Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-522932/6/Bi/Kr

Linz, 26.09.2011

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung der Frau X, vom 3. August 2011 gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 26. Juli 2011, VerkR21-485-2011/LL, wegen Entziehung der Lenkberechtigung ua, aufgrund des Ergebnisses der am 21. September 2011 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsver­handlung zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

 

Rechtsgrundlage:

§§ 66 Abs.4 und 67a AVG

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben angeführten Bescheid wurde der Berufungswerberin (Bw) gemäß §§ 24 Abs.1, 26 Abs.2 Z1, 3 Abs.2, 30 Abs.1, 32 Abs.1, 24 Abs.3 und 8 FSG die von der BH Linz-Land am 18. Jänner 1982, Pl-39/38-1981, für die Klasse B erteilte Lenkberechtigung für die Dauer von sechs Monaten, gerechnet ab
8. Juli 2011, entzogen und für den selben Zeitraum ein Lenkverbot für Motor­fahrräder, vierrädrige Leichtkraftfahrzeuge und Invalidenkraftfahrzeuge aus­gesprochen und das Recht aberkannt, von einem allfällig ausgestellten ausländischen Führerschein in Österreich Gebrauch zu machen. Außerdem wurde ihr aufgetragen, sich vor Ablauf der Entziehungsdauer auf eigene Kosten einer Nachschulung für alkoholauffällige Lenker zu unterziehen und ein amts­ärzt­liches Gutachten über ihre gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahr­zeugen und zur Erstattung dieses Gutachtens eine verkehrspsychologische Stellung­nahme zu erbringen, wobei die Entziehungsdauer nicht vor Befolgung dieser Anordnungen ende. Gemäß § 64 Abs.2 AVG wurde einer allfällig dagegen eingebrachten Berufung die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Die Zustellung des Bescheides erfolgte am 26. Juli 2011.

 

2. Dagegen wendet sich die von der Bw fristgerecht eingebrachte Berufung, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde, der durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 67a Abs.1 2. Satz AVG). Am 21. September 2011 wurde eine öffentliche mündliche Berufungs­verhandlung in Anwesenheit der Bw, des Vertreters der Erstinstanz Herrn X sowie des Meldungslegers X (Ml) durchgeführt. Auf die mündliche Verkündung der Berufungsentscheidung wurde verzichtet.

 

3. Die Bw macht im Wesentlichen geltend, sie habe am Vorfallstag herausge­funden, dass ihr Fahrrad bereits zum 5. Mal von Hausbewohnern beschädigt worden sei. Beide neuen Reifen hätten Schnitte aufgewiesen. Sie werde von konkret zwei Hausbewohnern gemobbt, es seien auch schon Vorfälle bei der Polizei bekannt. Sie habe sich darüber so aufgeregt, dass sie ihr Rad ins Auto gepackt habe und zur PI Traun gefahren sei, um dort den Schaden an ihrem Rad herzuzeigen. Sie habe deshalb völlig auf die Papiere vergessen, sie habe sie aber auch nicht von daheim holen dürfen. Sie sei nicht angehört worden, sondern der Ml habe sie zum Alkotest aufgefordert – von einem Vortest habe sie wohl in ihrer Aufregung nichts gehört. Als sie schließlich dem Alkotest zugestimmt habe, weil sie ja nichts getrunken gehabt habe, habe man ihr gesagt, jetzt sei ein solcher überflüssig. Sie habe 776 Euro Pension.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, bei der beide Parteien gehört und der Ml unter Hinweis auf die Wahrheitspflicht des § 289 StGB zeugenschaftlich ein­vernommen wurde.

 

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Die Bw, eine 1939 geborene, unbescholtene Pensionistin, legte in der mündlichen Verhandlung anhand der Erzählung mehrerer Einzelgeschehnisse absolut glaub­haft dar, dass sie von konkret zwei Hausbewohnern regelmäßig und in einem nicht mehr als unerheblich zu bezeichnenden Ausmaß belästigt, persönlich angegriffen und in ihrer Lebensqualität massiv eingeschränkt wird. So haben zB Vorfälle stattge­funden, in denen sie von einem Bewohner konkret einer Straftat bezichtigt wurde, wobei die Polizei unter Beschimpfungen und Beleidigungen ihre Wohnung durchsucht, den angeblich von ihr gestohlenen Schlüssel aber nicht gefunden hat; später stellte sich die Anschuldigung als unrichtig heraus, aber der Beamte, der sie beschimpft habe, habe sich nie bei ihr entschuldigt. Außerdem sei auch schon das Zylinderschloss ihrer Wohnungstür mit Laminatkleber zugeklebt worden und sie sei tatsächlich auch schon am Körper verletzt worden.

 

In der Berufungs­verhandlung ist klar und deutlich hervor­gekommen, dass die Bw aufgrund der schon länger andauernden permanenten psychischen Belastung in ihrem Wohnhaus durch mehrfache verschiedene nicht nur bloß verbale und sondern auch tatsächlich gegen sie und ihr Eigentum gerichtete Attacken dieser Hausbewohner nervlich stark beansprucht ist, weil sie sich gegen diese allein nicht zu helfen weiß. Absolut glaubhaft war auch ihre Aussage, ihr Fahrrad, mit dem sie die täglichen Besorgungen macht, sei nach der ohnehin kostspieligen Erneuerung beider Reifen nun zum 5.Mal in der Weise beschädigt worden, dass nicht bloß die Luft ausgelassen sondern beide Reifen zerschnitten worden seien, wobei der betreffende Hausbewohner auch gar kein Hehl aus seiner Tat gemacht habe. Es besteht daher vonseiten des Unabhängigen Verwaltungssenates kein Zweifel, dass sich die Bw am 8. Juli 2011 gegen 12.00 Uhr, als sie das nun wiederum massiv beschädigte Fahrrad gefunden hat, in einem Zustand höchster Aufregung befand und nichts anderes wollte, als das Fahrrad direkt zur Polizei zu bringen und dort anschauen und die Beschä­digungen feststellen zu lassen. Sie legte, wie sie auch selbst völlig glaubhaft schilderte, das Fahrrad in den Koffer­raum ihres Pkw, wobei ein Reifen darin keinen Platz mehr hatte und herausstand und die Heckklappe sich nicht mehr schließen ließ, und fuhr, ohne in ihrer Aufregung an eine Sicherung des lose im Kofferraum liegenden Fahrrades oder die Mitnahme der Fahrzeugpapiere zu denken, die laut Routenplaner etwa 800 m lange Strecke zum Kirchenplatz, wo sie den Pkw direkt vor dem Haus Nr.x, der Polizei­inspektion Traun, abstellte und hineinging.

 

Der Ml war gerade zu Fuß auf dem Kirchenplatz in Richtung seiner Dienststelle unterwegs, als ihm der von der Kremstalstraße kommende und in einem Halte­verbot abgestellte Pkw auffiel, wobei ihm, wie er in der Verhandlung darlegte, die Fahrweise nach seinem Eindruck etwas "abgehackt" vorkam. Er lief daher der gerade ausgestiegenen Lenkerin nach und traf mit ihr im Parteienverkehrsraum der PI zusammen. Er sprach sie auch gleich an, warum sie ihr Auto da abstelle, und verlangte von ihr zwecks Lenker- und Fahrzeugkontrolle Führer­schein und Zulassungsschein. Die Bw antwortete ihm wörtlich, das tue jetzt nichts zur Sache; später stellte sich heraus, dass sie die Papiere daheim vergessen hatte. Der Ml fragte sie, obwohl er dezidiert keinerlei Alkoholgeruch an ihr wahrge­nommen hatte, wie er in der Verhandlung betonte, ob sie etwas getrunken habe, worauf die Bw wiederum antwortete, das tue nichts zur Sache. Der Ml gestand in der Verhandlung zu, ihm sei sehr wohl bewusst gewesen, dass die Bw nicht auf irgendeine Aufforderung sondern aus freien Stücken von sich aus die PI Traun aufgesucht hatte, er habe die Bw aber nie dezidiert gefragt, was denn "Sache" sei. Er vertrat aber die Ansicht, der Gesprächsfluss sei schon so gewesen, dass die Bw Zeit gehabt hätte, von sich aus darauf hinzuweisen, warum sie überhaupt die PI Traun aufgesucht habe. Die Bw habe nichts dergleichen gesagt. Sie sei deutlich erkennbar sehr aufgeregt gewesen, insbesondere als er gefragt habe, ob sie etwas getrunken habe, und umso mehr, als er sie zum Alkohol­vortest aufge­fordert habe. Da habe sie wieder geantwortet, das tue nichts zur Sache. Daraufhin forderte der Ml sie nach seiner eigenen Darstellung wörtlich "zum Atemalkoholtest mit dem geeichten Alkomaten" auf. Die Bw begann nach Aussage des Ml daraufhin zu schreien "nein!" und stürmte fluchtartig aus dem Zimmer, worauf der Ml über das Pult sprang, ihr auf den Kirchenplatz nachlief und sie bei ihrem Pkw, den sie gerade aufsperren wollte, aufhielt. Er hielt mit einer Hand die Tür zu, verbot der Bw ausdrücklich, jetzt wegzufahren und forderte sie nochmals zum Atemalkoholtest auf. Die Bw habe geschimpft, ihn beschimpft und "verflucht" und sei außer sich gewesen, worauf er ihr zugeredet habe, den Alkotest zu machen, dann "würden sie weitersehen". Er belehrte sie nach eigenen Angaben, dass eine Verweigerung das ungünstigste sei, das sie machen könne, weil dann wie bei einer erheblichen Alkoholisierung vorzugehen sei, wobei er davon ausging, die Bw habe das verstanden. Die Bw habe ihm aber erklärt, sie mache keinen Alkotest, das tue alles nichts zur Sache. Dann sei sie plötzlich davongelaufen ins Pfarrheim hinein, sei aber gleich darauf wieder zurückge­kommen und in Richtung des ersten Bauernmarktstandls gelaufen – an diesem Tag seien dort nicht nur Gäste im nahen Gastgarten des Galeriecafes gesessen, sondern es sei auch Bauernmarkt gewesen und ohne Frage sei das Verhalten der Bw den Personen dort aufgefallen. Der Verkäufer des Standls, mit dem die Bw gesprochen habe, habe sie nur angeschaut, worauf die Bw sich abgewandt und Passanten ange­sprochen habe; die hätten aber auch nur geschaut, worauf sie zum Auto zurückgekommen sei. Er habe dann wieder mit ihr über den Alkotest und die Papiere gesprochen. Die Bw habe auch, als sie neben dem Auto gestanden sei, nichts von zerschnittenen Reifen gesagt. Schäden an den Reifen seien ihm nicht aufgefallen, allerdings habe er keinen Anlass gehabt, genau hinzusehen. Da sich die Bw geweigert habe, ihm die Autoschlüssel zu geben, habe er schließlich die Kollegen von der benachbarten Stadtwache verständigt, die am Pkw Radklammern angebracht hätten. Es seien schließlich außer ihm und seiner Kollegin noch einige Polizisten da gestanden. Die Bw sei dann weggegangen. Am Nachmittag gegen 15.50 Uhr sei sie mit einer Frau zu Fuß gekommen, habe ihm ihren Führerschein und den Zulassungsschein gebracht, worauf er ihr den Führerschein vorläufig abgenommen und mit ihr darüber eine kurze Niederschrift aufgenommen habe – darin ist nur vermerkt, dass sie den Führerschein freiwillig abgegeben habe. Der Ml bestätigte, er habe nichts gehört, dass die Bw mit einem Alkotest einverstanden gewesen wäre, und er wisse auch nichts davon, zu ihr gesagt zu haben, jetzt werde kein Alkotest mehr durchgeführt, "die Angelegenheit sei schon erledigt." Ihm sei nachher bekannt geworden, dass nach dem Vorfall eine Anzeige wegen des beschädigten Fahrrades von einem Kollegen aufgenommen worden sei. Er konnte sich in der Verhandlung vage erinnern, dass er einmal bei einer Amtshandlung wegen eines Vorfalls mit Wohnungsnachbarn die Bw flüchtig kennengelernt habe. Andere Kollegen hätten über die Bw mehr Information gehabt, er sei nur einer in einer Dienststelle mit ca 40 Beamten.

 

Die Bw hat den Vorfall naturgemäß aus ihrer Sicht anders geschildert. Sie sei sehr aufgebracht gewesen über die zerschnittenen Reifen und habe nicht die Polizei zu ihrem Wohnhaus holen, sondern selbst das Rad zur Polizei bringen wollen, um dort mit jemandem zu sprechen, der sich den böswillig zugefügten Schaden zu Beweis­zwecken ansehen hätte sollen. Der Ml sei ihr ins Haus nachgelaufen und habe sie gleich wieder frontal beschuldigt, falsch geparkt und außerdem Alkohol getrunken zu haben. Ihr habe niemand gesagt, sie würde nach Alkohol riechen. Sie habe eine Aufforderung zum Alkoholvortest – dieser Begriff sei ihr nicht geläufig – nicht mitbekommen, das zweite Mal habe der Ml aber deutlich von Alkoholtest gesprochen. Sie habe aber keinen Alkohol getrunken gehabt und das ganze Verhalten des Ml so verstanden, dass dieser nicht gewillt sei, sie anzuhören oder gar ihr zu helfen, weshalb sie sich entschlossen habe, halt wieder zu gehen. Der Beamte habe den Führerschein sehen wollen, daran könne sie sich erinnern, aber sie habe sich daheim so aufgeregt, dass sie vergessen habe, die Papiere einzustecken, dh sie habe keine Papiere mitgehabt. Sie bestätigte, der Ml habe im Stiegenhaus des Polizei­gebäudes zum Alkotest aufgefordert. Sie habe sich auch schließlich bereiterklärt zum Alkotest, aber sie habe das nicht so wörtlich gesagt; es könne sein, dass sie auf sein Ansinnen einfach nur "ja" gesagt habe. Der Beamte habe auch gar nichts bei der Hand gehabt, was nach Alkotest ausgesehen hätte, dh sie habe die Aufforderung auch gar nicht für unmittelbar spruchreif gehalten. Dass ein "Alkomat" ein großes, nicht tragbares Gerät sei, das in einem anderen Zimmer der Polizei­inspektion stehe, wie in der Berufungsverhandlung erläutert wurde, habe er ihr nicht gesagt. Sie habe dann erfahren, dass sie das Auto dalassen müsse, an dieses wurden auch Radklammern angelegt. Es seien dann mehrere Beamte da gewesen. Ihr sei auch vorgehalten worden, sie störe die Ordnung – diesbezüglich habe sie auch eine Strafverfügung bekommen; es könne schon sein, das der Vorfall den Gästen des Galeriecafes aufgefallen sei. Sie habe sich aber einfach so aufgeregt. Daheim habe sie sich später mit einer Nachbarin besprochen und diese habe sie am Nachmittag desselben Tages zur PI Traun begleitet, wo sie ihre Papiere vorgewiesen habe – der Führerschein sei gleich einbehalten worden. Sie konnte sich in der Verhandlung nicht erinnern, ob sie am Vormittag oder erst am Nachmittag und bei wem genau angeboten hat, einen Alkotest zu machen. Sie betonte aber, ihr sei gesagt worden, das sei jetzt überflüssig, das sei schon erledigt – sie habe damit nichts anfangen können, was mit "erledigt" gemeint gewesen sei.            

 

In der Verhandlung ist deutlich geworden, dass die Bw bislang nichts mit Polizei oder Behörden zu tun hatte, dass ihr weder die Geräte zur Durchführung eines Alkoholvortests noch die für einen Atemalkoholtest geläufig waren. Sie hat ihre damalige Aufregung insofern glaubwürdig dargelegt, als sie sich naturgemäß mit dem Schaden am Fahrrad Hilfe erwartet hätte, aber in ihrer Aufregung nichts herausgebracht hat, möglicherweise weil sie nicht wusste, wo und wie sie mit ihrem Vorbringen anfangen sollte. Der Beamte habe sie nie gefragt, was sie eigentlich dort wolle. Er habe sie im Gegenteil gleich wieder beschuldigt, den Pkw falsch abgestellt zu haben und dann auch noch, dass sie Alkohol getrunken hätte, was sie aber nicht getan habe. Sie habe nur von dort weggehen wollen, weil ihr niemand geholfen habe, was sie in der Verhandlung auch darauf zurückführte, dass es schon nach 12.00 Uhr Mittag an diesem Freitag gewesen sei. Der Beamte habe ihr gegenüber einfach den Stärkeren hervorgekehrt, was sie grundsätzlich ja auch verstehe bei einem Polizisten. Aber in ihrer Aufregung sei sie dann auf die Idee gekommen, im Pfarrheim Hilfe zu suchen, was sich aber als zwecklos herausgestellt habe, und die Leute beim Bauernmarkt hätte ihr auch nicht geholfen. Als klar war, dass sie nicht mit dem Auto heimfahren dürfe, sei sie zu Fuß heimgegangen.

 

Die Bw hatte auch in der Verhandlung erkennbar Schwierigkeiten, auszudrücken, was sie sagen wollte. Durchaus vorstellbar ist aus ihrem Verhalten in der Berufungs­verhandlung, bei der ihr genügend Zeit gegeben wurde, sich zu fassen und einigermaßen verständlich irgendwo mit der Darlegung ihrer Geschichte anzu­fangen, dass sie vom Ml auch diesbezüglich Hilfe gebraucht hätte, um klar und verständlich die längere Vorgeschichte und den aktuellen Anlass für ihre Aufregung sowie ihre Vorstellungen, aus welchen Gründen sie von sich aus zur Polizei gekommen sei und was sie sich davon erhoffe, darzulegen. Nach­vollziehbar ist, dass der Ml nach einem eventuellen Anliegen der Bw gar nicht gefragt und ihr offenbar auch nicht zu verstehen gegeben hat, dass er gewillt sei, sich ihre Probleme anzuhören. Vorstellbar ist daher durchaus, dass die Bw aus dem Verhalten des Ml keinen Anknüpfungspunkt dafür erkennen konnte, dass dieser sich für sie die erforderliche Zeit nehmen würde. Sie hat in ihrer Aufregung wegen des Ärgers zu Hause und des schon wieder beschädigten Fahrrades und nachvollziehbar der neuerlichen Aufregung wegen der vergessenen Papiere und dem als Anschuldigung verstandenen Ansinnen des Ml, Alkohol getrunken zu haben, keinen Ausweg gesehen, wie sie selbst dargelegt hat, als unverrichteter Dinge wieder heimzufahren. Daher ist sie, als ihr klar wurde, dass sie wohl bei der PI keine Lösung ihrer Probleme erfahren würde, sondern bloß neue Probleme zu erwarten sein würden, aus dem Haus gestürmt und wollte heimfahren. Später hat der Ml sie beim Auto erneut beschuldigt und auf dem Alkotest bestanden und sie sah offenbar auch hier keine Gelegenheit, den Ml auf die Reifen am Fahrrad aufmerk­sam zu machen. Die persönliche Eindruck der Ausweglosigkeit ihrer Lage hat sie dann auch dazu gebracht, einfach zum Pfarrheim wegzulaufen und dann sogar fremde Personen anzusprechen, was sich aber zu ihrer Enttäuschung eben­falls als sinnlos erwies.  Auch wenn der Ml in der Verhandlung betonte, die Bw habe ausreichend Zeit gehabt, zu sagen, was sie eigentlich dort wollte, bestehen beim Altersunterschied und der damit verbundenen Rede- und Auffassungsgeschwindigkeit erhebliche Zweifel, ob die Bw, die den Ml aufgrund seiner Anschuldigungen nur als "Gegner" verstanden hat, tatsächlich genügend Zeit und vor allem ein entsprechend geduldiges Gesprächsklima vorfand, zumal sich in der Berufungsverhandlung nicht nur Zeit sondern auch ein gezieltes geduldiges Nachfragen als erforderlich erwies.       

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 24 Abs.1 Z1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenk­berechtigung (§ 3 Abs.1 Z2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit die Lenkberechtigung zu entziehen.

Gemäß § 3 Abs.1 Z2 FSG darf eine Lenkberechtigung nur Personen erteilt wer­den, die verkehrszuverlässig sind.

Gemäß § 7 Abs.1 Z1 FSG gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3) und ihrer Wertung (Abs.4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen ua die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunken­heit oder einen durch Sucht­mittel oder durch Medikamente beein­träch­tigten Zustand gefährden wird. Als bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs.1 FSG hat gemäß § 7 Abs.3 Z1 FSG zu gelten, wenn jemand ein Kraft­fahrzeug gelenkt oder in Betrieb genommen und hiebei eine Übertretung gemäß § 99 Abs.1 bis 1b StVO 1960 begangen hat.

Gemäß § 99 Abs.1 lit.b StVO 1960 begeht ua eine Verwaltungsübertretung und ist zu bestrafen, wer sich bei Vorliegen der in § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen.

Gemäß § 26 Abs.2 Z1 FSG ist, wenn beim Lenken oder der Inbetriebnahme eines Kraftfahrzeuges erstmalig ein Delikt gemäß § 99 Abs.1 StVO 1960 begangen wird, die Lenkberechtigung auf die Dauer von mindestens sechs Monaten zu entziehen ist.

 

Objektiv waren die Voraussetzungen des § 99 Abs.1 StVO 1960 insofern als gegeben anzusehen, als die Bw ohne Zweifel einen Pkw auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr gelenkt hat. Sie hat keinerlei Alkoholisierungssymptome aufgewiesen, wie der Ml in der Verhandlung auf ausdrückliches Befragen bestätigt hat, allerdings war sie in höchstem Maß aufgeregt und der Ml meinte, ihre Fahrweise beim Einfahren auf den Kirchenplatz als "abgehackt" zu erkennen, obwohl dort aufgrund der aufgestellten Blumengefäße und Poller ein vorsichtiges Fahren erforderlich gewesen wäre. Die Bw hat auf seine Fragen nach dem Grund des Abstellens ihres Pkw vor der PI im Halteverbot und ob sie etwas getrunken habe, ebenso wie auf der Frage nach den Fahrzeugpapieren immer geantwortet, das tue nichts zur Sache. Damit war aber die Aufforderung zum Alkoholvortest, die gemäß § 99 Abs.2a StVO "jederzeit" möglich und zulässig ist, zumal sie in der PI stattfand, wo ein Vortestgerät unmittelbar zur Verfügung steht, recht­mäßig. Glaubwürdig ist aber, dass die Bw, die ja ihr eigentliches Anliegen vorbringen wollte und aufgrund der neuen Frontal-Anschuldigungen des Ml gegen sich dazu keine Gelegenheit dazu erblickte, darauf nur gesagt hat, "das tue nichts zur Sache", was der Ml zurecht als – straflose – Verweigerung des Alkoholvortest deutete und daraufhin eine Aufforderung im Sinne des § 5 Abs.2 StVO zum "Atemalkoholtest mit dem geeichten Alkomaten" aussprach und diese auch wiederholte, nachdem die Bw fluchtartig die PI verlassen hatte und er sie bei ihrem Fahrzeug antraf. Der Ml ging in der Berufungsverhandlung ausdrücklich davon aus, die Bw müsse seine Aufforderungen und seine Belehrungen hin­sichtlich Folgen einer Verweigerung der Atemluftuntersuchung verstanden haben.   

 

Aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenats ist davon aber nicht eindeutig auszugehen. Wie schon oben dargelegt, befand sich die Bw in einer psychischen Ausnahmesituation insofern, als sie über die Beschädigung des Fahrrades, die auch nicht isoliert zu sehen ist, sondern als einzelnes Ereignis in einer Kette von nervenaufreibenden Vorkommnissen im Wohnhaus der Bw. Diese Vorkommnisse sind vom persönlichen Eindruck, den die Bw in der Berufungs­verhand­lung hinterlassen hat, durchaus so zu deuten, dass die ständige Angst bzw Befürchtung, was den Nachbarn nun wohl neues gegen sie eingefallen ist, geradezu zum Lebensinhalt der Bw geworden ist. Diese angesichts ihrer Schilderungen durchaus glaubhafte Angst bestimmt augenscheinlich ihr Denken; dazu kam noch die Aufregung wegen der nun zum 5.Mal eingetretenen Beschädigung ihre Fahrrades durch vorsätzliches Zerschneiden beider Reifen. Der Ml hat – aus welchen Gründen auch immer – ihr gegenüber nicht gerade den Eindruck erweckt, er nehme sich Zeit sie anzuhören oder werde ihr helfen oder zumindest sie ernst nehmen, sondern er hat in ihren Augen nur neue Verfehlungen gegen sie aufgelistet und sie sogar – im Nachhinein gesehen völlig zu Unrecht – des Alkoholkonsums beim Lenken eines Pkw bezichtigt, worauf die zusätzliche Enttäuschung ihre Aufregung natur­gemäß steigerte. Glaubhaft ist, dass sie zum einen zunächst die Aufforderung zum Alkoholvortest, möglicherweise auch weil dieser Begriff ihr fremd war, gar nicht mitbekam, wobei sie auch den Ml dazu bringen wollte, endlich nachzufragen, was ihrer Meinung nach "Sache sei", was ihr aber von der auch in der Berufungsverhandlung zutage getretenen emotional bedingten sprachlichen Hemmung her nicht möglich war. Die von ihr in der Verhandlung geschilderte Enttäuschung über das Verhalten des offenbar seine ihm vom Gesetzgeber eingeräumte Macht ihr gegenüber (durch weiteres Beharren auf der Aufforderung zum Atemalkoholtest) ausspielenden Ml und der ebenfalls von der Bw nachvollziehbar erklärte Entschluss, dann eben die Amtshandlung zu verlassen, wenn ihr der Polizist nicht helfen wolle, hat sie schließlich dazu bewogen, ins Pfarrheim  und zu den Leuten beim Bauernmarkt zu laufen, um sich von diesen Unterstützung zu holen – was auch misslang. Tatsächlich klar wurde ihr offenbar erst beim Anlegen der Radklammern, dass sie ihr Fahrzeug "dalassen" würde müssen und dass der Polizist seine Anschuldigungen im Sinne ihrer Konfrontation mit der Hoheitsgewalt aufrecht halten werde. Da der Ml in der Verhandlung dezidiert abstritt, so etwas gehört zu haben, ist anzunehmen, dass die Bw nicht schon zu diesem Zeitpunkt eingesehen hat, dass es nichts nützen werde, keinen Alkotest zu machen, weil dies an ihrem Anliegen, das sie bis dahin immer noch nicht darlegen konnte, nichts geändert hätte. Aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates ist ihr offenbar erst durch ihre Aussprache zu Hause mit der Nachbarin, die sie am Nachmittag auch zur PI Traun begleitet hat, im Nachhinein, als die Aufregung abgeklungen war, klar geworden, dass sie den Alkotest nicht ablehnen hätte dürfen. Ob sie aber zum Zeitpunkt der Auf­forderung des Ml beim Pkw auf dem Kirchenplatz tatsächlich von ihrer momentanen Gemüts­verfassung her in der Lage war, die Aufforderung in ihrer ganzen Tragweite zu erkennen und ihr auch ihre persönliche Situation und rechtliche Lage richtig einzu­schätzen, ist nach dem persönlichen Eindruck der Bw in der Berufungsver­handlung nicht mit der erforderlichen Sicherheit anzunehmen. Zum einen ist fraglich, ob sie dem Ml in ihrer emotionalen Aufregung und im Lichte der aus Enttäuschung gefassten Fluchtgedanken überhaupt so weit zuhörte, dass ihr der Ernst der Lage bewusst werden musste. Zum anderen erschien ihr das vom Ml nicht wörtlich als Anschuldigung sondern eher als Frage ausgesprochene aber von ihr so aufgefasste Ansinnen, Alkohol getrunken zu haben, zu irreal, wobei der Ml, wie sie selbst in der Verhandlung sagte, ja auch gar nichts, was auf einen Alkoholtest gedeutet hätte, dabei hatte, sodass sie die Aufforderung nicht für "unmittelbar spruchreif" hielt.

 

Aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates ist der Bw aufgrund ihrer zum damaligen Zeitpunkt der Aufforderung zu Atemalkoholtest ohne jeden Zweifel bestanden habenden emotionalen Gemütsverfassung eine Verweigerung des Alkotests im Sinne des § 99 Abs.1 lit.b StVO aus den obigen Überlegungen im Ergebnis nicht vorwerfbar. Damit war aber auch nicht von Verkehrsunzu­verlässigkeit im Sinne des § 7 Abs.3 Z1 FSG auszugehen und damit spruch­gemäß zu entscheiden.

Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro angefallen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Mag. Bissenberger

 

 

Beschlagwortung:

 

Verweigerung des Alkotests nicht vorwerfbar -> Aufhebung

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum