Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730032/2/Sr/MB/Wu

Linz, 14.11.2011

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des X, geboren am X, Staatsangehöriger von Serbien, wohnhaft in X, vertreten durch X, gegen den Bescheid des Bundespolizeidirektors von Wels vom 30. März 2010, GZ: 1-1013689FP/10, betreffend eine Ausweisung des Berufungswerbers nach dem Fremdenpolizeigesetz, zu Recht erkannt:

 

 

            I.      Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.

 

        II.      Eine Rückkehrentscheidung ist auf Dauer unzulässig.

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 iVm. § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Mit Bescheid des Bundespolizeidirektors von Wels vom 30. März 2010, GZ: 1-1013689FP/10, wurde gegen den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) auf Basis des § 53 Abs.1 des Fremdenpolizeigesetzes (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005, die Ausweisung aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich angeordnet.

 

Gemäß § 58 FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, wurde überdies die aufschiebende Wirkung der Berufung gegen diesen Bescheid aberkannt.

 

Begründend führt die belangte Behörde zunächst aus, dass der Bw am 19. Juni 2001 ohne in Besitz eines Nationalreisedokumentes bzw. ohne in Besitz eines Einreise- oder Aufenthaltstitels für Österreich zu sein und somit illegal und mit Schlepperunterstützung in das Bundesgebiet der Republik Österreich einreiste.

 

Der Bw stellte in der Folge beim Bundesasylamt mit 19. Juni 2001 einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 4. März 2002 zu GZ: 01 14313, wurde dieser Asylantrag gemäß §§ 7 und 8 Asylgesetz idgF negativ entschieden. Die dagegen eingebrachte Berufung wurde mit 11. November 2008 ebenfalls rechtskräftig negativ erledigt.

 

Nach der belangten Behörde halte sich der Bw somit seit dem rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens rechtswidrig im Bundesgebiet der Republik Österreich auf, da ihm seit diesem Zeitpunkt weder ein Einreisetitel nach dem Fremdengesetz noch ein Aufenthaltstitel nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz erteilt worden sei. Auch komme ihm nach der Aktenlage kein Aufenthaltsrecht aufgrund anderer gesetzlicher Bestimmungen zu.

 

Außer Streit stehe ebenso, dass der Bw seit dem 19. Juni 2001 in Österreich aufhältig sei. Schon aus diesem Grund sei ihm ein gewisses Maß an Integration zuzugestehen.

 

Eingedenk dieser Tatsache führt die belangte Behörde weiter aus, dass eine Ausweisung vor allem in das Privatleben des Bw eingreife und somit eine Abwägung der Interessen an der Abstandnahme der Erlassung einer Ausweisung und der Interessen der Republik Österreich durchzuführen sei.

 

Der Bw sei serbischer Staatsangehöriger und mit der ebenfalls serbischen Staatsangehörigen X verheiratet. Er habe mit dieser zwei Kinder. Sowohl die Gattin als auch die Kinder leben in der Heimat des Bw und werden vom Bw von Österreich aus finanziell unterstützt.

 

Dadurch, dass die Ehegattin des Bw und dessen Kinder im Heimatland leben, sei durch die Erlassung der Ausweisung kein Eingriff in das Familienleben des Bw zu erkennen. Die Bindung an den Heimatstaat des Bw sei daher als ebenbürtig im Vergleich zur Bindung an Österreich anzusehen.

 

Zur beruflichen Integration hält die belangte Behörde fest, dass der Bw seit dem 2. Jänner 2003 einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehe. Eine gewisse berufliche Integration sei ihm daher nicht abzuerkennen.

 

Im Hinblick auf die Deutschkenntnisse des Bw führt die belangte Behörde an, dass anlässlich einer Niederschrift vom 26. Jänner 2009 dieser nur mit Hilfe eines Dolmetschers einvernommen werden konnte.

 

Die so beschriebene und während des Aufenthalts des Bw entstandene Integration werde hinsichtlich der Gewichtung bei der Interessenabwägung insofern gemindert, als dem Bw zumindest seit der erstinstanzlichen Entscheidung in seinem Asylverfahren die Unsicherheit seines Aufenthaltes bewusst sein hätte müssen.

 

Das öffentliche Interesse an der Erlassung der gegenständlichen Ausweisung würde daher unverhältnismäßig schwerer wiegen, als die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Bw.

 

Überdies bestehe nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes an der Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf die Wahrung eines geordneten Fremdenwesens ein eminent hohes öffentliches Interesse.

 

Nach Abwägung der so angeführten Umstände ergebe sich daher aus dem festgestellten Sachverhalt, dass unter Berücksichtigung von Artikel 8 EMRK die Ausweisung des Bw nach Ansicht der belangten Behörde zulässig sei.

 

Aus den oben angeführten Gründen sowie der Gefahr der Vereitelung der weiteren fremdenpolizeilichen Maßnahmen sei daher die sofortige Ausreise des Bw im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit der Republik Österreich dringend erforderlich. Deshalb werde einer allfälligen Berufung die aufschiebende Wirkung aberkannt.

 

2. Gegen diesen Bescheid erhob der Bw durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter mit Schriftsatz vom 13. April 2010 rechtzeitig Berufung und stellte darin die Anträge, die Berufungsbehörde möge den gegenständlichen Bescheid des Bundespolizeidirektors von Wels dahingehend abändern, dass das gegen den Bw eingeleitete Ausweisungsverfahren eingestellt und die ausgesprochene Ausweisung aufgehoben wird, so wie der gegenständlichen Berufung die aufschiebende Wirkung zuerkannt werde.

 

In eventu solle der gegenständliche Bescheid dahingehend abgeändert werden, dass der erstinstanzliche Bescheid zur Gänze behoben und zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die Erstinstanz zurückverwiesen wird.

 

Einleitend weist die Rechtsvertretung darauf hin, dass sich der Bw seit nunmehr fast 9 Jahren in Österreich aufhält und sich in dieser Zeit ausreichend und ausgezeichnet integrieren konnte. Der Bw sei am Arbeitsmarkt ausgezeichnet integriert und seit 2. Jänner 2003 bei der Firma X in der Niederlassung in X beschäftigt. Er habe sich in den vergangenen 6 Jahren als zuverlässiger, fleißiger, umgänglicher und gewissenhafter Mitarbeiter erwiesen. Sein Vorgesetzter sowie auch seine Arbeitskollegen würden sich zudem für den weiteren Verbleib des Bw im Unternehmen, sowie in Österreich, einsetzen. In den vergangenen 6 Jahren habe der Bw seine Position im Betrieb stets verbessert und er sei nun als Schichtleiter tätig.

 

Die unmittelbaren Kollegen und Mitarbeiter der Firma X hätten sich auch mit einer Unterschriftenliste für den Verbleib des Bw in der Firma und in Österreich eingesetzt.

 

Durch die Arbeitstätigkeit in Österreich habe der Bw seinen Lebensunterhalt selbst finanziert und er stelle daher niemals eine Belastung für den Staat Österreich dar. Der Bw habe zudem keinerlei Schulden in Österreich. Durch sein regelmäßiges Einkommen in Österreich sei es ihm auch möglich, monatliche Geldbeträge in seine Heimat zu schicken. Diese Überweisungen seien für seine Frau und seine beiden Kinder im Heimatland existenzsichernd.

 

Die Vertretung des Bw führt weiters aus, dass sich dieser in seinem näheren Umfeld in Österreich stets vorbildlich verhalten habe und er einen großen Freundes- und Bekanntenkreis in Österreich aufweisen könne. So sei etwa die Vermieterin (Frau X) mit dem Bw sehr zufrieden und schätze ihn als zuverlässigen, pflichtbewussten und ruhigen, angenehmen Menschen. Er sei zudem hilfsbereit und engagiere sich freiwillig beim Verein für humanitäre Hilfe X, der in X ist.

 

Auch bestehe enger Kontakt zur Familie X, bei der der Bw in der ersten Zeit nach seiner Ankunft in Österreich auch gewohnt habe.

 

Es sei der größte Wunsch des Bw seine Familie nach Österreich nachzuholen, sobald er hier einen gesicherten Aufenthaltstitel habe, welcher ihm das rechtlich ermögliche.

 

Auch habe der Bw in den vergangenen Jahren seines Aufenthaltes in Österreich sehr gute Deutschkenntnisse aufgebaut und habe viele Kontakte und Freundschaften in Österreich geschlossen.

 

Der Bw sei als strafrechtlich unbescholten anzusehen.

 

Abschließend bemerkt die Rechtsvertretung des Bw, dass durch die langjährige Arbeitstätigkeit bei der Firma X der Lebensunterhalt des Bw gesichert sei und er eine für Österreich ortsübliche Unterkunft gefunden habe. Der Bw sei bei der oberösterreichischen Gebietskrankenkasse ordnungsgemäß krankenversichert. Hätte demnach die erstinstanzliche Behörde alle wesentlichen Aspekte bei ihrer Entscheidung mitberücksichtigt, so wäre die Interessensabwägung inhaltlich anders ausgefallen und es hätte eine andere Entscheidung getroffen werden müssen.

 

3. Die belangte Behörde legte zunächst den in Rede stehenden Verwaltungsakt der Sicherheitsdirektion für Oberösterreich vor.

 

Mit 1. Juli 2011 trat das Fremdenrechtsänderungsgesetz, BGBl. I Nr. 38/2011 in wesentlichen Teilen in Kraft. Aus § 9 Abs. 1a FPG in der nunmehr geltenden Fassung ergibt sich, dass der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung über die Berufung zuständig ist, weshalb der in Rede stehende Verwaltungsakt von der Sicherheitsdirektion – nach In-Krafttreten der Novelle am 1. Juli 2011 – dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich übermittelt wurde.

 

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde.

 

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, weil eine solche nicht erforderlich war, nachdem sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt zweifelsfrei aus der Aktenlage ergibt, im Verfahren im Wesentlichen die Beurteilung von Rechtsfragen strittig ist und die Akten erkennen lassen, dass eine weitere mündliche Erörterung eine tiefgreifendere Klärung der Sache nicht erwarten lässt (§ 67d AVG).

 

3.2. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten 1. und 2. dieses Erkenntnisses dargestellten unbestrittenen Sachverhalt aus.

 

3.3. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

4.1. In der Sache hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

 

4.1.1. Gemäß § 125 Abs. 14 des Fremdenpolizeigesetzes – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch das Bundesgesetzblatt BGBl. I Nr. 38/2011, gelten vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 erlassene Ausweisungen gemäß § 53 als Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 weiter, mit der Maßgabe, dass ein Einreiseverbot gemäß § 53 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 damit nicht verbunden ist.

 

4.1.2. Die bekämpfte Ausweisung wurde auf Basis des § 53 FPG in der Fassung vor dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011, erlassen, weshalb diese Ausweisung als Rückkehrentscheidung im Sinne des § 52 FPG in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2011 anzusehen und zu beurteilen ist.

4.2.1. Gemäß § 52 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch das Bundesgesetzblatt BGBl. I Nr. 38/2011, ist gegen einen Drittstaatsangehörigen, sofern nicht anderes bestimmt ist, mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Die Rückkehrentscheidung wird mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Berufung gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 66 Abs. 4 AVG auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

 

4.2.2. Im vorliegenden Fall ist zunächst auch vom Bw selbst unbestritten, dass er über keinerlei Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet verfügt und somit grundsätzlich unrechtmäßig aufhältig ist. Allerdings ist bei der Beurteilung der Ausweisung bzw. der Rückkehrentscheidung auch auf Art. 8 EMRK sowie § 61 FPG Bedacht zu nehmen.

 

4.3.1. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

 

Nach Art. 8 Abs. 2 EMRK ist allerdings ein Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts gemäß Abs. 1 (nur) statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

4.3.2. Gemäß § 61 Abs. 1 FPG ist, sofern durch eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

Nach § 61 Abs. 2 FPG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

1.      die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der        bisherige          Aufenthalt des Fremden rechtmäßig war;

2.      das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3.      die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4.      der Grad der Integration;

5.      die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;

6.      die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7.      Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des      Asyl-          Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8.      die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem   Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren   Aufenthaltstatus bewusst waren;

9.      die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes in den Behörden       zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 3 FPG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung oder einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung schon allein aufgrund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder 51ff. NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

Nach § 125 Abs. 20 FPG, gelten vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. 38/2011 vorgenommene Beurteilungen und Entscheidungen gemäß § 66 als Beurteilungen und Entscheidungen gemäß § 61 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 weiter.

 

4.4.1. Im Sinne der zitierten Normen ist eine Interessenabwägung – basierend auf einer einzelfallbezogenen Gesamtbetrachtung – vorzunehmen.

 

Gestützt auf die ständige Rechtsprechung der Höchstgerichte ist es grundsätzlich zulässig und erforderlich, Maßnahmen zu ergreifen, um den unrechtmäßigen Aufenthalt einer Person zu beenden, da ein solcher rechtswidriger Status dazu geeignet ist, die öffentliche Ordnung eines Staates massiv zu beeinträchtigen. Daraus folgt, dass das diesbezügliche öffentliche Interesse hoch anzusetzen ist und eine Rückkehrentscheidung grundsätzlich ein nicht inadäquates Mittel darstellt, um einen rechtskonformen Zustand wiederherzustellen. Dies gilt jedoch nur insofern, als die privaten bzw. familiären Interessen im jeweils konkreten Einzelfall nicht als höherrangig anzusehen sind.

 

4.4.2. Der belangten Behörde folgend ist, mangels Vorliegens eines Familienlebens (im engeren Sinn) im Bundesgebiet, im Wesentlichen eine Interessensabwägung gemäß § 61 Abs. 2 FPG hinsichtlich des Privatlebens des Bw vorzunehmen, zumal die Kernfamilie des Bw noch in dessen Heimatstaat verweilt.

 

Im Hinblick auf den über 10 Jahre währenden Aufenthalt in Österreich ist im Besonderen auf die jüngste Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abzustellen. Wie folgt wiedergegeben wird, hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 22. Dezember 2009, Zl. 2009/21/0348, einer sozialen Integration, obwohl sie in einem Zeitraum entstanden ist, während dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst war, zumindest ein geringes Gewicht beigemessen und diese nicht als unbeachtlich angesehen.

 

Das durch eine soziale Integration erworbene Interesse an einem Verbleib in Österreich ist in seinem Gewicht gemindert, wenn der Fremde keine genügende Veranlassung gehabt hatte, von einer Erlaubnis zu einem dauernden Aufenthalt auszugehen (Erkenntnis vom 22. Oktober 2009, Zl. 2009/21/0293; Erkenntnis vom 29. September 2009, Zl. 2009/21/0253; VfGH vom 3. März 2008, B 825/07 mit Bezug auf die Urteile des EGMR vom 31. Jänner 2006, Rodrigues da Silva und Hoogkaamer gegen die Niederlande [Beschwerde Nr. 50435/99] und vom 31. Juli 2008, Darren Omoregie u.a. gegen Norwegen [Beschwerde Nr. 265/07]). Der EGMR stellt in den angesprochenen Urteilen darauf ab, ob das Familienleben zu einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich die betroffenen Personen bewusst waren, der Aufenthaltsstatus eines Familienmitgliedes sei derart, dass der Fortbestand des Familienlebens im Gastland von vornherein unsicher ist. Sei das der Fall, bewirke eine Ausweisung des ausländischen Familienangehörigen nur unter ganz speziellen bzw. außergewöhnlichen Umständen ("in exceptional circumstances") eine Verletzung von Art 8 EMRK (vgl.: Erkenntnis vom 19. Februar 2009, Zl. 2008/18/0721, Erkenntnis vom 30. April 2009, Zl. 2009/21/0086). In diesem Sinn ist nach der Z. 8 des § 66 Abs. 2 FPG [in der Fassung vor dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011] aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Annordnung bei der Interessensabwägung darauf Bedacht zu nehmen, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst war. Freilich hat die genannte Bestimmung schon vor dem Hintergrund der gebotenen Gesamtbetrachtung nicht zur Konsequenz, dass der während unsicheren Aufenthalts erlangten Integration überhaupt kein Gewicht beizumessen und ein solcherart begründetes privates und familiäres Interesse nie zur Unzulässigkeit einer Ausweisung führen könnte.

 

Im Erkenntnis vom 20. Jänner 2011, Zl. 2010/22/0158, hat der Verwaltungsgerichtshof bei einer im Wesentlichen vergleichbaren Sachlage, jedoch eines über 10 Jahre bestehenden Aufenthaltes, dem persönlichen Interesse des Fremden am Verbleib in Österreich ein solches Gewicht beigemessen, dass eine Ausweisung unzulässig ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat dabei wie folgt ausgeführt: Der Beschwerdeführer verweist auf seine Erwerbstätigkeit und darauf, dass er sich während seines Aufenthaltes in Österreich "in privater Hinsicht sehr gut integriert" habe. Die belangte Behörde hob zwar zu Recht hervor, dass dem Beschwerdeführer bereits nach erstinstanzlicher Abweisung seines Asylantrages die Unsicherheit seines Aufenthaltsstatus bewusst war, er somit nicht mit einem legalen Aufenthalt in Österreich rechnen durfte. Sie ist auch darin im Recht, dass dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. für viele etwa das Erkenntnis vom 6. Juli 2010, 2008/22/0688). Dementsprechend haben Fremde nach Abweisung ihres Asylantrages grundsätzlich den rechtmäßigen Zustand durch Ausreise aus dem Bundesgebiet herzustellen. Demgegenüber vermag der Beschwerdeführer jedoch einen bereits über zehnjährigen Aufenthalt in Österreich für sich ins Treffen zu führen und es stellte die belangte Behörde auch fest, dass er erwerbstätig ist. Diese Umstände verleihen dem persönlichen Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich ein solches Gewicht, dass die Ausweisung – auch bei einem Eingriff nur in sein Privatleben – unverhältnismäßig erscheint (vgl. zu ähnlichen Fällen etwa die Erkenntnis vom 26. August 2010, Zlen 2010/21/0206 und 2010/21/0009).

 

4.4.3. Wie sich aus dem Sachverhalt ergibt, befindet sich der Bw nun schon mehr als 10 Jahre im Bundesgebiet. Er verfügte für den überwiegenden Teil über eine Aufenthaltsberechtigung als Asylwerber, ging abgesehen von geringen Zeiträumen einer Erwerbstätigkeit nach und war den Großteil dieser Zeit selbsterhaltungsfähig und sozialversichert.

 

In Ansehung des über 10-jährigen Aufenthalts des Bw kann diesem somit im Sinne der Rsp des Verwaltungsgerichtshofes ein hohes Maß an Integration zugemessen werden. Dafür spricht insbesondere die langjährige und fast durchgehende Berufstätigkeit des Bw, welche auch von der belangten Behörde nicht in Abrede gestellt wird. Zusätzlich dazu zeigt das soziale Engagement des Bw im Rahmen des zuvor genannten Vereines, dass dieser auch außerhalb der beruflichen Integration gesellschaftlich integrative Momente aufweist.

 

Auch kann der Bw auf ein abgeschwächtes soziales Netzwerk verweisen, indem er bei seinen Arbeitskollegen Anerkennung und Wertschätzung findet und sich diese auch für den Verbleib in Österreich einsetzen würden.

 

Positiv wird auch die strafrechtliche Unbescholtenheit des Bw bemerkt.

 

Demgegenüber steht lediglich der Umstand, dass der Bw keine (kern)familiäre Bindungen an Österreich hat. Seine Mutter, seine Frau und seine beiden Kinder leben nach wie vor im Heimatstaat und werden von ihm finanziell unterstützt. Dies betrifft jedoch hauptsächlich sein Familienleben.

 

Zu bemerken ist, dass der Bw in seinem Herkunftsland die Grundschule und bis 1985 eine allgemein bildende höhere Schule besucht hat.

 

Der Bw spricht überdies albanisch und serbo-kroatisch.

 

Im Lichte der jüngsten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist im vorliegenden Fall überdies nicht mehr die Frage eines unsicheren Aufenthalts nach § 61 Abs. 2 Z8 FPG näher zu erörtern, sondern bei einer Gesamtbetrachtung aller Umstände festzustellen, dass die für die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung sprechenden privaten Elemente die des öffentlichen Interesses gemäß Artikel 8 Abs.2 EMRK überwiegen.

 

Nicht zuletzt ist davon auszugehen, dass gemäß § 61 Abs.2 Z9 FPG von einer eher in die Sphäre der Behörden fallenden langen Verfahrensdauer gesprochen werden muss.

 

Die dargelegten Umstände verleihen daher dem persönlichen Interesse des Bw am Verbleib in Österreich ein solches Gewicht, dass die Ausweisung unverhältnismäßig ist (vgl zu ähnlichen Konstellationen VwGH vom 26. August 2010, Zlen. 2010/21/0206 und 2010/21/0009).

 

4.4.4. Im Ergebnis ist daher auch eine Rückkehrentscheidung im Hinblick auf das Privatleben des Bw gem § 61 Abs. 3 FPG auf Dauer unzulässig.

 

4.5. Es war daher der Berufung stattzugeben, der angefochtene Bescheid aufzuheben und es war spruchgemäß zu entscheiden.

 

5. Im Hinblick darauf, dass der Bw ausreichend der deutschen Sprache mächtig ist, konnte gemäß § 59 Abs. 1 FPG von der Übersetzung des Spruches und der Rechtsmittelbelehrung Abstand genommen werden.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro angefallen.

Mag. Stierschneider

 

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