Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730256/2/BP/Jo

Linz, 17.10.2011

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung des X, StA von Serbien, vertreten durch X, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Vöcklabruck vom 8. Jänner 2010, GZ: Sich40-23610-2005, betreffend die Verhängung eines auf 10 Jahre befristeten Aufenthaltsverbotes gegen den Berufungswerber nach dem Fremdenpolizeigesetz, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 iVm. § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG


 

Entscheidungsgründe

 

1.1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Vöcklabruck vom 8. Jänner 2010, GZ.: Sich40-23610-2005, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) auf Basis der §§ 60 Abs. 1 und 2 Z. 1 iVm. §§ 61 Abs. 2 – 4, 63 und 66 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung, ein auf 10 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich verhängt.

 

Begründend führt die belangte Behörde zunächst zum Sachverhalt aus, dass der Bw, ein serbischer Staatsangehöriger, am 21. Dezember 2003 illegal ins Bundesgebiet eingereist sei und am 23. Dezember 2003 einen Asylantrag gestellt habe. Dieser Antrag sei mit Bescheid vom 10. Februar 2004 gemäß §§ 7 und 8 AsylG erstinstanzlich abgewiesen und die Abschiebung nach Serbien für zulässig erklärt worden.

 

Gegen den Bw sei mit Bescheid der BPD Salzburg vom 29. Dezember 2003 ein auf 5 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot rechtskräftig erlassen worden. Am X habe der Bw eine österreichische Staatsangehörige geheiratet und am 6. Mai 2005 die Berufung gegen den negativen erstinstanzlichen Asylbescheid zurückgezogen.

 

Am 2. August 2005 habe der Bw in der Folge einen Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Begünstigter Drittstaatsangehöriger – Ö" gestellt, welcher trotz des bestehenden Aufenthaltsverbotes positiv erledigt worden sei. Die Aufhebung des Aufenthaltsverbotes sei schließlich mit Bescheid der BPD Salzburg vom 15. September 2005 erfolgt.

 

Seit der Erteilung der Niederlassungsbewilligung am 5. September 2005 sei der Bw nunmehr rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig gewesen. Am 6. Oktober 2008 habe er neuerlich einen Verlängerungsantrag für "Familienangehöriger" gestellt, welcher auch mit einer Gültigkeitsdauer von 19. Oktober 2008 bis 18. Oktober 2010 erteilt worden sei.

 

Gegen den Bw lägen 3 strafgerichtliche rechtskräftige Verurteilungen vor:

1. LG Salzburg, zu 41 Hv 191/2005B, vom 4. Juli 2006, wegen §§ 12, 15 iVm. 83 und 84 StGB, zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten, bedingt auf eine Probezeit von 3 Jahren,

2. BG Salzburg, zu 29 U 300/2007l, vom 3. Dezember 2007, wegen § 83 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen,

3. LG Salzburg, zu 39 Hv 1006/09, vom 4. November 2009, wegen §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB, zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten bedingt auf eine Probezeit von 3 Jahren.

 

Mit Schreiben vom 15. Dezember 2009, durch Hinterlegung am 19. Dezember 2009 zugestellt, sei der Bw vom beabsichtigten Aufenthaltsverbot in Kenntnis gesetzt und zur Stellungnahme aufgefordert worden; es sei jedoch keine Stellungnahme bei der belangten Behörde eingelangt.

 

Zum Sachverhalt führt die belangte Behörde weiter aus, dass der Bw laut Versicherungsdatenauszug seit dem Jahr 2005 weithgehend sozialversicherungspflichtig beschäftigt sei. Auch verfüge die Familie über eine angemessene Wohnung. Im Bundesgebiet lebten neben der Gattin des Bw auch die beiden minderjährigen – in den Jahren X und X geborenen – Kinder, die beide österreichische Staatsangehörige seien.

 

1.1.2. In rechtlicher Hinsicht führt die belangte Behörde nach Darstellung der einschlägigen Rechtsgrundlagen ua. aus, dass der Bw durch sein persönliches Verhalten die öffentliche Ordnung und Sicherheit sowie die Gesundheit von Menschen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft bilden, mehrfach bewusst und massiv gefährdet habe. Auch durch entsprechende Verurteilungen habe er sein – auf der gleichen schädlichen Neigung beruhendes – Verhalten nicht geändert. Auch wird die besondere Brutalität des jeweils gesetzten Verhaltens hervorgehoben.

 

Aufgrund des geschilderten Sachverhaltes, unter Berücksichtigung der  familiären und privaten Lebenssituation und des bisherigen Verhaltens werde festgestellt, dass durch das Aufenthaltsverbot die persönliche Lebenssituation sicherlich massiv eingeschränkt werde, jedoch wögen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme wesentlich schwerer, als deren Auswirkungen auf die Lebenssituation des Bw im Sinne einer Interessensabwägung nach Art. 8 EMRK und § 66 Abs. 2 FPG.

 

Die Festlegung der Gültigkeitsdauer erscheine unter den gegebenen Umständen als angemessen.  

 

1.2. Gegen diesen Bescheid erhob der Bw durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter rechtzeitig Berufung mit Schriftsatz vom 28. Jänner 2010.

 

Eingangs wird die Verletzung des Parteiengehörs durch die belangte Behörde kritisiert. In rechtlicher Hinsicht wird näher auf die einzelnen Straftaten eingegangen und in der Folge ua. angemerkt, dass der Bw sehr wohl der deutschen Sprache mächtig sei. Seine Ehegattin erwarte das dritte Kind, der Bw habe den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen hier in Österreich, weshalb die Integration hier verfestigt sei. Die Bindungen zum Heimatstaat seien hingegen kaum mehr gegeben.

 

Die Verhängung des Aufenthaltsverbotes sei auch unter den Gesichtspunkten des § 66 FPG bzw. Art. 8 EMRK unzulässig, da den familiären und privaten Interessen des Bw am Verbleib in Österreich jedenfalls der Vorrang gegenüber allfälligen öffentlichen Interessen an der Verhängung der Maßnahme zukomme. Darüber hinaus erfülle der Bw in knapp einem Jahr die Voraussetzungen zur Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft.

 

Auch sei die Dauer des in Rede stehenden Aufenthaltsverbotes zu lange bemessen.

 

Abschließend werden die Berufungsanträge auf Aufhebung des in Rede stehenden Aufenthaltsverbotes; in eventu auf Aufhebung und Zurückverweisung; in eventu auf Herabsetzung der Dauer des Aufenthaltsverbotes gestellt.

 

 

2.1. Die belangte Behörde legte zunächst den in Rede stehenden Verwaltungsakt der Sicherheitsdirektion für Oberösterreich vor.

 

Mit 1. Juli 2011 trat das Fremdenrechtsänderungsgesetz, BGBl. I Nr. 38/2011 in wesentlichen Teilen in Kraft. Aus § 9 Abs. 1a FPG in der nunmehr geltenden Fassung ergibt sich, dass der unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung über die Berufung zuständig ist, weshalb der in Rede stehende Verwaltungsakt von der Sicherheitsdirektion – nach In-Krafttreten der Novelle am 1. Juli 2011 – dem Oö. Verwaltungssenat übermittelt wurde.

 

2.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde.

 

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, weil eine solche nicht erforderlich war, nachdem sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt zweifelsfrei aus der Aktenlage ergibt, im Verfahren im Wesentlichen die Beurteilung von Rechtsfragen strittig ist und die Akten erkennen lassen, dass eine weitere mündliche Erörterung eine tiefgreifendere Klärung der Sache nicht erwarten lässt (§ 67d AVG).

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten 1.1.1. und 1.2. dieses Erkenntnisses dargestellten völlig unbestrittenen Sachverhalt aus.

 

2.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

 

3. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1.1. Gemäß § 65b des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG idgF. BGBl. I Nr. 38/2011 unterliegen Familienangehörige (§ 2 Abs. 4 Z. 12) der Visumpflicht. Für sie gelten die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach den §§ 41a, 65a Abs. 2, 66, 67 und 70 Abs. 3.

 

Gemäß § 2 Abs. 4 Z. 12 FPG ist Familienangehöriger: wer Drittstaatsangehöriger und Ehegatte oder minderjähriges lediges Kind, einschließlich Adoptiv- oder Stiefkind ist (Kernfamilie); dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, die Drittstaatsangehörige sind.

 

3.1.2. Im vorliegenden Fall ist § 65b FPG einschlägig, da der Bw seit X Ehegatte einer österreichischen Staatsangehörigen ist.

 

Die Verhängung von Aufenthaltsverboten für EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige ist in § 67 FPG geregelt, der durch § 65b FPG als anwendbar erklärt wird. Daher erfährt die Beurteilung des in Rede stehenden Aufenthaltsverbotes einen Regimewechsel von bloß aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen (wie von der belangten Behörde vorgenommen) zu § 67 FPG.

 

3.2.1. Gemäß § 67 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

 

3.2.2. Es ist – im Hinblick auf die oa Bestimmung - nun zu prüfen, ob das Verhalten des Bw auch aus derzeitiger Sicht geeignet erscheint, die öffentliche Ordnung oder Sicherheit nachhaltig und schwerwiegend zu gefährden.

 

Die Verhinderung von Straftaten gerade im so sensiblen Bereich der Körperverletzungsdelikte, insbesondere wenn sie in der hier vorliegenden gehäuften Form gegeben sind, zählt unbestritten zum Grundinteresse der Gesellschaft, auf dem die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit basiert.

 

3.2.3. Maßgeblich ist aber nicht primär, dass eine strafgerichtliche Verurteilung ausgesprochen wurde, sondern dass im Sinne einer Prognoseentscheidung das gegenwärtige und zukünftige Verhalten einer Person im Lichte einer strafgerichtlichen Verurteilung rechtlich zu würdigen ist. Es ist also im konkreten Einzelfall zu analysieren, ob davon ausgegangen werden kann, dass sich der Bw hinkünftig rechtskonform verhalten wird.

 

Problematischer ist im vorliegenden Fall die Beurteilung der Gegenwärtigkeit der vom Bw ausgehenden Gefahr. Zum Einen hat er – wie er in der Berufung anführt – die Tätigkeit als Türsteher, in deren Rahmen seine Übergriffe weitgehend passiert waren, aufgegeben; zum Anderen sind seit der letzten (im erstinstanzlichen Bescheid berücksichtigten) Straftat über zwei Jahre vergangen, ohne dass der Bw wieder straffällig geworden wäre. Aufgrund letzteren Umstands ist in dubio pro reo davon auszugehen, dass die ursprünglich durchaus vehement vorhandene Bereitschaft zur Gewalt durch die Änderung des Umfelds (Türsteher) nicht mehr in dem Maß besteht, als bei Begehung der Straftaten. Die Gegenwärtigkeit der Gefährdung ist also nicht mehr im vorigen Maß anzunehmen.

 

3.2.4. Somit ist aber § 67 Abs. 1 FPG nicht erfüllt, weshalb grundsätzlich die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes als nicht mehr zulässig erscheint.

 

Aus diesem Grund erübrigt sich auch ein Eingehen auf die Interessensabwägung gemäß § 61 FPG, da das Privat- und Familienleben durch den Wegfall der Maßnahme nicht mehr tangiert ist. Eine derartige Interessensabwägung würde aber in Hinblick auf den 8-jährigen Aufenthalt, die unbestrittene berufliche Integration und Selbsterhaltungsfähigkeit, die Deutschkenntnisse des Bw, das Vorliegen eines Familienlebens mit österreichischen Staatsangehörigen, deren Rechte gesondert zu prüfen wären, wohl ohnehin zugunsten des Bw ausfallen müssen.

 

3.3. Es war daher – ohne auf das weitere Berufungsvorbringen näher einzugehen - der in Rede stehende Bescheid aufzuheben und spruchgemäß zu entscheiden.

 

Nachdem der Bw offenkundig der deutschen Sprache ausreichend mächtig ist, konnte gemäß § 67 Abs. 5 iVm. § 59 Abs. 1 FPG auf die Übersetzung des Spruchs und der Rechtsmittelbelehrung in die serbische Sprache verzichtet werden. 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro (Eingabegebühr) angefallen.

 

 

 

Bernhard Pree

 

 

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