Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730274/3/BP/Wu

Linz, 10.10.2011

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung des X, StA der  Türkei, vertreten durch X, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Wels-Land vom 21. April 2010, GZ: Sich40-468-2009, betreffend die Verhängung eines auf 10 Jahre befristeten Aufenthaltsverbotes gegen den Berufungswerber nach dem Fremdenpolizeigesetz, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird mit der Maßgabe stattgegeben, als die Dauer des in Rede stehenden Aufenthaltsverbotes auf 30 Monate herabgesetzt wird; im Übrigen wird der angefochtene Bescheid bestätigt.

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 iVm. § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG


Entscheidungsgründe

 

 

1.1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Wels-Land vom 21. April 2010, GZ.: Sich40-468-2009, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) auf Basis der §§ 60 Abs. 1 und 2 Z. 1 iVm. §§ 61 Abs. 2 – 4, 63 und 66 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung, ein auf 10 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich (bis 20. April 2020) verhängt.

 

Begründend führt die belangte Behörde nach Anführung der relevanten Rechtsgrundlagen zunächst zum Sachverhalt aus, dass der Bw, ein Staatsangehöriger der Türkei, am 10. Februar 2005 bei der BH Linz-Land einen Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittstaatsangehöriger mit Österreicherbezug" eingebracht habe. Mit 17 Jahren, also gerade noch im Familienverband, sei der Vater "Zusammenführender" gewesen. Die erste Bewilligung habe die Gültigkeit von 13. April 2004 bis 13. April 2005 aufgewiesen. Die letzte Bewilligung sei bis 2. Mai 2009 gültig gewesen. Am 26. Jänner 2009 habe der Bw einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt EG" eingebracht.

 

Der Bw sei mit einer in der Türkei lebenden Ehegattin verheiratet, habe keine Kinder und sei für keine in Österreich lebende Personen sorgepflichtig.

 

Der Bw sei am 21. Februar 2009 um 17 Uhr 15 am Parkplatz eines Mehrparteienhauses in X von Beamten der Cobra wegen des Verdachtes des Verbrechens nach § 28a StGB festgenommen worden. Vom LG Wels sei er zu 15 Hv 69/09d, rechtskräftig mit 11. September 2009 wegen der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1, 2. und 3. Fall, Abs. 4 Z. 3 SMG, der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28 Abs. 1, 5. Fall, Abs. 4 Z. 3 SMG teilweise als Beteiligter nach § 12, 2. Alternative StGB, der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1, Z. 1, 1. und 2. Fall, Abs. 2 SMG, zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten, davon 10 Monate bedingt auf eine Probezeit von 3 Jahren, verurteilt worden. Das Gericht habe dabei erkannt, dass der Bw schuldig sei, indem er in X, X, X und an anderen Orten vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 25-fache der Grenzmenge übersteigende Menge anderen überlassen bzw. einen anderen hiezu bestimmt habe. Gemeinsam mit zwei anderen Personen habe er in bewusstem und gewollten Zusammenwirken als Mittäter am 21. Februar 2009 974,7 g Heroin (netto) mit einer Reinsubstanz von 230 +/- 15 g Heroin Base und 4,2 +/- 0,35 g Monoacetylmorphin als Base um den Betrag von 26.000 Euro an einen verdeckten Ermittler des BKA verkauft habe, wobei die Tat in Folge Betretung und Festnahme beim Versuch geblieben sei. Der Bw sei von einem anderen Mittäter in die Sache eingeweiht und ihm diverse Aufgaben im Zuge der geplanten Kaufabwicklung zugewiesen worden.

 

Der Bw habe von 21. Februar 2009  bis 11. September 2009 den unbedingten Teil in der JA X abgesessen.

 

Aufgrund einer Übersiedlung des Bw am 12. Oktober 2009 nach X ergebe sich die Zuständigkeit der belangten Behörde. Im Rahmen einer Niederschrift am 23. Oktober 2009 habe der Bw ua. angegeben, dass er in der Türkei verheiratet sei, sich scheiden lassen wolle, dieses Verfahren bereits eingereicht, aber noch nicht rechtskräftig abgeschlossen sei.

 

In Österreich hielten sich zwei Schwestern, ein Schwager, ein Neffe, der Vater und die 17-jährige Freundin des Bw auf.

 

Der Bw habe bei verschiedenen Banken Schulden in Höhe zwischen 20.000 und 25.000 Euro.

 

Am 29. Oktober 2009 sei der Bw nachweislich über die Einleitung eines fremdenpolizeilichen Verfahrens gemäß § 25 NAG informiert worden.

 

Im Schreiben vom 27. November 2009 habe der Bw ua. angemerkt, dass eine Aufenthaltsbeendigung nicht zulässig wäre, da er kaum noch Kontakt in sein Heimatland habe. Er lebe in der Türkei in Scheidung und wolle nach erfolgter tatsächlicher Scheidung eine österreichische Staatsbürgerin heiraten.

 

Mit Schreiben vom 25. Jänner 2010 sei der Bw nachweislich über das beabsichtigte Aufenthaltsverbot informiert worden, worauf er in seiner Stellungnahme vom 25. Februar 2010 ua. bemängelt habe, dass die belangte Behörde keine ausreichende Begründung dargelegt habe, warum eine Aufenthaltsbeendigung unter Bedachtnahme auf den Schutz des Privat- und Familienleben zulässig erscheine. Weiters habe er einen Antrag auf zeugenschaftliche Einvernahme der Freundin X gestellt. Am 17. März 2010 habe er eine Anschriftsänderung bekannt gegeben, die allerdings wieder gegenstandslos geworden sei, weil er seit 26. März 2010 wieder in X gemeldet sei.

 

1.1.2. In rechtlicher Hinsicht führt die belangte Behörde aus, dass im Fall des Bw

aufgrund des Sachverhalts auch eine Ausweisung gemäß § 54 Abs. 1 FPG zulässig sei, da betreffend die Erteilung eines Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund vorliege. Nach § 11 Abs. 2 Z. 1 NAG dürfen Aufenthaltstitel einem Fremden nur erteilt werden, wenn sein Aufenthalt nicht öffentlichen Interessen widerstreite. Der Bw sei zudem noch nicht 10 Jahre im Bundesgebiet ununterbrochen rechtmäßig aufhältig, weshalb ihm auch noch nicht die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Staatsbürgerschaftsgesetz hätte verliehen werden können. Auch sei der Bw nicht von Klein auf im Inland aufgewachsen, weshalb nach § 61 Abs. 4 FPG ein Aufenthaltsverbot zulässig sei.

 

Durch sein persönliches Verhalten habe er die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit sowie die Gesundheit von Menschen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft bilden, tatsächlich, gegenwärtig und erheblich gefährdet.

 

Die öffentliche Ordnung sei weiterhin akut und erheblich gefährdet. Von einer günstigen Prognose in Hinblick auf ein zukünftiges rechtstreues Verhalten könne aufgrund der Art und Weise der Tatbegehung nicht ausgegangen werden.

 

Auch aus den privaten bzw. familiären Umständen im Sinne einer Interessensabwägung ergebe sich, dass die verhängte Maßnahme unbedingt erforderlich sei, um die öffentlichen Interessen an der Verhinderung von Straftaten insbesondere von Verbrechen im Suchtgiftbereich zu schützen.

 

Aufgrund des geschilderten Sachverhaltes, unter Berücksichtigung der  persönlichen Lebenssituation und des bisherigen Verhaltens werde festgestellt, dass durch das Aufenthaltsverbot die persönliche Lebenssituation sicherlich eingeschränkt werde, jedoch wögen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme wesentlich schwerer, als deren Auswirkungen auf die Lebenssituation des Bw im Sinne einer Interessensabwägung nach Art. 8 EMRK und § 66 Abs. 2 FPG.

 

Die Festlegung der Gültigkeitsdauer erscheine unter den gegebenen Umständen als angemessen.  

 

1.2. Gegen diesen Bescheid erhob der Bw durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter rechtzeitig Berufung mit Schriftsatz vom 11. Mai 2010.

 

Eingangs werden die Berufungsanträge auf Aufhebung des in Rede stehenden Aufenthaltsverbotes; in eventu auf Aufhebung und Zurückverweisung; in eventu auf Herabsetzung der Dauer des Aufenthaltsverbotes gestellt.

 

In der Berufung wird dem im angefochtenen Bescheid dargestellten Sachverhalt im Grunde nicht entgegengetreten, sondern lediglich die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde kritisiert.

 

Nachdem sich der Bw seines früheren Fehlverhaltens bewusst sei, er sich seit der Tat wohl verhalten habe sei in seinem Fall von einer günstigen Zukunftsprognose auszugehen und liege keine Gefährdung der öffentlichen Interessen durch den Bw mehr vor. Das Aufenthaltsverbot sei zur Erreichung der in Art. 8 EMRK genannten Ziele nicht erforderlich.

Ein Ermittlungsmangel wird darin gesehen, dass die belangte Behörde die Freundin des Bw, Frau X, nicht einvernommen habe. Zudem lebten in Österreich zahlreiche Verwandte des Bw. Hier habe er auch seinen Bekannten- und Freundeskreis sowie sein Lebensumfeld. Das aber habe die belangte Behörde nicht entsprechend gewürdigt, weshalb die Dauer des Aufenthaltsverbotes jedenfalls zulange bemessen sei. 

 

 

2.1. Die belangte Behörde legte zunächst den in Rede stehenden Verwaltungsakt der Sicherheitsdirektion für Oberösterreich vor.

 

Mit 1. Juli 2011 trat das Fremdenrechtsänderungsgesetz, BGBl. I Nr. 38/2011 in wesentlichen Teilen in Kraft. Aus § 9 Abs. 1a FPG in der nunmehr geltenden Fassung ergibt sich, dass der unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung über die Berufung zuständig ist, weshalb der in Rede stehende Verwaltungsakt von der Sicherheitsdirektion – nach In-Krafttreten der Novelle am 1. Juli 2011 – dem Oö. Verwaltungssenat übermittelt wurde.

 

2.2.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde.

 

2.2.2. In Telefonaten vom 7. Oktober 2011 mit dem Standesamt der Stadtgemeinde X sowie des Magistrats der Landeshauptstadt Linz wurde bekannt, dass der Bw am X in X unter der Ehebuch Zl.: X eine österreichische Staatsangehörige geheiratet hat, wobei es sich dabei nicht um die – in der unter 1.1.1. genannten - damalige Freundin handelt. Der Bw ist nunmehr in Linz wohnhaft. Das Paar hat keine gemeinsamen Kinder.

 

Mit dem Rechtsvertreter des Bw wurde am selben Tag vereinbart, dass keine mündliche Verhandlung anberaumt wird, und dass die Übermittlung der Heiratsurkunde nicht erforderlich ist, um diese Tatsache nachzuweisen.

 

Aus einem aktuellen Versicherungsdatenauszug ergibt sich, dass der Bw während seines Aufenthalts im Bundesgebiet vor seiner Inhaftierung durchwegs einer Beschäftigung nachging; danach wechseln in kurzfristigen Abständen Beschäftigungszeiten, Arbeitslosigkeit und Zeiten, in denen der Bw Notstandshilfe bezog. Aktuell geht der Bw wieder einer Beschäftigung nach.  

 

2.2.3. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, weil eine solche nicht erforderlich war, nachdem sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt zweifelsfrei aus der Aktenlage ergibt, im Verfahren im Wesentlichen die Beurteilung von Rechtsfragen strittig ist und die Akten erkennen lassen, dass eine weitere mündliche Erörterung eine tiefgreifendere Klärung der Sache nicht erwarten lässt (§ 67d AVG).

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten 1.1.1. und 2.2.2. dieses Erkenntnisses dargestellten völlig unbestrittenen Sachverhalt aus.

 

2.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

 

3. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1.1. Gemäß § 65b des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG idgF. BGBl. I Nr. 38/2011 unterliegen Familienangehörige (§ 2 Abs. 4 Z. 12) der Visumpflicht. Für sie gelten die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach den §§ 41a, 65a Abs. 2, 66, 67 und 70 Abs. 3.

 

Gemäß § 2 Abs. 4 Z. 12 FPG ist Familienangehöriger: wer Drittstaatsangehöriger und Ehegatte oder minderjähriges lediges Kind, einschließlich Adoptiv- oder Stiefkind ist (Kernfamilie); dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, die Drittstaatsangehörige sind.

 

3.1.2. Im vorliegenden Fall ist § 65b FPG einschlägig, da der Bw nunmehr seit 30. September 2011 Ehegatte einer österreichischen Staatsangehörigen ist.

 

Die Verhängung von Aufenthaltsverboten für EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige  ist in § 67 FPG geregelt, der durch § 65b FPG als anwendbar erklärt wird. Daher erfährt die Beurteilung des in Rede stehenden Aufenthaltsverbotes einen Regimewechsel von bloß aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen (aktuell in § 63 FPG geregelt) zu § 67 FPG.

 

3.2.1. Gemäß § 67 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

 

3.2.2. Es ist – im Hinblick auf die oa Bestimmung - nun zu prüfen, ob das Verhalten des Bw auch aus derzeitiger Sicht geeignet erscheint, die öffentliche Ordnung oder Sicherheit nachhaltig und schwerwiegend zu gefährden.

 

Die Verhinderung von Straftaten gerade im so sensiblen Bereich der Suchtgiftkriminalität, insbesondere wenn sie in der hier vorliegenden massiven Form gegeben sind, zählt unbestritten zum Grundinteresse der Gesellschaft, auf dem die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit basiert.

 

3.2.3. Maßgeblich ist aber nicht primär, dass eine strafgerichtliche Verurteilung ausgesprochen wurde, sondern dass im Sinne einer Prognoseentscheidung das gegenwärtige und zukünftige Verhalten einer Person im Lichte einer strafgerichtlichen Verurteilung rechtlich zu würdigen ist. Es ist also im konkreten Einzelfall zu analysieren, ob davon ausgegangen werden kann, dass sich der Bw hinkünftig rechtskonform verhalten wird.

 

Es zeugt fraglos von nicht unbeträchtlicher krimineller Energie gleich Suchtgiftdelikte mit – wie im vorliegenden Fall – großen Mengen an "harten Drogen" zu setzen. Mit derartig großen Mengen an Heroin zu handeln macht deutlich, dass dem Bw Gesundheit und Leben potentieller Abnehmer, gemessen an dem von ihm erwarteten Gewinn, völlig gleichgültig waren und es ihm offensichtlich um seine Gewinnmaximierung ging. Dieses wahhaft rücksichtlose Verhalten fällt hier besonders ins Gewicht. 

 

Es kann aus Sicht des erkennenden Mitglieds des Oö. Verwaltungssenates nicht davon ausgegangen werden, dass die kriminelle Motivation bloß punktuell und kurzfristig bestand, sondern von ihm bewusst gewählt wurde.

 

Der Bw bringt vor, seit nunmehr 2 Jahren nicht rückfällig geworden zu sein. Dies wird auch grundsätzlich anerkannt.

 

Es kann aber – angesichts der vorher doch gefestigten kriminellen Verhaltensweise des Bw – zum jetzigen Zeitpunkt nicht aus dem Umstand, dass der Bw seit seiner Entlassung aus der Strafhaft noch nicht wieder straffällig wurde, geschlossen werden, dass nunmehr das oben beschriebene Gefährdungspotential vom Bw nicht mehr ausgeht und die damals unbestritten in hohem Maße vorhandene kriminelle Energie nicht mehr vorliegt.

 

3.2.4. Ohne den Grundsatz in dubio pro reo außer Acht zu lassen, folgt das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenates der Ansicht der belangten Behörde, dass das Verhalten des Bw auch zum jetzigen bzw. zukünftigen Zeitpunkt eine nachhaltige und schwerwiegende Gefährdung des Grundinteresses der Gesellschaft an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sowie der Verhinderung von Straftaten bildet.

 

Somit ist aber § 67 Abs. 1 FPG erfüllt, weshalb grundsätzlich die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes als zulässig und geboten erscheint.

 

Allerdings ist bei der Beurteilung des Aufenthaltsverbotes auch auf Art. 8 EMRK sowie § 61 FPG Bedacht zu nehmen. 

 

3.3.1. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist allerdings ein Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts gemäß Abs. 1 (nur) statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

3.3.2. Gemäß § 61 Abs. 1 FPG ist, sofern durch eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 2 FPG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

1.      die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der        bisherige          Aufenthalt des Fremden rechtmäßig war;

2.      das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3.      die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4.      der Grad der Integration;

5.      die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;

6.      die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7.      Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des      Asyl-          Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8.      die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem   Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren   Aufenthaltstatus bewusst waren;

 

9.      die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes in den Behörden       zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 3 FPG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung oder einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung schon allein  aufgrund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder 51ff. NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

Gemäß § 125 Abs. 20 FPG  gelten, vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. 38/2011 vorgenommene Beurteilungen und Entscheidungen gemäß § 66 als Beurteilungen und Entscheidungen gemäß § 61 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 weiter.

 

3.4.1. Im Sinne der zitierten Normen ist eine Interessensabwägung – basierend auf einer einzelfallbezogenen  Gesamtbetrachtung – vorzunehmen.

 

Es ist festzuhalten, dass es gestützt auf die ständige Rechtsprechung der Höchstgerichte grundsätzlich zulässig und erforderlich ist, Maßnahmen zu ergreifen, um massiven Gefährdungen des öffentlichen Interesses effektiv begegnen zu können. Gerade die Suchtgiftkriminalität gilt es vehement zu bekämpfen. Im Sinne dieser Überlegung stellt ein  Aufenthaltsverbot fraglos ein adäquates Mittel dar, um diesem öffentlichen Interesse nachzukommen.

 

3.4.2. Eingangs ist bei der Interessensabwägung festzustellen, dass im Fall des Bw sowohl das Privat- als auch das Familienleben betroffen ist, zumal der Bw Ende X eine österreichische Staatsangehörige heiratete, mit der er auch offensichtlich in einem gemeinsamen Haushalt lebt.

 

Hinsichtlich der bisherigen Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet kann der Bw auf rund 7 Jahre verweisen, wobei der größte Teil davon fraglos legal war. In diesem Zeitraum hat der Bw auch unbestrittener Weise einen gewissen Grad an Integration erreicht.

 

Laut seinen Angaben besteht sein Freundes- und Bekanntenkreis, wie auch sein Lebensumfeld hier. Er ist mit einer Österreicherin verehelicht, und es befinden sich auch zahlreiche Verwandte im Bundesgebiet. Grundsätzlich wäre dieses Privat- bzw. Familienleben auch durchaus als schützenswert zu qualifizieren. Von der sozialen Integration ist auszugehen. Hinsichtlich der beruflichen Integration ergibt sich aus der Aktenlage, dass der Bw gerade in den letzten beiden Jahren nicht als beruflich konstant angesehen werden kann, sondern fallweise beschäftigt, fallweise arbeitslos war und fallweise Notstandshilfe bezog. Dennoch kann von einem gewissen Maß an beruflicher Integration ausgegangen werden.

 

Der Bw reiste erst im Alter von 17 Jahren nach Österreich ein und hat somit die prägenden Jahre in seinem Herkunftsstaat verbracht. Er beherrscht die dortige Sprache und ist mit der Kultur sozialisiert. In diesem Sinn ist eine Reintegration jedenfalls zumutbar.

 

Auf das strafgerichtliche Vorleben des Bw muss hier nicht weiter eingegangen werden.

 

Hinsichtlich des Entstehens des Privat- und Familienlebens ist anzumerken, dass die Eheschließung erst lange nach der erstinstanzlichen Entscheidung im Aufenthaltsverbotsverfahren stattfand, sich sowohl der Bw als auch seine gegenwärtige Ehefrau dieses Umstandes bewusst sein mussten, weshalb die Schutzwürdigkeit des nunmehrigen Familienlebens doch beträchtlich gemindert wird. In diesem Zusammenhang ist auch auf das Interesse der Ehefrau, die österreichische Staatsangehörige ist, gemäß § 61 Abs. 3 gesondert einzugehen. Sie hat den Bw – im Wissen über die drohende fremdenpolizeiliche Maßnahme – geehelicht, weshalb auch ihr Interesse an seinem Verbleib im Bundesgebiet nicht dermaßen hoch berechtigt gewertet werden kann.

 

Über allfällige Verzögerungen in den Verfahren lässt sich nichts für den Bw gewinnen.

 

3.4.3. Insgesamt ist also der belangten Behörde zu folgen, dass den öffentlichen Interessen an der effektiven Verhinderung von Straftaten im Bereich des Suchtgiftmilieus sowie an einem geordneten Fremdenwesen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK im konkreten Einzelfall eindeutig der Vorrang vor den privaten bzw. familiären Interessen des Bw gegeben werden muss.

 

Der Bw kann sich somit nicht durchschlagend auf den Schutz seines Privat- und Familienlebens berufen.

 

3.5.1. Gemäß § 67 Abs. 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot höchstens für die Dauer von 10 Jahren verhängt werden. Im in Rede stehenden Fall liegen nach dem Sachverhalt nicht die die unbefristete Verhängung dieser Maßnahme rechtfertigenden Voraussetzungen des § 67 Abs. 3 FPG vor, weshalb nicht näher darauf einzugehen ist.

 

Gemäß § 67 Abs. 4 FPG ist bei der Festlegung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist beginnt mit Eintritt der Durchsetzbarkeit zu laufen.

 

3.5.2. Ursprünglich hatte die belangte Behörde das Ausmaß mit 10 Jahren festgesetzt und als Enddatum im Jahr 2020 festgelegt.

 

Bei den Überlegungen hinsichtlich der Dauer ist nun aber fraglos das – wenn auch noch nicht als ausreichend anzusehende – zweijährige Wohlverhalten des Bw nach Entlassung aus der Strafhaft zu berücksichtigen. Zudem sind bereits 1,5 Jahre der von der belangten Behörde intendierten Frist durch das Berufungsverfahren verstrichen. Auch ist eine Änderung der Umstände in seinem Familienleben eingetreten, wobei es nicht nur die Interessen des Bw selbst, sondern auch die seiner jetzigen Ehefrau zu erwägen gilt.

 

3.5.3. Im Lichte der eben getroffenen Feststellungen scheint die Festsetzung der Dauer des Aufenthaltsverbotes im Ausmaß von 30 Monaten angemessen und auch verhältnismäßig.

 

3.7. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden. 

 

Nachdem der Bw offenkundig der deutschen Sprache ausreichend mächtig ist, konnte gemäß § 67 Abs. 5 iVm. § 59 Abs. 1 FPG auf die Übersetzung des Spruchs und der Rechtsmittelbelehrung in die türkische Sprache verzichtet werden. 

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro (Eingabegebühr) angefallen.

 

 

Bernhard Pree

 

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt;

VwGH vom 15.12.2011, Zl. 2011/21/0268-3

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