Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-165990/26/Bi/Kr

Linz, 20.09.2011

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn X, vertreten durch den Verfahrenshilfeverteidiger Herrn RA X, vom 8. März 2011 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshaupt­mannes von Schärding vom 22. Februar 2011, VerkR96-3283-2010/Ah, wegen Übertretung des FSG, aufgrund des Ergebnisses der am 8. September 2011 beim Haus X, durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungs­­verhandlung  zu Recht erkannt:

 

I. Der Berufung wird insofern teilweise Folge gegeben, als das ange­fochtene Straferkenntnis im Schuldspruch mit der Maßgabe bestätigt wird, dass die Tatzeit auf "17.30 Uhr" geändert wird und im Spruch die Wortfolge "hinter den Sträuchern" zu entfallen hat; die Geldstrafe wird auf 363 Euro herabgesetzt, die Ersatzfreiheitsstrafe bestätigt.

 

II. Der Beitrag zu den Verfahrenskosten der Erstinstanz ermäßigt sich auf 36,30 Euro; ein Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren entfällt.

 

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 44a Z1, 51i und 19 VStG

zu II.: §§ 64f VStG

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über den Beschuldigten wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 1 Abs.3 iVm 37 Abs.1 und Abs.3 Z1 FSG eine Geldstrafe von 365 Euro (5 Tage EFS) verhängt, weil er am 14. Juli 2010 um ca 17.30 Uhr den Pkw X auf der Lambrechtener Straße von Richtung Taiskirchen kommend in Fahrtrichtung Lambrechten gelenkt habe, in den Ortschaftsweg Vicht eingebogen sei und das Fahrzeug hinter den Sträuchern vor dem Haus X abgestellt habe, wobei er das Kraftfahrzeug auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr gelenkt habe, obwohl er nicht im Besitz einer von der Behörde erteilten gültigen Lenkberechtigung der Klasse B gewesen sei.

Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 36,50 Euro auferlegt.

 

2. Dagegen hat der Berufungswerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro über­steigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 8. September 2011 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit des Bw, seines Rechtsvertreters Herrn RA Dr. X und der Zeugen Meldungsleger GI X (Ml) und BI X (BI W) durch­geführt. Der Vertreter der Erstinstanz war entschuldigt. Der vom Bw beantragte rumänische Zeuge X (RL) ist nicht erschienen, die Ladung wurde laut Auslands­­rückschein ohne Zustellung und ohne sonstige Erklärung rück­über­mittelt.   

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, nicht er sei zum Haus X gefahren, sondern der von ihm – erst im Schriftsatz des Rechtsvertreters vom 18. Juli 2011 erstmals namentlich – genannte rumänische Zeuge. Dieser sei auf der Fahrt vom Fischteich, wo er den Bw abgeholt habe, telefonisch verständigt worden, dass er wegen dringender Geschäfte sofort abgeholt werde, und habe den auf den Bw zugelassenen Pkw zufällig in der dortigen Siedlung, nämlich vor der Garageneinfahrt des Hauses X, abgestellt, jedoch keineswegs in der Absicht, ihn zu verstecken. Er habe den Bw gebeten, ca eine Stunde dort auf ihn zu warten. Als die Polizei gekommen sei, sei der Zeuge bereits mit einem blauen Audi A4 abgeholt worden. Er selbst habe nie gesagt, dass er den Führerschein vergessen habe. Auch die Anschuldigung, er habe ein 15jähriges Mädchen belästigt, sei falsch. Im Übrigen bestünden Widersprüche in den Angaben der beiden Polizisten hinsichtlich der Uhrzeiten, der Position des abgestellten Pkw und deren Wahrnehmungen im Begegnungsverkehr; der Tatvorwurf sei hinsichtlich Tatzeit und Tatort nicht ausreichend formuliert, wobei auch die bloße Anschuldigung, er habe keine Lenkerberechtigung für die Klasse B, nichts darüber aussage, ob er nicht eine gültige Lenkerberechtigung für eine andere Klasse besessen habe – er hätte höchstens nach § 37 Abs.1 FSG bestraft werden dürfen, nicht aber nach Abs.3 Z1. Beantragt wird Verfahrenseinstellung nach Durchführung einer Berufungs­ver­handlung mit Ortsaugenschein.

   

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am damaligen Ort der Anhaltung, bei der beide Polizeibeamte unter Hinweis auf die Wahrheitspflicht des § 289 StGB zeugenschaftlich vernommen wurden. Der rumänische Zeuge ist nach Rücksendung der Ladung durch die rumänische Post nicht erschienen, jedoch wurde vom Bw eine handschriftliche und mit "X, 31.8.2011 – X" unterschriebene "Declaratie" vorgelegt, allerdings nicht in deutscher Sprache und damit nicht eindeutig in ihrem Sinn erfassbar. Der Bw hat eine inhalt­liche Zusammenfassung in der Form angeboten, dass der rumänische Zeuge darin bestätige, dass er am 14.7.2010 den im Eigentum des Bw befindlichen Audi 80, X, gelenkt habe.

 

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Am 14. Juli 2010 um 16.45 Uhr zeigte eine Frau telefonisch bei der PI Taiskirchen an, dass ihre 15jährige Tochter von einem Mann, der in einem hellen bzw weißen Auto gesessen sei, belästigt worden sei. Dieser habe sie an der Hand genommen und gestreichelt und ihr angeboten, mit ihr zum Baden zu fahren und "Spaß zu haben". Die beiden Polizeibeamten BI W und der Ml fuhren daraufhin nach X und befragten das Mädchen. Der weißhaarige ca 50- bis 60jährige Mann habe sie angesprochen, er sei in einem weißen Pkw älteren Baujahres mit Stufenheck unterwegs gewesen, wobei aber weder das Pkw-Kenn­zeichen noch eine Automarke bekannt war.

Die beiden Beamten fuhren daraufhin die Gegend ab, konnten den Pkw aber nirgends finden. Als sie gegen 17.30 Uhr auf der Lamprechtener Straße bereits wieder in Richtung PI Taiskirchen unterwegs waren, sahen sie in einer lang­ge­zogenen Kurve von weitem einen hellen Pkw mit Stufenheck entgegenkommen und der Ml machte BI W auf den Pkw aufmerksam, der etwa den Angaben des Mädchens entsprach. Beide Zeugen beobachteten im Gegenverkehr den Lenker, auf den die Beschreibung des Mädchens augenscheinlich ebenfalls passte. Beide Zeugen gaben in der Berufungsverhandlung an, der Bw sei eindeutig der Lenker gewesen, habe sich als einzige Person im Fahrzeug befunden und habe sowohl vom Alter als auch von der Haarfarbe her der Beschreibung entsprochen. Der Pkw sei ein älterer Audi 80 gewesen, weiß und mit Stufenheck.

Der Ml als Lenker des Polizeifahrzeuges drehte bei der nächsten Gelegenheit um und fuhr dem Pkw nach, den die Beamten aber im angrenzenden Waldabschnitt aus den Augen verloren. Als die Lambrechtener Straße nach dem Wald wieder einsehbar wurde, war der Pkw verschwunden, dh die Beamten nahmen an, er sei irgendwo eingebogen. Der Ml drehte bei der nächsten Gelegenheit um und fuhr zurück in Richtung Taiskirchen, wobei aus dieser Richtung die Sicht nach links auf die Ortschaft X uneingeschränkt besteht. Die Ortschaft besteht aus einigen Häusern und ist durch eine durch Wiesen führende Zufahrtsstraße mit der Lambrechtener Straße verbunden. Die Beamten sahen die Front des weißen Pkw vor einer Garagenzufahrt stehen, auf der Zufahrtsstraße sahen sie niemanden. Der Ml fuhr daraufhin zu dieser Siedlung, wo der Pkw X, ein weißer Audi 80 (Erstzulassung 1988), in der von Sträuchern gesäumten Garagenzufahrt des Hauses X stand. Der Bw war allein und ging gerade in Richtung Haus. Er wurde zur Lenker- und Fahrzeugkontrolle aufge­fordert und gab auch zu, "nicht da her zu gehören". Er zeigte den Beamten den Zulassungsschein, allerdings nicht einen Führerschein, wobei nach den Angaben des Ml der Bw zunächst die Aushändigung der Papiere mit dem Bemerken verweigerte, das brauche er nicht, weil das sei Privatgrund, und danach angab, den Führerschein habe er vergessen. Als sich bei einer EKIS-Anfrage heraus­stellte, dass er gar keine Lenkbe­rechtigung besaß, gab er das zu, behauptete aber, er sei nicht gefahren, der Lenker sei schon weg. Der Bw gab in der Berufungsverhandlung an, er habe nie gesagt, er habe den Führerschein vergessen. Nach Vorhalt gab er schließlich die Begegnung mit dem Mädchen zu, allerdings schilderte er den Vorfall umgekehrt, das Mädchen habe vielmehr ihn angesprochen. Später wurden dann Fotos vom Bw und seinem Pkw gemacht und dem Mädchen gezeigt, das den Mann wiedererkannte und angab, dieser sei allein im Fahrzeug gewesen.

Der Bw war bei der Anhaltung über die Anschuldigung der Belästigung des Mädchens empört und drohte den Beamten lautstark Beschwerden wegen Amtsmiss­brauchs an. Er bestritt, der Lenker des auf ihn zugelassenen Pkw gewesen zu sein. Jemand habe ihn hergebracht und sei inzwischen abgeholt worden. Er weigerte sich, den Beamten den Fahrzeugschlüssel zu geben, und ihm wurden nach einem Telefongespräch mit dem zuständigen BH-Abteilungs­leiter für den Fall eines weiteren Lenkens Maßnahmen angedroht.

 

Die Aussagen der beiden Beamten gingen in der Berufungsverhandlung insofern auseinander, als keiner mehr dezidiert sagen konnte, ob der Lenker im Gegen­verkehr eine Sonnenbrille getragen hatte und ob die Frontscheibe des Pkw getönt war bzw einen Tönungsstreifen aufgewiesen hatte. Der Bw gab an, er trage immer seine Sonnenbrille und man könne durch den Tönungsstreifen der Scheibe das Gesicht eines Insassen gar nicht erkennen. Im Übrigen sei der Pkw mit dem Heck zur Garage eingeparkt gewesen – das hat BI W bestätigt, der Ml konnte dazu nichts mehr sagen. Beide Zeugen bestätigten, sie hätten sich im Gegen­verkehr darauf konzentriert, ob der Lenker der Beschreibung des Mädchens entsprach, und sie hätten beide festgestellt, dass der Bw die einzige Person im Pkw war, auch hinten habe sich niemand befunden; so weit sei der Pkw einsehbar gewesen.

 

Erstmals in der Stellungnahme seines im Wege der Verfahrenshilfe bestellten Rechtsvertreters vom 18. Juli 2011, also mehr als ein Jahr nach dem Vorfall, hat der Bw den rumänischen Staatsbürger RL als damaligen Lenker benannt und dessen zeugenschaftliche Einvernahme beantragt. Die Ladung konnte dem Zeugen in Rumänien nicht zugestellt werden und die Ladung wurde rücküber­mittelt. Dem Bw wurde freigestellt, den Zeugen zur Verhandlung mitzubringen, was er ebenfalls nicht getan hat.  Er hat eine nicht in deutscher Sprache verfasste Erklärung des angeblichen Zeugen vorgelegt, wonach dieser das Fahrzeug gelenkt habe, und er hat ausgeführt, der Zeuge, ein rumänischer Autohändler, sei bereits mehrmals in Österreich gewesen und habe hier Geschäfte zu erledigen. Er habe ihn am Vorfallstag zu dem damals von ihm gepachteten Fischteich gebracht und später auch wieder abgeholt, wobei RL den Pkw gelenkt habe, weil er selbst ja keine Lenkberechtigung besitze. Der Zeuge sei auch der Lenker im Gegenverkehr gewesen. Auf dieser Fahrt habe er in seiner Sprache Telefonate geführt und ihm dann erklärt, er werde sofort abgeholt und ob er ca eine Stunde auf ihn warten könne. Er habe an sich den Pkw einfach auf der Lambrechtener Straße stehenlassen wollen, der Bw habe ihn aber gebeten, zu den Häusern in X zuzufahren, wo sie zufälliger­weise gerade vorbeigekommen seien. RL habe den Pkw vor dem Haus X rückwärts eingeparkt und sei zur Zufahrtsstraße zurückgelaufen, wo ein blauer Audi A4 auf ihn gewartet habe, der sofort weggefahren sei.

Den beiden Polizeibeamten fiel ein derartiger blauer A4 nirgends auf, weder bei der Fahrt in Richtung Taiskirchen vor Passieren des Pkw des Bw noch in der Gegenrichtung, wobei sie einräumten, das Umkehrmanöver nach Passieren der Ortschaft X sei hin und zurück über ca 1 km gegangen, die Straße sei aber jeweils übersichtlich und auch zeitlich sei damit eine derartige Abholung nicht vorstellbar.

 

Der Bw beantragte in der Verhandlung die neuerliche Ladung des Zeugen RL in Rumänien mit der Begründung, der Vermerk des Zustellers sei mit 29. August 2011 datiert und der rosa Rücksendevermerk auf dem Kuvert trage das Datum 30. August 2011; die handschriftliche Erklärung des Zeugen sei mit 31. August 2011 datiert, dh der Zeuge sei zufällig am 29. und 30. August 2011 nicht zu Hause gewesen. Der Beweisantrag war abzuweisen, weil zum einen ein rumänischer Staatsbürger nicht nach Österreich als Zeuge "geladen" sondern höchsten "eingeladen" werden kann und außerdem eine neuerliche kosten­intensive Auslands­ladung das gleiche Schicksal teilen könnte wie bereits die erfolglose. Der Zeuge war offensichtlich trotz Ersuchen des Bw nur zu einer handschriftliche Erklärung zu bewegen, obwohl es dem Bw freigestellt war, den Zeugen persönlich mitzubringen.

  

Aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates sind die Angaben des Bw vom rumänischen Autohändler äußerst fragwürdig. Um jemanden so abholen zu können, wie der Bw das geschildert hat, bedarf es einer genauen Planung insofern, als der Bw in der Landschaft zwischen zwei Orten unterwegs war, dh um den Zeugen punktgenau abholen zu können, muss sich das angebliche Abholfahrzeug in unmittelbarer Nähe des Pkw des Bw befunden haben und dessen Lenker genaue Ortskenntnisse haben. Der Pkw des Bw war als einziges Fahrzeug aus Richtung Taiskirchen in Richtung Lambrechten unterwegs – hier ist den Beamten Glauben zu schenken, die beide übereinstimmend behauptet haben, im Pkw habe sich nur eine einzige Person, nämlich der Bw, befunden, das sei trotz einer eventuellen Tönung der Frontscheibe einwandfrei erkennbar gewesen. Eine Tönung der Scheiben verhindert sicher nicht gänzlich die Sicht auf den Fahrzeug-Innenraum, dh es ist mit Sicherheit erkennbar, ob sich der Lenker allein im Pkw befindet oder auch noch andere Personen auf dem Beifahrersitz oder hinten sitzen. Die beiden Beamten haben bei der nächsten Möglichkeit umgedreht, dh bei der Kreuzung nahe des Lagerhauses, und ihnen ist nirgends ein blauer A4 aufgefallen, der zum punktgenauen Abholen ja in unmittelbarer Nähe des Pkw des Bw gefahren sein müsste. Der Ml bestätigte, er sei dem Pkw nachgefahren "was gegangen sei". Im an den Begegnungsort der beiden Fahrzeuge anschließenden Waldabschnitt der Lambrechtener Straße hätten sie den Pkw des Bw aus den Augen verloren – was im Gegensatz zu den unqualifizierten Behauptungen des Bw in seiner Berufung – nicht an den Augen der Beamten sondern am die Straße säumenden Wald gelegen war. Etwa bei der Zufahrt X geht die Lambrechtener Straße in eine einsehbare Gerade über, auf der der Pkw des Bw plötzlich nicht mehr da war. Die Beamten nahmen daher an, dass der Pkw dort – entweder nach rechts zur Siedlung Lacken oder links zum Betonwerk X – einge­bogen sein müsse, und drehten bei der nächsten Gelegenheit, einer ca 500 m entfernten Kreuzung, um. Auch hier fiel den beiden Zeugen kein blauer A4 auf, obwohl dieser Straßenabschnitt annähernd gerade und einsehbar ist. Der weiße Pkw des Bw wurde bei der Rückfahrt schon vor der Garagenzufahrt in Lacken stehend gesehen, eine auf der Zufahrtsstraße laufende Person fiel den Beamten ebenfalls nicht auf.

Nach der Schilderung des Bw, die im Übrigen erstmals in der Stellungnahme vom 18. Juli 2011 auftaucht, hätte RL aber inzwischen den Pkw auf der Lambrechtener Straße stehenlassen wollen, sei von ihm zum Zufahren zum Haus X überredet worden, hätte dort rückwärts eingeparkt und wäre zu Fuß zur Lambrechtener Straße zurückgelaufen, wo der blaue A4 auf ihn gewartet und ihn mitgenommen hätte. Dass die Beamten weder im Begegnungsverkehr noch bei der Nachfahrt, weder im Abschnitt zwischen der Zufahrt X in Richtung Lambrechten noch bei der Rückfahrt nach X einen derartigen Pkw, der ja angeblich auf der Lambrechtener Straße auf den rückwärts einparkenden und zur Straße zurücklaufenden RL warten und daher kurze Zeit stehen hätte müssen, wahrgenommen haben und ihnen auch die Person des RL sowohl im Begegnungsverkehr als auch auf dem Weg zu Fuß zur Straße zurück gänzlich verborgen geblieben ist, obwohl die zur Verfügung stehenden Zeitspannen weitgehend eng sind, ist aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates nach der allge­meinen Lebenserfahrung wohl nur damit zu erklären, dass der angebliche Zeuge RL gar nicht dort war. Der Lenker des angeblichen blauen Audi A4 müsste RL entweder aus Richtung Lambrechten im Bereich der Zufahrt X erreicht haben oder hinter ihm hergefahren sein bzw ihn eingeholt haben – das scheidet aber aufgrund der Beobachtungen der beiden Polizeibeamten aus, die den Pkw dann zumindest bei der Zufahrt X wartend oder kurz darauf wegfahrend – zur Fahrtrichtung hat sich der Bw wohlweislich nicht geäussert – sehen hätten müssen. Geht man davon aus, dass die Zufahrt zum Haus X laut DORIS ca 120 m lang ist, wobei der Pkw auch noch rückwärts eingeparkt war, wie außer dem Bw auch BI W bestätigte, und RL angeblich zu Fuß zur Lambrechtener Straße zurücklief, wobei aber überhaupt kein Anlass für Versteck­spiele erkennbar ist, so ist der etwa 500 m lange Weg der Beamten von der Zufahrt X bis zur nächsten Kreuzung in Richtung Lambrechten damit zeitgleich anzunehmen, wobei die Beamten aus der Gegenrichtung nach X fahrend freie Sicht auch auf die Einmündung der Zufahrtsstraße hatten und ihnen dort ebenfalls kein blauer A4 und kein RL auffiel.

Die Schilderung des Bw ist nach Auffassung des Unabhängigen Verwaltungs­senates wohl seinen Wunschvorstellungen zuzuordnen. Außerdem hätte für den angeblichen RL auch kein Anlass bestanden, sich vor den beiden Polizeibeamten zu verstecken, zumal er angeblich ja eine Lenk­berechtigung besaß. Wo er sich im Pkw befunden haben soll, als dieser den Beamten im Gegenverkehr begegnete, und ob sein Aussehen dem des Bw bis zur Verwechselbarkeit ähnelt, konnte mangels persönlichem Erscheinen nicht in Erfahrung gebracht werden und wurde nicht einmal vom  Bw behauptet. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht daher davon aus, dass die auf eigene Wahrnehmung beruhenden Aussagen der beiden Zeugen, der im Begegnungs­verkehr von den Beamten wahrgenommene Lenker sei der Bw gewesen, schon aufgrund der geringen Entfernung der beiden Fahrzeuge im Gegenverkehr nachvollziehbar und daher glaubhaft sind. Damit war aber einwandfrei davon auszugehen, dass der Bw persönlich den auf ihn zugelassenen Pkw X am 14. Juli 2010 gegen 17.30 Uhr auf der Lambrechtener Straße aus Richtung Taiskirchen kommen zum Haus X gelenkt hat.

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 1 Abs.3 FSG in der am 14.7.2011 geltenden Fassung ist das Lenken eines Kraftfahrzeuges und das Ziehen eines Anhängers, ausgenommen in den – hier nicht zutreffenden – Fällen des Abs.5, nur zulässig mit einer von der Behörde erteilten gültigen Lenkberechtigung für die Klasse oder Unterklasse, in die das Kraftfahrzeug fällt.

Gemäß § 37 Abs.3 Z1 FSG ist eine Mindeststrafe von 363 Euro zu verhängen für das Lenken eines Kraftfahrzeuges entgegen der Bestimmung des § 1 Abs.3, sofern der Lenker überhaupt keine gültige Klasse von Lenkberechtigung besitzt.

 

Vom Bw unbestritten steht fest, dass er über gar keine von der Behörde erteilte gültige Lenkberechtigung verfügt, dh er besitzt auch keine Lenk­be­rechtigung für die Klasse B, die zum Lenken des angeführten Pkw erforderlich gewesen wäre. Damit war aber die Tatanlastung diesbezüglich richtig.

Der Unabhängige Verwaltungs­senat vermag auch eine behauptete rechtlich mangelhafte zeitliche Zuordnung nicht zu erkennen. Auch wenn in der Anzeige offensichtlich ein Schreibfehler darin besteht, dass nach dem Telefon­anruf der Mutter des Mädchens bei der PI Taiskirchen um 16.45 Uhr des 14. Juli 2010 – diesbezüglich wurden die Zeitangaben von den beiden Zeugen in der Berufungs­verhandlung bestätigt – die Begegnung zwischen Polizeifahrzeug und Pkw des Bw mit "16.25 Uhr" anstatt wohl richtig "17.25 Uhr" angeführt ist, so besteht an der Lenkzeit "17.30 Uhr" kein Zweifel aus dem Beweisverfahren, wobei beide Beamte diese zeitliche Zuordnung bei ihren im März 2011 und damit außerhalb der Verfolgungs­verjährungsfrist gemachten Zeugenaussagen bestätigt haben. Die Tatzeitangabe "17.30 Uhr" im Spruch der Strafverfügung vom 10. August 2010, die auch in das Straferkenntnis übernommen wurde, erlaubt eine zeitlich ausreichende Zuordnung der Übertretung, wobei die Strafverfügung innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist ergangen und daher als Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 VStG geeignet ist. 17.30 Uhr als Lenkzeit-Ende beim Haus X ließ sich auch im Beweisverfahren annähernd nachvollziehen, wobei diese Zeitangabe bei der Tätigkeit des Lenkens selbstverständlich nicht sekundengenau zu verstehen ist. Hinsichtlich der Tatortangabe "Lambrechtener Straße von Richtung Taiskirchen kommend in Richtung Lambrechten bis zum Haus X" besteht ebenfalls kein Ansatz für die behauptete zu unbestimmte Umschreibung und hat sich diese Fahrstrecke auch in der Berufungs­verhandlung bestätigt. Ob der Bw eine andere oder auch ausländische Lenkberechtigung hatte, steht nicht zur Diskussion, weil zum Lenken eines Pkw eine solche für die Klasse B erforderlich ist und der Bw laut FSR überhaupt keine Lenkberechtigung, also auch keine für die Klasse B besitzt und er selbst auch nie etwas anderes behauptet hat. Da zwar die von ihm gewählte Garageneinfahrt von Sträuchern gesäumt war, jedoch ein Verstecken des Pkw dort realistisch betrachtet von Vornherein aussichtslos war und sich eine solche Absicht auch wegen der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit nicht eindeutig nachvollziehen lässt, war der Spruch gemäß § 44a Z1 VStG dahingehend ebenso einzu­schränken wie hinsichtlich der "ca"-Angabe der Lenkzeit.

 

Für den Unabhängigen Verwaltungssenat war im Ergebnis ohne Zweifel davon auszu­gehen, dass der Bw den ihm nunmehr abgeändert zur Last gelegten Tatbestand erfüllt und, da ihm die Glaubhaftmachung mangelnden Verschuldens im Sinne des § 5 Abs.1 VStG nicht gelungen ist, sein Verhalten als Verwaltungs­übertretung zu verantworten hat. Die Heranziehung des § 37 Abs.3 Z1 FSG als Strafnorm ist rechtlich unbe­denklich.

 

Zur Strafbemessung ist zu sagen, dass der Strafrahmen des § 37 Abs.1 iVm Abs.3 Z1 FSG von 363 Euro bis 2.180 Euro Geldstrafe, für den Fall der Unein­bringlichkeit bis sechs Wochen Ersatzfreiheitsstrafe, reicht.

Die Erstinstanz hat aus nicht nachvollziehbaren Überlegungen eine um 2 Euro über der gesetzlichen Mindeststrafe liegende Geldstrafe verhängt, allerdings ist in der Begründung des Straferkenntnisses davon als Mindeststrafe die Rede, sodass anzunehmen ist, dass diese verhängt werden sollte. Nachdem der Bw – seine  Eintragungen im FSR sprechen eine deutliche Sprache – nunmehr (wieder) unbescholten ist, spricht auch nichts dagegen, zumal der Bw nach eigenen Angaben einen Pensionsvorschuss in Höhe von ca 700 Euro monatlich bezieht, keine Sorgepflichten und kein Vermögen hat.

Die Bestimmung des § 20 VStG kam nicht zum Tragen, weil die bloße verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit als einziger Milderungsgrund die Annahme eines "beträcht­lichen Überwiegens" noch nicht rechtfertigt und der 1959 geborene Bw kein Jugendlicher mehr ist. Es steht ihm frei, bei der Erstinstanz um die Möglichkeit der Bezahlung der Geldstrafe in Teilbeträgen anzusuchen. Die verhängte Ersatzfreiheitsstrafe von fünf Tagen ist im Verhältnis zur Geldstrafe aus dem Strafrahmen angemessen, diesbezüglich ist eine Mindest­strafe gesetzlich nicht festgelegt. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

Zu II.:

Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz bzw dessen Entfall ist gesetzlich begründet.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Bissenberger

 

Beschlagwortung:

 

Lenken ohne LB

 

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