Linz, 27.09.2011
E r k e n n t n i s
Der Berufung wird mit der Maßgabe stattgegeben, dass – abgesehen vom Code 01.01 und der gesetzlich bedingten Befristungen der Klassen C, E+C, C1, E+C1 – der Code 104 behoben wird und die Lenkberechtigung uneingeschränkt erteilt gilt.
Rechtsgrundlagen:
§ 3 Abs.1 Z3, § 5, § 8 Abs.1 u. 2, § 13 Abs.2 Führerscheingesetz - FSG, BGBl. I Nr. 120/1997, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 117/2010 sowie § 3 Abs.3, § 5 Abs.1 Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung – FSG-GV, BGBl. II Nr. 322, zuletzt geändert durch BGBl. II Nr. 64/2006;
§ 66 Abs.4, § 67d Abs.2 Z1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz – AVG, BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 280/2011;
Entscheidungsgründe:
1. Mit dem o.a. Bescheid hat die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land als Organ der mittelbaren Bundesverwaltung erster Instanz über den Antrag des Berufungswerbers auf Erteilung der Lenkberechtigung, diese mit der Befristung, den Auflagen und Beschränkungen erteilt und die Vorlage von Laborbefunden (Harnuntersuchung auf Amphetamine, Cannabis, Opiate und Kokain, evtl. bei entsprechenden Hinweisen auch auf Benzodiazepine, Buprenorphin, Methadon je nach Vorschreibung) innerhalb von 2 Tagen nach schriftlicher Aufforderung durch den Sanitätsdienst in einem Labor und Vorlage des Befundes unaufgefordert bei der Behörde auf die Dauer des Beobachtungszeltraumes von 1 Jahr angeordnet.
Weiter wurde ausgesprochen, dass die Auflage in Form eines Zahlencodes in den Führerschein einzutragen sei. Die Eintragung des Zahlencodes 104 bedeute, dass die Lenkberechtigung unter der Auflage ärztlicher Kontrolluntersuchungen erteilt bzw. verlängert werde. Er wurde aufgefordert, binnen 2 Wochen ab Erhalt dieses Bescheides, die Neuaussteliung seines Führerscheines mit der Auflage Code 104 bei der BH Linz-Land zu beantragen.
Gestützt wurde dies auf § 5 Abs.5, § 8 Abs.4, § 5 und § 13 Abs. 5 FSG 1997 und § 2 Abs. 2 Führerscheingesetz-Durchführungsverordnung BGBl 11/1997 idgF.
2. Begründend führte die Behörde erster Instanz folgendes aus:
2.1. Dagegen wendet sich der Berufungswerber mit ihrer fristgerecht durch die ausgewiesene Rechtsvertreterschaft erhobenen Berufung mit nachfolgenden Ausführungen:
Gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 06.09.2011, VerkR22-16-12-2011, zugestellt am 07,09.2011, erhebe ich
3. Der Berufungsakt wurde von der Behörde erster Instanz dem Oö. Verwaltungssenat vorgelegt. Dieser ist demnach durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen (§ 67a Abs.1 2. Satz AVG). Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung konnte angesichts der mit der Amtsärztin erörterten Gutachtenlage und Entscheidungsreife iVm dem der Behörde gewährten Parteiengehör unterbleiben (§ 67d Abs.2 AVG).
4. Sachverhalt.
Eingangs wird die Ausgangslage des erstinstanzlichen Verfahrens dargestellt. Nach Mitteilung einr deutschen Fahrerlaubnisbehörde über ein dort über den Berufungswerber ausgesprochenes Fahrverbot unter Anschluss einer MPU (hier vergleibar mit VPU) wurde dieses Verfahren offenbar ausgelöst:
Die Amtsärtzin hat am 4.4.2011 nachfolgenden Befund erhoben und diese gutachterlich vorläufig beurteilt:
4.1. Die fachärztliche Stellungnahme Dr. X v.3.6.2011:
Herr X betrieb ein Kleintransportgewerbe.
Um den Anforderungen grcht zu werden, verwendete Herr X Amphetamine. In weiterer Folge aber auch Cannabis und Kokain.
4.2. Die Verkehrspsychologische Stellungnahme in deren Zusammenfassung:
4.2.1. Das zu diesen Fachstellungnahmen seitens der Amtsärztin letzlich am 8.8.2011 erstatette Abschlussgutachten lautet:
5. Beweisbeurteilung:
Zusammenfassend lässt sich die Feststellung treffen, dass mit den obigen Ausführungen der Amtsärztin "wonach durch weitere Laborkontrollen zumindest für einen gewissen Zeitraum Abstinenz nachgewiesen werden könne," offenbar übersehen wird oder unbeachtet bleibt, dass die Fachgutachter schon derzeit von einer gesicherten Abstinenz ausgehen. Warum dem zeitlich deutlich früher gelegenen deutschen MPU-Gutachten (vermutlich v. Juli 2010) und nicht den jüngsten Gutachten dieses Verfahrens gefolgt werden sollte bleibt im Dunkeln.
Es steht grundsätzlich im Widerspruch zum Gebot der Sachlichkeit, aber auch dem öffentlichen Bekenntnis zur Verfahrensökonomie, einen Menschen gleichsam entgegen aktueller fachgutachterlicher Beurteilungen abermals in einem Gutachtenskreislauf zu halten und damit unreflektiert das Recht auf eine unbefristete Lenkberechtigung vorzuenthalten.
Das beim Berufungswerber ein mehrere Jahre zurückliegender Drogenkonsum evident ist, rechtfertigt nach h. Überzeugung nicht eine über Fachgutachten hinausschießende "vorsorglich restriktive Begutachtung" und Rechtsbe-schränkung. Wenn etwa dem Berufungswerber in diesem Zusammenhang vor ca. einem Jahr von einer deutschen Fahrerlaubnisbehörde (Landeshauptstadt Erfurt) untersagt wurde in Deutschland von seiner Lenkberechtigung (Fahrerlaubnis) Gebrauch zu machen, weil die in Deutschland offenbar im Juli 2010 absolvierte MPU, welche nach h. Auffassung die sehr persönlichen Angaben des Berufungswerbers nicht wirklich den Denkgesetzen folgend zum negativen Kalkül erhob, spricht jedenfalls die aktuelle Gutachtenslage eine gegensätzliche Sprache. Aber selbst dieses MPU-Gutachten macht ein positives Kalkül von der Inanspruchnahme einer entsprechenden fachlichen Beratung abhängig. Eine solche wurde dem Berufungswerber bereits per 1.10.2010 vom Verein für prophylaktische Grundheitsarbeit im Umfang von 60 Therapiestunden bestätigt. Darauf nimmt auch der psychiatrische Gutachter in seinem Kalkül der Drogen- u. Alkokarenz Bezug.
Das von der belangten Behörde geführte Verfahren führte seitens der Fachgutachter zu einer uneingeschränkten eignungsbeförwortenden verkehrspsychologischen und psychiatrischen Stellungnahme.
Vor diesem Hintergrund ist es nicht nachvollziehbar, dass die Amtsärztin in ihrer vorläufigen Stellungnahme eine verkehrspsychologischen und psychiatrische Stellungnahme einfordert, anschließend im Endgutachten vom 8. August 2011 unter Hinweis auf die Abstinenzerfordernis ein die Abstinenz bescheinigendes Gutachten des Facharztes für Psychiatrie Dr. Auer schlichtweg zu übergehen scheint. Auf die oben zitierten wesentlichen gutachtlichen Ausführungen wird an dieser Stelle nochmals hingewiesen. Darin sieht offenbar weder der Psychiater noch der Verkehrsprsychologe eine Eignungseinschränkung. Nach Rücksprache mit der Amtsärztin räumte diese im Ergebnis wohl ein, dass man natürlich in keinen Menschen hineinschauen könne und sie auch kein Problem sehe, sollte diese Auflage als nicht sachlich nachvollziehbar aufgehoben werden.
Von dieser Beurteilungsperspektive wurde im Rahmen des Parteiengehörs die Behörde erster Instanz in Kenntnis gesetzt. Sie trat dem inhaltlich nicht entgegen, sondern schloss sich in einer spontan übermittelten Stellungnahme im Ergebnis der Auffassung der Berufungsbehörde an.
Mit Blick darauf ist Berufungswerber in seinem Vorbringen zu folgen.
6. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:
§ 5 Abs.1 FSG-GV:
Als zum Lenken von Kraftfahrzeugen hinreichend gesund gilt eine Person, bei der keine der folgenden Krankheiten festgestellt wurde:
...
4. schwere psychische Erkrankungen gemäß § 13 sowie:
a) Alkoholabhängigkeit oder
b) andere Abhängigkeiten, die das sichere Beherrschen des Kraftfahrzeuges und das Einhalten der für das Lenken des Kraftfahrzeuges geltenden Vorschriften beeinträchtigen könnten,
...
Nach § 3 Abs.1 FSG-GV:
Als zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer bestimmten Fahrzeugklasse im Sinne des § 8 FSG gesundheitlich geeignet gilt, wer für das sichere Beherrschen dieser Kraftfahrzeuge und das Einhalten der für das Lenken dieser Kraftfahrzeuge geltenden Vorschriften
1. die nötige körperliche und psychische Gesundheit besitzt,
2. die nötige Körpergröße besitzt,
3. ausreichend frei von Behinderungen ist und
4. aus ärztlicher Sicht über die nötige kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit verfügt.
6.1. Dieses Anforderungsprofil erfüllt der Berufungswerber laut fachärztlicher Gutachten. Gemäß dem Code 104 wäre die Lenkberechtigung nur auf Grund ärztlicher Kontrolluntersuchungen gemäß § 2 Abs. 3 letzter Satz der Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung (FSG-GV) zu verlängern.
Auf Grund der Fakten- u. Gutachtenslage und deren fachärztlichen Beurteilung ist jedoch von einer stabilen Suchtgiftkarenz seit Mai 2010 auszugehen. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Auflage iSd § 2 Abs.1 FSG-DV (Code 104) scheint vor diesem Hintergrund daher sachlich nicht mehr gerechtfertigt.
Auch im Sinne der Leitlinien für die gesundheitliche Eignung von kraftfahrzeuglenkern des BMVIT (2006) findet sich vor dem Hintergrund der hier ausführlich erhobene Befundlage kein rechtlich tragfähiger Anhaltpunkt für die Annahme einer mangelhaften Bereitschaft zur Verkehrsanpassung im Persönlichkeitsbereich (zB bei Hinweisen auf soziale Überanpassung/Gruppenabhängigkeit, sucht-/alkoholaffines Umfeld o.ä.) und ebenfalls nicht, dass mit einer Abschwächung dieser Motivation (und daher einer berechtigten Rückfallsprognose) gerechnet werden müsste.
Selbst auf einen früheren gehäuften Missbrauch oder Abhängigkeit von Suchtmitteln lässt die Aktenlage nicht schließen, sodass als Auflage lediglich der Code 01.01 (korrektur der Sehrschärfe) gerechtfertig ist (vgl. auch VwGH 18.03.2003, 2002/11/0209, sowie SCHUBERT W, SCHNEIDER W, EISENMENGER W, STEPHAN E. (Hrsg.), Begutachtungs-Leitlinien Kraftfahreignung – Kommentar; Kirschbaum-Verlag, Bonn 2005).
Dem Berufungswerber sei abschließend gesagt, er möge sich stets bewusst halten die Fahrtauglichkeit nur durch Verzicht auf Suchtsubstanzen erhalten zu können.
Dem Berufungsvorbringen war daher im vollem Umfang zu folgen.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro angefallen.
Dr. B l e i e r