Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730191/4/BP/Wu VwSen-730192/2/BP/Wu

Linz, 07.09.2011

Mitglied, Berichter/in, Bearbeiter/in:                                                                                                                               Zimmer, Rückfragen:

Mag. Dr. Bernhard Pree                                                                                      4A13, Tel. Kl. 15685

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung 1. der x, sowie als gesetzliche Vertreterin für 2. des minderjährigen x, beide StA von Mazedonien, sämtlich vertreten durch x Rechtsanwalt in x, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Vöcklabruck vom 7. Februar 2011, GZ: Sich40-27274-2009, betreffend eine Ausweisung der Berufungswerber nach dem Fremdenpolizeigesetz, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 iVm. § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

 

 

 


Entscheidungsgründe:

 

1.1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 7. Februar 2011, GZ.: Sich40-27274-2009, wurde gegen die Berufungswerber (im Folgenden: Bw) auf Basis der §§ 54 Abs. 1 und 66 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung iVm. § 11 Abs. 2 Z. 1 und Abs. 4 sowie § 11 Abs. 2 Z. 4 und Abs. 5 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes – NAG, die Ausweisung angeordnet und die Ausreiseverpflichtung mit 9. März 2011 festgesetzt.

 

Begründend führt die belangte Behörde zunächst zum Sachverhalt aus, dass die Erst-Bw, eine Staatsangehörige von Mazedonien, seit dem 9. Juni 2008 rechtmäßig im Bundesgebiet  aufhältig sei. Am x sei eine Ehe der Erst-Bw mit einem mazedonischen Staatsangehörigen im Herkunftsstaat geschieden worden. Am x habe die Erst-Bw erneut (in x) einen mazedonischen Staatsangehörigen geheiratet, der in Österreich Asylwerber gewesen sei. Dieser Ehe entstamme der am x geborene Zweit-Bw. Der Gatte befände sich nicht in der Grundversorgung des Landes Oö., weshalb die Bw sowohl für ihn als auch für das gemeinsame Kind unterhaltspflichtig sei.

 

Mit Eingabe vom 30. Jänner 2010 habe die Erst-Bw einen Verlängerungsantrag betreffend einen Aufenthaltstitel "unbeschränkt" gestellt.

 

Zur Zeit beziehe die Bw Wochengeld in Höhe von monatlich 1.248 Euro (für 8 Wochen nach der Geburt). Anschließend würde sie Kinderbetreuungsgeld von 990 Euro pro Monat erhalten. Nach den Richtlinien des § 293 ASVG betrage der Richtsatz für ein Ehepaar 1.189,56 und für ein minderjähriges Kind 122,41 Euro. Daraus ergebe sich, dass das monatliche Durchschnittseinkommen mindestens 1.311,97 Euro betrage müsse. Dies sei jedoch hier nicht der Fall. Der monatliche Differenzbetrag würde 321,97 Euro betragen, weshalb feststehe, dass die Erst-Bw nicht in der Lage sei für den Unterhalt der Familie zur Gänze aufzukommen.

 

Mit Schreiben vom 4. Jänner 2011 sei die Erst-Bw von der beabsichtigten Ausweisung in Kenntnis gesetzt worden. Durch ihren rechtsfreundlichen Vertreter habe die Erst-Bw eine Stellungnahme am 20. Jänner 2011 übermittelt, in der sie darauf hingewiesen habe, dass sie neben dem Kinderbetreuungsgeld eine geringfügige Erwerbstätigkeit aufnehmen könne, bei der sie laut Richtsätzen 374,02 Euro verdienen dürfe. Dadurch würde das geforderte Familieneinkommen erreicht werden. Darüber hinaus werde ihr von einem österreichischen Staatsangehörigen kostenlos die Wohnung zur Verfügung gestellt.

 

Die belangte Behörde führt weiter aus, dass das Asylverfahren des Gatten der Erst-Bw mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 3. Februar 2011 gem. §§ 7 u. 8 AsylG 2005 negativ beschieden und die Ausweisung gem. § 10 AsylG ausgesprochen worden sei.

 

Wie sich aus dem entsprechenden Mietvertrag vom x, abgeschlossen zwischen dem in der Stellungnahme angegebenen österreichischen Staatsangehörigen (Mieter) und dessen Onkel (Vermieter), ergebe, sei eine Untervermietung nicht zulässig, weshalb die Bw über keinen rechtmäßigen Wohnsitz verfügen würde.

 

Die Erst-Bw sei im Alter von x Jahren nach Österreich gekommen und habe ihre Schul- und Berufsausbildung im Heimatstaat absolviert. Aus dem Versicherungsdatenauszug sei ersichtlich, dass sie in der Zeit zwischen 10. März 2010 und 10. September 2010 sowie in der Zeit zwischen 5. Oktober 2009 bis 30. November 2009 als Arbeiterin beschäftigt gewesen sei. Die Bw habe von Jänner bis April x einen Deutsch-Integrationskurs Stufe 1 besucht, weitere Kursbestätigungen habe sie nicht vorlegen können, auch nicht die Deutschprüfung Niveau A2. Daher stehe fest, dass sie sprachlich über geringe Deutschkenntnisse verfüge. Die Erst-Bw habe zudem keine berufliche Weiterbildung besucht und sei auch nicht bei Vereinen aktiv geworden. Die Erst-Bw sei völlig unbescholten.

 

1.1.2. In rechtlicher Hinsicht führt die belangte Behörde aus, dass die Bw weder die monatlich erforderlichen Einkünfte erzielen, noch über einen rechtmäßigen Wohnsitz verfügen würden.

 

Nach einer eingehenden Interessensabwägung im Sinne des § 66 FPG kommt die Behörde zu dem eindeutigen Schluss, dass die öffentlichen Interessen die familiären bzw. privaten Interessen der Bw überwögen.

 

1.2. Gegen diesen Bescheid erhoben die Bw durch ihren rechtsfreundlichen Vertreter rechtzeitig Berufung mit Schriftsatz vom 23. Februar 2011.

 

In der Berufung wird u.a. ausgeführt, dass die belangte Behörde von einer falschen Berechnungsgrundlage hinsichtlich § 293 ASVG ausgehe, zumal der Ehegatte der Erst-Bw aus dem Bundesgebiet ausgewiesen worden sei und nicht mehr im gemeinsamen Haushalt leben würde. Der Richtsatz für Alleinstehende betrage monatlich 793,40 Euro brutto, der Richtsatz für ein Kind 122,41 Euro (insgesamt 915,81 Euro). Das monatliche Kinderbetreuungsgeld betrage bei Bezug von 12 Monaten tatsächlich 990,00 Euro bzw. einkommensabhängig 80 % des letzten Nettoeinkommens, maximal aber 66,00 Euro pro Tag. Die Zuverdienstgrenze für den beziehenden Elternteil betrage jährlich 16.200,00 Euro. Da die Erst-Bw die Möglichkeit habe, durch Verwandte ihren Sohn betreuen zu lassen, könne sie arbeiten gehen und nochmals mehr verdienen.

 

Im Übrigen könne von keinem dringenden Bedürfnis des Staates nach einer Ausweisung keine Rede sein. Die Erst-Bw habe nicht nur entsprechende Kontakte im Bundesgebiet geknüpft, sondern auch entsprechende Deutschkenntnisse erworben. Es werde daher beantragt "die Bundesministerin für Inneres" möge der Berufung Folge geben und auch hinsichtlich des Satzes 1 die Ausweisung ersatzlos aufheben.

 

1.3. Mit Schreiben vom 4. März 2011 übermittelt die Erst-Bw eine Einstellungszusage der Firma x für den Fall, dass Erstere über eine entsprechende Arbeitsbewilligung verfüge.

 

 

2.1. Die belangte Behörde legte zunächst den in Rede stehenden Verwaltungsakt der Sicherheitsdirektion für Oberösterreich vor.

 

Mit 1. Juli 2011 trat das Fremdenrechtsänderungsgesetz, BGBl. I Nr. 38/2011 in wesentlichen Teilen in Kraft. Aus § 9 Abs. 1a FPG in der nunmehr geltenden Fassung ergibt sich, dass der unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung über die Berufung zuständig ist, weshalb der in Rede stehende Verwaltungsakt von der Sicherheitsdirektion – nach In-Krafttreten der Novelle am 1. Juli 2011 – dem Oö. Verwaltungssenat übermittelt wurde.

 

2.2.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde.

 

2.2.2. Die Erst-Bw wendete sich am 5. September 2011 telefonisch an den Oö. Verwaltungssenat, wobei persönlich festgestellt werden konnte, dass sie sehr gut deutsch spricht. In der Folge übermittelte sie per E-Mail eine Heiratsurkunde, eine Geburtsurkunde des Zweit-Bw, eine Kopie dessen Reisepasses, sowie einen Versicherungsdatenauszug und die Bestätigung der Mitversicherung ihres Sohnes. Aus dem Versicherungsdatenauszug geht hervor, dass sie seit 28. Juni 2011 bis laufend als Arbeiterin bei der Firma x angemeldet sei. Eine telefonische Nachfrage ergab, dass die Erst-Bw bei dieser Firma im Ausmaß von 40 Stunden mit einem durchschnittlichen Bruttolohn von 1.300,96 Euro beschäftigt ist. In ihrem E-Mail gab die Erst-Bw weiters an, in Österreich sozial integriert zu sein und mit ihrem Sohn regelmäßig das Angebot des Mutter-Kind-Zentrums x in Anspruch zu nehmen.

 

2.2.3. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, weil eine solche nicht erforderlich war, nachdem sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt zweifelsfrei aus der Aktenlage ergibt, im Verfahren im Wesentlichen die Beurteilung von Rechtsfragen strittig ist und die Akten erkennen lassen, dass eine weitere mündliche Erörterung eine tiefgreifendere Klärung der Sache nicht erwarten lässt (§ 67d AVG).

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten 1.1.1., 1.2. und 2.2.2. dieses Erkenntnisses dargestellten völlig unbestrittenen Sachverhalt aus.

 

2.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

3. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1.1. Gemäß § 62 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch das Bundesgesetzblatt BGBl. I Nr. 38/2011, sind Drittstaatsangehörige, die sich während eines Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG im Bundesgebiet aufhalten, mit Bescheid, sofern kein Fall des § 64 vorliegt, auszuweisen, wenn

1.      der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11          Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder

2.      das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG aus Gründen,       die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.  

 

Gemäß § 62 Abs. 3 FPG hat die Behörde in Verfahren gemäß Abs 1 nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG bei der Behörde nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz bereits hätte nachweisen können und müssen.

 

3.1.2. Im vorliegenden Fall ist zunächst klargestellt, dass die Erst-Bw einen mit 30. Jänner 2010 Verlängerungsantrag gestellt hat und eine Aufenthalts-bewilligung "unbeschränkt" anstrebte.

 

Die belangte Behörde stützte ihre Ausweisungsentscheidung auf § 54 FPG iVm.§ 11 Abs. 2 Z. 1 und Abs. 4 iVm. § 11 Abs. 2 Z. 4 und Abs. 5 NAG jeweils in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung des BGBl. I Nr. 135/2009.

 

Als Versagungsgründe sah sie demnach eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit (dadurch, dass die Erst-Bw nicht die entsprechenden Mittel für den Lebensunterhalt der Familie aufbringe) und die Gefahr, dass die Bw Sozialhilfeleistungen in Anspruch nehmen müssten, zumal der erforderliche Unterhalt gemäß den Richtlinien nach § 293 ASVG nicht bestehe.

In diesem Sinn ist nun die Nachfolgebestimmung des § 54 Abs. 1 FPG in der nunmehrigen Fassung des § 62 Abs. 1 Z. 1 FPG einschlägig. Daher muss auch auf § 11 NAG in der aktuellen Fassung Bedacht genommen werden.

 

3.2.2. Gemäß § 11 Abs. 1 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes – NAG, in der Fassung des Bundesgesetzblattes I Nr. 38/2011, dürfen Aufenthaltstitel einem Fremden nicht erteilt werden, wenn

1.      gegen ihn eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG     erlassen wurde oder ein aufrechtes Rückkehrverbot gemäß § 54 FPG oder      ein aufrechtes Aufenthaltsverbot gemäß § 63 oder 67 FPG besteht;

2.      gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates   oder der Schweiz besteht;

3.      gegen ihn eine durchsetzbare Ausweisung erlassen wurde und seit seiner          Ausreise nicht bereits achtzehn Monate vergangen sind, sofern er nicht        einen Antrag gemäß § 21 Abs. 1 eingebracht hat, nachdem er seiner           Ausreiseverpflichtung freiwillig nachgekommen ist;

4.      eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption   (§ 30 Abs. 1 oder 2) vorliegt;

5.      eine Überschreitung der Dauer des erlaubten visumfreien oder        visumpflichtigen Aufenthalts im Zusammenhang mit § 21 Abs. 6 vorliegt          oder

6.      er in den letzten zwölf Monaten wegen Umgehung der Grenzkontrolle oder        nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet rechtskräftig bestraft     wurde.

 

Gemäß § 11 Abs. 2 NAG dürfen Aufenthaltstitel einem Fremden nur erteilt werden, wenn

1.      der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet;

2.      der Fremde einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird;

3.      der Fremde über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich       auch leistungspflichtig ist;

4.      der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte;

5.      durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden, und

6.      der Fremde im Fall eines Verlängerungsantrages (§ 24) das Modul 1 der          Integrationsvereinbarung gemäß § 14a rechtzeitig erfüllt hat.

 

Gemäß § 11 Abs. 3 NAG kann ein Aufenthaltstitel trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß Abs. 1 Z 3, 5 oder 6 sowie trotz Ermangelung einer Voraussetzung gemäß Abs. 2 Z 1 bis 6 erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.      die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der          bisherige Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen rechtswidrig war;

2.      das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3.      die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4.      der Grad der Integration;

5.      die Bindungen zum Heimatstaat des Drittstaatsangehörigen;

6.      die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7.      Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des      Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8.      die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Drittstaatsangehörigen in          einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren      Aufenthaltsstatus bewusst waren;

9.      die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Gemäß § 11 Abs. 4 NAG widerstreitet der Aufenthalt eines Fremden dem öffentlichen Interesse (Abs. 2 Z 1), wenn

1.      sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde          oder

2.      der Fremde ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder           terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende          Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld      extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht     ausgeschlossen werden können.

 

Gemäß § 11 Abs. 5 NAG führt der Aufenthalt eines Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (Abs. 2 Z 4), wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, entsprechen. Feste und regelmäßige eigene Einkünfte werden durch regelmäßige Aufwendungen geschmälert, insbesondere durch Mietbelastungen, Kreditbelastungen, Pfändungen und Unterhaltszahlungen an Dritte nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Personen. Dabei bleibt einmalig ein Betrag bis zu der in § 292 Abs. 3 zweiter Satz ASVG festgelegten Höhe unberücksichtigt und führt zu keiner Erhöhung der notwendigen Einkünfte im Sinne des ersten Satzes. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche (§ 2 Abs. 4 Z 3) oder durch eine Haftungserklärung oder Patenschaftserklärung (Abs. 2 Z 15 oder 18), ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten nur der das pfändungsfreie Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, übersteigende Einkommensteil zu berücksichtigen. In Verfahren bei Erstanträgen sind soziale Leistungen nicht zu berücksichtigen, auf die ein Anspruch erst durch Erteilung des Aufenthaltstitels entstehen würde, insbesondere Sozialhilfeleistungen oder die Ausgleichszulage.

 

Gemäß § 14a Abs. 1 NAG sind Drittstaatsangehörige mit erstmaliger Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2, 4, 5, 6 oder 8 zur Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung verpflichtet. Diese Pflicht ist dem Drittstaatsangehörigen nachweislich zur Kenntnis zu bringen.

 

Gemäß Abs. 2 leg. cit. haben der Erfüllungspflicht gemäß Abs. 1 Drittstaatsangehörige binnen zwei Jahren ab erstmaliger Erteilung des Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2, 4, 5, 6 oder 8 nachzukommen. Unter Bedachtnahme auf die persönlichen Lebensumstände des Drittstaatsangehörigen kann der Zeitraum der Erfüllungspflicht auf Antrag mit Bescheid verlängert werden. Diese Verlängerung darf die Dauer von jeweils zwölf Monaten nicht überschreiten; sie hemmt den Lauf der Fristen nach § 15.

 

Gemäß Abs. 4 leg. cit. ist das Modul 1 der Integrationsvereinbarung erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige

1.      einen Deutsch-Integrationskurs besucht und einen Nachweis des    Österreichischen Integrationsfonds über den erfolgreichen Abschluss des         Deutsch-Integrationskurses vorlegt,

2.      einen allgemein anerkannten Nachweis über ausreichende     Deutschkenntnisse gemäß § 14 Abs. 2 Z 1 vorlegt,

3.      über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120,   oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht         oder

4.      einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte” gemäß § 41 Abs. 1 oder 2    besitzt.

Die Erfüllung des Moduls 2 (§ 14b) beinhaltet das Modul 1.

 

3.2.2. Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem Sachverhalt, dass die Erst-Bw – wie von ihrem Arbeitgeber bestätigt wurde - nunmehr über ein durchschnittliches monatliches Einkommen von 1.300,96 Euro und somit über ein – gemessen an den Richtsätzen nach dem ASVG - ausreichendes Einkommen zur Bestreitung des Lebensunterhalts verfügt, weshalb nicht mehr die Gefahr zu erkennen ist, dass sie Sozialhilfeleistungen in Anspruch nehmen muss. Der Berufung ist insofern zu folgen, dass der Ehegatte der Erst-Bw, der sich nunmehr wieder in Mazedonien aufhält, nicht in die Berechnung gemäß den Richtsätzen miteinzubeziehen ist. Zudem ist eine Sozialversicherung sowohl für die Erst- als auch für den Zweit-Bw gegeben.

 

Hinsichtlich der Wohnmöglichkeit ist anzuführen, dass die belangte  Behörde zwar den Mietvertrag zwischen dem österreichischen Staatsangehörigen (Mieter), der der Familie der Erst-Bw die Wohnung kostenlos zur Verfügung stellte und dessen Onkel als Vermieter vorbringt; allerdings bedingt die Miete Entgeltlichkeit, die hier offenbar nicht gegeben ist. Darüber hinaus ist der Onkel des Mieters offenbar über den Umstand in Kenntnis, weshalb im vorliegenden Fall wohl nicht ein Versagungsgrund im Sinne des § 11 Abs. 2 Z. 2 NAG gesprochen werden kann.

 

Auch eine Gefährdung des öffentlichen Interesses gemäß § 11 Abs. 2 Z. 1 iVm. Abs. 4 FPG ist im vorliegenden Fall nicht anzunehmen.

 

Problematischer ist hier schon die Tatsache, dass die Erst-Bw bislang nicht die nach § 14a Abs. 4 NAG nunmehr im Rahmen der Integrationsvereinbarung erforderliche Prüfung des Niveau A 2 des ersten Moduls nicht absolviert hat. Bei Integrationsvereinbarungen die vor dem In-Krafttreten der Novelle BGBl. I Nr. 38/2011 eingegangen wurden, war allerdings nicht das Erreichen des Niveaus A 2 sondern lediglich das der Alphabetisierungsstufe erforderlich. Dies ist offensichtlich mit den von der Erst-Bw besuchten Kursen auch formal erreicht. 

 

Wie sich das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenates persönlich in einem mehr als 10-minütigen Telefonat überzeugen konnte, spricht die Erst-Bw sehr gut Deutsch, was in etwas abgeschwächter Form auch aus der - von ihr an den Oö. Verwaltungssenat gerichteten – E-Mail hervorgeht. In materieller Hinsicht erfüllt sie sohin das Ziel der Integrationsvereinbarung vollauf, das darin besteht, eine sprachliche Integration zu forcieren.

 

3.2.3. Damit muss aber festgestellt werden, dass es für eine Ausweisung der Erst-Bw schon am Vorliegen der Tatbestandselemente des § 62 Abs. 1 FPG mangelt, weshalb der angefochtene Bescheid sie betreffend aufzuheben war.  

 

3.3. Die Beurteilung der Ausweisung des Zweit-Bw folgt im Ergebnis der Beurteilung hinsichtlich der Erst-Bw, weshalb auch in diesem Punkt der angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

 

3.4. Nachdem schon die Voraussetzungen für die in Rede stehenden Ausweisungen nicht vorliegen, war auch keine Erörterung des Privat- und Familienlebens nach § 61 FPG vorzunehmen.

 

In Hinblick auf § 59 Abs. FPG konnte aufgrund der vorhandenen Deutschkenntnisse der Erst-Bw auf die Übersetzung des Spruchs und der Rechtsmittelbelehrung verzichtet werden.

 

3.5. Es waren daher im Ergebnis die getroffenen Ausweisungsentscheidungen aufzuheben und spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 18,20 Euro angefallen.

 

Bernhard Pree

 

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