Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-281348/8/Kl/Pe

Linz, 06.10.2011

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch die 5. Kammer (Vorsitzende Mag. Michaela Bismaier, Berichterin Dr. Ilse Klempt, Beisitzer Mag. Thomas Kühberger) über die Berufung des Herrn x, x, x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 28.7.2011, Ge96-38-2011, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) zu Recht erkannt:

I. Die Berufung wird abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis vollinhaltlich bestätigt.

 

II. Der Berufungswerber hat einen Verfahrenskostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat in der Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafe, das sind 500 Euro, zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 5, 19 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

zu II: § 64 VStG.


Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 28.7.2011, Ge96-38-2011, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) eine Geldstrafe von 2.500 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 110 Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 60 Abs.7 Bauarbeiterschutzverordnung – BauV iVm §§ 118 Abs.3 und 130 Abs.5 Z1 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz – ASchG verhängt, weil er im Standort x, x, die Gewerbeberechtigung für das Gewerbe „Gerüstverleih“ besitzt und am 1.6.2011 auf der Baustelle der Familie x in x, x, ein Gerüst für Fassadenarbeiten so belassen hat, dass eine Verwendung desselben möglich war, obwohl der bereits aufgestellte Teil den Anforderungen an Gerüste nicht voll entsprach. Beim aufgestellten Gerüst wurden in der zweiten Gerüstlage von unten (Absturzhöhe ca. 4 m) und in der dritten Gerüstlage von unten (Absturzhöhe ca. 6 m) keine Fußwehren angebracht. Für das gefahrlose Besteigen der obersten Gerüstlage war kein sicherer begehbarer Aufstieg angebracht, weil die Aufstiegsklappe lose angebracht war und daher absolute Absturzgefahr bestand. Die Umwehrungen (Geländer) an den seitlichen Absturzkanten bestehend aus Brust-, Mittel- und Fußwehren fehlten.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht mündlich Berufung bei der Bezirkshauptmannschaft Schärding eingebracht und diese damit begründet, dass das Gerüst lediglich aufgestellt gewesen sei und sich keine Arbeiter auf das Gerüst begeben durften, bis ein Abnahmegutachten schriftlich auf der Baustelle hinterlassen werde. Im gegenständlichen Fall habe sich die Abnahme verzögert, da der Bw auf einer Baustelle in Ebensee gewesen sei und noch keine Zeit gefunden hätte, dieses Gutachten zu erstellen. Erst am dritten Tag, als er zur Abnahme an die Baustelle gekommen sei, sei das Gerüst bereits von der Fertighausfirma wieder abgebaut gewesen. Es dürfe kein Arbeiter auf das Gerüst steigen, ohne dass ein schriftliches Abnahmegutachten vor Ort abgegeben worden sei. Schließlich teilte der Bw mit, dass er am 28.7.2011 einen Arbeitsunfall gehabt habe und sein Gewerbe wahrscheinlich zurücklegen müsse. Es werde ersucht, das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen bzw. von der Verhängung einer Geldstrafe abzusehen.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Schärding als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

Weil eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war die nach der Geschäftsverteilung zuständige Kammer des Oö. Verwaltungssenates, bestehend aus drei Mitgliedern, zur Entscheidung berufen.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme.

Da der Sachverhalt im Grunde des Aktenvorganges erwiesen ist, die Berufung nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung geltend macht und trotz ausdrücklicher Aufforderung von keiner Partei ein Antrag zur mündlichen Verhandlung eingebracht wurde, konnte von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 51e Abs.3 VStG Abstand genommen werden.

 

4.1. Folgender Sachverhalt steht als erwiesen fest:

 

Der Bw ist im Besitz einer Gewerbeberechtigung für das Gewerbe „Gerüstverleih“ am Standort x, x. Am 1.6.2011 wurde auf der Baustelle der Familie x in Stx, x, ein Gerüst für Fassadenarbeiten so belassen, dass in der zweiten Gerüstlage von unten (Absturzhöhe ca. 4 m) und in der dritten Gerüstlage von unten (Absturzhöhe ca. 6 m) keine Fußwehren angebracht waren. Auch war für das gefahrlose Besteigen der obersten Gerüstlage kein sicher begehbarer Aufstieg vorhanden. Die Aufstiegsklappe war lediglich lose angebracht und bestand absolute Absturzgefahr. Weiters fehlten an den seitlichen Absturzkanten Umwehrungen (Geländer) aus Brust-, Mittel- und  Fußwehren.

Dies ist aufgrund der Anzeige des Arbeitsinspektorates x, gestützt auf die sicherheitstechnische Begutachtung von x, x, x, x, sowie den beigeschlossenen Fotos einwandfrei erwiesen. Im Übrigen wurde dieser Sachverhalt vom Bw auch in keinster Weise bestritten und auch in der Berufung nicht angefochten. Der Sachverhalt konnte daher der Entscheidung zugrunde gelegt werden.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 60 Bauarbeiterschutzverordnung – BauV, BGBl. Nr. 340/1994 idF BGBl. II Nr. 3/2011, dürfen Gerüste weder unvollständig errichtet  noch teilweise abgetragen und so belassen werden, dass eine Verwendung derselben möglich ist, wenn der bereits aufgestellte oder noch stehen bleibende Teil den Anforderungen an Gerüste nicht voll entspricht.

 

Gemäß § 118 Abs.3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz – ASchG gilt die Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen als Verordnung nach diesem Bundesgesetz.

 

Gemäß § 130 Abs.5 Z1 ASchG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 Euro bis 7.260 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 290 Euro bis 14.530 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber/in den nach dem 9. Abschnitt weitergeltenden Bestimmungen zuwiderhandelt.

 

Gemäß § 58 Abs.3 BauV müssen bei Absturzgefahr nach § 7 Abs.2 Z2 und 4 die Gerüstlagen mit Wehren gemäß § 8 versehen sein.

 

Gemäß § 58 Abs.7 BauV sind für das gefahrlose Besteigen und Verlassen der Gerüstlagen sicher begehbare Aufstiege oder Zugänge anzubringen. Die Aufstiege und Zugänge müssen mit dem Gerüst fest verbunden sein.

 

Wie vom Bw selbst nicht bestritten wurde und anhand der Fotos vom Gutachter eindeutig festgestellt wurde, entsprach das aufgestellte Gerüst auf der Baustelle Kübler nicht diesen Anforderungen der BauV. Der Bw selbst führt in seiner Berufung aus, dass dieses Gerüst, das noch nicht zur Verwendung geeignet ist, so belassen wurde und keine Abnahme durchgeführt wurde, weil er keine Zeit gefunden habe. Es ist daher aufgrund dieses Sachverhaltes der objektive Tatbestand der Verwaltungsübertretung eindeutig erfüllt. Der Bw ist seiner Verpflichtung als Gerüstebauer gemäß § 60 Abs.7 BauV dahingehend nicht nachgekommen, dass ein unvollständiges Gerüst so belassen wurde, dass es verwendet werden konnte, wenngleich auch die Verwendung nicht zulässig war. Er hat daher seine Verpflichtung eindeutig verletzt.

Wenn hingegen der Bw ausführt, dass Gerüste erst dann benützt werden dürfen, wenn ein Abnahmegutachten schriftlich auf der Baustelle hinterlassen wird, so ist er damit im Recht.

 

Gemäß § 61 Abs.1 sind Gerüste nach ihrer Fertigstellung einer Überprüfung durch eine fachkundige Person des Gerüstaufstellers zu unterziehen und dürfen Gerüste gemäß § 62 Abs.1 Z1 bis 3 BauV erst benützt werden nach ihrer Fertigstellung, den Prüfungen gemäß § 61 Abs.1 bis 3 und Beseitigung der bei diesen Prüfungen festgestellten Mängel.

Auch darf ein Gerüst, das den Anforderungen an Gerüste nicht voll entspricht, nicht benützt werden (§ 62 Abs.4 BauV).

 

Allerdings nützt dem Bw das Vorbringen nicht, dass das Gerüst nicht verwendet werden darf, weil noch keine Abnahme erfolgt ist. Vielmehr ist unabhängig von diesem gesetzlichen Verbot der Benützung die Bestimmung und Verpflichtung gemäß § 60 Abs.7 BauV zu sehen, wonach – unbeschadet der Verpflichtung der Gerüstabnahme und des Verbotes der Benützung von unvollständigen Gerüsten – Gerüste nicht so belassen werden dürfen, wenn die bereits aufgestellten Teile den Anforderungen an Gerüste nicht voll entsprechen. Gerade dieser Pflicht ist der Bw nicht nachgekommen und wird ihm dies zum Vorwurf gemacht. Es ist daher der objektive Tatbestand der Verwaltungsübertretung erfüllt.

 

5.2. Der Bw hat die Tat aber auch in subjektiver Hinsicht zu verantworten.

 

Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar, wobei zur Strafbarkeit bereits Fahrlässigkeit ausreicht und Fahrlässigkeit im Sinne der zitierten Bestimmungen ohne weiteres anzunehmen ist, sofern vom Berufungswerber kein Entlastungsnachweis erbracht wird.

 

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Bw initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch ein geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringen von Beweismitteln oder die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die „Glaubhaftmachung“ nicht aus.

 

Der Bw hat zum Verschulden kein Vorbringen gemacht und keine Beweismittel angeboten, die ihn entlasten könnten. Jedenfalls ist das  Vorbringen, dass das Gerüst vor Abnahme nicht bestiegen werden darf, nicht geeignet, ihn von einem Verschulden zu entlasten. Vielmehr hätte er Vorsorge treffen und Maßnahmen setzen müssen, die die Gewährleistung der Vorschriften sicherstellen. Es ist daher eine Entlastung nicht gelungen und war daher zumindest von fahrlässiger Tatbegehung auszugehen.

 

5.3. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat (Abs.1).

Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung des Bescheides soweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist.

 

Die belangte Behörde hat bei der Strafbemessung auf den besonderen Unrechtsgehalt der Tat hingewiesen, weil der Schutzzweck der Norm, nämlich der Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer, in großem Ausmaß verletzt worden ist. Darüber hinaus hat sie strafmildernd keine Umstände gewertet. Straferschwerend bzw. zu berücksichtigen war, dass besondere generalpräventive Gründe zur Anwendung kommen, dass auch andere Gewerbetreibende von derartigen strafbaren Handlungen abgehalten werden. Im Hinblick auf die vorgesehene Mindeststrafe und den Höchstrahmen von bis zu 7.260 Euro war die verhängte Geldstrafe noch im untersten Bereich gelegen.

Die Behörde hat die persönlichen Verhältnisse mit einem monatlichen Nettoeinkommen von 1.500 Euro, keinem Vermögen und keinen Sorgepflichten geschätzt.

Den Strafbemessungsgründen hat der Bw in seiner Berufung nichts entgegengesetzt. Zu den Einkommensverhältnissen führt er ein Einkommen von ca. 1.200 Euro monatlich an. Im Grunde des erhöhten Unrechtsgehaltes der Tat und damit des erhöhten Gefährdungspotenzials kann auch der Oö. Verwaltungssenat nicht erkennen, dass die belangte Behörde bei dem ihr bei der Strafzumessung zukommenden Ermessen in gesetzwidriger Weise vorgegangen ist. Auch im Hinblick auf die etwas geringeren Einkommensverhältnisse erscheint die verhängte Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe dem Unrechtsgehalt der Tat angemessen sowie auch tat- und schuldangemessen und den persönlichen Verhältnissen angepasst und nicht überhöht. Es war daher die verhängte Geldstrafe zu bestätigen. Da weder Milderungsgründe festzustellen waren und mangels eines Kontrollsystems kein geringfügiges Verschulden vorlag, war nicht nach §§ 20 und 21 VStG vorzugehen.

 

6. Weil die Berufung keinen Erfolg hatte, war ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat gemäß § 64 VStG in der Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafe, das sind 500 Euro, festzusetzen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Michaela Bismaier

 

 

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum