Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-166110/2/Sch/Eg

Linz, 13.10.2011

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Schön über die Berufung der Frau A. H., vertreten durch die Rechtsanwälte x, vom 1. Juni 2011 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 20. Mai 2011, Zl. VerkR96-30667-2010-A/Pi, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 zu Recht erkannt:

 

 

I.                   Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II.                Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.        

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: §§ 66 Abs.4 AVG iVm 24, 51 und 45 Abs. 1 Z. 1 VStG.

zu II.: §§ 64 ff VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat mit Straferkenntnis vom 20. Mai 2010, Zl. VerkR96-30667-2010-A/Pi, über Frau A. H. wegen der Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs. 5 StVO 1960 eine Geldstrafe in Höhe von 150 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe 72 Stunden, gemäß § 99 Abs. 3 lit. b StVO 1960 verhängt, weil sie am 31. Mai 2010 um 13:50 Uhr, in der Gemeinde Linz, Gemeindestraße Ortsgebiet, Klammstraße 12, Parkplatz, mit dem PKW Kennzeichen x, VW Passat, mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei und sie nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle verständigt habe.

 

Überdies wurde die Berufungswerberin gemäß § 64 VStG zu einem Kostenbeitrag zum erstinstanzlichen Verfahren in der Höhe von 15 Euro verpflichtet.

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat die Berufungswerberin rechtzeitig Berufung erhoben. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht und die Berufung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

 

Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung erwies sich als nicht erforderlich (§ 51e Abs.2ff VStG).

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Folgendes erwogen:

 

Nach Lage des von der Erstbehörde vorgelegten Verwaltungsstrafaktes hat ein unbeteiligter Passant die Berufungswerberin als Lenkerin eines PKW bei einem Einparkmanöver in der Klammstraße in Linz beobachtet. Er habe laut eigenen Angaben wahrgenommen, wie sie ein anderes Fahrzeug "touchierte". Er hielt der Berufungswerberin vor, dass sie an einem abgestellten Fahrzeug angestoßen sei und fragte sie, ob sie dies bemerkt hätte. Sie habe dies laut eigenen Angaben nicht mitgekommen. Von den beiden Personen wurde die mögliche Anstoßstelle am abgestellten PKW besichtigt. Ein "offensichtlicher" Schaden konnte laut Zeugeneinvernahme vom 28. September 2010 durch die Erstbehörde nicht festgestellt werden, der Zeuge vermeinte jedoch gegenüber der Berufungswerberin, dass hinter der Stoßstange ein Schaden entstanden sein könnte.

 

Der Zeuge hatte den Eindruck, dass die Berufungswerberin keinen Zettel mit einer Verständigung am anderen Fahrzeug anbringen bzw. die Angelegenheit melden würde. Deshalb habe er die Polizei verständigt.

 

Seitens der Polizei wurden in der Folge Lichtbilder von beiden Fahrzeugen angefertigt. Am Fahrzeug der Berufungswerberin an der Hinterseite, also an der Anstoßstelle, wurden keine sichtbaren Spuren festgestellt. Am zweiten Fahrzeug erkennt man auf den Lichtbildern Dellen in der vorderen Kennzeichentafel, andere Beschädigungen sind nicht sichtbar. Der an einem der Fotos angebrachte Messstab lässt eine Höhe von der Fahrbahn in Bezug auf die Beschädigungen der Kennzeichentafel von etwa 40 cm erkennen, die mögliche Anstoßstelle am Fahrzeug der Berufungswerberin ist in diesem Sinne nicht vermessen worden, sie könnte aber in etwa in dieser Höhe liegen.

 

Als der Zulassungsbesitzer des abgestellten Fahrzeuges am Abstellort eintraf, fand er einen Verständigungszettel der Polizei vor. Eine Begutachtung möglicher Schäden ergab, dass die vordere Kennzeichentafel verbogen war, andere Schäden waren auch für ihn nicht erkennbar. Über Anraten der Polizei begab er sich dann zu einem Kfz-Fachbetrieb, wo ein beschädigtes "Grillgitter" festgestellt wurde. Weiters wurden zwei kleine Dellen festgestellt, die ebenfalls aus dem Vorfall herrühren "könnten".

 

Nach der der Berufungsbehörde vorliegenden Sachlage kann davon ausgegangen werden, dass es tatsächlich zu einem Anstoß am abgestellten Fahrzeug durch das Einparkmanöver der Berufungswerberin gekommen ist. Im anderen Fall müsste man dem völlig unbeteiligten Zeugen unterstellen, dass er Vorgänge zur Anzeige bringt, die aus der Luft gegriffen sind. Ob nun die Berufungswerberin den Anschluss selbst bemerkt hat oder nicht oder bloß bestreitet, davon etwas mitbekommen zu haben, ist angesichts der Angaben des erwähnten Zeugen im Rahmen des erstbehördlichen Verfahrens ohne Belang. Von einem Anstoß muss auf jeden Fall ausgegangen werden und auch davon, dass der Zeuge die Berufungswerberin sehr eindringlich darauf aufmerksam gemacht hat. Schließlich kam es auch zu einer Nachschau im Hinblick auf Beschädigungen beider Fahrzeuge, wobei laut oben erwähnter Zeugenaussage kein "offensichtlicher" Schaden am abgestellten Fahrzeug festgestellt wurde. Andere Schäden wurden von den beiden Personen nicht wahrgenommen. Nicht einmal der Zulassungsbesitzer selbst hat – von einer beschädigten Kennzeichentafel abgesehen - weitergehende Schäden entdecken können. Eine genauere Nachschau durch eine Fachfirma brachte allerdings doch einen weiteren Schaden in Form der schon erwähnten Beschädigung eines "Grillgitters" und zweier kleinerer Dellen, die vom Anstoß stammen "könnten", zutage.

 

4. Unter Zugrundelegung dieses Sachverhaltes ist in rechtlicher Hinsicht Folgendes zu bemerken:

 

Gemäß § 4 Abs. 5 StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrunfall in ursächlichem Zusammenhange steht, wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, die nächste Polizeidienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn diese Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.

 

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, etwa auch nach dem von der Erstbehörde zitierten Erkenntnis vom 23. Mai 2002, 2001/03/0417, ist Voraussetzung für die Anhalte- und Meldepflicht nach § 4 Abs. 1 lit. a und Abs. 5 StVO 1960 als objektives Tatbildmerkmal der Eintritt wenigstens eines Sachschadens und in subjektiver Hinsicht das Wissen von dem Eintritt eines derartigen Schadens, wobei der Tatbestand schon dann gegeben ist, wenn dem Täter objektive Umstände zu Bewusstsein gekommen sind oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewusstsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit einer Sachbeschädigung zu erkennen vermochte.

 

Gegenständlich kann, wie schon oben ausgeführt, im Hinblick auf die subjektive Tatseite vorweg davon ausgegangen werden, dass ein Anstoß am abgestellten Fahrzeug erfolgt ist, den die Berufungswerberin zwar – vorgeblich – nicht bemerkt habe, auf den sie aber vom unbeteiligten Zeugen hingewiesen wurde.

 

Sowohl dieser Zeuge als auch die Berufungswerberin selbst – letztere offenkundig widerwillig und erst durch das Insistieren des Zeugen dazu bewogen – haben Nachschau an beiden Fahrzeugen gehalten, haben aber keinen offensichtlichen Schaden feststellen können. Die auf den Lichtbildern ersichtlichen Dellen auf der Kennzeichentafel beeinträchtigen offenkundig deren Ablesbarkeit nicht. Sollte ein geringfügiges Geradebiegen der Tafel notwendig gewesen sein, dann wäre dies wohl ohne nennenswerten Aufwand zu erledigen gewesen. Solche Spuren an einer Kennzeichentafel stellen keinen Sachschaden im Sinne des § 4 Abs. 5 StVO 1960 dar (VwGH 31.10.1990, 90/02/0119).

 

Wie schon oben erwähnt haben sämtliche in den Vorgang vorerst involvierten Personen, also die Berufungswerberin, der Zeuge und der Zulassungsbesitzer dieses Fahrzeuges, bei ihrer Begutachtung im Hinblick auf mögliche Schäden ausgenommen die – nicht als offensichtlichen Schaden qualifizierten - Dellen an der Kennzeichentafel nichts feststellen können. Erst durch eine Fachwerkstätte kam zutage, dass doch ein weiterer Schaden entstanden ist oder sein könnte.

 

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, welcher Sorgfaltsmaßstab an jemanden im Hinblick auf die Überzeugungspflicht nach einem Anstoß an einem anderen Fahrzeug angelegt werden muss. Wenn bei der Begutachtung – noch dazu im Beisein eines kritischen Zeugen – des möglicherweise beschädigten Fahrzeuges nicht mehr herauskommt, als die schon erwähnten Spuren an der Kennzeichentafel, dann würde man den "Sorgfaltsbogen" wohl überspannen, wenn man bloß aus der vagen Möglichkeit heraus, dass doch mehr Schaden sein könnte, die Meldepflicht ableiten würde. Nicht jede Schadensbegutachtung, die, wie im Nachhinein von einer Fachwerkstätte festgestellt wird, nicht alle Schäden erfasst hat, muss schon deshalb als unzulänglich abgetan werden. Die Berufungsbehörde vertritt daher zusammenfassend die Ansicht, dass hier gerade noch ein Fall vorliegt, wo der Berufungswerberin für die Nichtmeldung des Verkehrsunfalles kein verwaltungsstrafrechtlich relevantes Verschulden vorzuwerfen ist.

 

Abgesehen von der rechtlichen Seite der Angelegenheit ist aber festzuhalten, dass von einem Fahrzeuglenker schon erwartet werden muss, dass er sich nach einem Anstoß an einem anderen Fahrzeug, den er bei gehöriger Aufmerksamkeit wahrnehmen konnte, aus eigenem Antrieb heraus über mögliche Schäden ein Bild macht und nicht erst dann, wenn er "ertappt" von einem Zeugen in diese Richtung hin angeleitet wird.

 

Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

S c h ö n

 

 

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