Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730023/5/Wg/Wu

Linz, 26.09.2011

 

E r k e n n t n i s

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Wolfgang Weigl über die Berufung der X, geb. X, vertreten durch Rechtsanwalt X, gegen die mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wels vom 23. Februar 2010, Zahl: 1-1019478/FP/10, verhängte Ausweisung, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 20. September 2011, zu Recht erkannt:

 

 

I.                   Der Berufung wird stattgegeben und der bekämpfte Bescheid ersatzlos behoben.

 

II.                Eine Rückkehrentscheidung ist auf Dauer unzulässig.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG und  § 61 Abs 3 FPG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

Die Bundespolizeidirektion Wels hat die Berufungswerberin (im Folgenden: Bw) mit Bescheid vom 23. Februar 2010, Zahl: 1-1019478/FP/10, gemäß § 53 Abs.1 des Fremdenpolizeigesetzes (FPG), ausgewiesen.

 

Dagegen richtet sich die Berufung vom 23. März 2010. Die Bw beantragt darin, die Berufungsbehörde möge eine mündliche Berufungsverhandlung anberaumen und durchführen sowie die angefochtenen Bescheide der Bundespolizeidirektion Wels dahingehend abändern, dass festgestellt wird, dass eine Ausweisung auf Dauer unzulässig ist; in eventu die angefochtenen Bescheide der Erstbehörde aufheben und diese die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auftragen.

 

Nachdem mit 1. Juli 2011 wesentliche Bestandteile des Fremdenrechtsänderungsgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 in Kraft getreten sind, hat die Sicherheitsdirektion den Berufungsakt dem Verwaltungssenat zuständigkeitshalber übermittelt.

 

Der Verwaltungssenat stellt folgenden Sachverhalt fest:

 

X wurde am X geboren und ist Staatsangehöriger von Mazedonien. Er reiste am 16. September 2002 illegal mit seiner Gattin X, geb. X und der gemeinsamen Tochter X, geb. X, illegal in das Bundesgebiet ein. Auch seine Gattin und die gemeinsame Tochter X sind Staatsangehörige von Mazedonien. Sie stellten am 18. September 2002 beim Bundesasylamt Außenstelle Linz einen Asylantrag. Das Bundesasylamt wies die Anträge von X und X ab. Der erstinstanzliche Bescheid ist am 31. Oktober 2003 in Rechtskraft erwachsen. X erhob gegen die negative erstinstanzliche Entscheidung im Asylverfahren Berufung. Sein Asylverfahren wurde am 5. Februar 2004 aufgrund der Entscheidung des Unabhängigen Bundesasylsenates im Rechtsmittelverfahren rechtskräftig negativ abgeschlossen.

 

Die Familie X lebt seit der Einreise am 16. September 2002 in Familiengemeinschaft im Bundesgebiet. Am X wurde hier die gemeinsame Tochter X geboren, am X der gemeinsame Sohn X. Letztere sind ebenso wie die Eltern mazedonische Staatsangehörige.

 

X war in der Zeit von 24. März 2003 bis 30. November 2006 als Arbeiter über Herrn X zur Sozialversicherung angemeldet. Seit 1. Dezember 2006 ist er gemäß § 16 ASVG in der Krankenversicherung selbstversichert. Die Kosten der Krankenversicherung bezahlt sein Bruder. Zurzeit hat X kein Nettoeinkommen. Er hat aber bereits mit der Familie X, am 15. September 2011 unter einer aufschiebenden Bedingung einen Arbeitsvertrag abgeschlossen. Das Arbeitsverhältnis beginnt ab Erteilung einer Niederlassungsbewilligung und Erhalt einer SV-pflichtigen Beschäftigungsbewilligung. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Kollektivvertrag für Landarbeiter im bäuerlichen Betrieb Anwendung. Es gelten die einschlägigen Mindestlöhne. Aus der Einstufung ergibt sich ein monatlicher Bruttomindestlohn von 1.195 Euro.

 

X und seine Familie leben zurzeit von Ersparnissen bzw. sind auf die Unterstützung seines Bruders X angewiesen. Sie leben an der Adresse X, in einer Mietwohnung, für die ca. 320 Euro monatliche Miete inklusive Betriebskosten anfallen. X hat eigenen Angaben zufolge keine Schulden. Er beabsichtigt aber, die von seinem Bruder zurzeit geleisteten finanziellen Mitteln zurückzuzahlen, sobald er dazu in der Lage ist. Sein Bruder bezahlt auch die Miete.

 

Aus den im Verfahren vorgelegten Sprachzertifikaten geht hervor, dass X und X Detuschkenntnisse auf Niveau-Stufe A2 erworben haben. Eigenen Angaben zufolge spricht X in der Familie mit seinen Kindern und seiner Gattin Deutsch. Weiters verwendet er im Alltag bei Einkäufen, Behrödengängen und Ähnlichem die deutsche Sprache.

 

In der mündlichen Verhandlung wurden weiters vier Listen mit Unterstützungserklärungen abgegeben. Dies belegt, dass X und seine Familie im Bundesgebiet bereits einen relativ großen Bekannten- und Freundeskreis aufgebaut haben.

 

X wies in der Verhandlung darauf hin, dass alle 3 Kinder bereits sehr gut deutsch können. Er legte eine Schulbesuchsbestätigung für X vor, ausgestellt von der Schulleiterin der Hauptschule X, X. Weiters eine Besuchsbestätigung für den Kindergarten X bezüglich X und eine Schulbesuchsbestätigung für X. Aus dem Jahreszeugnis für X über die 4. Schulstufe geht hervor., dass sie in Deutsch, Lesen und Schreiben mit der Note Gut beurteilt wurde (Schuljahr 2010/2011).

 

X brachte in der Verhandlung vor, dass seine Kinder bereits viele Freunde in Österreich haben. Dies ist durchaus nachvollziehbar, da alle 3 Kinder die Schule bzw. den Kindergarten besuchen. Weiters wurde durchaus glaubhaft versichert, dass eine sehr intensive Beziehung zur Familie seines Bruders X besteht. Für den Verwaltungssenat steht fest, dass hier auch im Rahmen der familiären Beziehungen gegenseitiger Unterhalt geleistet wird. Der Bw hat weiters glaubwürdig vorgebracht, dass sich die gesamte Familie (weitere Geschwister) in Österreich aufhalten. Es besteht ein reger Kontakt. Die gemeinsamen Eltern X und X leben seit ca. 5 Jahren in Österreich. Die beiden sind mit einem Visum nach Österreich eingereist und halten sich hier rechtmäßig auf. Der Grund dafür war, dass sein Bruder österreichischer Staatsbürger ist und so die gemeinsamen Eltern zu sich holen konnte. Abgesehen von 2 Schwestern leben keine Angehörigen mehr in Mazedonien.

 

Aufgrund seines Aufenthaltsstatus konnte X bzw. auch seine Familie seit dem Jahr 2002 nicht mehr in die Heimat reisen. Er versichert glaubwürdig, dass es dort in de facto fast keinen Kontakt mehr gibt.

 

X ist Hausfrau. Sie war den Angaben ihres Gatten zufolge immer bei den Kindern und konnte aufgrund dessen auch keiner Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet nachgehen. X wies aber darauf hin, dass sie sich bereits erkundigt hätten, wo sie eine Arbeit aufnehmen könnte.

 

Im Strafregister der Republik Österreich scheinen bezüglich X und X keine strafrechtlichen Verurteilungen auf.

 

Der Grund, wieso die Familie X nach rechtskräftig negativem Abschluss des Asylverfahrens nicht ausgereist sind, liegt offenbar darin, dass im Anschluss an die Asylverfahren Verfahren zur Erteilung einer Niederlassungsbewilligung anhängig waren. Der VwGH hat den in diesem Verfahren erhobenen Bescheidbeschwerden mit Beschluss vom 1. Februar 2006 die aufschiebende Wirkung zuerkannt, mit Erkenntnis vom 24. Februar 2009, Zahl 2008/22/0383 bis 0386, die Beschwerden aber als unbegründet abgewiesen. In weiterer Folge wurde die Familie X mit den bekämpften Bescheiden ausgewiesen.

 

Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt und der im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 20. September 2011 erfolgten Einvernahme des X.

 

Der Verwaltungssenat hat dazu in rechtlicher Hinsicht erwogen:

 

X, X, X, X und X verfügen seit rechtskräftig negativem Abschluss ihrer Asylverfahren über kein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet der Republik Österreich. Somit ist zweifelsohne der Tatbestand für eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 1 FPG idF. BGBl. I Nr. 38/2011 dem Grunde nach erfüllt.

 

Wird durch eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist gemäß § 61 Abs 1 FPG die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind gemäß § 61 Abs 2 FPG insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war;

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4. der Grad der Integration;

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung ist gemäß § 61 Abs 3 FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung oder einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

Jedermann hat gemäß Artikel 8 Abs 1 EMRK Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

 

Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist gemäß Artikel 8 Abs 2 EMRK nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Die illegale Einreise des X, der X und der X stellt genauso wie der unrechtmäßige Aufenthalt eine Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens dar.

 

Eine Aufenthaltsbeendigung würde im vorliegenden Fall aber eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung des Privat- und Familienlebens der Familie X darstellen. So kann grundsätzlich auch ein unrechtmäßiger Aufenthalt zur Begründung einer Integration im Inland herangezogen werden (vgl VwGH vom 4.9.2003, GZ 2000/21/0102). Im vorliegenden Fall begründet die sich aus dem langjährigen – teilweise seit der Geburt bestehenden – Aufenthalt ergebende Integration der Familie X ein erhebliches persönliches Interesse an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet. Obwohl X zuletzt lediglich gemäß § 16 ASVG selbstversichert war, konnte in Anbetracht der vorangegangenen Versicherungszeiten als Arbeiter und dem nunmehr vorliegenden, unter einer aufschiebenden Bedingung abgeschlossenen, Arbeitsvertrag durchaus von einer gelungenen beruflichen Integration ausgegangen werden. Weiters hat sich die Familie X – wie durch die Unterstützungserklärungen belegt wird – einen Freundes- und Bekanntenkreis im Bundesgebiet aufgebaut. Entscheidend fällt vor allem ins Gewicht, dass X hier bereits die Volksschule besucht hat. Das Jahreszeugnis über die 4. Schulstufe (Schuljahr 2010/2011) belegt durch den positiven Schulerfolg ein hohes Ausmaß an Integration. So wurde X im Unterrichtsfach Deutsch, Lesen und Schreiben mit der Note Gut beurteilt. X besucht mittlerweile in der VS 6, X, die Klasse 1a. X besucht seit dem 12. September 2011 den städtischen Kindergarten X. Bei einer Gesamtwertung ist eine positive Zukunftsprognose zu erstellen. Es sind keine Umstände ersichtlich, die einer positiven Entwicklung der 3 Kinder in Österreich entgegenstehen würden. Auf der anderen Seite würde es zweifelsohne eine unzumutbare Belastung für die drei Kinder – insbesondere für X – darstellen, wenn sie nunmehr zurück nach Mazedonien müssten, zumal sie einen wesentlichen Teil der kindlichen Sozialisationsphase im Bundesgebiet verbracht haben. Insgesamt überwiegen daher die persönlichen Interessen der Familie X an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung. Eine Rückkehrentscheidung ist auf Dauer unzulässig.

 

Aus diesem Grund war spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren für die Beschwerde von 14,30 Euro angefallen.

 

 

 

 

Mag. Wolfgang Weigl

 

 

 

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