Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-100893/14/Br/La

Linz, 19.01.1993

VwSen - 100893/14/Br/La Linz, am 19. Jänner 1993 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch seine 2. Kammer unter dem Vorsitz von Dr. Wegschaider sowie den Beisitzer Dr. Guschlbauer und den Berichter Dr. Bleier über die Berufung des F H, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. K K und Dr. K L, vom 27. Oktober 1992 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 8. Oktober 1992, VerkR96-1053-1992-Wa, wegen der Übertretung nach § 5 Abs.1 iVm § 99 Abs.1 lit.a StVO 1960, zu Recht:

I. Der Berufung wird hinsichtlich des Schuldausspruches keine Folge gegeben.

Die verhängte Geldstrafe von 11.000 S wird bestätigt, die verhängte Ersatzarreststrafe wird jedoch auf das Ausmaß von 9 Tagen ermäßigt.

Die Übertretungsnorm hat zu lauten "§ 99 Abs.1 lit.a StVO 1960" - "§ 5 Abs.1 hat zu entfallen." Rechtsgrundlage: § 99 Abs.1 lit.a der Straßenverkehrsordnung, BGBl.Nr. 159/1960, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 615/1991 StVO 1960; § 66 Abs.4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes, BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 866 - AVG, iVm § 19, § 24, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 des Verwaltungsstrafgesetzes, BGBl.Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 867 - VStG.

II. Für das Berufungsverfahren werden keine Verfahrenskosten auferlegt.

Der Kostenausspruch wird mit der Maßgabe berichtigt, daß als Barauslagen nicht für die "Atemluftuntersuchung", sondern für die "klinische Untersuchung" 867,60 S zu bezahlen sind.

Rechtsgrundlage: § 5 Abs.9 StVO 1960, § 64 und § 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Perg hat mit Straferkenntnis vom 8. Oktober 1992 über den Berufungswerber wegen der Übertretung nach § 5 Abs.1 iVm § 99 Abs.1 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 11.000 S, im Nichteinbringungsfall 336 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, weil er am 8. März 1992 um 10.25 Uhr den PKW, Kennzeichen , in L, nächst dem Haus S, in einem durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand gelenkt habe. Außerdem wurde ein Verfahrenskostenbeitrag von 1.100 S sowie für die "Alkomatuntersuchung" Barauslagen von 897,60 S in Vorschreibung gebracht.

2. Dagegen hat der Berufungswerber durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter rechtzeitig Berufung erhoben. Er führt hiezu sinngemäß aus die ihm zur Last liegende Verwaltungsübertretung nicht begangen zu haben. Es seien einerseits die vom Beschuldigten angebotenen Beweise nicht geführt worden, welche tauglich gewesen wären, eine für den Beschuldigten zum Freispruch führenden Sachverhalt darzutun. Andererseits bezog sich der Zeitpunkt der amtsärztlichen Untersuchung nicht auf den Tatzeitpunkt. Die Feststellung der Fahruntüchtigkeit zum Zeitpunkt der Untersuchung reichte nicht aus, die Fahruntüchtigkeit auch zum Zeitpunkt des Lenkens des Fahrzeuges anzunehmen. Dazu hätte es weiterer Feststellungen bedurft. Die von der Erstbehörde eingeholte Stellungnahme - offensichtlich des Amtsarztes - vom 5.8.1992 gehe auf die aufgeworfenen Fragen nicht ein. Diese Stellungnahme stelle kein Gutachten dar. Ein Gutachten bestehe aus Feststellung eines Sachverhaltes, aus welchen auf Grund der Fachkenntnisse der Sachverständige die Schlußfolgerungen (sohin das Gutachen) abzuleiten hätte. Zusammenfassend reichten die Beweisergebnisse nicht aus, um den Beschuldigten zu bestrafen.

Aus diesen Gründen wurde der Antrag gestellt, der Berufung Folge zu geben, das Straferkenntnis aufzuheben und das Verfahren gegen den Beschuldigten einzustellen.

3. Die Erstbehörde hat die Berufung mit dem Verfahrensakt vorgelegt. Es ist somit die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser hat, da eine 10.000 S übersteigende Strafe verhängt worden ist, durch eine Kammer zu entscheiden. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung erwies sich als erforderlich, da es sich um eine volle Berufung handelt (§ 51e Abs.1 VStG).

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung Beweis aufgenommen durch Verlesung der Niederschrift der Bundespolizeidirektion Linz vom 8. März 1992, aufgenommen mit der Beifahrerin E M durch Vernehmung der die Anzeige legenden Kriminalbeamten der Bundespolizeidirektion Linz, Bez.Insp. H und Bez.Insp. S sowie des Polizeiamtsarztes Dr. F als Zeugen, und durch Beiziehung von Frau Dr. H als medizinische Amtssachverständige.

4.1. Auf Grund der aufgenommenen Beweise gilt es als erwiesen, daß der Berufungswerber am 8. März 1992 den PKW mit dem Kennzeichen von P nach L gelenkt hat. Um 10.25 Uhr stellte der Berufungswerber das genannte Fahrzeug in L, ab und begab sich in Begleitung von Frau S in die an dieser Adresse gelegene Wohnung eines Herrn T. Die im Zuge einer Suchtgiftamtshandlung vor dem Haus S die Observierung durchführenden Kriminalbeamten (die Zeugen Heitzendorfer und Sommer) vermochten den Einparkvorgang zu beobachten. Sie begaben sich unmittelbar nach dem Berufungswerber und der Begleiterin in die Wohnung des Herrn T. Diese sperrten die Kriminalbeamten mit dem Wohnungsschlüssel des T auf. Dort stellten sie an der Person des Berufungswerbers fest, daß dieser in seinen Körperbewegungen verlangsamt und seine Reaktion träge gewesen ist. Die Pupillen waren stecknadelkopfgroß und es waren an der Ellenbeuge mehrere Einstiche, davon auch frische, feststellbar. Bei der Visitation wurden in der Bekleidung des Berufungswerbers auch "Heroinbriefchen" und in einer Dose Injektionsnadeln vorgefunden. Anläßlich der am 8. März 1992 um 12.45 Uhr durch den Polizeiamtsarzt an H durchgeführten klinischen Untersuchung wurden sichere Zeichen einer Suchtgiftbeeinträchtigung von Morphintypus festgestellt.

4.2. Dieses Beweisergebnis stützt sich auf die schlüssigen und den Denkgesetzen entsprechenden Angaben der einschreitenden Beamten. Diese Angaben finden ihre Bestätigung sowohl in den Ausführungen des sachverständigen Zeugen Dr. F als auch in den von der Amtssachverständigen gezogenen Schlüsse, daß eine Suchtgiftbeeinträchtigung typischerweise mit den genannten Symptomen einherzugehen pflegt. Diese Symptome sind ein Zeichen der Wirkung des Suchtgiftes auf das zentrale Nervensystem. Aufgrund der gleichartigen Symptome bereits zwei Stunden vor der amtsärztlichen Untersuchung ist aus medizinischer Sicht davon auszugehen gewesen, daß auch zum Zeitpunkt des Lenkens des Kraftfahrzeuges bereits eine auf Suchtgiftbeeinträchtigung bedingte Fahrunfähigkeit vorgelegen ist.

Die Ausführungen der Sachverständigen sind schlüssig und den Denkgesetzen entsprechend nachvollziehbar. Es kann kein Zweifel daran bestehen, daß ein Arzt eine Suchtgiftbeeinträchtigung festzustellen in der Lage ist, indem er einerseits die am Untersuchten festgestellten Symptome erkennt und entsprechend schlußfolgert. Da die Wirkung eines intravenös zugeführten Suchtgiftes selbst einem Laien hinlänglich bekannt ist, bleibt an den Schlußfolgerungen der Sachverständigen kein Zweifel übrig.

4.2.1. Da die Zeugin S zwischenzeitig unbekannten Aufenthaltes ist (§ 51g Abs.3 Z1 VStG) wurde deren Aussage vor der kriminalpolizeilichen Abteilung der Bundespolizeidirektion Linz vom 8. März 1992 verlesen. Für das Beweisthema war diese Zeugenaussage dahingehend relevant, daß die Lenkereigenschaft des Berufungswerbers ihre Bestätigung findet und von H wenigstens während des Zusammenseins - daher während der Fahrt von Perg nach Linz bzw. bis zum Einschreiten durch die Kriminalbeamten - kein Suchtgift zu sich nahm. Demzufolge konnte der Beschuldigte nur vor Fahrtantritt Suchtgift konsumiert haben und lagen die dementsprechenden Wirkungen bereits während der Fahrt vor.

4.3. "Das Vorbringen des Berufungswerbers beschränkt sich darauf, daß ein Suchtgiftkonsum in den Morgenstunden des 8. März 1992 in Abrede gestellt wird und zum ersten Mal im Zuge der öffentlichen mündlichen Verhandlung vorgebracht wird, daß vom Berufungswerber bei seiner Verhaftung Heroin verschluckt worden sei, um die Briefchen dem Zugriff der Exekutive zu entziehen.

4.3.1. Dieses Vorbringen ist schon deshalb unglaubwürdig, weil beide in "Suchtgiftamtshandlungen" geschulte Kriminalbeamte es ausschlossen, diesen Vorgang übersehen zu haben. Andererseits wurden beim Berufungswerber Heroinbriefchen gefunden, sodaß ein Verbergen der Briefchen oder von Relikten vor den Beamten nicht stattgefunden haben konnte. Dies wäre wohl auch deshalb kaum denkbar, weil die Beamten, wie sie übereinstimmend angaben, mit dem Wohnungsschlüssel des Wohnungsinhabers Traxler unmittelbar nach Betreten der Wohnung durch den Berufungswerber in die Wohnung gelangten und den Berufungswerber sowie seine Begleiterin regelrecht überraschten. Vor allem aber belegen die festgestellten Symptome die Beeinträchtigung durch Suchtgift schon bei dem unmittelbar vorausgegangenen Lenken des PKWs vorgelegen sind. Das Vorbringen des Berufungswerber ist sohin als Schutzbehauptung zu qualifizieren bzw. ist es durch die medizinischen Ausführungen der Sachverständigen widerlegt.

4.3.2. Dem Beweisantrag auf Einvernahme des Berufungswerbers zum Beweis dafür, daß der Berufungswerber aufgrund des von ihm konsumierten Heroins und insbesonders des Konsumationszeitpunktes desselben sich zum Zeitpunkt des Lenkens des Fahrzeuges nicht in einem durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand befunden hätte, war deshalb nicht Folge zu geben, weil einerseits durch die festgestellten frischen Nadelstiche eine intravenöse und somit sofort wirkende Suchtgiftzufuhr als erwiesen gilt und andererseits auf der Fahrt von Perg nach Linz (möglicherweise einige Minuten vor dem Eintreffen) der Beschuldigte kein Suchtgift zu sich genommen hat, was die Beifahrerin bezeugte. Der Berufungswerber muß also das Suchtgift vor Antritt der Fahrt gespritzt (und nicht geschluckt) haben und befand sich deshalb während der Fahrt in einem durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand.

5. Bei der Strafzumessung ist gemäß § 19 Abs.1 und 2 Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen deren Schutz die Strafdrohung dient sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungsund Milderungsgründe soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 StGB (Strafgesetzbuch) sind sinngemäß anzuwenden. So ist die von der Erstbehörde verhängte Geldstrafe durchaus angemessen zu erachten. Das Lenken eines Fahrzeuges in einem derart beeinträchtigten Zustand stellt eine schwere Zuwiderhandlung gegen rechtlich geschützte Werte dar. Spezifisch liegt in der erhöhten Unfallneigung die Gefährdung rechtlich geschützter Interessen, nämlich die der Verkehrssicherheit. Obgleich der Beschuldigte wegen einer gleichartigen Übertretung noch nicht bestraft wurde, kommt der mildernde Umstand der Unbescholtenheit wegen einer Übertretung nach der StVO 1960 und zweier Übertretungen nach dem Kraftfahrgesetz nicht zum Tragen.

5.1. Der Spruch war einerseits im Hinblick auf die offenbar irrtümliche Widmung der Barauslagen für die "Alkomatenuntersuchung gemäß § 5 Abs.9 StVO 1960" zu berichtigen, andererseits war die gegenständliche Übertretung nur unter § 99 Abs.1 lit.a StVO 1960 zu subsumieren. § 5 Abs.1 StVO 1960 nimmt ausschließlich auf eine Alkoholbeeinträchtigung Bezug.

5.2. Gemäß § 99 Abs.1 lit.a StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 8.000 S bis 50.000 S, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von einer bis sechs Wochen zu bestrafen, wer in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug lenkt oder in Betrieb nimmt.

Die Ersatzfreiheitsstrafe war, weil sie der durch die Strafrahmen normierten Relation zuwiderläuft, anzupassen, wobei auch mitbedacht wurde, daß durch eine überhöhte Ersatzarreststrafe die Resozialisierung eines Suchtgiftabhängigen gefährdet werden könnte.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Wegschaider

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