Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-231247/2/WEI/Ba

Linz, 25.08.2011

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des X X, geb. X, Staatsangehöriger der Volksrepublik China, X, X, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. X X und Kollegen, X, X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 5. April 2011, Zl. Sich 96-1078-2010, wegen Verwaltungsübertretungen nach dem Fremdenpolizeigesetz zu Recht erkannt:

I.                  Aus Anlass der Berufung wird das angefochtene Straferkenntnis im Spruchpunkt 1. aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 und Z 3 VStG eingestellt.

II.              Die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens entfällt.

Rechtsgrundlagen:

Zu I: § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG iVm §§ 24, 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG;

Zu II: § 66 Abs 1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerber (in der Folge: Bw) wie folgt für schuldig erkannt:

 

"1. Zum Tatzeitpunkt am 24.11.2010 um 14:15 Uhr wurden Sie am Tatort: X, X im Bundesgebiet angetroffen ohne im Besitz eines gültigen Reisedokuments zu sein. Sie hielten sich daher als Staatsangehöriger der Volksrepublik China und damit als pass- und sichtvermerkspflichtiger Fremder zum Tatzeitpunkt am Tatort unrechtmäßig im Bundesgebiet der Republik Österreich auf.

 

2. Zum Tatzeitpunkt am 24.11.2010 um 14:15 Uhr wurden Sie am Tatort: X, X im Bundesgebiet angetroffen ohne im Besitz eines gültigen Reisedokuments zu sein. Sie führten daher als passpflichtiger Fremder keinen Reisepass mit sich respektive verwahrten diesen nicht in einer solchen Entfernung von ihrem jeweiligen Aufenthaltsort, dass seine Einholung ohne unverhältnismäßige Verzögerung erfolgen konnte."

 

Wegen der Verwaltungsübertretung zu Spruchpunkt 1. gemäß § 120 Abs 1 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) verhängte die belangte Behörde nach dem Strafrahmen des § 120 Abs 1 FPG eine Geldstrafe von 500 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 50 Stunden.

 

Wegen der Verwaltungsübertretung zu Spruchpunkt 2 gemäß § 121 Abs 3 Z 3 FPG verhängte die belangte Behörde keine Strafe, sondern erteilte gemäß § 21 Abs 1 VStG eine Ermahnung.

 

1.2. Gegen den Punkt 1. dieses Straferkenntnisses, das dem Bw zu Händen seiner Rechtsvertreter am 7. April 2011 zugestellt wurde, richtet sich die rechtsfreundlich eingebrachte Berufung vom 19. April 2011, die am 20. April 2011 bei der belangten Behörde rechtzeitig einlangte und mit der die Einstellung des Verfahrens oder ein Absehen von der Bestrafung oder eine Reduktion der Geldstrafe beantragt wird.

 

2. Aus der Aktenlage und dem Straferkenntnis und ergibt sich Folgendes:

 

2.1. Begründend führt die belangte Behörde zum Sachverhalt aus, dass anlässlich einer Kontrolle am 24.11.2010 um 14:15 Uhr in der X in X festgestellt worden sei, dass sich der Bw im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufgehalten habe, da er weder einen gültigen Reisepass noch einen gültigen Sichtvermerk für Österreich oder ein anderes Schengen-Land in Vorlage habe bringen können. Darüber hinaus verfüge er auch nicht über einen Aufenthaltstitel nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG). Zur Tatzeit habe er auch sein Reisedokument nicht mit sich geführt, obwohl er als Fremder dazu verpflichtet gewesen wäre.

 

Mit Schreiben vom 26. November 2010 sei der Bw aufgefordert worden, zu den im Spruch genannten Übertretungen Stellung zu nehmen.

 

In der rechtsfreundlich vertretenen Stellungnahme vom 9. Dezember 2010 brachte er vor, dass sein Reisedokument in seiner Wohnung in der X gewesen sei. Außerdem habe er bei der belangten Behörde einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 44 Abs 4 NAG gestellt und eine Reispasskopie vorgelegt. Der Antrag sei noch nicht erledigt, der Bw würde aber die Voraussetzungen erfüllen, weshalb eine Bestrafung unbillig sei. Er verfüge über ein geregeltes Einkommen von ca. 1.000 Euro und einen ordentlichen Wohnsitz. Er sei bei der Kontrolle lediglich auf die Verfahrenskarte bzw seinen vorläufigen Aufenthaltstitel angesprochen worden und nicht nach dem Reisepass gefragt worden.

 

Die belangte Behörde führt dann in ihrer rechtlichen Beurteilung zum Vorwurf des unrechtmäßigen Aufenthalts aus, dass sich der Bw als Staatsangehöriger der Volksrepublik China und damit als pass- und sichtvermerkspflichtiger Fremder in Österreich aufhielt, ohne im Besitz eines gültigen Reisedokuments zu sein. Seine Einreise sei am 18. Februar 2003 illegal mit dem LKW über unbekannt erfolgt, er verfüge über keine Aufenthaltsberechtigung nach dem NAG oder auf Grund einer Verordnung und sein Asylverfahren sei mit 8. Oktober 2010 in zweiter Instanz rechtskräftig negativ finalisiert worden.

 

Aus dem aktenkundigen Versicherungsdatenauszug ergibt sich, dass der Bw seit 3. Juni 2006 als Arbeiter zur Sozialversicherung gemeldet ist. Dem vorgelegten Bescheid des AMS Vöcklabruck vom 8. April 2010, Zl. 08114/ABB-Nr. 3296566, ist zu entnehmen, dass dem Arbeitgeber (Xrestaurant) für den Bw eine Beschäftigungsbewilligung für die Tätigkeit als Hilfskoch vom 8. April 2010 bis 7. April 2011 erteilt wurde.

 

2.2. Die Berufung verweist wie schon in der Stellungnahme vom 9. Dezember 2010 darauf, dass es dem Bw nicht bewusst gewesen wäre, sich mit einem Reisepass ausweisen zu können, weil er nur auf die (asylrechtliche) Verfahrenskarte angesprochen worden sei. Im Übrigen wird auf die Beschäftigungsbewilligung Bezug genommen und die Meinung vertreten, dass damit § 31 Abs 1 Z 6 FPG erfüllt wäre. Am 20. August 2010 sei auch ein Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung beschränkt gemäß § 44 Abs 4 NAG zur Zahl Sich40-28438-2010 gestellt worden. Dieses Verfahren sei offen und werde eine positive Entscheidung erwartet, weshalb eine Bestrafung unbillig wäre.

 

Die Strafe von 500 Euro treffe den Bw schwer, weil sie inklusive Verfahrenskosten mehr als die Hälfte seines monatlichen Arbeitslohnes ausmache. Im Verhältnis zu seinem Einkommen und der begangenen Übertretung treffe ihn die Strafe hart, weil die Vorlage des Reisepasses, der sich nicht einmal einen Kilometer entfernt in der Wohnung des Bw befunden hätte, leicht möglich gewesen wäre. Dem Bw wäre nur nicht klar gewesen, dass die Vorlage des Reisepasses ausreichend gewesen wäre.

2.3. Die belangte Behörde hat ihren Verwaltungsstrafakt mit Schreiben vom 28. April 2011 dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt und zur Berufung angemerkt, dass sich § 31 Abs 6 FPG (gemeint: § 31 Abs 1 Z 6) auf Beschäftigungsbewilligungen nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz bis zur Dauer von 6 Monaten und nicht auf solche von längerer Dauer beziehe.

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt und die Berufung. Bereits auf Grund der Aktenlage stand fest, dass der mit der Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

4. In der Sache selbst hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

4.1. Gemäß § 120 Abs 1 FPG (BGBl I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 122/2009), begeht im Fall der Ziffer 2 eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 1 000 Euro bis zu 5 000 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu drei Wochen, zu bestrafen,

            wer als Fremder sich nicht rechtsmäßig im Bundesgebiet aufhält.

 

Als Tatort gilt der Ort der Betretung oder des letzten bekannten Aufenthaltes; bei Betretung in einem öffentlichen Beförderungsmittel die nächstgelegene Ausstiegsstelle, an der das Verlassen des öffentlichen Beförderungsmittels gemäß dem Fahrplan des Beförderungsunternehmers möglich ist.

 

Nach § 120 Abs 5 FPG liegt eine Verwaltungsübertretung gemäß Abs 1 Z 2 nicht vor,

1. wenn die Ausreise nur in ein Land möglich wäre, in das eine Abschiebung unzulässig (§ 50) ist;

2. solange der Fremde geduldet ist (§ 46a),

3. im Fall des Aufenthalts eines begünstigten Drittstaatsangehörigen ohne Visum oder

4. solange dem Fremden die persönliche Freiheit entzogen ist.

 

Gemäß § 120 Abs 6 FPG schließt eine Bestrafung gemäß Abs 1 Z 2 eine solche wegen der zugleich gemäß Abs 1 Z 1 begangenen Verwaltungsübertretung aus.

 

Nach § 120 Abs 7 FPG liegt eine Verwaltungsübertretung nach Abs 1 nicht vor, wenn der Fremde einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat und ihm der Status des Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde. Während des Asylverfahrens ist das Verwaltungsstrafverfahren unterbrochen.

Das FPG ist gegenständlich in der Fassung des BGBl I Nr. 17/2011, mit dem eine Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof kundgemacht wurde, anzuwenden.

Mit Erkenntnis vom 9. März 2011, G 53/10-7 u.a. Zlen, hat der Verfassungsgerichtshof einerseits zu Recht erkannt, dass die Wortfolge "von 1.000 Euro" im § 120 Abs 1 FPG und die Wendung "1" in § 120 Abs 4 FPG (BGBl I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2009) als verfassungswidrig aufgehoben werden und andererseits unter Berufung auf Art 140 Abs 7 B-VG ausgesprochen, dass "die aufgehobenen Bestimmungen ... nicht mehr anzuwenden" sind. Dieser Spruch des Verfassungsgerichtshofs wurde am 4. April 2011 im BGBl I Nr. 17/2011 kundgemacht. Er ist daher seit 5. April 2011 (Art 140 Abs 5 Satz 3 B-VG) nach Art 140 Abs 7 B-VG für alle Gerichte und Verwaltungsbehörden wirksam. Das Straferkenntnis wurde durch Zustellung am 7. April 2011 erlassen, weshalb die durch den Verfassungsgerichtshof geschaffene günstigere Rechtslage gemäß § 1 Abs 2 VStG zu berücksichtigen war.

 

4.2. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu den Sprucherfordernissen nach § 44a Z 1 VStG ist die Tat so weit zu konkretisieren, dass eine eindeutige Zuordnung zu den vorgeworfenen Tatbestandsmerkmalen ermöglicht wird und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (stRsp seit verst. Senate VwSlg 11.466 A/1984 und VwSlg 11.894 A/1985). Dabei sind die Anforderungen an Tatort- und Tatzeitumschreibung von Delikt zu Delikt und je nach den Begleitumständen verschieden und an Rechtsschutzüberlegungen zu messen (vgl u.a. im Anschluss an verst. Senat VwSlg 11.894 A/1985; VwGH 29.9.1993, 93/02/0046; VwGH 31.1.1995, 95/05/0008; VwGH 9.9.1998, 97/04/0031)

 

Im Spruch sind somit zum einen alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind, und zum anderen die Tathandlungen, durch die der Tatbestand verwirklicht wurde, zu beschreiben. Eine nähere Umschreibung der Tatbestandsmerkmale lediglich in der Bescheidbegründung reicht ebenso wenig wie die bloße Wiedergabe des Gesetzeswortlautes (vgl VwGH 13.1.1982, Zl. 81/03/0203; VwSlg 11.069 A/1983; VwGH 15.2.1983, Zl. 81/11/0122; vgl mwN auch Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2004] Anm 2 zu § 44a VStG).

 

4.3. Im Zusammenhang mit der Verwaltungsübertretung des § 120 Abs 1 Z 2 FPG ist die dieser Blankettstrafnorm erst Inhalt gebende Vorschrift des § 31 FPG zu beachten. Nach der Überschrift regelt diese Bestimmung die Voraussetzungen für den rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet. Sie lautet idF BGBl I Nr. 122/2009:

 

"§ 31. (1) Fremde halten sich rechtmäßig im Bundesgebiet auf,

 

1. wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben;

 

2. wenn sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes  nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder auf Grund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind;

 

3. wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind, sofern sie während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen;

 

4. solange ihnen ein Aufenthaltsrecht nach asylrechtlichen Bestimmungen zukommt;

 

5. (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 122/2009)

 

6. wenn sie eine Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, eine Entsendebewilligung, eine EU-Entsendebestätigung, eine Anzeigebestätigung gemäß § 3 Abs. 5 AuslBG oder eine Anzeigebestätigung gemäß § 18 Abs. 3 AuslBG mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, innehaben oder

 

7. soweit sich dies aus anderen bundesgesetzlichen Vorschriften ergibt."

 

4.4. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seiner Judikatur zum (vergleichbaren) Straftatbestand des § 82 Abs 1 Z 4 iVm § 15 Abs 1 des Fremdengesetzes 1992 im Hinblick auf § 44a Z 1 VStG, der die eindeutige Umschreibung der als erwiesen angenommene Tat im Spruch fordert, ausgesprochen, dass eine Bestrafung wegen unrechtmäßigen Aufenthalts rechtens nur dann in Betracht kommt, wenn keine der in den einzelnen Ziffern des § 15 Abs 1 FrG 1992 angeführten Voraussetzungen eines rechtmäßigen Aufenthalts gegeben ist. Die Annahme der Unrechtmäßigkeit eines inländischen Aufenthalts aus der Verneinung bloß eines Teils der in § 15 Abs 1 FrG 1992 genannten alternativen Voraussetzungen für eine Rechtmäßigkeit des Aufenthalts stehe mit dem Gesetz nicht in Einklang (vgl etwa VwGH 18.1.2000, Zl. 94/18/0396; VwGH 24.3.2000, 96/21/0919; VwGH 5.10.2000, 96/21/0861; VwGH 8.11.2000, 97/21/0223; VwGH 23.1.2001, 97/21/0056).

 

Diese Judikaturlinie hat der Verwaltungsgerichtshof auch für die inhaltlich gleichgelagerte Strafbarkeit des unrechtmäßigen Aufenthalts nach § 107 Abs 1 Z 4 iVm § 31 Abs 1 FrG 1997 (vgl VwGH 30.5.2001, 2000/21/0009) fortgeführt.

 

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt eine Bestrafung wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes nur in Betracht, wenn keine der im § 31 Abs 1 FrG 1997 angeführten Voraussetzungen eines rechtmäßigen Aufenthalts gegeben ist, sowie dann, wenn die Rechtmäßigkeit eines Aufenthaltes gemäß § 31 Abs 3 FrG 1997 geendet hat. Im Spruch des Straferkenntnisses ist - um den Anforderungen des § 44a Z 1 VStG zu entsprechen - die als erwiesen angenommene Tat durch Verneinung aller im § 31 Abs 1 FrG 1997 genannten alternativen Voraussetzungen für eine Rechtmäßigkeit des Aufenthalts oder - im Fall des § 31 Abs 3 FrG 1997 - durch Verneinung einer weiter bestehenden Rechtmäßigkeit des Aufenthalts zu umschreiben (vgl VwGH 13.12.2002, 2000/21/0052; VwGH 17.6.2003, 2000/21/0191; VwGH 17.6.2003, 2002/21/0205, VwGH 18.5.2004, 2001/21/0103; VwGH 23.11.2004, 2003/21/0142; jüngst VwGH 24.10.2007, 2007/21/0303).

 

Diesen Ausführungen folgend kann für die weitgehend gleichgelagerte Bestimmung des § 31 Abs 1 FPG nichts anderes gelten. Nach der Regierungsvorlage zum Fremdenrechtspaket 2005 (vgl 952 BlgNR 22. GP, Seite 89) wurden nur geringfügige terminologische und inhaltliche Änderungen (Normierung von abschließenden Fallkonstellationen des rechtmäßigen Aufenthalts) vorgenommen.

4.5. Die belangte Behörde hat dem Bw im angefochtenen Straferkenntnis lediglich zur Last gelegt, dass er am 24. November 2010 um 14:15 Uhr in Vöcklabruck ohne Besitz eines gültigen Reisedokuments angetroffen worden sei, weshalb er sich als pass- und sichtvermerkspflichtiger Fremder zu diesem Zeitpunkt am Tatort unrechtmäßig im Bundesgebiet der Republik Österreich aufhalte. Damit hat die belangte Behörde das rechtlich wesentliche Thema verkannt und eine völlig verfehlte Anlastung vorgenommen.

Der Tatvorwurf beschränkt sich nämlich einerseits nur auf die Feststellung der Unrechtmäßigkeit des Aufenthalts im bestimmten Zeitpunkt der Kontrolle und führt andererseits das bei der Kontrolle fehlende Reisedokument als Grund für die Unrechtmäßigkeit an, obwohl es auch darauf gar nicht ankommt. Vielmehr hätte sich die belangte Behörde im Spruch mit den verschiedenen Möglichkeiten eines rechtmäßigen Aufenthalts nach § 31 Abs 1 FPG auseinandersetzen und durch Verneinung der alternativen Voraussetzungen die Unrechtmäßigkeit des Aufenthalts des Bw darstellen müssen. Indem die Strafbehörde dies gänzlich unterlassen hat, wird der Spruch des angefochtenen Strafbescheides den beschriebenen Anforderungen des § 44a Z 1 VStG im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs in keiner Weise gerecht.

Darüber hinaus wird der Spruch des hier angefochtenen Straferkenntnisses auch dem § 44a Z 2 VStG nicht gerecht, welcher die Zitierung der Verwaltungsvorschrift, gegen die mit der Tat verstoßen wurde, verlangt. Entsprechend der auch auf die aktuelle Rechtslage übertragbaren Judikatur des Verwaltungsgerichthofs (vgl VwGH 24.4.2001, Zl. 98/21/0402; VwGH 24.10.2007, Zl. 2007/21/0303) ist als übertretene Norm neben § 120 Abs 1 Z 2 FPG auch § 31 Abs 1 FPG insgesamt anzuführen. Im Spruch des vorliegenden Straferkenntnisses ist die Anführung des § 31 Abs 1 FPG jedoch gänzlich unterblieben, die belangte Behörde hat sich nur beim Strafausspruch auf § 120 Abs 1 Z 2 FPG gestützt, jedoch die Angabe der verletzen Vorschriften unterlassen.

Auch die Verfolgungshandlung gegen einen Beschuldigten muss sämtliche gemäß § 44a Z 1 und Z 2 VStG in den Spruch aufzunehmende Elemente umfassen (vgl etwa VwGH 05.07.2000, Zl. 97/03/0081). Dem Akt ist auch keine der strengen Judikatur des Verwaltungsgerichthofs entsprechende und damit taugliche Verfolgungshandlung innerhalb der Verjährungsfrist des § 31 Abs 2 VStG zu entnehmen.

 

4.6. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Rechtsmittelbehörde nach § 66 Abs 4 AVG (iVm § 24 VStG) nicht die Befugnis, dem Beschuldigten eine andere Tat als die Erstbehörde anzulasten und damit die Tat auszuwechseln (vgl allgemein VwGH 25.3.1994, 93/02/0228; VwGH 19.5.1993, 92/09/0360; VwGH 28.2.1997, 95/02/0601). Die Entscheidungsbefugnis der Berufungsbehörde ist durch den Abspruchsgegenstand des angefochtenen Bescheides beschränkt (vgl VwGH 23.11.1993, 93/04/0169). Eine Abänderungsermächtigung besteht nur im Rahmen der Sache iSd § 66 Abs 4 AVG (vgl etwa VwGH 25.9.1992, 92/09/0178; VwGH 8.2.1995, 94/03/0072; VwGH 3.9.1996, 96/04/0080). Dabei ist Sache des Berufungsverfahrens die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs im Bescheid der Unterbehörde bildet (vgl u.a. VwGH 24.3.1994, 92/18/0356; VwGH 23.10.1995, 94/04/0080; VwGH 29.10.1996, 96/07/0103; VwGH 19.3.1997, 93/11/0107). Ein Austausch wesentlicher Tatbestandsmerkmale führt zur Anlastung einer anderen Tat und ist daher unzulässig (vgl VwGH 20.11.1997, 97/06/0170).

 

Es war dem unabhängigen Verwaltungssenat daher auch im Grunde des § 66 Abs 4 AVG verwehrt, dem Bw durch ein neuformuliertes Abstellen auf von der belangte Behörde in keiner Weise angesprochene Kriterien des § 31 Abs 1 FPG eine völlig neue Tat anzulasten und damit den Spruch des Straferkenntnisses auszuwechseln.

5. Schon aus diesen Gründen war aus Anlass der vorliegenden Berufung das angefochtene Straferkenntnis im Spruchpunkt 1. aufzuheben, ohne dass auf die Berufung näher eingegangen werden musste. Mangels einer schlüssig angelasteten Verwaltungsübertretung und im Hinblick auf die bereits verstrichene Verfolgungsverjährungsfrist war auch die Einstellung des Strafverfahrens gemäß § 45 Abs 1 Z 1 und Z 3 VStG zu verfügen.

Bei diesem Ergebnis hatte der Bw gemäß § 66 Abs 1 VStG weder einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens noch einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens erster Instanz zu leisten.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

Dr. W e i ß

 

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