Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730016/2/Sr/MB/Jo

Linz, 27.09.2011

 

B e s c h l u s s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des X, geb. am X, zuletzt wohnhaft in X, StA Türkei, vertreten durch die Rechtsanwaltsgemeinschaft X, gegen die mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Braunau am Inn vom 2. Februar 2010, zu GZ: Sich40-18240, angeordnete Ausweisung, zu Recht erkannt:

 

 

Die Berufung wird als unzulässig zurückgewiesen.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 AVG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Der Bezirkshauptmann von Braunau am Inn hat mit Bescheid vom 2. Februar 2010 – zugestellt am 9. Februar 2010 - den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich ausgewiesen.

 

2.1. Gegen diesen Bescheid erhob der Bw mit Schreiben vom 22. Februar 2010 –übermittelt mittels Telefax am 23. Februar 2010, und somit rechtzeitig – das Rechtsmittel der Berufung. Der Bw beantragt darin, die erkennende Behörde möge die Ausweisung in die Türkei auf Dauer unzulässig erklären, in eventu die Ausweisungsentscheidung zu beheben und das Verfahren zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an die Behörde erster Instanz zurückzuverweisen.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn legte den Verfahrensakt der Sicherheitsdirektion für Oberösterreich zur Entscheidung vor.

 

3.1. Mit 1. Juli 2011 sind wesentliche Bestandteile des Fremdenrechts-änderungsgesetzes 2011 – FrÄG 2011, BGBl. I Nr. 38/2011, in Kraft getreten. Gemäß § 125 Abs. 14 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2011, gelten vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 erlassene Ausweisungen gemäß § 53 als Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 weiter, mit der Maßgabe, dass ein Einreiseverbot gemäß § 53 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 damit nicht verbunden ist. Gemäß § 9 Abs. 1a Fremdenpolizeigesetz entscheiden über Berufungen gegen Rückkehrentscheidungen die Unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern.

 

3.2. Aus diesem Grund hat die Sicherheitsdirektion für Oberösterreich die verfahrensgegenständliche Berufung zuständigkeitshalber gemäß § 6 AVG zur Entscheidung an den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich übermittelt.

 

3.3. Da der entscheidungswesentliche Sachverhalt feststeht, war die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich nicht erforderlich. Dieser hat Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in den vorliegenden Verwaltungsakt der belangten Behörde.

 

3.4. Unstrittig steht fest, dass der Bw am 9. Mai 2002 schlepperunterstützt, rechtswidrig in das österreichische Bundesgebiet eingereist ist und am 13. Mai 2002 einen Asylantrag gestellt hat, welcher mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 12. Juni 2003, zu Zl. 02 12.562 und sodann mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 27. Oktober 2009 gem. §§ 7 und 8 AsylG 1997 rechtskräftig negativ entschieden wurde. Ein sonst aufrechter Aufenthaltstitel liegt ebenfalls nicht vor und auch wurde dem Bw vom Arbeitsmarktservice keine Beschäftigungsbewilligung erteilt. Die gesamte Kernfamilie (Ehefrau und Kinder) des Bw lebt in der Türkei und wurde – den Angaben des Bw entsprechend – finanziell während seines Aufenthaltes in Österreich vom Bw unterstützt. Auch die Mutter des Bw lebt in der Türkei. Weitere Verwandte befinden sich in Österreich (7 Cousins). Eine darüber hinausgehende soziale Integration wird nicht ins Treffen geführt.

 

Laut schriftlicher Bestätigung der IOM (International Organization for Migration), ist der Bw am 7. Juni 2011 unter Gewährung einer Rückkehrhilfe aus dem Bundesgebiet ausgereist.

 

 

4. In der Sache hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

 

4.1. Die stRsp des VwGH ergibt, dass durch die Ausreise eines Fremden aus dem Bundesgebiet das Rechtsschutzbedürfnis hinsichtlich der Entscheidung gegen eine gemäß § 53 Abs. 1 FPG idF vor dem 1. Juli 2011 erlassene Ausweisung nachträglich weggefallen ist (vgl. VwGH vom 22. Jänner 2009, Zl. 2008/21/0294 und VwGH vom 29.9.2009, Zl. 2009/21/0151). Durch die Ausreise ist der mit der Ausweisung verfolgte Zweck erfüllt; der Ausweisungsbescheid wird gegenstands- und wirkungslos. In diesem Sinn wurde im ersten Satz des § 59 Abs. 1 FPG idF vor dem 1. Juli 2011 ausdrücklich angeordnet, dass eine Ausweisung - vorbehaltlich der Wirkungen nach § 73 FPG - gegenstandslos wird, wenn der Betroffene seiner Ausreiseverpflichtung nachgekommen ist. Auch nach neuerlicher Einreise könnte der Fremde somit auf der Grundlage dieser Ausweisung nicht mehr abgeschoben werden. Wird demnach der Aufenthalt eines Fremden in Österreich nach Erlassung einer Ausweisung und nach Einbringung der Berufung - sei es durch Zurückschiebung, Abschiebung oder durch freiwillige Ausreise - beendet, so käme einer Entscheidung über die gegen den Ausweisungsbescheid erhobenen Berufung nur mehr abstrakttheoretische Bedeutung zu.

 

4.2. Da der Bw bereits vor dem 1. Juli 2011 freiwillig ausgereist ist, wurde seine (damals noch) Ausweisung bereits zu diesem Zeitpunkt gegenstandslos.

 

4.3. § 73 FPG idF BGBl I Nr 38/2011 findet aufgrund der Neustrukturierung des 8. Hauptstückes des FPG keine Anwendung mehr. Auch können § 11 Abs. 1 Z 3 und Z 1 NAG nicht zur Verwehrung eines Aufenthaltstitels herangezogen werden, da er seiner Ausreiseverpflichtung freiwillig vor einer Antragsstellung gemäß § 21 Abs. 1 nachgekommen ist und keine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG idF BGBl I Nr 38/2011 "erlassen" wurde; Ausweisungen gemäß § 53 FPG vor Inkrafttreten des BGBl I Nr 38/2011 haben bloß als Rückkehrentscheidungen "zu gelten". Auch aus dem NAG kann somit im Hinblick auf die übergeleitete Ausweisung des Bw kein Reflex erkannt werden.

 

4.4. Da gemäß § 125 Abs. 14 FPG idF BGBl I Nr 38/2011 vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes erlassene Ausweisungen als Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG idgF ohne dass hiermit jedoch ein Einreiseverbot gemäß § 53 FPG idgF verbunden ist, zu gelten haben, kann insofern auch keine negative Reflex- oder Fortwirkung im Sinne der Rsp des VwGH erblickt werden.

 

4.5. Darüber hinaus ist festzuhalten, dass nicht angenommen werden kann, dass durch den Entfall der Bestimmung des § 59 Abs. 1 FPG idF vor dem 1. Juli 2011 vom Gesetzgeber bewusst für "Übergangsfälle" eine Ablehnung der, bereits mit Beschluss des VwGH vom 19. Oktober 1999, Zl. 94/18/0819 begonnenen, stRsp des Verwaltungsgerichtshofes intendiert ist. Der Entfall der unmittelbaren Reflexwirkung nach Muster des § 73 FPG, verbunden mit dem Fehlen eines Einreiseverbotes im Sinne des § 125 Abs. 14 FPG idF BGBl I Nr 38/2011 und der Nichtanwendbarkeit des § 11 Abs. 1 Z 3 und Z 1 NAG stützen vielmehr Gegenteiliges.

 

4.6. Zusammenfassend kann somit an dieser Stelle festgehalten werden, dass durch die freiwillige Ausreise des Bw am 7. Juni 2011 die "Ausweisung" zu diesem Zeitpunkt gegenstands- und wirkungslos wurde, das Ziel der Rückkehrentscheidung in der Form der Übergangsbestimmung gänzlich erfüllt wurde und keinerlei Reflexwirkung im Sinne der Möglichkeit der Verletzung in einem gesetzlich normierten subjektiven Recht besteht (siehe beispielsweise VwGH vom 23. April 2009, Zl. 2006/07/0078 mwN).

 

4.7. Die Berufungsbehörden hatte gemäß § 57 FPG idF vor dem 1. Juli 2011 im Falle einer freiwilligen Ausreise daher nur festzustellen, ob die Ausweisung zum Zeitpunkt der Erlassung rechtmäßig war. Das FPG idF BGBl I Nr 38/2011 enthält in § 68 Abs. 1 eine vergleichbare Bestimmung. Diese gilt aber nicht für Rückkehrentscheidungen und ist im vorliegenden Fall nicht anwendbar.

 

4.8. Auch die Erwähnung des § 66 Abs. 4 AVG in § 52 Abs. 1 letzter Satz FPG idF BGBl I Nr 38/2011 führt zu keinem gegenteiligen Ergebnis, da keine Rechtsverletzungsmöglichkeit gegeben (siehe statt vieler Aichlreiter, JBl 1996, 299 ff.), Gegenstandslosigkeit bereits mit 7. Juni 2011 eingetreten und überdies auch teleologisch die Notwendigkeit einer Sachentscheidung gemäß § 66 Abs. 4 AVG mangels verknüpftem Einreiseverbot bei diesem Übergangsfall im Hinblick auf § 52 FPG idF BGBl I Nr 38/2011 nicht gegeben ist.

 

4.9. Dem Berufungsantrag konnte im Ergebnis daher keine Folge gegeben werden, da die bekämpfte Ausweisung bereits gegenstands- und wirkungslos ist. Die Berufung war daher als unzulässig zurückzuweisen. Eine Erörterung der in der Berufung vorgebrachten Interessen der Bw am Verbleib im Bundesgebiet war bei diesem Verfahrensergebnis verwehrt. Aus diesem Grund war spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von insgesamt 14,30 Euro (Eingabegebühr) angefallen.

 

 

 

Christian Stierschneider

 

 

 

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