Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730061/4/SR/Jo

Linz, 17.10.2011

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des X, geboren X, türkischer Staatsangehöriger, vertreten durch X, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid des Polizeidirektors von Wels vom 4. Juni 2010, AZ 1-101894/FP/10, betreffend eine Ausweisung des Berufungswerbers nach dem Fremdenpolizeigesetz, zu Recht erkannt:

 

            I.      Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.

 

        II.      Eine Rückkehrentscheidung ist auf Dauer unzulässig.

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 iVm. § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

 

 

 Entscheidungsgründe:

 

 

1. Mit Bescheid des Polizeidirektors von Wels vom 4. Juni 2010, AZ 1-101894/FP/10, wurde gegen den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) auf Basis der §§ 31, 53 und 66 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung, die Ausweisung aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich angeordnet.

 

Begründend führt die belangte Behörde zunächst zum Sachverhalt aus, dass der Bw, ein türkischer Staatsangehöriger, nach illegaler Einreise in Österreich am 4. Juni 2002 einen Asylantrag gestellt habe, der gemäß den §§ 7 und 8 AsylG abgewiesen worden sei. Die rechtzeitig eingebrachte Berufung/Beschwerde habe der Asylgerichtshof mit Bescheid vom 22. Februar 2010, zugestellt am 25. Februar 2010, abgewiesen und den angefochtenen Bescheid bestätigt.

 

Mit rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens habe auch das Aufenthaltsrecht des Bw in Österreich geendet. Seither sei er unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig.

 

Von einer beruflichen Integration sei auszugehen, diese relativiere sich jedoch, da dem Bw bei Aufnahme der Beschäftigung bewusst sein musste, dass der Aufenthalt in Österreich nur an das Abwarten der Entscheidung im Asylverfahren geknüpft war. Insofern mindere sich auch die soziale Integration. Ein Familienleben in Österreich sei nicht ersichtlich, die Eltern und die acht Geschwister würden in der Türkei leben. Den größten Teil seines Lebens habe der Bw in der Türkei verbracht. Angesichts dieser Aspekte würde sich die Ausweisung als zulässig erweisen.

Im Verfahren habe der Bw vorgebracht, dass er sich um eine Niederlassungsbewilligung nach dem NAG bemühen werde, über eine aktuelle Beschäftigungsbewilligung verfüge, diese bis 13. Dezember 2010 verlängert worden sei, er beruflich gut integriert wäre und in einem aufrechten Beschäftigungsverhältnis stehe. In Österreich würde er mit der Familie der Schwester leben und zu dieser und den Familienangehörigen einen sehr intensiven Kontakt pflegen. Die A2 Prüfung habe er abgelegt und vorgelegte Unterstützungserklärungen würden zum Ausdruck bringen, dass er ein beliebter und anständiger Mensch sei. Zu den Angehörigen in der Türkei habe er keine intensive Beziehung, die Eltern würden nach einem Erdbeben in einem Zelt leben und als Kurde hätte er keine Beschäftigungsmöglichkeit und es würde ihn daher an der existenziellen Grundlage mangeln.

Auf Grund des achtjährigen Aufenthaltes billigte die belangte Behörde dem Bw ein gewisses Maß an Integration zu, minderte dies jedoch im Hinblick auf das laufende Asylverfahren. Demnach komme der langwährenden sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nicht die gewünschte Bedeutung zu. Mangels Nachweis der Deutschkenntnisse hätten diese nicht berücksichtigt werden können. Da der Bw mit der Familie der Schwester nicht in einem gemeinsamen Haushalt lebe, liege kein Eingriff in das Familienleben sondern nur einer in das Privatleben vor. Die Antragsstellung nach dem NAG begründe kein Aufenthalts- und Bleiberecht.

 

Die Einleitung fremdenpolizeilicher Maßnahmen erscheine unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK zulässig und unbedingt erforderlich.

 

2. Gegen diesen Bescheid erhob der Bw durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter mit Schriftsatz vom 14. Juni 2010 rechtzeitig Berufung.

 

Der Rechtsvertreter nahm Bezug auf das bisherige Vorbringen und die eingebrachten Schriftsätze. Bei richtiger rechtlicher Würdigung und Betrachtung der vorgebrachten Gesichtspunkte erweise sich die Ausweisung des Bw als dauerhaft unzulässig.

 

Bereits einleitend wurde der Antrag gestellt, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und eine Ausweisung als auf Dauer unzulässig auszusprechen.

 

3. Die belangte Behörde legte zunächst den in Rede stehenden Verwaltungsakt der Sicherheitsdirektion Oberösterreich vor.

 

Dem Schriftsatz vom 19. Juni 2010 fügte der Rechtsvertreter das Sprachzertifikat Deutsch (Niveaustufe A 2) bei.

 

Mit 1. Juli 2011 trat das Fremdenrechtsänderungsgesetz, BGBl. I Nr. 38/2011, in wesentlichen Teilen in Kraft. Aus § 9 Abs. 1a FPG in der nunmehr geltenden Fassung ergibt sich, dass der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung über die Berufung zuständig ist, weshalb der in Rede stehende Verwaltungsakt von der Sicherheitsdirektion Oberösterreich – nach In-Krafttreten der Novelle am 1. Juli 2011 – dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich übermittelt wurde.

 

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde.

 

Mit Schreiben vom 6. Oktober 2011 gab der nunmehrige Rechtsvertreter seine Bevollmächtigung bekannt und führte zum Sachverhalt ergänzend aus, dass der Bw in Österreich gut integriert sei, die für die Integrationsvereinbarung erforderliche Deutschprüfung erfolgreich abgeschlossen habe, verwandtschaftliche Beziehungen zu Personen pflege, die seit 15 Jahren in Österreich wohnhaft sind und seit 3. Juni 2003 durchgehend einer unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgehe. Seit dem 31. August 2004 sei er durchgehend für denselben Arbeitgeber tätig und verdiene monatlich ca. 1.700,--  bis 1.800,-- Euro netto. Vom AMS X sei wiederholt die Beschäftigungsbewilligung ausgestellt worden. Bei der OÖ. GKK sei der Bw sozialversichert, das erwirtschaftete Einkommen sichere den Lebensunterhalt und der Bw sei sowohl in Österreich als auch in der Türkei strafrechtlich unbescholten. Die weiteren Ausführungen zum sozialen Umfeld wurden umfassend belegt.

 

Ergänzend legte der Rechtsvertreter am 11. Oktober 2011 eine Arbeitgeberbestätigung und einen Verdienstnachweis (Periode 9/2011 – Nettoeinkommen: 1.793,25 Euro) vor und wies darauf hin, dass der Bw weiterhin einer legalen Beschäftigung nachgehe.

 

3.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten 1., 2. und 3. dieses Erkenntnisses dargestellten völlig unbestrittenen Sachverhalt aus.

 

4. In der Sache hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

 

4.1.1. Gemäß § 125 Abs. 14 des Fremdenpolizeigesetzes – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch das Bundesgesetzblatt BGBl. I Nr. 38/2011, gelten vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 erlassene Ausweisungen gemäß § 53 als Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 weiter, mit der Maßgabe, dass ein Einreiseverbot gemäß § 53 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 damit nicht verbunden ist.

 

4.1.2. Die bekämpfte Ausweisung wurde auf Basis des § 53 FPG in der Fassung vor dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 erlassen, weshalb diese Ausweisung als Rückkehrentscheidung im Sinne des § 52 FPG in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2011, anzusehen und zu beurteilen ist.

 

4.2.1. Gemäß § 52 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch das Bundesgesetzblatt BGBl. I Nr. 38/2011, ist gegen einen Drittstaatsangehörigen, sofern nicht anderes bestimmt ist, mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Die Rückkehrentscheidung wird mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Berufung gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 66 Abs. 4 AVG auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

 

4.2.2. Im vorliegenden Fall ist zunächst auch vom Bw selbst unbestritten, dass er über keinerlei Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet verfügt und somit grundsätzlich unrechtmäßig aufhältig ist. Allerdings ist bei der Beurteilung der Ausweisung bzw. der Rückkehrentscheidung auch auf Art. 8 EMRK sowie § 61 FPG Bedacht zu nehmen.

 

4.3.1. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

 

Nach Art. 8 Abs. 2 EMRK ist allerdings ein Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts gemäß Abs. 1 (nur) statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

4.3.2. Gemäß § 61 Abs. 1 FPG ist, sofern durch eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 2 FPG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

1.      die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der        bisherige Aufenthalt des Fremden rechtmäßig war;

2.      das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3.      die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4.      der Grad der Integration;

5.      die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;

6.      die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7.      Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des      Asyl- Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8.      die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem   Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren   Aufenthaltstatus bewusst waren;

9.      die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes in den Behörden       zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 3 FPG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung oder einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung schon allein aufgrund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder 51ff. NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

Nach § 125 Abs. 20 FPG, gelten vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. 38/2011 vorgenommene Beurteilungen und Entscheidungen gemäß § 66 als Beurteilungen und Entscheidungen gemäß § 61 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 weiter.

 

4.4.1. Im Sinne der zitierten Normen ist eine Interessenabwägung – basierend auf einer einzelfallbezogenen Gesamtbetrachtung – vorzunehmen.

 

Gestützt auf die ständige Rechtsprechung der Höchstgerichte ist es grundsätzlich zulässig und erforderlich, Maßnahmen zu ergreifen, um den unrechtmäßigen Aufenthalt einer Person zu beenden, da ein solcher rechtswidriger Status fraglos dazu geeignet ist, die öffentliche Ordnung eines Staates massiv zu beeinträchtigen. Daraus folgt, dass das diesbezügliche öffentliche Interesse hoch anzusetzen ist und eine Rückkehrentscheidung grundsätzlich ein nicht inadäquates Mittel darstellt, um einen rechtskonformen Zustand wiederherzustellen. Dies gilt jedoch nur insofern, als die privaten bzw. familiären Interessen im jeweils konkreten Einzelfall nicht als höherrangig anzusehen sind.

 

4.4.2. Der belangten Behörde folgend weist der Bw bedingt durch die lange Aufenthaltsdauer in Österreich eine nicht unerhebliche Integration auf und es ist im Wesentlichen eine Interessensabwägung gemäß § 61 Abs. 2 FPG hinsichtlich des Privatlebens des Bw vorzunehmen, wobei insbesondere auch auf die familiären Beziehungen zur seiner Schwester, deren Familie, die soziale Integration, das Asylverfahren, die lange Aufenthaltsdauer und die intensive berufliche Beschäftigung Bedacht zu nehmen sein wird.

 

Im Hinblick auf den über 9 Jahre währenden Aufenthalt in Österreich ist im Besonderen auf die die jüngste Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abzustellen. Wie folgt wiedergegeben hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 22. Dezember 2009, GZ 2009/21/0348, einer sozialen Integration, die in einem Zeitraum entstand ist, während dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst war, nur im Zuge der Gesamtbetrachtung ein geringes Gewicht beigemessen.

 

Das durch eine soziale Integration erworbene Interesse an einem Verbleib in Österreich ist in seinem Gewicht gemindert, wenn der Fremde keine genügende Veranlassung gehabt hatte, von einer Erlaubnis zu einem dauernden Aufenthalt auszugehen (E. vom 22. Oktober 2009, Zl. 2009/21/0293; E. vom 29. September 2009, Zl. 2009/21/0253; E. des VfGH vom 3. März 2008, B 825/07 mit Bezug auf die Urteile des EGMR vom 31. Jänner 2006, X und X gegen die Niederlande [Beschwerde Nr. 50435/99] und vom 31. Juli 2008, X u.a. gegen Norwegen [Beschwerde Nr. 265/07]). Der EGMR stellt in den angesprochenen Urteilen darauf ab, ob das Familienleben zu einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich die betroffenen Personen bewusst waren, der Aufenthaltsstatus eines Familienmitgliedes sei derart, dass der Fortbestand des Familienlebens im Gastland von vornherein unsicher ist. Sei das der Fall, bewirke eine Ausweisung des ausländischen Familienangehörigen nur unter ganz speziellen bzw. außergewöhnlichen Umständen ("in exceptional circumstances") eine Verletzung von Art 8 EMRK (vgl.: E vom 19. Februar 2009, Zl. 2008/18/0721, E. vom 30. April 2009, Zl. 2009/21/0086). In diesem Sinn ist nach der Z. 8 des § 66 Abs. 2 FPG [in der Fassung vor dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011] aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Annordnung bei der Interessensabwägung darauf Bedacht zu nehmen, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstanden ist, indem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst war. Freilich hat die genannte Bestimmung schon vor dem Hintergrund der gebotenen Gesamtbetrachtung nicht zur Konsequenz, dass der während unsicheren Aufenthalts erlangten Integration überhaupt kein Gewicht beizumessen und ein solcherart begründetes privates und familiäres Interesse nie zur Unzulässigkeit einer Ausweisung führen könnte.

 

Im Erkenntnis vom 20. Jänner 2011, Zl. 2010/22/0158, hat der Verwaltungsgerichtshof bei einer im Wesentlichen vergleichbaren Sachlage, jedoch eines über 10 Jahre bestehenden Aufenthaltes, dem persönlichen Interesse des Fremden am Verbleib in Österreich ein solches Gewicht beigemessen, dass eine Ausweisung unzulässig ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat dabei wie folgt ausgeführt:

Der Beschwerdeführer verweist auf seine Erwerbstätigkeit und darauf, dass er sich während seines Aufenthaltes in Österreich in privater Hinsicht sehr gut integriert habe. Die belangte Behörde hob zwar zu Recht hervor, dass dem Beschwerdeführer bereits nach erstinstanzlicher Abweisung seines Asylantrages die Unsicherheit seines Aufenthaltsstatus bewusst war, er somit nicht mit einem legalen Aufenthalt in Österreich rechnen durfte. Sie ist auch darin im Recht, dass dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. für viele etwa das Erkenntnis vom 6. Juli 2010, 2008/22/0688). Dementsprechend haben Fremde nach Abweisung ihres Asylantrages grundsätzlich den rechtmäßigen Zustand durch Ausreise aus dem Bundesgebiet herzustellen. Demgegenüber vermag der Beschwerdeführer jedoch einen bereits über zehnjährigen Aufenthalt in Österreich für sich ins Treffen zu führen und es stellte die belangte Behörde auch fest, dass er erwerbstätig ist. Diese Umstände verleihen dem persönlichen Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich ein solches Gewicht, dass die Ausweisung – auch bei einem Eingriff nur in sein Privatleben – unverhältnismäßig erscheint (vgl. zu ähnlichen Fällen etwa die E. vom 26. August 2010, 2010/21/0206 und 2010/21/0009).

 

4.4.3. Wie sich aus dem Sachverhalt ergibt, befindet sich der Bw schon mehr als 9 Jahre im Bundesgebiet, verfügte für den überwiegenden Teil über eine Aufenthaltsberechtigung als Asylwerber, kann notwendige Deutschkenntnisse nachweisen, pflegt seit Jahren eine intensive Beziehung zur Familie seiner in Österreich ansässigen Schwester, geht seit 3. Juni 2003 einer durchgehenden unselbständigen Erwerbstätigkeit (seit dem 31. August 2004 für denselben Arbeitgeber) nach, verdient monatlich ca. 1.700,--  bis 1.800,-- Euro netto (Periode 9/2011 – Nettoeinkommen: 1.793,25 Euro), ist bei der . GKK sozialversichert, das erwirtschaftete Einkommen sichert seinen Lebensunterhalt und ist sowohl in Österreich als auch in der Türkei strafrechtlich unbescholten.

 

Nach dem mehr als neunjährigen Aufenthalt kann dem Bw ein hohes Maß an Integration zugemessen werden. Dafür sprechen auch die vom Bw glaubhaft vorgebrachten Nachweise. Neben der beruflichen und privaten Integration ist er auch, wie die nicht widerlegten Nachweise und die Kontakte zu in Österreich ansässigen Personen belegen, sozial integriert. Demgegenüber hat der Bw kaum nennenswerte Kontakte zum Herkunftsstaat.

 

Der jüngsten Judikatur des VwGH folgend ist im vorliegenden Fall bei einer Gesamtbetrachtung aller Umstände festzustellen, dass die für die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung sprechenden privaten Elemente die des öffentlichen Interesses gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK überwiegen. Nicht zuletzt wird auch davon auszugehen sein, dass gemäß § 61 Abs. 2 Z. 9 FPG von einer eher in die Sphäre der Behörden fallenden langen Verfahrensdauer gesprochen werden muss.

 

Die dargelegten Umstände verleihen dem persönlichen Interesse des Bw an einem Verbleib in Österreich ein solches Gewicht, dass die Rückkehrentscheidung unverhältnismäßig ist.

 

4.4.4. Im Ergebnis ist eine Rückkehrentscheidung im Hinblick auf das Privatleben des Bw auf Dauer unzulässig.

 

4.5. Es war daher der Berufung stattzugeben, der angefochtene Bescheid aufzuheben und spruchgemäß zu entscheiden.

 

5. Da der Bw ausreichend der deutschen Sprache mächtig ist, konnte gemäß      § 59 Abs. 1 FPG von der Übersetzung des Spruches und der Rechtsmittelbelehrung Abstand genommen werden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von insgesamt 141,70 Euro (Eingabe- und Beilagengebühr) angefallen.

 

Mag. Stierschneider

 

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