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des Landes Oberösterreich
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VwSen-102486/2/Gf/Km

Linz, 03.02.1995

VwSen-102486/2/Gf/Km Linz, am 3. Februar 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Grof über die Berufung des W.

M., ........, ........., vertreten durch RA Dr. U. H., ......., ........, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von .... vom 15. November 1994, Zl.

VerkR96-13175-1994, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird insofern stattgegeben, als hinsichtlich der Bestrafung des Rechtsmittelwerbers gemäß § 99 Abs. 2 lit. a i.V.m. § 4 Abs. 2 erster Satz StVO nach § 30 Abs. 2 VStG die Aussetzung des Verfahrens verfügt wird.

II. Im übrigen, d.h. hinsichtlich der Bestrafung gemäß § 99 Abs. 2 lit. a i.V.m. § 4 Abs. 2 zweiter Satz StVO, wird die Berufung hingegen abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, daß es in dessen Spruch anstelle von "Geldstrafe von Schilling 1000.--, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von 48 Stunden, gemäß § 99 Abs. 2 lit. a StVO 1960" nunmehr "Geldstrafe von Schilling 500.--, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden, gemäß § 99 Abs. 2 lit. a i.V.m. § 4 Abs. 2 erster Satz StVO und Geldstrafe von Schilling 500.--, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfrei heitsstrafe von 24 Stunden, gemäß § 99 Abs. 2 lit. a i.V.m.

§ 4 Abs. 2 zweiter Satz StVO" und hinsichtlich des Ausspruches über den Verfahrenskostenbeitrag anstelle von "100.-Schilling" nunmehr "jeweils 50.-- Schilling" zu heißen hat .

III. Der Berufungswerber hat keinen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlage:

§ 24 VStG iVm § 66 Abs.4 AVG; § 30 Abs. 2 VStG; § 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von ......

vom 15. November 1994, Zl. VerkR96-13175-1994, wurde über den Rechtsmittelwerber eine Geldstrafe von 1.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 48 Stunden) verhängt, weil er am 18.

Juni 1994 auf einem Parkplatz in Mondsee seinen PKW im Retourgang gelenkt, dabei zwei englische Urlauberinnen niedergestoßen und diese dadurch leicht verletzt habe, wobei er sich entfernt hätte, ohne Hilfe zu leisten oder die nächste Sicherheitsdienststelle zu verständigen; dadurch habe er eine Übertretung des § 4 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung, BGBl.Nr. 159/1960, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 522/1993 (im folgenden: StVO), begangen, weshalb er gemäß § 99 Abs. 2 lit. a StVO zu bestrafen gewesen sei.

1.2. Gegen dieses dem Rechtsmittelwerber am 19. November 1994 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorlie gende, am 24. November 1994 - und damit rechtzeitig - persönlich bei der belangten Behörde eingebrachte Berufung.

2.1. Im angefochtenen Straferkenntnis führt die belangte Behörde u.a. begründend aus, daß die dem Rechtsmittelwerber zur Last gelegte Verwaltungsübertretung aufgrund der Anzeigeerstattung der beiden geschädigten Urlauberinnen vom 18. Juni 1994 am Gendarmerieposten Mondsee als erwiesen anzusehen sei.

Im Zuge der Strafbemessung sei die bisherige Unbescholtenheit als strafmildernd zu werten gewesen, während Erschwerungsgründe nicht hervorgekommen seien.

2.2. Dagegen bringt der Berufungswerber vor, daß in dieser Angelegenheit auch ein gerichtliches Strafverfahren wegen Übertretung des § 94 StGB anhängig sei, weshalb das gegen ihn geführte Verwaltungsstrafverfahren auszusetzen gewesen wäre. Im übrigen hätten sich die beiden zu Sturz gekommenen Frauen, mit denen eine sprachliche Verständigung nicht möglich gewesen sei, ohne erkennbare Verletzungen sofort entfernt. Da sich der Reiseleiter jener Urlaubergruppe ohnehin seine Anschrift notiert habe, hätte der Rechtsmittelwerber davon ausgehen können, daß die Angelegenheit damit für ihn erledigt gewesen sei.

Aus diesen Gründen wird die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses, in eventu die Aussetzung des Verfahrens beantragt.

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der BH ........ zu Zl.

VerkR96-13175-1994; da aus diesem der Sachverhalt hinreichend geklärt erschien und mit der vorliegenden Berufung ein entsprechender Antrag nicht gestellt wurde, konnte im übrigen gemäß § 51e Abs. 2 VStG von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

4. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1.1. Gemäß § 99 Abs. 2 lit. a i.V.m. § 4 Abs. 2 StVO begeht u.a. derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 500 S bis zu 30.000 S zu bestrafen, der als Fahrzeuglenker, dessen Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall, bei dem Personen verletzt wurden, in ursächlichem Zusammenhang steht, keine Hilfe leistet (§ 4 Abs. 2 erster Satz StVO) oder nicht sofort die nächste Sicherheitsdienststelle verständigt (§ 4 Abs. 2 zweiter Satz StVO).

Die Unterlassung der Hilfeleistung bzw. die Nichverständigung der nächsten Sicherheitsdienststelle sind daher - wie schon aus der Gesetzessystematik ersichtlich - zwei voneinander verschiedene Deliktstatbestände, hinsichtlich derer gemäß § 22 Abs. 1 VStG von der Behörde jeweils gesondert eine Verwaltungsstrafe verhängt werden kann.

4.1.2. Nach § 30 Abs. 2 VStG ist das verwaltungsbehördliche Strafverfahren in jenen Fällen auszusetzen, wo eine Tat von den Behörden lediglich dann zu ahnden ist, wenn sie nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit anderer Behörden oder Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet und es zweifelhaft ist, ob diese Voraussetzung erfüllt ist.

Gemäß § 99 Abs. 6 StVO liegt eine Verwaltungsübertretung u.a. - mit der Konsequenz, daß eine Verwaltungsstrafe von vornherein nicht verhängt werden darf - dann nicht vor, wenn eine in § 99 Abs. 2 StVO bezeichnete Tat den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet.

Nach § 94 Abs. 1 StGB ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen, wer es unterläßt, einem anderen, dessen Verletzung er am Körper verursacht hat, die erforderliche Hilfe zu leisten.

4.1.3. Aus all dem folgt, daß eine Bestrafung wegen Unterlassung der Hilfeleistung gemäß § 99 Abs. 2 lit. a i.V.m. § 4 Abs. 2 erster Satz StVO nur bzw. erst dann erfolgen kann, wenn feststeht, daß der Beschuldigte das gerichtlich strafbare Delikt des § 94 Abs. 1 StGB ("Imstichlassen eines Verletzten") nicht begangen hat bzw. daß solange hierüber wenigstens Zweifel bestehen (etwa, weil ein entsprechendes Gerichtsverfahren bereits anhängig ist) - das verwaltungsbehördliche Strafverfahren gemäß § 30 Abs. 2 VStG auszusetzen ist.

Da sich hingegen hinsichtlich einer Bestrafung wegen Nichtverständigung der nächsten Sicherheitsdienststelle gemäß § 99 Abs. 2 lit. a i.V.m. § 4 Abs. 2 zweiter Satz StVO weder in § 99 Abs. 6 StVO ein entsprechender Vorbehalt findet noch sonst generell ein strafbarer Tatbestand bezüglich der "Nichtverständigung der nächsten Sicherheitsdienststelle" im Verwaltungs- oder gerichtlichen Strafrecht vorhanden ist, kann diese demgegenüber ohne Bedachtnahme auf § 30 Abs. 2 VStG erfolgen (vgl. in diesem Sinne VwGH v.

13.2.1974, Zl. 1615/73 = ZVR 1975/2).

4.2.2. Als Verkehrsunfall i.S.d. § 4 StVO gilt jedes plötzliche Ereignis im öffentlichen Straßenverkehr, das einen Personen- oder Sachschaden zur Folge hat.

Da der Berufungswerber - wie er selbst eingesteht - beim Rückwärtsfahren zwei Personen niedergestoßen und diesen dadurch - wie sich aus den im Akt erliegenden Befunden des Landeskrankenhauses Gmunden ergibt - Hautabschürfungen und Blutergüsse zugefügt hat, hat er offensichtlich eine kausale Handlung für einen Verkehrsunfall mit Personenschaden gesetzt.

Weiters steht - auch vom Beschwerdeführer unbestritten fest, daß dieser als Fahrzeuglenker weder am Unfallort Hilfe geleistet noch die nächste Sicherheitsdienststelle verständigt hat.

Der Rechtsmittelwerber hat somit sowohl tatbestandsmäßig im Sinne des § 99 Abs. 2 lit. a i.V.m. § 4 Abs. 2 erster Satz StVO als auch im Sinne des § 99 Abs. 2 lit. a i.V.m. § 4 Abs. 2 zweiter Satz StVO gehandelt.

4.3. Die von dritter Seite verständigten und bereits 8 Minuten nach dem Eintritt des Verkehrsunfalles am Unfallort eingetroffenen Gendarmeriebeamten haben festgestellt, daß beide niedergestoßenen Urlauberinnen blutende Wunden aufwiesen, und zwar im Gesicht, an der rechten Schulter und an beiden Knien einerseits bzw. am Knie und am Unterschenkel andererseits, also jeweils offensichtlich verletzt waren.

Diese Wahrnehmungen stimmen auch mit den Diagnosen des erstbehandelnden Arztes am Unfallort und des Landeskrankenhauses Gmunden überein.

Wenn der Beschwerdeführer demgegenüber einwendet, daß sich die beiden Geschädigten "sofort ..... erhoben" und "unverzüglich, ohne erkennbare Verletzung entfernten", so kann dieses Vorbringen nur als eine Schutzbehauptung gewertet werden. Im übrigen ist der Berufungswerber darauf zu verweisen, daß er nach den Umständen des vorliegenden Falles selbst dann, wenn die Verletzungen für ihn nicht offensichtlich erkennbar gewesen wären, der Beurteilung dieser Frage schon deshalb besondere Aufmerksamkeit widmen mußte, weil es sich bei den beiden Unfallopfern um eine 66-jährige bzw. eine 73-jährige Frau handelte.

Indem es der Beschwerdeführer aber bei der gegebenen Sachlage sowohl unterließ, sich Gewißheit über das Vorliegen von Personenschäden zu verschaffen, oder auch nur die nächste Sicherheitsdienststelle zu verständigen, hat er die ihn gemäß § 4 Abs. 2 StVO treffenden Pflichten zur Hilfeleistung und zur sofortigen Verständigung der nächsten Sicherheitsdienststelle grob fahrlässig mißachtet.

4.4. Angesichts des gravierenden Verschuldens scheidet eine Heranziehung des § 21 Abs. 1 VStG (Absehen von der Strafe) von vornherein aus; die Strafbarkeit des Berufungswerbers ist daher gegeben.

4.5. Steht aber - wie im gegenständlichen Fall, wo gegen ihn derzeit ein entsprechendes Verfahren beim BG Mondsee (zu Zl.

U 65/94) anhängig ist - in Zweifel, ob der Beschwerdeführer durch sein Verhalten hinsichtlich der Unterlassung der Hilfeleistung nicht sogar den Tatbestand des § 94 Abs. 1 StGB erfüllt hat, so ist das Verfahren gemäß § 30 Abs. 2 VStG auszusetzen, bis über diese Frage vom Gericht rechtskräftig entschieden wurde (vgl. VwGH v. 20.3.1963, Zl. 1203/62 = ZVR 1963/334). Insoweit kommt ihm daher einstweilen der bedingte - Strafaufhebungsgrund des § 99 Abs. 6 StVO (vgl.

Dittrich - Veit - Stolzlechner, Kommentar zur Straßenverkehrsordnung, RN 75 zu § 99) i.V.m. § 30 Abs. 2 VStG zugute, sodaß er gegenwärtig, d.h. zum Zeitpunkt der Entscheidung über die vorliegende Berufung, gemäß § 99 Abs. 2 lit. a i.V.m. § 4 Abs. 2 erster Satz StVO nicht bestraft werden kann.

Somit erweist sich im Ergebnis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Oö. Verwaltungssenates lediglich die Bestrafung gemäß § 99 Abs. 2 lit. a i.V.m. § 4 Abs. 2 zweiter Satz StVO (Nichtverständigung der nächsten Sicherheitsdienststelle) als rechtmäßig.

4.6. Hinsichtlich der Strafhöhe ergibt sich, daß die belangte Behörde insofern den Umstand der bisherigen Unbescholtenheit des Rechtsmittelwerbers an sich zutreffend als strafmildernd gewertet hat; andere Milderungsgründe sind aber auch im Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat nicht hervorgekommen, sodaß eine außerordentliche Strafmilderung gemäß § 20 VStG nicht in Betracht kommt. Auch der von der belangten Behörde angenommenen Schätzung seiner Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse ist der Beschwerdeführer nicht entgegengetreten.

Da die belangte Behörde den Berufungswerber aber nach dem Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses zwar sowohl wegen einer Übertretung des § 99 Abs. 2 lit. a i.V.m. § 4 Abs. 2 erster Satz StVO als auch wegen einer Übertretung des § 99 Abs. 2 lit. a i.V.m. § 4 Abs. 2 zweiter Satz StVO bestraft hat, hiefür jedoch eine Gesamtstrafe von 1.000 S verhängte, muß daher unter Zugrundelegung des gesetzlichen Strafrahmens, der von 500 S bis 30.000 S reicht, davon ausgegangen werden, daß die belangte Behörde für beide Delikte ohnedies jeweils bloß die Mindeststrafe verhängen wollte, sodaß eine weitere Herabsetzung der Strafhöhe durch den Oö.

Verwaltungssenat - ganz abgesehen vom gravierenden Verschulden des Beschwerdeführers - von vornherein nicht in Betracht kommt.

4.6. Aus allen diesen Gründen war somit der vorliegenden Berufung gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG insofern stattzugeben, als hinsichtlich der Bestrafung des Rechtsmittelwerbers gemäß § 99 Abs. 2 lit. a i.V.m. § 4 Abs. 2 erster Satz StVO nach § 30 Abs. 2 VStG die Aussetzung des Verfahrens zu verfügen war; im übrigen, d.h. hinsichtlich der Bestrafung gemäß § 99 Abs. 2 lit. a i.V.m. § 4 Abs. 2 zweiter Satz StVO, war die Berufung hingegen abzuweisen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe zu bestätigen, daß es in dessen Spruch anstelle von "Geldstrafe von Schilling 1000.--, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von 48 Stunden, gemäß § 99 Abs. 2 lit. a StVO 1960" nunmehr "Geldstrafe von Schilling 500.--, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden, gemäß § 99 Abs. 2 lit. a i.V.m. § 4 Abs. 2 erster Satz StVO und Geldstrafe von Schilling 500.--, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden, gemäß § 99 Abs. 2 lit. a i.V.m. § 4 Abs. 2 zweiter Satz StVO" und hinsichtlich des Ausspruches über den Verfahrenskostenbeitrag anstelle von "100.-- Schilling" nunmehr "jeweils 50.-- Schilling" zu heißen hat .

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Berufungswerber gemäß § 65 VStG kein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. G r o f

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