Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-165841/18/Bi/Kr

Linz, 30.09.2011

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des X, vom 28. Juni 2011 gegen den Bescheid des Polizeidirektors von Steyr vom 20. Juni 2011, S-1153/ST/2010, wegen der Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Verwaltungs­strafverfahren betreffend eine Übertretung der StVO 1960, aufgrund des Ergebnisses der am 22. September 2011 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung (samt mündlicher Verkündung der Berufungs­entscheidung) zu Recht erkannt:

 

Die Berufung wird abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

 

Rechtsgrundlage:

§§ 66 Abs.4 und 71 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1 und 51i VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben bezeichneten Bescheid wurde der als Antrag auf Wieder­ein­setzung in den vorigen Stand gewertete Schriftsatz des Berufungswerbers (Bw) vom 1. Februar 2011 als unbegründet abgewiesen.

 

2. Dagegen hat der Bw fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da im zugrundeliegenden Straferkenntnis keine 2.000 Euro über­steigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Auf ausdrücklichen Antrag wurde am 22. September 2011 eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit des Bw und der Vertreterin der Erstinstanz Frau X durchgeführt. Die Berufungsentscheidung wurde mündlich verkündet. 

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, er habe am 1. Februar 2011 keinen Wiedereinsetzungsantrag gestellt, das sei erst ausdrücklich mit Schriftsatz vom 5. April 2011 erfolgt. Darüber sei bislang nicht abgesprochen worden. Das Schreiben vom 1. Februar 2011 sei die Antwort auf das Mahnschreiben der Erstinstanz gewesen, die offensichtlich nicht berücksichtigt habe, dass noch ein Berufungsverfahren offen sei. Einen anderen Sinn könne man dem Schreiben nicht unterschieben. Er habe zu diesem Zeitpunkt noch nicht von einer von ihm versäumten Verfahrenshandlung (Berufung) ausgehen können, sondern nur davon, dass die Erstinstanz übersehen habe, dass das Straferkenntnis noch nicht rechtskräftig sei. Die Behauptung, die Erstinstanz habe seine Berufung (angeb­lich) nicht erhalten, sei erst viel später aufgestellt worden.

Die Erstinstanz hätte ihn informieren müssen, dass ihr eine Berufungsschrift nicht zugegangen sei und hätte ihn über die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung belehren müssen, zumal er im Schreiben vom 1. Februar 2011 vorgebracht habe, dass er in offener Frist gegen das Straferkenntnis vom 18. September 2010 am 2. Oktober 2010 Berufung per Mail eingebracht habe. Die Erstinstanz habe aber diese Information zurückgehalten und er rüge auch die unterlassene Rechts­belehrung, zumal ihm nun eine Verspätung des Antrages auf Wiedereinsetzung vorgehalten werde.

Er habe als unmittelbare Reaktion auf die Behauptung der Erstinstanz, seine Berufung habe sie nicht erreicht, gebeten, der UVS möge diese Behauptung als richtig oder falsch würdigen, und für den Fall, dass er der Erstinstanz glaube, Wiedereinsetzung beantragt. Dieser Antrag vom 4. April 2011 sei rechtzeitig und wäre zu bewilligen gewesen. Der UVS habe im Schreiben vom 26. April 2011 an die Erstinstanz diese Würdigung auch tatsächlich durchgeführt und mit dem Hinweis um Stellungnahme gebeten, dass "die Mails auch offenbar immer dort angekommen sind, weshalb unklar ist, weshalb die Berufung nicht angekommen sein sollte." Man hätte auch erwarten dürfen, dass der UVS auf die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung hinweise.

Er habe frühestens mit Schreiben des UVS vom 16. März 2011 erahnen können, dass möglicherweise Säumnis in Form des Nichterreichens der Berufung vorliege, da ihm in diesem Schreiben der Standpunkt der Erstinstanz erstmals mitgeteilt worden sei. Er habe daraufhin ohne jede Rechtsbelehrung mit Schreiben vom
4. April 2011 in eventu die Weidereinsetzung beantragt.

Der Bw beantragt, den Bescheid vom 20. Juni 2011 aufzuheben und über seinen Antrag vom 4. April 2011 zu entscheiden, Wiedereinsetzung zu bewilligen und seinen weiteren Anträgen stattzugeben und eine mündliche Berufungsver­handlung anzuberaumen.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, bei der beide Parteien gehört und die sach- und Rechtslage diskutiert wurde.

 

Aus dem vorliegenden Verfahrensakt lässt sich entnehmen, dass über den Bw mit Straferkenntnis der Erstinstanz vom 18. September 2010, S-1153/ST/10, wegen Übertretung der StVO 1960 eine Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe verhängt wurde. Ein Rechtsmittel ging bei der Erstinstanz laut vorgelegtem Verfahrensakt und Mitteilung auf dem Vorlagebericht vom 10. März 2011 nicht ein.

Am 1. Februar 2011 übermittelte der Bw der Erstinstanz ein Mail mit dem Inhalt, er beziehe sich auf ein Mahnschreiben vom 26. Jänner 2011 und teile mit, er habe am 2. Oktober 2010 Berufung gegen das oben angeführte Straferkenntnis eingebracht, sodass dieses nicht rechtskräftig sei, und ersuche um Bestätigung, dass das Mahnschreiben gegenstandslos sei.

Mit h. Schreiben vom 16. März 2011 wurde dem Bw mitgeteilt, dass bei der Erstinstanz keine Berufung eingegangen sei, wobei ausgehend von der Hinter­legung des Straferkenntnisses am 23. September 2010 die Rechtsmittelfrist am 7. Oktober 2010 abgelaufen sei.

Mit Mail vom 5. April 2011 bestätigte der Bw die Absendung der (zugleich vorgelegten) Berufung am 2. Oktober 2010 von seinem Computer und ersuchte "die Behauptung der Behörde, dass sie (ausgerechnet) die Berufungs­schrift nicht erreicht hätte, als Schutzbehauptung unberücksichtigt zu lassen" und ihr deren Vorlage aufzutragen oder die Erklärung, "warum sie mein Mail vom 2.10. nicht geöffnet hat." Er beantragte, "auszusprechen, dass gegen das genannte Strafer­kenntnis rechtzeitig Berufung erhoben worden sei, in eventu Wiedereinsetzung gegen den Ablauf der Berufungsfrist, weil ihm die Verspätung seiner Berufung aus Umständen in der Sphäre der Erstinstanz zur Kenntnis gebracht worden sei, das kein Versehen (oder allenfalls ein unterdurchschnittliches Versehen)  begrün­den könne."

 

Mit h. Schreiben vom 26. April 2011 wurde die Erstinstanz dazu um Stellung­nahme ersucht. Dabei wurde am Rande festgehalten, dass der Bw laut Verfahrens­akt offensichtlich im erstinstanzlichen Verfahren ausschließlich über Mail mit der Erstinstanz korrespondiert hatte und offenbar alle die Mails angekommen seien – bis auf die Berufung. Angeregt wurde, im Mail des (nicht rechtsfreundlich vertretenen) Bw vom 1. Februar 2011 einen Antrag auf Wiedereinsetzung zu erblicken, wobei darüber die Erstinstanz zu entscheiden habe.

 


Mit Stellungnahme vom 6. Mai 2011 wurde seitens der Erstinstanz erklärt, bereits vor der Aktenvorlage habe eine Überprüfung der Angaben des Bw, er habe am 2. Oktober 2010 Berufung eingebracht, stattgefunden und konnte die Berufung tatsächlich nicht vorgefunden werden. Da der Bw bislang mehrfach per Mail mit der Erstinstanz in Kontakt getreten sei, sei davon auszugehen, dass bei der Übermittlung der Berufung entweder im Bereich des Bw ein Fehler aufgetreten sein müsse oder die Berufung nicht zeitgerecht übermittelt worden sei. Es ergebe sich aber aus dem Mail vom 1. Februar 2011 kein Hinweis aus der Bezeichnung oder dem Inhalt in die Richtung, dass der Bw durch ein unvorher­gesehenes oder unabwendbares Ereignis daran gehindert gewesen wäre, die Rechtsmittelfrist einzuhalten. Da der Bw ausdrücklich die Einbringung des Rechtsmittels geltend mache, lägen die Voraussetzungen für eine Wiederein­setzung nicht vor. Im Übrigen sei auch dieses Mail ohne Probleme eingelangt und bearbeitet worden.

 

Mit h. Schreiben vom 17. Mai 2011 wurde dem Bw die Stellungnahme der Erstinstanz zur Kenntnis gebracht und ausgeführt, dass eine Absendebestätigung nur die Absendung eines Mails aber nicht dessen Ankommen bei der Empfänger-Adresse bestätige, weshalb sich auch ein Ersuchen um eine entsprechende Bestätigung des Empfängers empfehle. Dem Bw wurde auch die Ansicht des UVS mitgeteilt, dass seinem Schluss, die Erstinstanz habe sein Mail nicht geöffnet, weil es "aussichtsreich erschienen sei", nicht gefolgt werden könne, weil Mails, die nicht geöffnet würden, auch inhaltlich nicht beurteilt werden könnten. Nach den Beweisergebnissen sei davon auszugehen, dass sein Mail tatsächlich bei der Erstinstanz aus welchen – vermutlich technischen – Gründen auch immer nicht angekommen sei, es gebe keinen Nachweis des Nicht-/Einlangens. Dem Bw wurde darauf bezogene VwGH-Judikatur zur Kenntnis gebracht und mitgeteilt, dass das Straferkenntnis als rechtskräftig anzusehen sei. 

 

In seinem Mail vom 27. Mai 2011 blieb der Bw dabei, sein Antrag auf Fest­stellung des Nichteinlangens oder nicht rechtzeitigen Einlangens der Berufung sei ebenso wie sein Wiedereinsetzungsantrag bescheidmäßig zu erledigen.

 

Daraufhin wies die Erstinstanz mit Bescheid vom 20. Juni 2011 den "Antrag" vom 1. Februar 2011 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unbegründet ab. Dagegen erhob der Bw wiederum per Mail Berufung und beantragte eine öffent­liche mündliche Berufungsverhandlung. Diese wurde zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 22. September 2011 durchgeführt und die Berufungs­ent­scheidung mündlich verkündet.

 


In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 71 Abs.1 Z1 AVG, der gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstraf­verfahren gilt, ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft. Gemäß Abs.2 dieser Bestimmung muss der Antrag binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.

 

Aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates ist die Wertung des Mails des Bw vom 1. Februar 2011 als Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand insofern gerechtfertigt, als zum einen der von ihm als solcher aufgefasste Antrag vom 5. April 2011 "in eventu" gestellt wurde und zum anderen wäre ein solcher Antrag wie der im Mail vom 5. April 2011 gestellte als verspätet anzusehen und zurückzuweisen gewesen. Der Bw konnte nach Ansicht des UVS nämlich schon bei Erhalt des Mahnschreibens vom 26. Jänner 2011 mit Sicherheit davon ausgehen, dass die Erstinstanz von der Vollstreckbarkeit der mit (rechtskräftigem) Straferkenntnis verhängten Geldstrafe ausgegangen war. Eine bescheidmäßige Feststellung einer offensichtlichen Tatsache erübrigt sich.

Die Frist für den Antrag auf Wiedereinsetzung begann daher mit der Zustellung des Mahnschreibens an den Bw, sodass das Mail vom 1. Februar 2011 im Wege einer Umdeutung seines Inhalts trotz fehlender ausdrücklicher Bezeichnung als fristgerecht eingebracht anzusehender Antrag auf Wiedereinsetzung des nicht rechtsfreundlich vertretenen Bw nach Auffassung sowohl der Erstinstanz als auch des Unabhängigen Verwaltungssenates zulässig war. Die (ohne Zweifel) abge­sendete Berufung wurde ohne Verbesserungs­auftrag vorgelegt; diesbezüglich wurde zu seinen Gunsten von der Erfüllung formaler Voraussetzungen durch den nicht rechtsfreundlich vertretenen Bw ausgegangen.

 

Inhaltlich war die Abweisung des Antrages insofern gerechtfertigt, als der Bw zwar bisher offenbar alle Mails an die Erstinstanz und den Unabhängigen Verwaltungssenat ohne jede Erkundigung gerichtet hat, ob diese auch dort angekommen sind. Bei frist­gebundenen Rechtsmitteln trägt aber nach ständiger Rechtsprechung des VwGH der Rechtsmittelwerber das Risiko des Nichteinlangens beim Adressaten: Nach der Judikatur des VwGH ist "eingebracht" eine Berufung nur dann, wenn sie bei der Behörde tatsächlich einlangt. Dies ist bei einer E-Mail-Sendung dann der Fall, wenn sie von einem Server, den die Behörde für die Empfangnahme von an sie gerichteten E-Mail-Sendungen gewählt hat, empfangen wurde und sich damit im "elektronischen Verfügungs­bereich" der Behörde befindet. Das Einlangen bei der Behörde hat die Partei zu beweisen. Eine Bestätigung über die Ab­sendung einer E-Mail-Nachricht ist für sich allein nicht als Beweis­mittel für das tat­sächliche Einlangen der Sendung bei der Behörde geeig­net, kann daraus doch nicht geschlossen werden, dass die Nachricht tatsächlich bei der Behörde einge­langt ist (vgl E 29.1.2010, 2008/10/0251, mit Hinweisen auf Vorjudikatur E 22.4.2009, 2008/04/0089; 3.9.2003, 2002/03/0139; ua).

 

Auch wenn der Bw in der mündlichen Verhandlung diese Ansicht als "aus der Steinzeit stammend" angesehen und – absolut glaubhaft – auf seine einwand­freie technische Ausstattung verwiesen hat, hätte er sich gerade bei der Einbringung von fristgebundenen Rechtsmitteln selbst davon zu überzeugen gehabt, dass diese auch tatsächlich beim Adressaten angekommen sind, entweder durch telefonische Nachfrage oder durch das Ersuchen um Bestätigung des Erhalts durch den Adressaten. Der Bw hatte bislang das Glück, dass – außer der Berufung – offenbar alle seine Mail auch angekommen sind, obwohl er noch nie diesbezüglich nachgefragt hat. Allerdings hat er selbst im Mail vom 5. April 2011 ersucht, der Erstinstanz eine Erklärung abzuverlangen, warum sie sein Mail vom 2. Oktober 2010 nicht geöffnet habe. Schon diese Äußerung lässt nach Auffassung des UVS die Deutung zu, dass er sein Mail zur Nachverfolgung gekennzeichnet und spätestens am Ende des ersten Arbeitstages nach dem Absenden des Mails festgestellt hat, dass das Mail offenbar vom Adressaten – untypischerweise – nicht geöffnet/gelesen wurde, dh dass etwas damit nicht stimmen konnte. Zu diesem Zeitpunkt wäre telefonisch oder per Mail die Mitteilung der Absendung einer Berufung bzw Erkundigung über deren Einlangen oder auch eine nochmalige recht­zeitige Absendung mit der Rückversicherung des tatsächlichen Einlangens bei der Erstinstanz einwandfrei möglich gewesen. Das Ereignis des nicht vor Ablauf der Rechtsmittelfrist erfolgten Einlangens bei der Erstinstanz als gemäß § 63 Abs.5 AVG zuständigen Behörde war für den Bw demnach nicht unvorhersehbar und nicht unabwendbar.    

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 


Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Bissenberger

 

 

 

Beschlagwortung:

 

Wiedereinsetzungsantrag abgewiesen

 

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