Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730226/3/BP/Wu

Linz, 07.10.2011

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung X, StA des Kamerun, vertreten durch X, gegen den Bescheid des Polizeidirektors von Linz vom 22. November 2010, AZ: 1047488/FRB, betreffend eine Ausweisung des  Berufungswerbers nach dem Fremdenpolizeigesetz, zu Recht erkannt:

 

 

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen und der        angefochtene Bescheid bestätigt.

 

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 iVm. § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG


Entscheidungsgründe:

 

1.1.1. Mit Bescheid des Polizeidirektors von Linz vom 22. November 2010,
AZ.: 1047488/FRB, wurde gegen den Berufungswerber (im Folgenden Bw) auf Basis der §§ 53 iVm. 31 Abs. 1, 31 Abs. 1a und 66 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung, die Ausweisung angeordnet.

 

Begründend führt die belangte Behörde zunächst zum Sachverhalt aus, dass der Bw, ein Staatsangehöriger des Kamerun, am 26. Februar 2003 illegal nach Österreich eingereist sei und am 21. März 2003 einen Asylantrag gestellt habe, der am 9. März 2010 gemäß §§ 7 und 8 AsylG rechtskräftig abgewiesen worden sei. Der VfGH habe die Behandlung einer dagegen erhobenen Beschwerde abgelehnt. Seit 10. Mai 2010 halte sich der Bw nun illegal in Österreich auf.

 

Nach Einleitung des Ausweisungsverfahrens mit Schreiben vom 28. September 2010 habe der Bw in einer Eingabe vom 27. Oktober 2010 durch seine Rechtsvertreterin verschiedene Urkunden übermittelt:

-         GSVG-Werkvertrag Abonnentenbetreuung,

-         Beiblatt "Schulbildung",

-         Beiblatt "Familienangehörige in Österreich",

-         Teilversicherungsbestätigung,

-         Meldezettel,

-         7 Lohnzettel.

 

Beim angeführten Werkvertrag handle es sich um einen Vertrag zur Abonnentenbetreuung (insbesondere Hauszustellung von Zeitungen udgl.) der Firma X GmbH in 1100 Wien, vom 20. August 2009.

 

Aus dem Beiblatt Schulbildung könne entnommen werden, dass der Bw von 1983 bis 1986 den Kindergarten, von 1987 bis 1994 die Grundschule "X", von 1995 bis 1999 in X das Gymnasium besucht habe. Von 2000 bis 2002 habe er das College "X" von X absolviert.

 

Im Beiblatt "Familienangehörige" habe der Bw die Mutter seines Kindes und die im Jahr 2009 geborene Tochter (beide österreichische StA) angeführt.

 

Der Bw sei zwar unbescholten, allerdings sei er im Jänner 2010 wegen Tätlichkeiten gegen seine Lebensgefährtin von der gemeinsamen Wohnung verwiesen und gegen ihn ein Betretungsverbot ausgesprochen worden.

 

Der Bw sei derzeit als Zeitungszusteller tätig. Bei der Einreise nach Österreich sei der Bw 22 Jahre alt gewesen. Im Kamerun seien laut Aktenlage noch die Eltern und 5 Geschwister des Bw aufhältig.

Bis Juni 2010 sei der Bw auf die Grundversorgung des Landes angewiesen gewesen und laut Versicherungsdatenauszug nie einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit nachgegangen. Er beziehe zwar laut vorgelegter Lohnzettel Einkünfte durch Zeitungsaustragen in Höhe zwischen 500 und 700 Euro monatlich, jedoch sei der Lebensunterhalt dadurch keineswegs gesichert. Ob er derzeit über eine Beschäftigung verfüge, sei aus den vorgelegten Unterlagen nicht ersichtlich.

 

1.1.2. In rechtlicher Hinsicht führt die belangte Behörde aus, dass aufgrund des rund 7-jährigen Aufenthalts in Österreich sowie der weiteren oa. Integrationselemente die Ausweisung einen erheblichen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Bw darstelle, der allerdings dadurch zu relativieren sei, dass dieser Aufenthalt auf Rechtsgrundlage eines unbegründeten Asylantrages nur temporär legal beruht habe. Am 23. Mai 2003 sei der Bw der erstinstanzliche abweisende Bescheid im Asylverfahren zugestellt worden. Spätestens zu diesem Zeitpunkt habe dem Bw bewusst sein müssen, dass es sich bei der Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG um eine mit der Dauer des Verfahrens befristete Berechtigung handle. Dem Bw habe bewusst sein müssen, dass er ein Privatleben während dieses Zeitraums geschaffen habe, in dem er einen unsicheren Aufenthaltsstatus gehabt habe. So habe er nicht von vornherein damit rechnen können, nach einem allfälligen negativen Ausgang des Asylverfahrens weiterhin in Österreich bleiben zu dürfen.

Aus dem selben Grund relativiere sich auch die sprachliche und übrige soziale Integration.

 

Es könne in Anbetracht der Tatsache, dass der Bw bislang keiner sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit nachgegangen und bis zum Juni 2010 auf die Grundversorgung des Landes angewiesen gewesen sei und derzeit über nicht den Unterhalt sichernde Einkünfte verfüge, von keiner beruflichen Integrationsverfestigung ausgegangen werden. 

 

Es müsse zudem erörtert werden, dass der Bw nicht mit seiner Tochter im gemeinsamen Haushalt lebe. Aus dem Akt sei auch nicht ersichtlich, dass noch Kontakt zur Tochter bestehe. Der Bw sei zwar unbescholten, allerdings sei er im Jänner 2010 wegen Tätlichkeiten gegen seine Lebensgefährtin von der gemeinsamen Wohnung verwiesen und gegen ihn ein Betretungsverbot ausgesprochen worden.

 

Nachdem der Bw erst im Alter von 22 Jahren nach Österreich eingereist sei, im Kamerun die Eltern und auch 5 Geschwister leben würden, habe er den überwiegenden Teil seines Lebens im Herkunftsstaat verbracht, wo er auch seine Schulausbildung absolviert und ein College besucht habe. Eine Reintegration scheine daher jedenfalls zumutbar.

 

Zusammenfassend könne daher nur festgestellt werden, dass die Ausweisung nicht nur zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten und somit im Lichte des § 66 Abs. 1 FPG zulässig scheine, sondern auch unter Beachtung der Bestimmungen des § 66 Abs. 2 und 3 FPG zulässig sei.

 

1.2. Gegen diesen Bescheid erhob der Bw durch seine Rechtsvertretung rechtzeitig Berufung mit Schriftsatz vom 6. Dezember 2010.

 

Zunächst werden darin die Anträge auf Abänderung des angefochtenen Bescheides dahingehend, dass das Ausweisungsverfahren eingestellt und die ausgesprochene Ausweisung aufgehoben werde, in eventu auf Aufhebung des angefochtenen Bescheides und Zurückverweisung an die belangte Behörde gestellt. 

 

In der Berufung wird dem im angefochtenen Bescheid dargestellten Sachverhalt weitgehend nicht entgegengetreten, sondern vielmehr die für den hohen Grad an sozialer, beruflicher und familiärer Integration sprechenden Elemente nochmals betont.

 

Es sei zwar richtig, dass der Bw und die Mutter des gemeinsamen Kindes nicht in einem Haushalt leben würden, jedoch kümmere sich der Bw um seine Tochter, zu der er eine intensive Beziehung aufgebaut habe, was deren Mutter bestätigen könne. Der Bw spreche sehr gut Deutsch und habe die Prüfung auf Niveau A 2 erfolgreich abgelegt. Auch verfüge er über eine eigene ortsübliche Wohnung. Zudem sei er in der Lage seinen Lebensunterhalt durch das Verteilen von Zeitungen selbst zu bestreiten.

 

Das Verfahren vor dem BG Traun wegen Tätlichkeiten gegen seine Lebensgefährtin habe mit einem Freispruch geendet.

 

1.3. Mit Schreiben vom 27. Dezember 2010 übermittelte die Rechtsvertreterin des Bw ein von ihm an die belangte Behörde gerichtetes Schreiben, in dem er selbst auch zur beabsichtigten Ausweisung Stellung nimmt und ua. festhält, dass er – wenn auch nicht an der Adresse angemeldet – sich täglich tagsüber im Haushalt der Mutter seiner Tochter aufhält, um sich um sie zu kümmern, ein gemeinsamer Haushalt aber am Widerstand der Großeltern scheitern würde. Seine Lebensgefährtin und der Bw seien aber um eine Verbesserung der Beziehungen zu den Großeltern bemüht. Der Bw zahle monatlich 100 Euro an Alimenten an die Mutter seiner Tochter.

 

Mit Schreiben vom 10. Februar 2011 übermittelte die Rechtsvertreterin des Bw weiters eine Honorar-Gutschrift.

 

2.1. Die belangte Behörde legte zunächst den in Rede stehenden Verwaltungsakt der Sicherheitsdirektion für Oberösterreich vor.

 

Mit 1. Juli 2011 trat das Fremdenrechtsänderungsgesetz, BGBl. I Nr. 38/2011 in wesentlichen Teilen in Kraft. Aus § 9 Abs. 1a FPG in der nunmehr geltenden Fassung ergibt sich, dass der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung über die Berufung zuständig ist, weshalb der in Rede stehende Verwaltungsakt von der Sicherheitsdirektion – nach Inkrafttreten der Novelle am 1. Juli 2011 – dem Oö. Verwaltungssenat übermittelt wurde.

 

2.2.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde.

 

2.2.2. Aus einem aktuellen Versicherungsdatenauszug ergibt sich, dass der Bw auch bis dato keiner sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit nachgeht.

 

Ein Telefonat mit der Rechtsvertreterin des Bw ergab, dass sich dieser zwar – wenn es die Kindesmutter gestattet – um seine Tochter kümmert, was die Mutter allerdings an Geldleistungen knüpft, die aufzubringen für den Bw wegen seiner geringen finanziellen Möglichkeiten äußerst schwierig ist.

 

2.2.3. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, weil eine solche nicht erforderlich war, nachdem sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt zweifelsfrei aus der Aktenlage ergibt, im Verfahren im Wesentlichen die Beurteilung von Rechtsfragen strittig ist und die Akten erkennen lassen, dass eine weitere mündliche Erörterung eine tiefgreifendere Klärung der Sache nicht erwarten lässt (§ 67d AVG).

 

Insbesondere ist auszuführen, dass den Vorbringen des Bw hinsichtlich der sprachlichen Integration und seines Bemühens um eine gute Beziehung zu seiner Tochter völlige Glaubwürdigkeit zugemessen wird. Auch die – wenn auch geringen – Einkünfte als Zeitungsausträger stehen außer Frage. Genau so aber ist unbestritten, dass der Bw beruflich keine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit nachweisen kann, über nur geringe Einkünfte verfügt und nicht im gleichen Haushalt wie seine Tochter lebt, für die die Mutter das alleinige Sorgerecht hat.

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten 1.1.1. 1.2. 1.3. und 2.2.2. dieses Erkenntnisses dargestellten völlig unbestrittenen Sachverhalt aus.

 

2.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

3. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1.1. Gemäß § 125 Abs. 14 des Fremdenpolizeigesetzes – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch das Bundesgesetzblatt BGBl. I Nr. 38/2011, gelten vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 erlassene Ausweisungen gemäß § 53 als Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 weiter, mit der Maßgabe, dass ein Einreiseverbot gemäß § 53 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 damit nicht verbunden ist.

 

3.1.2. Im vorliegenden Fall ist völlig klar, dass die in Rede stehende Ausweisung auf Basis des § 53 FPG ("alte Fassung") erlassen wurde, weshalb diese Ausweisung als Rückkehrentscheidung im Sinne des nunmehrigen § 52 FPG anzusehen und zu beurteilen ist.

 

3.2.1. Gemäß § 52 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch das Bundesgesetzblatt BGBl. I Nr. 38/2011, ist gegen einen Drittstaatsangehörigen, sofern nicht anderes bestimmt ist, mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Die Rückkehrentscheidung wird mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Berufung gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 66 Abs. 4 AVG auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

 

3.2.2. Im vorliegenden Fall ist zunächst aus dem Sachverhalt ersichtlich, dass der Bw über keinerlei Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet verfügt und somit grundsätzlich unrechtmäßig aufhältig ist. Allerdings ist bei der Beurteilung der Ausweisung bzw. der Rückkehrentscheidung auch auf Art. 8 EMRK sowie § 61 FPG Bedacht zu nehmen. 

 

3.3.1. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist allerdings ein Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts gemäß Abs. 1 (nur) statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

3.3.2. Gemäß § 61 Abs. 1 FPG ist, sofern durch eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 2 FPG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

1.      die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der        bisherige Aufenthalt des Fremden rechtmäßig war;

2.      das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3.      die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4.      der Grad der Integration;

5.      die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;

6.      die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7.      Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des      Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8.      die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem   Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren   Aufenthaltstatus bewusst waren;

9.      die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes in den Behörden       zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 3 FPG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung oder einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung schon allein aufgrund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder 51ff. NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

Gemäß § 125 Abs. 20 FPG,  gelten vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. 38/2011 vorgenommene Beurteilungen und Entscheidungen gemäß § 66 als Beurteilungen und Entscheidungen gemäß § 61 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 weiter.

 

3.4.1. Im Sinne der zitierten Normen ist eine Interessensabwägung – basierend auf einer einzelfallbezogenen Gesamtbetrachtung – vorzunehmen.

 

Es ist festzuhalten, dass es gestützt auf die ständige Rechtsprechung der Höchstgerichte grundsätzlich zulässig und erforderlich ist, Maßnahmen zu ergreifen, um den unrechtmäßigen Aufenthalt einer Person zu beenden, da ein solcher rechtswidriger Status fraglos dazu geeignet ist, die öffentliche Ordnung eines Staates massiv zu beeinträchtigen. Daraus folgt, dass das diesbezügliche öffentliche Interesse hoch anzusetzen ist und eine Ausweisung grundsätzlich ein nicht inadäquates Mittel darstellt, um einen rechtskonformen Zustand wiederherzustellen. Dies gilt jedoch nur insofern, als die privaten bzw. familiären Interessen im jeweils konkreten Einzelfall nicht als höherrangig anzusehen sind.

 

3.4.2. Im vorliegenden Fall ist durch die drohende Rückkehrentscheidung primär das Privat- und nicht so sehr das Familienleben des Bw betroffen, zumal er weder mit der in Österreich geborenen Tochter in einem gemeinsamen Haushalt lebt, noch ihm das Sorgerecht für diese übertragen ist. Allerdings ist bei der Abwägung gewichtig zu erachten, dass der Bw um eine intensive Beziehung zu seiner Tochter bemüht ist. Auch ist im Sinne des § 61 Abs. 3 FPG das Interesse der Tochter (österreichische StA) am Verbleib ihres Vaters im Bundesgebiet zu erörtern.

 

3.4.3. Aufgrund des mittlerweile 8-jährigen Aufenthalts des Bw im Bundesgebiet, der während des Asylverfahrens bis 10. Mai 2010 auch als rechtmäßig anzusehen sein wird, ist von einem gewissen Maß an erreichter Integration grundsätzlich auszugehen.

 

Hinsichtlich des unbestritten vorliegenden unsicheren Aufenthaltsstatus bei der Erlangung dieser Integration ist insbesondere auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen:

 

Demnach hat der dem § 61 Abs. 2 FPG vergleichbare § 66 Abs. 2 FPG 2005 schon vor dem Hintergrund der gebotenen Gesamtbetrachtung nicht zur Konsequenz, dass der während eines unsicheren Aufenthaltsstatus erlangten Integration überhaupt kein Gewicht beizumessen wäre und ein solcherart begründetes privates bzw. familiäres Interesse nie zur Unzulässigkeit einer Ausweisung führen könnte (vgl. auch VwGH vom 22. Dezember 2009, 2009/21/0348).

 

Der rund 10 Jahre und 9 Monate dauernde Aufenthalt sowie die mehr als 9 Jahre lang kontinuierlich ausgeübte unselbständige Erwerbstätigkeit (in Verbindung mit weiteren Aspekten der erreichten Integration) verleihen den persönlichen Interessen des Fremden am Verbleib im Bundesgebiet ein derart großes Gewicht, dass die Ausweisung gemäß § 66 Abs. 1 FrPolG 2005 - auch bei einem Eingriff nur in das Privatleben - unverhältnismäßig erscheint (vgl. VwGH vom 20. Jänner 2011, 2010/22/0158).

 

3.4.4. Verglichen mit der eben dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist festzuhalten, dass im in Rede stehenden Fall weder die – wenn auch allenfalls exemplarisch – geforderte Aufenthaltsdauer noch ein wesentliches der zusätzlich geforderten Integrationselemente vorliegen.

 

Dies betrifft die berufliche Integration und Selbsterhaltungsfähigekeit des Bw, die – nach der Aktenlage – keinesfalls gegeben sind. Der Bw ging – obwohl es ihm offenbar durchaus hätte zugemutet werden können – zu keinem Zeitpunkt seines Aufenthalts im Bundesgebiet einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit nach und bezieht überdies nur relativ geringe Einkünfte aus seiner Tätigkeit als Zeitungsausträger. Bis ins Jahr 2010 wurde er durch die Grundversorgung des Landes unterstützt, was ebenfalls kein positives Licht auf seine Selbsterhaltungsfähigkeit wirft. Der Umstand, dass der Bw es bislang verabsäumte sich effektiv um eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu bemühen, wozu er sich durch die erhaltene Grundversorgung offenbar nicht veranlasst sah, fällt auch unter dem Aspekt besonders ins Gewicht, dass er in seinem Heimatland eine durchaus als prädestinierend anzusehende Ausbildung genossen hat, die ihm seinem Bemühen dienlich wäre. Die Tatsache, dass es dem Bw aber gänzlich an einer beruflich verfestigten Integration mangelt, fällt im vorliegenden Fall schwer zu seinen Lasten ins Gewicht.  

 

3.4.5. Hinsichtlich der sozialen Integration ist dem Bw zugute zu halten, dass er über nachgewiesene Deutschkenntnisse verfügt und offenbar um den Kontakt zu seiner Tochter bemüht ist.

 

Wenn auch vom erkennenden Mitglied des Oö. Verwaltungssenates grundsätzlich der besonders hohe Stellenwert einer funktionierenden Eltern-Kind-Beziehung anerkannt wird, ist im vorliegenden Fall aber auch festzustellen, dass der Bw, der nicht über das Sorgerecht verfügt, diese Beziehung in eher eingeschränkter Weise pflegen kann; von dem Nachkommen seiner finanziellen Verpflichtungen in ausreichendem Umfang muss hier gar nicht gesprochen werden. Für die Aufrechterhaltung des persönlichen Kontakts ist darüber hinaus auf die Möglichkeiten der modernen Kommunikationsmittel zu verweisen. Aus diesem Grund wird das Gewicht der reflexiven Vater-Tochter-Beziehung als geschmälert anzusehen sein.

 

3.4.6. Hinsichtlich der Bindungen an den Heimatstaat ist bei der Abwägung festzustellen, dass der Bw 22 Jahre im Herkunftsstaat gelebt hat, wo sich neben seinen Eltern auch noch seine 5 Geschwister aufhalten. Er hat somit nicht nur den überwiegenden Teil seines Lebens dort verbracht, sondern auch eine bis zum College führende immerhin 16 bzw. 19 Jahre dauernde Ausbildung genossen hat, die ihm fraglos eine Reintegration erleichtern wird. Eine solche Reintegration ist also als absolut zumutbar anzusehen.

 

3.4.7. Im vorliegenden Fall ist nach der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bei der Interessensabwägung der relativ unsichere Aufenthaltsstatus während des Asylverfahrens, in dem der Bw zumindest seit der erstinstanzlichen Entscheidung schon im Jahr 2003 begründet damit rechnen musste, nach Beendigung des Verfahrens nicht mehr zum Aufenthalt berechtigt zu sein, relevant zu berücksichtigen, wodurch der erreichte Grad der Integration nicht unwesentlich geschmälert wird. 

 

Die Verfahrensdauer des Asylverfahrens mit knapp 7 Jahren ist zwar durchaus beträchtlich, allerdings kommt ihr nicht ein – die vorigen Überlegungen überwiegendes – Gewicht zu, zumal dem Akt nicht zu entnehmen ist, dass die Dauer entscheidend durch Verzögerungen der Behörden hervorgerufen wurde.  

 

3.4.8. Im Ergebnis ist zu konstatieren, dass den öffentlichen Interessen an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthalts des Bw ein erheblich größeres Gewicht zukommt, als den persönlichen Interessen an seinem Verbleib im Bundesgebiet, wobei hier nochmals auf die mangelnde berufliche Integration und Selbsterhaltungsfähigkeit des Bw hingewiesen werden muss.

 

Es war sohin auch im Sinne des § 61 FPG die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung festzustellen. Wie oben dargestellt, ändert auch die Berücksichtigung der Interessen der Tochter des Bw gemäß § 61 Abs. 3 FPG nichts an diesen Überlegungen.

 

3.5. Es war daher die Berufung als unbegründet abzuweisen und spruchgemäß zu entscheiden.

 

Nachdem der Bw die deutsche Sprache beherrscht, konnte gemäß § 59 Abs. 1 FPG von der Übersetzung des Spruchs sowie der Rechtsmittelbelehrung abgesehen werden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro (Eingabegebühr), 7,80 Euro (Beilagen), insgesamt 22,10 Euro angefallen.

 

 

Bernhard Pree

 

Beachte:

vorstehende Entscheidung wurde aufgehoben;

VwGH vom 16.05.2012, Zl. 2011/21/0277-11

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