Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-401104/5/WEI/Sta

Linz, 08.08.2011

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Beschwerde der X X X, geb. X, iranische Staatsangehörige, vertreten durch Mag. Dr. X X, Rechtsanwalt in X, X, wegen Rechtswidrigkeit der Anhaltung in Schubhaft seit 28. März 2011 durch den Bezirkshauptmann von Vöcklabruck zu Recht erkannt:

 

 

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

 

II. Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Verfahrenspartei BH Vöcklabruck) den notwendigen Verfahrensaufwand in Höhe von 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 und 83 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG (BGBl I Nr. 100/2005, zuletzt geändert mit BGBl I Nr. 135/2009) iVm §§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm UVS-Aufwandersatzverordnung 2008 (BGBl II Nr. 456/2008).

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Der unabhängige Verwaltungssenat geht auf Grund der Aktenlage vom nachstehenden Gang des Verfahrens und Sachverhalt aus:

 

1.1. Mit Mandatsbescheid vom 4. März 2011, Zl. Sich 40-1369-2011, ordnete die belangte Behörde gegen die Beschwerdeführerin (im Folgenden nur Bfin) die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes sowie zur Sicherung der Abschiebung auf der Grundlage des § 76 Abs 1 FPG an. Den Bescheid hatte die Bfin nach Übersetzung durch einen Dolmetscher für Farsi noch am gleichen Tag übernommen. Sie wurde daraufhin zum Vollzug der Schubhaft ins polizeiliche Anhaltezentrum (PAZ) der Bundespolizeidirektion Salzburg überstellt.

 

1.2. Aus dem Schubhaftbescheid und der Aktenlage ergibt sich der folgende unbestrittene Sachverhalt:

 

Die Bfin reiste über Wien-Schwechat mit iranischem Reisepass und gefälschtem französischen Visum in Österreich ein. Sie wurde am 24. Jänner 2011 im Zuge ihrer illegalen Einreise festgenommen. Daraufhin stellte sie einen Asylantrag und wurde nach Erstbefragung durch die Polizei Schwechat in die Erstaufnahmestelle (EASt) Ost überstellt, wo ihr eine bundesbetreute Unterkunft zugewiesen wurde. Die Bfin hat keine Verwandten oder Bezugspersonen in Österreich. Sie reiste in Begleitung des ebenfalls illegal eingereisten iranischen Staatsangehörigen X X X, geb. X.

 

Das erste Asylverfahren der Bfin zur Zahl 11 00.747 wurde am 27. Jänner 2011 zugelassen und das Verfahren dem Bundesasylamt (BAA), Außenstelle Graz, zugewiesen. Die am 28. Jänner 2011 zugewiesene landesbetreute Unterkunft in X verließ die Bfin bereits am 29. Jänner 2011 und tauchte in die Anonymität ab.

 

Mit Bescheid des BAA, Außenstelle Graz, vom 9. Februar 2011 wurde das Asylbegehren gemäß §§ 3, 8 10 AsylG 2005 abgewiesen, die Zulässigkeit der Abschiebung der Bfin in den Iran festgestellt und diese ausgewiesen. Der Bescheid wurde mangels eines bekannten Aufenthalts der Bfin ohne vorangehenden Zustellversuch im Akt der Asylbehörde hinterlegt. Eine Beschwerde hat die Bfin innerhalb der offenen Rechtsmittelfrist von 2 Wochen nicht eingebracht.

 

Am 14. Februar 2011 langte ein Übernahmeersuchen Deutschlands im Dublinverfahren ein, dem am 15. Februar 2011 die Zustimmung erteilt wurde. Dabei wurde bekannt, das sich die Bfin einen gefälschten rumänischen Personalausweis organisiert hatte und von Graz über Linz nach Deutschland gereist war. Sie wurde am 2. Februar 2011 von der deutschen Polizei Lindau festgenommen, die bei ihr ein Zugticket von Linz nach Paris vorfand und sicherstellte. In der Folge wurde festgestellt, dass sie als Asylwerberin in Österreich aufscheint. Ihr weiterer Asylantrag in Deutschland wurde zurückgewiesen und die Bfin in der Folge am 4. März 2011 nach dem Dublinabkommen am Landweg über Lindau/X nach Österreich zurück überstellt. Sie wurde daraufhin durch die PI X in die Erstaufnahmestelle West gebracht.

 

Die Festnahme der Bfin im Auftrag der belangten Behörde erfolgte am 4. März 2011 um 16:15 Uhr und in der Folge wurde die Schubhaft verhängt.

 

Die belangte Behörde ging davon aus, dass die Bfin nicht davor zurückschrecke, in die Anonymität abzutauchen, falsche Personalien anzugeben und gefälschte Dokumente zu verwenden, um das Land ihrer Wahl durch illegale Grenzübertritte zu erreichen. Auf Grund des illegalen Aufenthalts und der asylrechtlichen Ausweisung hatte die belangte Behörde die Abschiebung für den 22. März 2011 auf dem Luftweg über Wien-Schwechat organisiert und den Flug OS 871 mit der Austrian Airlines nach Teheran samt Begleitpersonen gebucht, welcher Termin der Bfin bereits am 4. März 2011 gemäß § 67 Abs 4 FPG in Farsi bekannt gegeben wurde.

 

1.3. Die belangte Behörde führte im Schubhaftbescheid im Wesentlichen begründend aus, dass die Bfin durch ihr Verhalten habe erkennen lassen, unter keinen Umständen bereit zu sein, in den Iran zurückzukehren und sich zur Verfügung der Behörden zu halten. Das BAA, Außenstelle Graz, habe keine Verfolgungsgründe im Herkunftsland gesehen. Die Bfin sei nicht bereit, diese Entscheidung zu akzeptieren, und werde sich der Umsetzung widersetzen. Sie sei nicht integriert, könne die Mittel zum Unterhalt nicht aufbringen und komme ihr auch keine Grundversorgung mehr zu. Die Bfin sei in ihrer Lebensgestaltung flexibel und könne jederzeit in die Anonymität abtauchen, um sich fortlaufend in der Europäischen Union aufzuhalten. Eine Möglichkeit der Anwendung eines gelinderen Mittels scheide aus. Der Zweck der Schubhaft habe auf Grund der dargelegten Umstände durch Anwendung gelinderer Mittel nicht erreicht werden können. Die Schubhaft sei notwendig, um die fremdenpolizeilichen Maßnahmen gegen die Bfin und deren Ausreiseverpflichtung durchzusetzen.

 

1.4. Am 7. März 2011 stellte die Bfin einen Asylfolgeantrag zur Zahl 11 02.250. In der Asylinformationsdatei (AI) wurde dazu vom BAA vermerkt, dass die Kriterien des § 12a Abs 3 AsylG 2005 (kein faktischer Abschiebeschutz) erfüllt sind, weil die in Schubhaft befindliche Bfin innerhalb von 18 Tagen vor einem bereits festgelegten Abschiebetermin, über den sie nachweislich informiert worden ist, einen Asylantrag stellte. Eine entsprechende fremdenpolizeiliche Information des BAA EAST West vom 7. März 2011 gemäß § 22 Abs 11 AsylG 2005 an die belangte Behörde ist aktenkundig.

 

Mit fremdenpolizeilicher Mitteilung des BAA EAST West vom 18. März 2011 wurde der belangten Behörde mitgeteilt, dass der Bfin faktischer Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs 4 AsylG 2005 zuerkannt wurde. Daraufhin stornierte die belangte Behörde den für 22. März 2011 vorgesehenen Abschiebetermin.

 

Mit fremdenpolizeilicher Information vom 28. März 2011 teilte das BAA, Außenstelle Graz, zum ursprünglich bereist zugelassenen Erstasylverfahren Zl. 11 00.747-BAG mit, dass der Bescheid des BAA vom 9. Februar 2011 gemäß dem § 68 Abs 2 AVG von Amts wegen aufgehoben wurde. Dem elektronisch übermittelten Bescheid ist begründend zu entnehmen, dass durch den Bescheid vom 9. Februar 2011 niemandem ein Recht erwachsen sei und § 68 Abs 2 AVG im Einparteienverfahren eine Abänderung zu Gunsten der Partei ermögliche. Die Rechtsstellung des Bf werde durch die Aufhebung verbessert, weil nunmehr erneut über seinen Antrag auf internationalen Schutz inhaltlich zu entscheiden sei.

 

Die fremdenpolizeiliche Information betreffend die Aufhebung nach § 68 Abs 2 AVG wurde am 28. März 2011 um 14:52 Uhr der belangten Behörde auf elektronischem Wege übermittelt. Bereits mit dem am 28. März 2011 um 15:29 Uhr per E-Mail gesendeten Schreiben der belangten Behörde an das PAZ Salzburg wurde um unverzügliche Entlassung der Bfin aus der Schubhaft wegen Wegfalls des Schubhaftgrundes ersucht. Die Entlassungsbestätigung des PAZ Salzburg für 28. März 2011 um 16:00 Uhr wurde in der Folge per Telefax der belangten Behörde übermittelt. Auch den Haftmeldeunterlagen ist ein entsprechender Abgangsvermerk zu entnehmen.

 

1.5. Mit der beim Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich am 28. März 2011 per Telefax (06:37 Uhr) eingelangten Eingabe hat die Bfin durch ihren Rechtsvertreter Schubhaftbeschwerde erhoben und die kostenpflichtige Feststellung beantragt, dass die Anhaltung der Bfin in Schubhaft seit dem 28. März 2011 rechtswidrig sei.

 

2.1. Die Beschwerde geht im Grunde vom oben dargestellten Sachverhalt aus, führt in der Begründung aber aus, dass das BAA den Asylwerber gemäß § 28 AsylG zum Verfahren zuzulassen habe, wenn nicht binnen 20 Tagen nach Einbringung des Antrags – ausgenommen Dublinkonsultationen - zurückzuweisen sei. Die 20 Tagesfrist sei am 27. März 2011 verstrichen, so dass die Bfin zum Verfahren zugelassen sei.

 

Abgesehen davon sei das erste Asylverfahren gar nicht rechtskräftig abgeschlossen gewesen, weil dem BAA zumutbar gewesen wäre über das Eurodac-System auszuforschen, ob sich die Asylwerberin mittlerweile in einem anderen Land aufhält. Die Hinterlegung des Asylbescheides habe nur dann die Wirkung der Zustellung, wenn diese Bemühungen, eine neue Abgabestelle ausfindig zu machen, durchgeführt worden wären. Selbst wenn man diese Ansicht nicht teile, sei zu erwarten, dass dem gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Erhebung der Beschwerde gegen den hinterlegten Asylbescheid die aufschiebende Wirkung zuerkannt werde.

 

Außerdem lägen - nicht näher ausgeführte - Gründe vor, die die Anwendung gelinderer Mittel gebieten würden.

 

2.2. Die belangte Behörde hat ihre Verwaltungsakten mit Schreiben vom 5. April 2011, eingelangt am 14. April 2011, vorgelegt. Sie ist der Schubhaftbeschwerde entgegen getreten und hat deren kostenpflichtige Abweisung beantragt.

 

3. Der erkennende Verwaltungssenat hat auf Grundlage der vorgelegten Verwaltungsakten und unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens festgestellt, dass bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde der entscheidungswesentliche Sachverhalt hinreichend geklärt erscheint, weshalb von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden konnte.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Im vorliegenden Beschwerdefall ist das FPG noch in der Fassung BGBl I Nr. 135/2009 (vor FrÄG 2011) anzuwenden.

 

Gemäß § 9 Abs 2 FPG ist gegen die Anordnung der Schubhaft weder eine Vorstellung noch eine Berufung zulässig.

 

Gemäß § 82 Abs 1 FPG hat der Fremde das Recht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung den unabhängigen Verwaltungssenat anzurufen,

 

  1. wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;
  2. wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde oder
  3. wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs 1 FPG idF BGBl I Nr. 122/2009 ist zur Entscheidung über eine Beschwerde gemäß § 82 Abs 1 Z 2 oder 3 der unabhängige Verwaltungssenat zuständig, in dessen Sprengel die Behörde ihren Sitz hat, welche die Anhaltung oder die Schubhaft angeordnet hat. In den Fällen des § 82 Abs 1 Z 1 richtet sich die Zuständigkeit nach dem Ort der Festnahme.

 

Nach § 83 Abs 2 FPG gelten die §§ 67c bis 67g sowie 79a AVG mit der Maßgabe, dass

  1. eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, und
  2. die Entscheidung des unabhängigen Verwaltungssenates über die Fortsetzung der Schubhaft binnen einer Woche zu ergehen hat, es sei denn, die Anhaltung des fremden hätte vorher geendet.

 

Gemäß § 83 Abs 4 FPG hat der unabhängige Verwaltungssenat, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden.

 

Im vorliegenden Fall hat der Bezirkshauptmann von Vöcklabruck den Schubhaftbescheid erlassen und die Anhaltung in Schubhaft angeordnet. Der Oö. Verwaltungssenat ist daher örtlich zuständig. Die Bfin wurde über Auftrag der belangten Behörde am 28. März 2011 um 16:00 Uhr aus der Schubhaft im PAZ Salzburg entlassen. Die am gleichen Tag erhobene Beschwerde ist zulässig.

 

4.2. Gemäß § 76 Abs 1 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft nur verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

 

Gemäß § 76 Abs 2 FPG kann die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn

 

  1. gegen ihn eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen wurde;
  2. gegen ihn nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;
  3. gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Ausweisung (§§ 53 oder 54) oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot (§ 60) verhängt worden ist oder
  4. auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

 

Die Schubhaft ist nach dem § 76 Abs 3 FPG grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

 

Gemäß § 80 Abs 1 FPG ist die Behörde verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Sie darf gemäß § 80 Abs 2 FPG nur so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Mit Ausnahme der Fälle des § 80 Abs 3, 4 oder 5 FPG darf die Schubhaft nicht länger als 2 Monate dauern.

 

Gemäß § 80 Abs 5 FPG kann in Fällen, in denen die Schubhaft gemäß § 76 Abs 2 verhängt wurde, diese bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftig negativer Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz aufrecht erhalten werden, es sei denn, es läge ohnehin auch ein Verlängerungsfall nach § 80 Abs 4 Z 1 bis 3 leg.cit. vor. Wird einer Beschwerde gegen eine Ausweisung, die mit einer zurückweisenden Entscheidung verbunden ist, die aufschiebende Wirkung gemäß § 37 AsylG 2005 zuerkannt, darf die Schubhaft bis zur Entscheidung des Asylgerichtshofes aufrecht erhalten werden. Darüber hinaus darf die Schubhaft nur aufrecht erhalten werden, wenn der Asylgerichtshof eine zurück- oder abweisende Entscheidung erlässt.

 

4.3. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs verlangt die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit einer Schubhaft nach § 76 Abs 1 FPG eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Außerlandesschaffung und dem privaten Interesse an der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen. Dabei ist der Frage nach dem Sicherungsbedürfnis nachzugehen, was die gerechtfertigte Annahme voraussetzt, der Fremde werde sich dem Verfahren oder der Abschiebung durch Untertauchen entziehen oder diese Maßnahmen zumindest wesentlich erschweren.

 

In der neueren Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs vermag die fehlende Ausreisewilligkeit eines Fremden für sich allein die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung nicht zu rechtfertigen. Deshalb kann auch die Nichtbefolgung eines Ausreisebefehls die Schubhaft noch nicht rechtfertigen. Es ist nämlich in einem zweiten Schritt die Frage des Bestehens eines Sicherungsbedarfes zu prüfen, der insbesondere im Fall mangelnder sozialer Verankerung im Inland in Betracht kommt. Dabei hat der Verwaltungsgerichtshof auch schon mehrfach betont, dass in Bezug auf die Annahme eines Sicherungsbedarfes aus Überlegungen zu einem strafgerichtlichen Verurteilungen zugrundeliegenden Fehlverhalten alleine nichts zu gewinnen sei (ständige Rspr; vgl ua. VwGH 8.9.2005, Zl. 2005/21/0301; VwGH 22.6.2006, Zl. 2006/21/0081; VwGH 27.3.2007, Zl. 2005/21/0381; VwGH 28.6.2007, Zl. 2005/21/0288 und Zl. 2004/21/0003; VwGH 30.8.2007, Zl. 2006/21/0107; VwGH 28.5.2008, Zl. 2007/21/0246).

 

Überdies ist nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs beim Sicherungserfordernis die konkrete Situation des Beschwerdeführers (Einzelfallprüfung) zu prüfen. Deswegen verbietet sich auch ein Abstellen auf allgemeine Erfahrungen im Umgang mit Asylwerbern oder aus anderen Fällen (vgl VwGH 28.6.2007, Zl. 2006/21/0051; VwGH 28.6.2007, Zl. 2006/21/0091).

 

4.4. In dem aus Anlass einer Amtsbeschwerde ergangenen Erkenntnis vom 17. März 2009, Zl. 2007/21/0542, hat der Verwaltungsgerichtshof zunächst wiederholt, dass die bloße Nichtbefolgung eines Ausreisebefehls die Schubhaft nicht zu rechtfertigen vermag, sondern der Sicherungsbedarf müsse in weiteren Umständen begründet sein, wofür etwa eine mangelnde soziale Verankerung in Österreich in Betracht komme (Hinweis auf VwGH vom 28.05.2008, Zl. 2007/21/0246). Für die Bejahung des Sicherungsbedarfs im Anwendungsbereich des § 76 Abs 1 FPG komme daher insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, welche das befürchtete Risiko des Untertauchens rechtfertigen können (Hinweis auf VwGH vom 28.05.2008, Zl. 2007/21/0162). Abgesehen von der Integration des Fremden sei bei Prüfung des Sicherungsbedarfs auch das bisherige Verhalten des Fremden in Betracht zu ziehen (Hinweis auf VwGH 27.02.2007, Zl. 2006/21/0311; VwGH je vom 28.06.2007, Zl. 2006/21/0091 und Zl. 2006/21/0051). Auch wenn Gründe der öffentlichen Ordnung und Sicherheit nach dem Gesetz keinen tauglichen Schubhaftzweck darstellen (vgl etwa VwGH 31.08.2006, Zl. 2006/21/0087; VwGH 27.02.2007, Zl. 2006/21/311) kann nach dem oben zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 17. März 2009 der Verurteilung eines Fremden im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung Bedeutung zukommen. Eine erhebliche Delinquenz des Fremden kann das Gewicht des öffentlichen Interesses an der Effektivität seiner baldigen Abschiebung – in Abhängigkeit von der Schwere der Straftaten - maßgeblich vergrößern.

 

4.5. Im gegenständlichen Fall konnte die belangte Behörde nach ihrem Informationsstand aus dem AI und den fremdenpolizeilichen Informationen der Asylbehörde mit Recht davon ausgehen, dass das Asylverfahren der Bfin zur Zahl 11 00.747 mit Bescheid des BAA, Außenstelle Graz, vom 9. Februar 2011 mit Wirkung vom 24. Februar 2011 rechtskräftig negativ abgeschlossen worden war.

 

Entgegen der Ansicht der Beschwerde konnte das BAA, Außenstelle Graz, eine neue Abgabestelle der untergetauchten Bfin auch im Wege des Eurodac-Systems, welches im Übrigen von der Grundsatz- und Dublinabteilung in Wien betreut wird, nicht leicht feststellen. Denn die Festnahme in Deutschland vom 2. Februar 2011 wurde erst im Zuge des deutschen Überstellungsersuchens am 14. Februar 2011 bekannt. Im Eurodac-System werden Asylanträge, nicht aber irgendwelche fremdenpolizeiliche oder sonstige Festnahmen (wie zB bei der Bfin auch wegen Gebrauchs gefälschter Urkunden) dokumentiert. Die deutsche Polizei stellte bei der Bfin, die eine falsche Identität vorgab und sich mit gefälschtem rumänischem Dokument auswies, durch Vergleich der Fingerabdrücke fest, dass sie bereits in Österreich einen Asylantrag gestellt hatte, weshalb ein Übernahmeersuchen am 14. Februar 2011 im Verfahren nach der Dublin II Verordnung erfolgte. Erst im Zuge dieses Ersuchens wurde ihre Festnahme vom 2. Februar 2011 von den deutschen Behörden bekannt gegeben. Zum Zeitpunkt der Hinterlegung des negativen Asylbescheides am 9. Februar 2011 konnte die Asylbehörde noch nichts davon wissen.

 

Tatsächlich war die Bfin zum Zeitpunkt der Hinterlegung des Asylbescheides in Österreich unbekannten Aufenthaltes. Da sie ihre Unterkunft im Rahmen der Grundversorgung ohne Abmeldung und Bekanntgabe einer Kontaktadresse verlassen hatte, war eine neue Abgabestelle nicht leicht feststellbar und das BAA durfte gemäß § 8 Abs 2 iVm § 23 Zustellgesetz die Zustellung des negativen Asylbescheids durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vornehmen. Die Rechtskraft ist nach Ablauf der Rechtsmittelfrist am 24. Februar 2011 eingetreten, weshalb die belangte Behörde mit Recht von einer durchsetzbaren Ausweisung ausgehen konnte. Folgerichtig war die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung auf der Grundlage des § 76 Abs 1 FPG anzuordnen.

 

4.6. Die Bfin stellte am 7. März 2011 während ihrer Anhaltung in Schubhaft einen Asylfolgeantrag. Schon mit dem Schreiben der belangten Behörde vom 4. März 2011 wurde ihr gemäß § 67 Abs 4 FPG die für den 22. März 2011 geplante Abschiebung auf dem Luftwege nachweislich mitgeteilt. Da der Folgeantrag binnen 18 Tagen vor dem festgelegten Abschiebetermin gestellt wurde, kam der Bfin gemäß § 12a Abs 3 AsylG 2005 ein faktischer Abschiebeschutz als Asylwerberin nicht zu.

 

Die Beschwerdebehauptung betreffend die Zulassung des Verfahrens zum Folgeantrag wegen Ablaufs der 20 Tagesfrist am 27. März 2011 ist verfehlt, weil diese Frist nach § 28 Abs 2 AsylG 2005 u.A. auch dann nicht gilt, wenn dem Asylwerber ein faktischer Abschiebeschutz nicht zukommt. Die Frist hat demnach mit dem Folgeantrag vom 7. März 2011 im Hinblick auf § 12a Abs 3 AsylG 2005 gar nicht zu laufen begonnen. Daran vermag auch die spätere Zuerkennung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs 4 AsylG 2005 mit Mandatsbescheid vom 18. März 2011 nichts zu ändern. Damit wollte die Asylbehörde nach Antragstellung durch den Rechtsvertreter der Bfin vom 16. März 2011 (laut AI: Antrag auf Bescheidzustellung und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit aufschiebender Wirkung) und Einvernahme der Bfin am 18. März 2011 offenbar Zeit gewinnen und vorerst die schon für 22. März 2011 vorgesehene Abschiebung, welche von der belangten Behörde storniert werden musste, verhindern.

 

Für die belangte Behörde war der weitere Gang des Asylverfahrens noch nicht absehbar. Sie war auf die Informationen durch die Asylbehörde angewiesen. Als sie am 28. März 2011 per E-Mail um 14:52 Uhr die fremdenpolizeiliche Information des BAA, Außenstelle Graz, erhielt, dass der Bescheid vom 9. Februar 2011 gemäß § 68 Abs 2 AVG von Amts wegen aufgehoben worden ist, bedeutete dies, dass das erste, bereits zugelassen gewesene Asylverfahren ex nunc als unerledigt galt und wieder in der Sache zu entscheiden war. Das Verfahren über den Asylfolgeantrag war damit gegenstandslos.

 

Die belangte Behörde hat das Ersuchen um unverzügliche Entlassung der Bfin bereits um 15:29 Uhr an das PAZ Salzburg gesendet und damit sehr rasch reagiert. Die tatsächliche Entlassung erfolgte um 16:00 Uhr, wie der übermittelten Entlassungsbestätigung zu entnehmen ist. Eine unangemessene Verzögerung wurde in der Beschwerde weder aufgezeigt, noch ist eine solche aus der Aktenlage erkennbar.

 

Die belangten Behörde hatte bei der untergetauchten und von Deutschland zurückgeschobenen Bfin mit Recht einen Sicherungsbedarf angenommen, dem durch Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 FPG nicht Rechnung getragen hätte werden können. Abgesehen von der absolut fehlenden Bereitschaft zur Rückkehr in ihr Heimatland, konnte die Bfin auch keinerlei relevante Anknüpfungspunkte in sozialer Hinsicht vorweisen. Auf die zutreffenden Ausführungen der belangten Behörde zum Sicherungserfordernis im vorliegenden Fall wird verwiesen.

 

Für die belangte Behörde bestand bis zur Mitteilung über die Aufhebung des Asylbescheides nach § 68 Abs 2 AVG im Hinblick auf das Vorliegen eines durchsetzbaren Bescheides zur Aufenthaltsbeendigung der Bfin die zeitnahe Möglichkeit der Umsetzung durch Abschiebung. Auf Grund des Gesamtverhaltens der Bfin, die nach ihren Angaben vor der0 Asylbehörde ursprünglich nach England wollte, war nicht damit zu rechnen, dass sie sich freiwillig zur Verfügung der Fremdenpolizei halten wird. Der Sicherungsbedarf lag sogar in erheblich verdichteter Form vor. Die Wahrscheinlichkeit des Untertauchens rechtfertigte eine Ermessensübung dahin, die Schubhaft anstelle gelinderer Mittel zu verhängen. Die Schubhaft erschien auch im Hinblick auf das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen verhältnismäßig.

 

Im Ergebnis ist aus den dargelegten Gründen davon auszugehen, dass die vorliegende Beschwerde keine Rechtswidrigkeit der Anhaltung der Bfin in Schubhaft aufzeigen konnte und damit unbegründet ist.

 

5. Gemäß § 79a Abs 1 AVG 1991 iVm § 83 Abs 2 FPG hat die im Verfahren nach § 67c obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wird die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen oder zurückgezogen, dann ist die belangte Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei (§ 79a Abs 3 AVG). Nach § 79a Abs 6 AVG 1991 ist Aufwandersatz nur auf Antrag der Partei zu leisten.

 

Nach § 79a Abs 4 AVG gelten als Aufwendungen gemäß Abs 1 neben Stempel- und Kommissionsgebühren sowie Barauslagen vor allem die durch Verordnung des Bundeskanzlers festgesetzten Pauschbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand. Nach der geltenden UVS-Aufwandersatzverordnung 2008 (BGBl II Nr. 456/2008) betragen die Pauschbeträge für die belangte Behörde als obsiegende Partei für den Vorlageaufwand 57,40 Euro und für den Schriftsatzaufwand 368,80 Euro.

 

Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren ist der belangten Behörde Vorlage- und Schriftsatzaufwand entstanden, weshalb der Verfahrensaufwand der obsiegenden belangten Behörde mit insgesamt 426,20 Euro festzusetzen und der Bfin der Kostenersatz zugunsten des Bundes aufzutragen war.

 

Analog dem § 59 Abs 4 VwGG 1985 war eine Leistungsfrist von 2 Wochen festzusetzen, zumal das Schweigen des § 79a AVG 1991 nur als planwidrige Lücke aufgefasst werden kann, sollte doch die Neuregelung idF BGBl Nr. 471/1995 im Wesentlichen eine Angleichung der Kostentragungsbestimmungen an das VwGG bringen (vgl Erl zur RV, 130 BlgNR 19. GP, 14 f).

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Im gegenständlichen Verfahren sind Bundestempelgebühren für die eingebrachte Beschwerde in Höhe von 14,30 Euro angefallen.

 

 

 

Dr. W e i ß

 

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