Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-590274/3/WEI/Ba

Linz, 30.09.2011

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 9. Kammer (Vorsitzender Dr. Grof, Berichter Dr. Weiß, Beisitzerin Mag. Bergmayr-Mann) über die Berufung des X X, Inhaber einer X Tankstelle mit Shop, X, X, vertreten durch X X X, Rechtsanwälte GmbH, X, X, gegen den Bescheid des Landeshauptmanns von Oberösterreich vom 10. Jänner 2011, Zl. Ges-170070/9-2011-Hau, betreffend Anordnung von Maßnahmen gemäß § 39 Abs 1 Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz – LMSVG (BGBl I Nr. 13/2006 zuletzt geändert mit BGBl I Nr. 121/2008) zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtenen Bescheid aufgehoben.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG; § 39 Abs 7 LMSVG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde auf der Rechtsgrundlage des § 39 Abs 1 LMSVG wie folgt über den Berufungswerber (Bw) abgesprochen:

 

"SPRUCH

 

Für den Betrieb des Herrn X X, X, X (Pächter der X Tankstelle) werden nachstehende Maßnahmen zur Mängelbehebung angeordnet:

 

Falls in dem genannten Betrieb für die Abgabe von Brot und Gebäck ein Gebäckspender verwendet wird, ist dieser derart auszustatten, dass

 

·         die Verbraucher und Verbraucherinnen das Brot und Gebäck nicht mit den bloßen Händen aus den Vorratsfächern entnehmen bzw. nicht im Vorratsfach abtasten, anhusten, anniesen oder dergleichen können;

·         die Verbraucher und Verbraucherinnen bereits entnommenes Brot und Gebäck nicht wieder in den SB – Spender zurücklegen können und

·         der SB – Spender sowohl innen als auch außen aus einem leicht zu reinigenden Material besteht

 

Falls für die Abgabe von Brot und Gebäck kein Gebäckspender verwendet wird, ist das Brot und Gebäck hygienisch einwandfrei als verpackte Ware oder mit Bedienung abzugeben.

 

Die Umsetzung der angeführten Maßnahmen zur Mängelbehebung hat bis 31. Mai 2011 zu erfolgen."

 

1.2. Gegen diesen Bescheid, der dem Bw am 19. Jänner 2011 zugestellt worden ist, richtet sich die rechtsfreundlich eingebrachte Berufung vom 26. Jänner 2011, die am 27. Jänner rechtzeitig bei der belangten Behörde einlangte und mit der die ersatzlose Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

 

2. Aus der Aktenlage ergibt sich der folgende Gang des Verfahrens und wesentliche  S a c h v e r h a l t :

 

2.1. In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird auf festgestellte Mängel beim Gebäckspender anlässlich der Kontrolle der Lebensmittelaufsicht vom 3. Dezember 2009 und eine schriftliche Aufforderung zur Mängelbehebung hingewiesen. Bei einer weiteren Kontrolle am 12. August 2010 wäre festgestellt worden, dass beim Gebäckspender zwar eine zusätzliche Blende angebracht, die Mängel aber im Wesentlichen nicht behoben worden wären.

 

Der verwendete Gebäckspender hätte keine hygienisch einwandfreie Entnahme von Gebäckstücken ermöglicht, weil das Gebäck mit der bloßen Hand aus den Vorratsfächern entnommen und auch wieder zurückgelegt werden könne. Bei der weiten Öffnung der Vorratsfächer sei ein Abtasten, Anhusten, Anniesen und dergleichen möglich. Dies widerspreche dem Anhang II, Kapitel IX Z 3 der Verordnung (EG) 852/2004 über Lebensmittelhygiene.

 

2.2. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 18. Oktober 2010 wurde Parteiengehör zur beabsichtigten Vorschreibung von Maßnahmen gemäß § 39 LMSVG eingeräumt. Daraufhin langte eine Stellungnahme der C A GmbH mit Sitz in X, die Inhaberin der Marke X ist, für die Betriebsstätte des Bw ein.

 

Zur bemängelten Entnahme mit der bloßen Hand wird ausgeführt:

 

"Für die Entnahme des Gebäcks stellen wir dem Kunden Gebäckzangen zur Verfügung. Um die Kunden verstärkt auf die Nutzung der Gebäckzange hinzuweisen, können wir einen geeigneten Aufkleber mit entsprechendem Texthinweis in gut erkennbarer Schriftgröße an jeder Box anbringen."

 

Zur bemängelten zu weiten Öffnung der Vorratsfächer wird ausgeführt:

 

"Wir verwenden einen Spuckschutz, der über jeder Öffnung angebracht ist und so vor einer entsprechenden Kontaminierung schützt. Öffnung und Spuckschutz sind den Bedürfnissen des SB-Angebotes in unseren Tankstellenshops angepasst."

 

Das Modell eines Gebäckspenders in der Stellungnahme des Ständigen Hygieneausschusses berücksichtige nicht die Kundenanforderungen für eine rasche Abwicklung. Solche Systeme, mit denen Warenentnahmen in kürzester Zeit nicht mehr abwickelbar wären, seien in diesem Geschäftsbereich nicht einsetzbar. Kunden würden sich im Tankstellenshop nicht so viel Zeit für den Einkauf nehmen wie im Handel, weil in erster Linie wegen des Zeitvorteils eingekauft werde.

 

Bei der aktiven Suche nach geeigneten Lösungen hätte man unterschiedlichste Varianten der Produktpräsentationen im SB-Angebot des Handels gefunden, die den eigenen Hygienestandard nicht erreichen würden. Die Firma vertritt die Auffassung, dass die gesetzten Maßnahmen mit dem Entnahmehinweis den Erfordernissen laut Anhang II Kapitel IX Z 3 der Verordnung (EG) 852/2004 über Lebensmittelhygiene entsprechen.

 

2.3. Die belangte Behörde hat dazu die Stellungnahme der Abteilung Ernährungssicherheit und Veterinärwesen (Lebensmittelaufsicht) vom 22. Dezember 2010, SanLA-41225/0006-2010-Wm, eingeholt, in der vorweg auf die klaren Anforderungen in der Stellungnahme des Ständigen Hygieneausschusses vom 10. April 2007 zum Thema Feilhalten von Brot und Gebäck mit SB-Spendern verweisen wird. Die Lebensmittelaufsicht habe nur die dort festgehaltenen Maßnahmen vom X-Tankstellenbetreiber eingefordert.

 

Zum Lösungsansatz "Verwenden von Gebäckzangen mit Hinweis durch Aufkleber" wird angemerkt, dass dadurch von einem geringeren Kontaminationsrisiko ausgegangen werden könne. Dennoch könne aber die Entnahme mit der bloßen Hand nicht verhindert werden, welches Problem auch ein zusätzlicher Aufkleber nicht beseitige. Außerdem lasse sich auch das Risiko des Zurücklegens von Gebäckstücken dadurch nicht unterbinden.

 

Zum Lösungsansatz "Spuckschutz" in Form einer Blende vor den Öffnungen, wie auf den der Stellungnahme beigelegten Fotos ersichtlich, wird darauf hingewiesen, dass die Wirkung vorwiegend von der Körpergröße abhänge. Bei kleinwüchsigen Personen wäre die Blende beinahe wirkungslos.

 

Zu den geltend gemachten speziellen Kundenerfordernissen wird angemerkt, dass der Verkauf nicht zwangsläufig durch SB-Spender erfolgen müsste. Natürlich könnte Gebäck auch hygienisch einwandfrei als verpackte Ware oder mit Bedienung verkauft werden.

 

Zusammengefasst vertritt die Lebensmittelaufsicht die Ansicht, dass durch die vorgeschlagenen Maßnahmen der Fa. C den Erfordernissen der Stellungnahme des Ständigen Hygieneausschusses nicht entsprochen werde.

 

2.4. Mit dem aktenkundigen Erlass BMGF-75220/0009-IV/7/2007 vom 10. April 2007 wurde die Stellungnahme des Ständigen Hygieneausschusses betreffend "HYGIENISCHES FEILHALTEN VON BROT UND GEBÄCK ZUR SELBSTBEDIENUNG (SB-SPENDER)" wie folgt veröffentlicht:

 

"1. Anwendungsbereich:

 

Die Stellungnahme des Ständigen Hygieneausschusses bezieht sich auf alle Arten von Selbstbedienungsspendern (SB - Spender) für Brot und Gebäck im Einzelhandel, ausgenommen Gastronomiebetriebe oder sonstige Einrichtungen der Gemeinschaftsversorgung.

 

 

2. Anforderungen an SB – Spender:

 

Ein hygienisch einwandfreies Feilhalten von Brot und Gebäck zur Selbstbedienung ist nur dann gegeben, wenn

 

·         die VerbraucherInnen das Brot und Gebäck nicht mit der bloßen Hand aus den Vorratsfächern entnehmen bzw. in den Vorratsfächer abtasten, anhusten, anniesen oder dergleichen können;

 

Beispiel: SB-Spender mit für VerbraucherInnen verschlossenen Fächern, ausgenommen Öffnungsschlitze für technische Hilfsmittel (Z.B. Zangen, Schieber), um mit diesen ausgewählte Brot- bzw. Gebäckstücke einzeln zu entnehmen.

 

·         Die VerbraucherInnen bereits entnommenes Brot und Gebäck nicht wieder in den SB – Spender zurücklegen können;

 

Beispiel: SB – Spender mit für VerbraucherInnen verschlossenen Fächern.

 

·         Der SB – Spender sowohl innen als auch außen aus einem leicht zu reinigenden Material besteht und

 

Beispiel: entsprechend behandeltes Material (wie Plexiglas in Verbindung mit Metall und/oder Holz)

 

·         Der SB – Spender regelmäßig gereinigt wird.

 

Beispiel: Regelmäßiges Entleeren einer allfällig vorhandenen Brösellade.

 

 

Die Entnahme von Gebäckstücken, die sich bereits im Auffangbereich des SB-Spenders befinden und von anderen VerbraucherInnen entnommen und dort zurückgelassen wurden, liegt in der Eigenverantwortung der VerbraucherInnen.

 

Überdies ist vom Lebensmittelunternehmer dafür Vorsorge zu treffen, dass vom Personal die Gebäckstücke nicht wieder in den SB-Spender zurückgelegt werden."

 

2.5. Die belangte Behörde hat in der Folge den angefochtenen Bescheid vom 10. Jänner 2011 erlassen und sich in der Begründung den Ausführungen der Lebensmittelaufsicht in der Stellungnahme vom 22. Dezember 2010 angeschlossen, die mit Fotos dokumentiert worden sei. Die gegenständlichen Gebäckspender würden keinen ausreichenden Schutz vor Kontamination des abgegebenen Gebäcks gewährleisten.

 

Nach Wiedergabe der Stellungnahme des Ständigen Hygieneausschusses wird festgehalten, dass diese Aussagen als qualifiziertes Sachverständigengutachten zu werten wären. Den darin gestellten Anforderungen würden die gegenständlichen SB-Spender nicht gerecht.

 

Der Einwendung, dass die Firma C A GmbH, X, X, für die Einrichtung verantwortlich sei, sei entgegen zu halten, dass ein Inverkehrbringen des Gebäcks durch den Bw erfolge und die Abgabe auch ohne die Gebäckspender (verpackt oder mit Bedienung) erfolgen könne.

 

Auf Grund des aufgezeigten Sachverhaltes liege zumindest in objektiver Hinsicht ein Verstoß gegen lebensmittelrechtliche Bestimmungen vor. Es sei daher eine bescheidmäßige Anordnung der im Spruch angeführten Maßnahmen zur Mängelbehebung erforderlich. Diese entsprächen auch dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit und es wäre zumutbar, sie innerhalb der gesetzten Frist umzusetzen.

 

2.6. Die Berufung rügt unrichtige Gesetzesauslegung und fehlerhafte Feststellungen.

 

Zunächst wird behauptet, dass die Abgabe von Brot und Gebäck im Rahmen des Gastronomiebetriebes des Bw stattfände und dazu ein Auszug aus den Gewerberegister betreffend Gastgewerbe gem. § 11 Abs 2 Z 3 GewO 1994 für den Standort X in X vorgelegt. Die Stellungnahme des Ständigen Hygieneausschusses sei auf Gastgewerbe, wo die Abgabe in Körben und ähnlichen offenen Behältnissen üblich sei, ausdrücklich nicht anwendbar. Dem gegenüber würden die gegenständlichen SB-Spender einen wesentlich höheren Standard erfüllen.

 

Die Verkaufsboxen würden üblichen hygienischen Standards entsprechen. Die Aufbewahrung und Entnahme sei derart vorgesehen, dass die Produkte hinreichend geschützt werden. Durch den vergleichsweise kleinen Entnahmeschlitz, zusätzlich abgedeckt durch einen Spuckschutz, sei eine hygienische Entnahme gesichert.

 

Der angefochtene Bescheid nehme auf den tatsächlichen Zustand des Gebäckspenders keine Rücksicht. Wie aus dem beigelegten Foto ersichtlich, seien die Boxen aus Plexiglas und damit in einem leicht zu reinigenden Material ausgeführt. Dies sei auch bei keiner Kontrolle moniert worden. Der angefochtene Bescheid sei daher jedenfalls im Punk 3. zu Unrecht ergangen.

 

Die Stellungnahme des Hygieneausschusses stelle entgegen der belangten Behörde keine lebensmittelrechtliche Vorschrift im Sinne des § 39 LMSVG dar. § 79 definiere die Aufgaben des Hygieneausschusses. Eine Stellungnahme könne keine Rechtsgrundlage für eine Vorschreibung nach § 39 LMSVG sein. Der Bescheid entbehre einer rechtlichen Grundlage und sei daher ersatzlos zu beheben.

 

Die vorgeschriebenen Maßnahmen würden auch gegen das Prinzip der Verhältnismäßigkeit verstoßen. Eine diesen Vorschreibungen entsprechende "Maschine" wäre sehr unpraktikabel und entspräche nicht den Kundenanforderungen und einer notwendigen raschen Abwicklung. Solche Systeme wären nicht einsetzbar und könnten die notwendige Anzahl an Warenentnahmen binnen angemessener Zeit nicht gewährleisten. Wohl auch aus diesem Grund habe der Ständige Hygieneausschuss Gastronomiebetriebe von den Vorgaben der Stellungnahme ausgenommen.

 

2.7. Die belangte Behörde holte aus Anlass der Berufung von der Lebensmittelaufsicht eine Auskunft zu den Gewerbeberechtigungen des Bw ein (vgl E-Mail vom 01.02.2011). Danach betreibt der Bw am Standort X in X drei Gewerbearten, und zwar: Tankstellengewerbe, Handelsgewerbe eingeschränkt auf Einzelhandel und Gastgewerbe gemäß § 111 Abs 2 Z 3 GewO 1994. Laut Portal der Wirtschaftskammer betreibt er u.a. auch "Einzelhandel mit Lebensmittel".

 

Schon nach dem mit der Berufung vorgelegten Foto (Großaufnahme der SB-Spender) befinden sich insgesamt vier Gebäckspender (je zwei neben- und untereinander) in Regalen wie in einem Lebensmittelmarkt. Daneben ist auf der einen Seite feilgebotenes Obst und auf der anderen Seite verpackte Ware erkennbar. Die mit Stellungnahme der Lebensmittelaufsicht vom 22. Dezember 2010 vorgelegten Fotos lassen noch klarer erkennen, dass die Gebäckspender einfach in Verkaufsregale eines Marktes integriert wurden, wobei rings herum verschiedene andere Waren ersichtlich sind. Ein Foto zeigt auch eine Verkäuferin seitlich stehend neben den Gebäckspendern und dahinter ein Warenangebot betreffend Getränke in einem besonderen Regal wie in einem Supermarkt. Auch in der für den Bw abgegebenen Stellungnahme der C A GmbH, der Inhaberin der Marke X, ist im Zusammenhang mit den eingesetzten Gebäckspendern nur vom Tankstellenshop und nicht von einem Gastgewerbe die Rede. Die Kunden würden sich im Tankstellenshop nicht soviel Zeit wie im Handel für den Einkauf nehmen.

 

Aus diesen Gründen ist davon auszugehen, dass die erstmals in der Berufung aufgestellte Behauptung der bloßen Verwendung der SB-Spender im Gastgewerbebetrieb des Bw nicht glaubhaft und als Schutzbehauptung zu betrachten ist. Alle aktenkundigen Umstände sprechen für eine Verwendung im Rahmen des Einzelhandels im Tankstellenshop, das der Bw offensichtlich auch als Handelsgewerbe betreibt.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat nach Einsicht in die vorgelegten Verwaltungsakten festgestellt, dass der angefochtene Bescheid schon nach der Aktenlage aus rechtlichen Gründen aufzuheben ist.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 90 Abs 3 Z 1 LMSVG begeht eine Verwaltungsübertretung, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, und ist nach dem letzten Halbsatz mit Geldstrafe bis zu 20.000 Euro, im Wiederholungsfall bis zu 40.000 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen,

 

wer den in der Anlage genannten unmittelbar anwendbaren Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft oder den näheren Vorschriften zur Durchführung dieser Rechtsakte gemäß § 4 Abs 3 oder § 15 zuwiderhandelt.

 

Gemäß § 4 Abs 1 LMSVG sind die in der Anlage genannten unmittelbar anwendbaren Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft samt Änderungsvorschriften und Durchführungsvorschriften im Rahmen dieses Bundesgesetzes zu vollziehen.

 

Nach der Verordnungsermächtigung des § 4 Abs 3 LMSVG kann die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen (BMGF) mit Verordnung nähere Vorschriften zur Durchführung dieser Rechtsakte erlassen.

 

4.2. Im Teil 2 der Anlage zum LMSVG wird in der Ziffer 1 die Verordnung (EG) Nr. 852/2004 vom 29. April 2004 über Lebensmittelhygiene (ABl. Nr. L 139 vom 30. April 2004, berichtigt durch ABl. Nr. L 226 vom 25. Juni 2004) angeführt.

 

Die noch auf Grund des Lebensmittelgesetzes (LMG) 1975 erlassene Lebensmittelhygieneverordnung, BGBl II Nr. 31/1998, ist gemäß § 95 Abs 7 Z 12 LMSVG mit In-Kraft-Treten des LMSVG am 1. Jänner 2006 außer Kraft getreten.

 

Nach dem Art 4 Abs 2 der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 über Lebensmittelhygiene haben Lebensmittelunternehmer, die auf Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen von Lebensmitteln tätig sind, die den Arbeitsgängen gemäß Abs 1 (Primärproduktion) nachgeordnet sind, die allgemeinen Hygienevorschriften gemäß Anhang II sowie etwaige spezielle Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 zu erfüllen.

 

Der Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 regelt allgemeine Hygienevorschriften für alle Lebensmittelunternehmer, außer denen für die Anhang I (Primärproduktion) gilt. Im Anhang II enthält Kapitel IX unter der Überschrift "Vorschriften für Lebensmittel" folgende Ziffer 3:

 

                3. Lebensmittel sind auf allen Stufen der Erzeugung, der Verarbeitung und des Vertriebs vor Kontaminationen zu schützen, die sie für den menschlichen Verzehr ungeeignet oder gesundheitsschädlich machen bzw derart kontaminieren, dass ein Verzehr in diesem Zustand nicht zu erwarten wäre.

 

Die mit ministeriellem Erlass veröffentlichte Stellungnahme des Ständigen Hygieneausschusses zum Feihalten von Brot und Gebäck durch SB-Spender wurde bereits oben unter 2.4. wiedergegeben.

 

4.3. Die Rechtsgrundlage des § 39 Abs 1 LMSVG sieht die Anordnung der erforderlichen Maßnahmen zur Mängelbehebung und Risikominimierung durch den Landehauptmann bei "Wahrnehmung von Verstößen gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften" vor.

 

Unter Wahrnehmung eines solchen Verstoßes wird ein begründeter Verdacht auf Grund der Beobachtung eines Aufsichtsorgans oder einer substantiierten Information von nach dem LMSVG zur Untersuchung berufenen Stellen (AGES oder Untersuchungsanstalten der Länder) zu verstehen sein, wobei zumindest in objektiver Hinsicht ein gerichtlicher Straftatbestand oder eine Verwaltungsübertretung verwirklicht worden sein muss. Dabei werden im Zuge des Verfahrens getroffene Maßnahmen und das Verhalten des Unternehmers zu berücksichtigen sein (vgl zum Ganzen Blass ua, LMR3 § 39 LMSVG Rz 3).

 

Die Durchführung eines Verwaltungsstrafverfahrens ist nicht aktenkundig geworden.

 

4.4. Nach § 78 LMSVG hat die Codexkommission einen Ständigen Hygieneausschuss zu bestellen. Gemäß § 79 Abs 1 LMSVG hat der Hygieneausschuss das BMGF und die mit der Vollziehung betrauten Behörden unmittelbar zu beraten, über deren Antrag Gutachten abzugeben und Stellungnahmen zu Hygieneleitlinien zu erstatten.

 

Der Hygieneausschuss ist gesetzliches Beratungsorgan der mit der Vollziehung des LMSVG betrauten Behörden. Er ist vor Erlassung von Regelungen der Hygiene im Lebensmittelbereich zu hören (vgl Verordnungsermächtigungen für BMGF in §§ 10 ff LMSVG). Die vom Hygieneausschuss abgegebenen Gutachten und Stellungnahmen sind als sachverständige Empfehlungen für eine gute Hygienepraxis anzusehen. Es handelt sich dabei aber wie beim ÖLMB, das als objektiviertes Sachverständigengutachten anzusehen ist, um keine zwingenden Anordnungen. Wie auch das ÖLMB können Stellungnahmen des Ständigen Hygieneausschusses nicht unter den engen Begriff der lebensmittelrechtlichen Vorschriften iSd Begriffsbestimmung nach § 3 Z 13 LMSVG fallen, die nur Vorschriften des LMSVG sowie der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen und unmittelbar anwendbaren Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft erfasst.

 

Es kann hier nur von "Quasi-Vorschriften" oder "soft law" die Rede sein. Wer sich an die Regeln des ÖLMB oder die Stellungnahmen des Ständigen Hygieneausschusses hält, ist qualifiziert abgesichert, während andere, die sich nicht daran orientieren wollen, selbst um eine fachliche Absicherung kümmern müssen, um den gesetzlichen Anforderungen zu entsprechen (vgl Blass ua, LMR3 § 76 LMSVG Rz 4).

 

Die belangte Behörde hat begründend die Aussagen des Ständigen Hygieneausschusses zwar als qualifiziertes Sachverständigengutachten bezeichnet, in der Sache aber so getan, als ob es sich dabei um lebensmittelrechtliche Vorschriften iSd §§ 3 Z 13 und 39 Abs 1 LMSVG handelte. Denn die gegenständlichen SB-Spender sind offensichtlich allein anhand der als zwingend angesehenen Vorgaben des Ständigen Hygieneausschusses bewertet worden. Die belangte Behörde hat ausdrücklich festgehalten, dass die SB-Spender den Anforderungen in den Aussagen des Hygieneausschusses nicht gerecht werden und auf diese Begründung die Anordnung von Maßnahmen zur Mängelbehebung gestützt.

 

Der allgemein gehaltenen Norm des Anhangs II, Kapitel IX Z 3, der Verordnung (EG) 852/2004 ist nur zu entnehmen, dass Lebensmittel auch auf allen Stufen des Vertriebs vor Kontaminationen zu schützen sind, die sie für den menschlichen Verzehr ungeeignet oder gesundheitsschädlich machen bzw derart kontaminieren, dass ein Verzehr in diesem Zustand nicht zu erwarten wäre.

 

Aus dieser Formulierung können die strengen Anforderungen des Ständigen Hygieneausschusses nicht ohne weiteres abgeleitet werden. Dessen Aussagen in der gegenständlichen Stellungnahme, die nicht nur eine bloße Fachmeinung darstellen, sondern auch sachlich auf eine Konkretisierung der EG-Verordnung im Bereich Feilhalten von Brot und Gebäck hinauslaufen, sind aber, wie bereits dargelegt, nicht rechtsverbindlich. Für eine rechtliche Konkretisierung hätte es aber einer Verordnung des BMGF bedurft, die auf der Grundlage des § 4 Abs 1 LMSVG zur Durchführung der Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft zu erlassen wäre.

 

4.5. Wer die Anforderungen an SB-Spender für Brot und Gebäck in der Stellungnahme des Ständigen Hygieneausschusses einhält, kann sich des hygienisch einwandfreien Feilhaltens sicher sein. Aber auch die verwendeten SB-Spender aus Plexiglas mit hinweisendem Aufkleber betreffend die Verwendung von Greifzangen zur Entnahme des Gebäcks durch einen Schlitz und einer unmittelbar darüber angebrachten Blende zum Schutz vor dem Anhusten und Anniesen erfüllen ein beträchtliches Schutzniveau, das im Rahmen der allgemeinen Formulierung der EG-Verordnung als ausreichend angesehen werden kann, weil bei sachgerechter Bedienung durch die Kunden eine hygienische Selbstbedienung gewährleistet erscheint.

 

Während die Stellungnahme des Hygieneausschusses mit ihren hohen Anforderungen an einen Prototyp eines SB-Spenders mit menschlichem Fehlverhalten grundsätzlich zu rechnen scheint und dem entsprechend - ungeachtet der Praktikabilität eines solchen SB-Spenders - danach trachtet, dieses weitgehend auszuschließen, gehen die gegenständlichen SB-Spender von einer kooperativen eigenverantwortlichen Mitwirkung des Kunden aus, die zumindest nicht vorsätzlich den Sinn der Gebäckzangen und der Blenden konterkariert. Die Einwände in der Stellungnahme der Lebensmittelaufsicht halten dem von der C Austria GmbH vorgeschlagenen Lösungsansatz im Ergebnis nur rücksichtsloses und bewusst zweckwidriges Kundenverhalten (Entnahme mit der bloßen Hand und Zurücklegen von Gebäck trotz Hinweis auf Greifzangen mit Aufkleber) entgegen und behaupten, dass die Wirksamkeit des Spuckschutzes eine Frage der Größe des Kunden wäre. Wenn man das der Stellungnahme der Lebensmittelaufsicht angeschlossene Foto mit der Verkäuferin betrachtet, gewinnt man den Eindruck, dass abermals eher nur grobes menschliches Fehlverhalten (zB Husten und Niesen in gebückter Haltung in Richtung Entnahmeschlitz) die Wirkung des Spuckschutzes weitgehend außer Kraft setzen kann. Dazu ist aber relativierend auch anzumerken, dass selbst beim Prototyp eines SB-Spenders laut Hygieneausschuss ein wenn auch kleinerer Öffnungsschlitz für technische Hilfsmittel wie Zangen und Schieber vorgesehen ist, so dass eine absolut zuverlässige Abschirmung gegenüber Kontaminationen durch Husten und Niesen offenbar auch beim Prototyp nicht möglich ist.

 

Nach Ansicht der erkennenden Kammer kann ein angemessenes und hygienisch erforderliches Schutzniveau vor Kontaminationen in der Praxis auch mit dem im Tankstellenshop verwendeten SB-Spender erreicht werden, vorausgesetzt die Kunden verhalten sich kooperativ und bedienen ihn nicht bewusst zweckwidrig, was vom Verkaufspersonal wohl auch in gewisser Hinsicht kontrolliert werden müsste. Die höheren Anforderungen in der Stellungnahme des Ständigen Hygieneausschusses sind zwar vom hygienischen Schutzniveau her noch sicherer, können aber nicht als rechtsverbindlich zwingende Regelung angesehen werden. Da eine entsprechende Verordnung des BMGF zur Konkretisierung des Schutzniveaus für hygienisches Feilhalten von Brot und Gebäck bisher nicht ergangen ist, fehlt es an einem Verstoß gegen eine lebensmittelrechtlichen Vorschrift iSd § 3 Z 13 LMSVG als Grundlage für eine Vorschreibung von Maßnahmen gemäß § 39 Abs 1 LMSVG.

 

Aus den dargelegten Gründen war der Berufung stattzugeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufzuheben.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Im gegenständlichen Verfahren sind Bundesstempelgebühren für die Berufung von 22,10 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

Dr. G r o f

 

 

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