen der gemachten Feststellungen auch von keiner der Parteien bestritten.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 17 Abs. 1 AM-VO dürfen Einstellungs-, Wartungs-, Instandhaltungs- und Reinigungsarbeiten sowie Arbeiten zur Beseitigung von Störungen nicht an in Betrieb befindlichen Arbeitsmitteln durchgeführt werden. Durch geeignete Maßnahmen ist ein unbeabsichtigtes, unbefugtes oder irrtümliches Einschalten der Arbeitsmittel zu verhindern.

 

Gemäß § 130 Abs. 1 Z16 begeht eine Verwaltungsübertretung die mit Geldstrafe von 145 Euro bis 7.260 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 290 Euro bis 14.530 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitsgeber entgegen diesem Bundesgesetz oder den dazu erlassenen Verordnungen die Verpflichtungen betreffend Beschaffenheit, die Aufstellung, die Benutzung, die Prüfung oder die Wartung von Arbeitsmitteln verletzt.

 

Gemäß § 190 der Strafprozessordnung 1975 (StPO) hat die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung einer Straftat abzusehen und das Ermittlungsverfahren insoweit einzustellen, als

1. Die dem Ermittlungsverfahrens zu Grunde liegende Tat nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht ist oder sonst die weitere Verfolgung des Beschuldigten aus rechtlichen Gründen unzulässig wäre oder

2.  kein tatsächlicher Grund zur weiteren Verfolgung des Beschuldigten besteht.

 

Gemäß Art. 4 Abs. 1 des 7. ZP-EMRK darf niemand wegen einer Straftat, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut verfolgt oder bestraft werden.

 

4.2. Nach diesem sogenannten Doppelbestrafungsverbot ist grundsätzlich ein Verwaltungsstrafverfahren dann nicht zulässig, wenn es sich um eine gerichtlich strafbare Tat handelt und im gerichtlichen Verfahren  ein Freispruch oder eine Verurteilung erfolgt ist.

 

Im gegenständlichen Fall hat der Bezirksanwalt der Staatsanwaltschaft Ried gemäß § 190 Z 2 StPO von der Verfolgung einer Straftat abgesehen und das Ermittlungsverfahren eingestellt. Nach Ansicht des Unabhängige Verwaltungssenates ist hier den Ausführungen des Arbeitsinspektorates Vöcklabruck in der Berufung beizupflichten als es sich dabei um keine gerichtliche Entscheidung in Form eines Urteils oder eines Freispruchs handelt. Es sind daher sehr wohl auch die bisherigen in der Berufung zitierten Entscheidungen des Verwaltungs- und Verfassungsgerichtshofes zum alten § 90 StPO auf den nunmehrigen Fall anzuwenden.

 

Überdies trifft es zu, dass die Staatsanwaltschaft gemäß § 193 Abs. 2 StPO bis zum Eintritt der Strafbarkeitsverjährung die Fortführung eines nach § 190 beendeten Ermittlungsverfahrens anordnen könnte, sodass auch von einer rechtskräftigen Entscheidung keine Rede sein kann. Das Doppelbestrafungsverbot ist somit auf das konkrete Verwaltungsstrafverfahren schon aus diesen Gründen nicht anzuwenden.

 

4.3. Fest steht und wurde dies durch den Arbeitsunfall leider bestätigt, dass die Durchführung von Reinigungsmaßnahmen an der Käsemischtrommel möglich war ohne ein unbeabsichtigtes, unbefugtes oder irrtümliches Einschalten des Arbeitsmittels auszuschließen. Gerade auch der Umstand, dass sich der Verletzte Arbeitnehmer nicht an die Dienstanweisungen gehalten hat und die  Maschine nicht stromlos gemacht hat, aber dennoch Reinigungsarbeiten von ihm durchgeführt werden konnten indem er den Oberdeckel abgeschraubt hat und dadurch eben nicht ein unbeabsichtigtes Einschalten des Arbeitsmittels verhindert wurde, zeigt, dass die getroffenen Maßnahmen, die im Grunde nur in Dienstanweisungen bestanden haben, nicht ausreichend waren. Der objektive Tatbestand der Übertretung ist somit aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens als erfüllt anzusehen.

 

4.4. Hinsichtlich des Verschuldens ist auszuführen, dass es sich bei der angeführten Übertretung um ein sogenanntes Ungehorsamsdelikt gemäß § 5 Abs. 1 VStG handelt, bei dem Fahrlässigkeit dann ohne weiteres anzunehmen ist, wenn der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Um ein Verschulden auszuschließen muss der Beschuldigte ein entsprechend wirksames Kontrollsystem eingerichtet haben. Dazu hat er initiativ von sich aus darzulegen, dass er alle Maßnahmen getroffen hat,  die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzliche Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen. Die bloße Erteilung von Weisungen reicht nicht aus, sondern entscheidend ist deren wirksame Kontrolle.

 

Durch das Beweisverfahren wurde durchaus glaubwürdig vermittelt, dass es im Unternehmen die generelle Anweisung gab, beim Reinigen von elektrischen Geräten, diese vorher stromlos zu machen. Es wurde dies auch in Schulungen immer wieder vermittelt. Der Umstand, dass die Reinigungsarbeiten erst am Abend durchgeführt werden gegen Ende der zweiten Schicht, zu einem Zeitpunkt an dem in der Regel keine Vorgesetzten insbesondere auch der Beschuldigte als verantwortlich Beauftragter sowie die Sicherheitsvertrauenspersonen und die Sicherheitsfachkraft nicht anwesend ist, stellt einen Mangel im Kontrollsystem dar. Insbesondere hätte bei derartigen Kontrollen die Möglichkeit bestanden ein allfälliges vorheriges Fehlverhalten des verletzten Arbeitnehmers hier festzustellen und entsprechend eingreifen zu können durch Nachschulungen und entsprechende Unterweisungen und Verwarnungen.

 

Die bloße Erteilung der Dienstanweisungen reicht nicht aus, sondern muss eben gerade durch die gesetzten Maßnahmen auch einem möglichen Fehlverhalten eines Arbeitnehmers entgegen gewirkt werden und auch der Risikofaktor Mensch in die allgemeinen Überlegungen für die Arbeitnehmersicherheit einbezogen werden. Auch der Umstand, dass der verletzte Arbeitnehmer angibt, nicht genau über die Dienstanweisung Bescheid gewusst zu haben, trotz mehrmaliger Teilnahme der Schulungen zeigt, dass hier offensichtlich darauf, ob die Schulungsinhalte auch verstanden wurden etwas zu wenig Wert gelegt worden ist.

 

Im Unternehmen des Beschuldigten gibt es durchaus Kontrolleneinrichtungen in Form der Frühbesprechungen, der Sicherheitsvertrauenspersonen, der Sicherheitsschulungen und auch in Form der externen Sicherheitsfachkraft. Das System hat aber nicht ausgereicht um den konkreten Arbeitsunfall zu verhindern, da die Einhaltung der Dienstanweisungen nicht ausreichend kontrolliert worden ist und auch die entsprechenden technischen Vorrichtungen gegen ein unbefugtes Ingangsetzen, wie sie nachher z.B. durch die Kontaktschalter hergestellt wurden, vorher nicht angebracht waren und dies offensichtlich auch nicht als Problemstelle erkannt worden ist.

 

Der Beschuldigte hat die Übertretung daher auch in subjektiver Hinsicht zu verantworten.

 

4.5. Gemäß § 19 Abs. 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Gemäß §19 Abs. 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 StGB sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafbemessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die von der Behörde nach den vom Gesetzgeber in § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen ist. Eine Rechtswidrigkeit bei der Strafbemessung liegt dann nicht vor, wenn die Behörde von dem ihr eingeräumten Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat. Demgemäß obliegt es der Behörde die Befolgung des § 60 AVG in der Begründung des Bescheides die für die Ermessensausübung maßgeblichen Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Ziel des Gesetzes erforderlich ist.

 

Grundsätzlich handelt es sich bei der Übertretung hinsichtlich des Beschuldigten um eine Erstübertretung, sodass ein Strafrahmen von 145 bis 7.260 Euro in Betracht kommt. Weiters ist ihm zugute zu erhalten, dass durchaus während der Verhandlung der Eindruck vermittelt wurde, dass ihm und  auch dem Unternehmen an und für sich die Arbeitnehmersicherheit ein wichtiges Gut ist und entsprechende (wenn auch nicht ausreichende) Kontrollmaßnahmen hier bestehen. Im Gegenzug ist aber festzustellen, dass es in Folge der Übertretung zu einem sehr  schweren Arbeitsunfall gekommen ist und somit schwerwiegende Folgen vorliegen. Mildernd wirkt wiederum die bisherige Unbescholtenheit des Beschuldigten. Auch die lange Gesamtverfahrensdauer wirkt mildernd. Im Rahmen dieser Gesamtumstände war auch unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse der im Strafantrag und in der Berufung des Arbeitsinspektorates geforderten keinesfalls überhöhten Geldstrafe nicht vollständig nachzukommen sondern nur die im Spruch verhängte Geldstrafe auszusprechen.

 

Von der Anwendung der Bestimmungen der § 20 und 21 VStG (außerordentliche Strafmilderung bzw. Absehen von der Strafe war abzusehen, da die dafür erforderlichen kumulativen Voraussetzungen nicht gegeben sind. Die Voraussetzungen des § 21 liegen schon deshalb nicht vor, da es wie gesagt zu einem konkreten Arbeitsunfall kam und somit hier nicht von unbedeuteten Folgen der Übertretung entsprochen werden kann. Auch die Voraussetzungen für die außerordentliche Milderung der Strafe gemäß § 20 VStG liegen nicht vor, da ein Überwiegen der Milderungsgründe gegenüber den Erschwerungsgründen nicht gegeben ist.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden. Die nur mehr festgesetzte Geldstrafe erscheint noch ausreichend, um den Beschuldigten in Zukunft von weiteren gleichartigen Übertretungen abzuhalten.

 

Der festgesetzte Verfahrenskostenbeitrag ergibt sich aus den gesetzlichen Bestimmungen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­gerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Dr. Leopold Wimmer

 

 

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

VwGH vom 19.03.2013, Zl.: 2011/02/0317-5 

 

 

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