Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-166445/13/Br/Th

Linz, 22.11.2011

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn X, geb. am X, X, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. X,  gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land, vom 29.09.2011, Zl. VerkR96-1388-2011,  nach der am 22.11.2011 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung, zu Recht erkannt:

 

 

I.     Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird in beiden Punkte behoben und das Verwaltungsstrafverfahren  nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

 

II.    Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

I.          § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 111/2010 - AVG iVm  § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 111/2010 - VStG.

II.         § 66 Abs.1 VStG

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis hat die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land  über den Berufungswerber wegen der Übertretung nach § 4 Abs.5 iVm § 99 Abs.3 lit.b StVO 1960 eine Geldstrafe in Höhe von 130 Euro und für den Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 65 Stunden verhängt, wobei ihm sinngemäß zur Last gelegt wurde,  er habe am 26.09.2010, 10.25 Uhr, in Linz, in der X, gegenüber Haus Nr. X, als Lenker des Pkw mit dem Kennzeichen X, einem Verkehrsunfall mit Sachschaden verursacht und habe es unterlassen hiervon ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle zu verständigen.

Überdies wurde der Berufungswerber gemäß § 64 VStG zur Leistung  eines Kostenbeitrages im erstinstanzlichen Verfahren in der Höhe von 13 Euro verpflichtet.

 

 

1.1. Die Behörde erster Instanz führte begründend folgendes aus:

"Am 26.9.2010 wurde an der Polizeiinspektion Schubertstraße angezeigt, dass ein Augenzeuge beobachtet hat, dass im Zuge eines Einparkversuchs nächst dem Haus X ein dort abgestellter roter PKW Renault Megane beschädigt wurde. Da der beschuldigte Lenker nicht seitlich einparken konnte nahm "er einen weiteren Einparkversuch vor. Von der Bundespolizeidirektion Linz wurde zunächst der Zulassungsbesitzer bestraft, wobei dieser Einspruch erhob und Sie als Lenker benannte, da er Ihnen zu jener Zeit das Fahrzeug geborgt hatte. Das Verwaltungsstrafverfahren wurde aufgrund Ihres Wohnsitzes an die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land abgetreten und über Sie eine Geldstrafe in derselben Höhe verhängt. Sie beeinspruchten über Ihren Rechtsvertreter die Strafverfügung und begründeten diesen im Wesentlichen damit, dass Sie keine Möglichkeit hatten, den Eintritt des Sachschadens zu erkennen, zudem sei der Spruch nicht genug bestimmt und die Tat geringfügig und damit die verhängte Geldstrafe weitaus überhöht, weshalb das Verfahren einzustellen oder eine Ermahnung angebracht oder die verhängte Strafe herabzusetzen sei. Im Rahmen des ordentl. Verfahrens wurde der Anzeigeleger (als Augenzeuge) vernommen, welcher angeben konnte, dass er den Anstoß, als Lenker ungefähr 15 Meter hinter dem Unfalllenker befindlich - deutlich wahrnehmen konnte. Sie wurden vom Ergebnis der Beweisaufnahme verständigt und entgegneten am 6.7.2011, dass bestritten wird, dass Sie sich zur Tatzeit in Linz aufhielten und dass sich der Zulassungsbesitzer bei der Lenkerbekanntgabe geirrt haben könnte, weshalb alle bekannten Zeugen zu vernehmen seien und zu erheben sei, weshalb der Zulassungsbesitzer des Tatfahrzeuges (X) keine Schadensersatzforderungen geltend gemacht hat.

 

Darüber hat die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land Folgendes erwogen: Folgende Normen der StVO wurden von Ihnen verletzt:

§4 Abs. 5 StVO:

Wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, haben die im Abs.1 genannten Personen die nächste Polizeidienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs.1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.

 

Es fällt auf, dass Sie in Ihren Einspruchsangaben vom 29.03.2011 keineswegs in Abrede stellten, das Tatfahrzeug gelenkt zu haben, vielmehr wollen Sie nur nicht wahrgenommen haben, zur Vorfallszeit einen Schaden verursacht zu haben, wogegen Sie in Ihrer späteren Stellungnahme vom 6.7.2011 plötzlich bestreiten, das Tatfahrzeug gelenkt zu haben. Ihren Einspruchsangaben vom 29.3.2011 ist (lediglich) zu entnehmen, dass der Spruch nicht dem Bestimmtheitsgebot entspricht und das Strafausmaß in Verbindung mit Ihrem geringen Einkommen weitaus überhöht sei. Erst in Ihrer Stellungnahme vom 6.7.2011 wird bestritten, dass Sie sich am 26.9.2010 (überhaupt) in Linz aufgehalten haben und es wurde beantragt, alle bekannten Zeugen zu vernehmen seien.

 

Die Behörde stützt sich auf die glaubwürdigen Angaben des Augenzeugen, der sich an den Vorfall im Rahmen der Zeugenvernehmung noch gut erinnern konnte und den Anstoß des von Ihnen gelenkten PKW an das im Bereich des Lokals "X" in der X an einem roten PKW wahrgenommen hat, da das Heck des roten Fahrzeuges ein wenig nach hinten in die Fahrbahn ragte. Der Augenzeuge kann allerdings keine Angaben machen, ob Sie den Schaden bemerkt haben oder ihn (bei allfälligem Bemerken hernach) in Augenschein genommen haben. Fragwürdig erscheint allerdings, dass vonseiten der Bundespolizeidirektion Linz gleich der Zulassungsbesitzer bestraft wurde, ohne den Lenker zu ermitteln. Der Lenker wurde erst im Zuge der Einspruchserhebung vom zuvor bestraften Zulassungsbesitzer benannt, welcher angab, dass er sein Fahrzeug an Sie "vom 25.09.2010 - 27.09.2010 an meinem Freund und Verwandte: Herrn X (...) ausgeborgt hat. Damit wurden Sie für die Vorfallszeit (26.09.2010, gegen 10.25 Uhr) nun als Lenker des Tatfahrzeuges am Tatort benannt.

 

Zum "Wissen" bzw. "Wissen müssen" stellt der VwGH in seiner ständigen Rechtsprechung fest, dass "Tatbestandsmäßigkeit" schon dann gegeben ist, "wenn dem Täter objektive Umstände zu Bewusstsein gekommen sind oder bei gehöriger Aufmerksamkeit hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Unfalles zu erkennen vermocht hätte" (stRspr; z.B. VwGH, 27.6.1985, 85/18/0235 usw.). Es reicht also die Schuldform der Fahrlässigkeit aus. "Bei einem Aus- und Einparkmanöver, bei welchem die Gefahr besteht, andere Fahrzeuge zu beschädigen, hat der Fahrzeuglenker bei Anwendung der von ihm zu fordernden Sorgfaltspflicht [hier beispielsweise zitiert] entweder auf den Betrieb des Autoradios zu verzichten oder eine derartige Lautstärke zu. wählen, dass er in der Lage ist, ein Anstoßgeräusch zu bemerken" (VwGH, 9.11.1988, 88/03/0043). Demzufolge hätten Sie Ihre ganze Aufmerksamkeit beim Einparken auch dem am Schrägparkplatz am linken Fahrbahnrand abgestellten roten Fahrzeug widmen sollen, selbst dann wenn diese nicht StVO-konform abgestellt war, wenn dieses "ein wenig nach hinten in die Fahrbahn ragte", wie der Augenzeuge angibt. Die Behörde geht davon aus, dass Sie die genannte Übertretung des § 4 StVO somit fahrlässig begingen und nun versuchen, sich der verhängten Geldstrafe zu entziehen, indem Sie die Angaben des Zulassungsbesitzers, der Ihnen das Fahrzeug für die Vorfallszeit zur Verfügung stellte, in Zweifel ziehen. Ein Erkundungsbeweis der Behörde, sämtliche bekannten Zeugen zu vernehmen bzw. das betroffene Fahrzeug zu besichtigen bzw. den Zulassungsbesitzer dieses Tatfahrzeuges (VW Sharan, schwarz, Kennzeichen X) zu befragen, weshalb er Ihnen (laut Lenkerangabe "seinem Freund und Verwandten") keine Schadensersatzforderung stellte, wird für nicht notwendig erachtet, da die bekannten Fakten (Zeugenvernehmung, Lichtbilder in der Anzeige über den Schaden sowie Ihre Lenkerbenennung durch den Zulassungsbesitzer für ausreichend erachtet werden.

 

Gemäß § 5 Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

 

Zur Strafbemessung wird folgendes ausgeführt:

 

§ 19 VStG regelt die Bemessung der zu verhängenden Strafe. Darin heißt es unter Abs. 1.: Grundlage für die Bemessung der Strafe ist stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Unstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. In Abs.2 wird ausgeführt: Im ordentlichen Verfahren sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Im Rahmen der Aufforderung zur Rechtfertigung und der Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme wurden Sie gleichzeitig aufgefordert, bis zum vorgegebenen Termin Ihre Einkommens, Vermögens- und Familienverhältnisse anzugeben, widrigenfalls diese wie folgt geschätzt werden: Einkommen: 1.500 Euro, kein Vermögen, kein Sorgepflichten. Am 30.6.2011 teilten Sie mit: monatliches Nettoeinkommen von 600 Euro (Pension), kein Vermögen, keine Sorgeverpflichtungen.

 

Die verhängte Geldstrafe erscheint unter Berücksichtigung der vorgenannten Umstände schuld- und unrechtsangemessen. Der Milderungsgrund der verwaltungsrechtlichen Unbescholtenheit kommt Ihnen zugute. Die verhängten Geldstrafen schöpfen den jeweiligen Strafrahmen nicht aus und können daher als schuldangemessen betrachtet werden.

 

Die Höhe der verhängten Geldstrafe sollte ausreichen, Sie in Hinkunft von der Übertretung dieser Norm abzuhalten.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

 

Die Entscheidung über die Kosten des Strafverfahrens gründet sich auf die im Spruch zitierten Gesetzesstellen.

 

 

2. Dagegen wendet sich der Berufungswerber mit seiner fristgerecht durch den ausgewiesenen Rechtsvertreter erhobenen Berufung mit nachfolgendem Inhalt:

"Gegen das Straferkenntnis der BH Wels-Land vom 29.09.11, AZ: VerkR96-1388-2011, zugestellt am 10.10.11, wird sohin binnen offener Frist das Rechtsmittel der

 

B e r u f u n g

erhoben:

 

Das angeführte Straferkenntnis wird seinem gesamten Inhalt nach wegen unrichtiger Sachverhaltsfeststellungen, wegen Verletzung, von Verfahrensvorschriften und Begründungsmängeln, sowie inhaltlicher Rechtswidrigkeit bekämpft.

 

 

Nach dem gegenständlichen Straferkenntnis wird Herrn X angelastet am 26.09.10 in Linz, X gegenüber Haus Nr. X, als Lenker des PKW VW Sharan, KZ: X, mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden zu sein und nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle verständigt zu haben.

 

Er habe dadurch die Rechtsvorschrift des § 4 Abs. 5 StVO verletzt und wurde eine Geldstrafe von € 130,00 verhängt.

 

Die Feststellungen, welche Grundlage des gegenständlichen Straferkenntnisses bilden, werden als unrichtig bestritten.

 

Der Beschuldigte hat die angelastete Verwaltungsübertretung nicht begangen.

 

Die Behörde führt unzutreffend an, dass die Übertretung aufgrund der glaubwürdigen Angaben des Anzeigelegers als erwiesen anzusehen sei.

 

Vom Zulassungsbesitzer sei Herr X als Lenker des Tatfahrzeuges benannt worden.

 

Dem ist entgegenzuhalten:

 

Aus der vorliegenden Aussage des X vom 03.06.11 ergeben sich keine Anhaltspunkte, die den gegenständlichen Tatvorwurf gegen Herrn X begründen oder beweisen könnten. Der Zeuge kann weder das „Tatfahrzeug" näher konkretisieren (obwohl ihm die auffällige Werbeaufschrift in Erinnerung hätte bleiben müssen), noch konkrete Angaben zum Lenker dieses „Tat"-Fahrzeuges machen.

 

Für einen Schuldbeweis ist die Aussage des X damit nicht geeignet bzw. in keinster Weise ausreichend.

 

In der Stellungnahme vom 06.07.11 hat Herr X auch klargestellt, dass er einmal an einem Samstag im September 2010 (das genaue Datum ist ihm nicht mehr geläufig) einen Firmenwagen der Fa. „X" ausgeliehen hat und er damit (begleitet von einem Bekannten) von Linz-Urfahr nach Sattledt und retour gefahren ist. Er ist dabei aber nicht durch die Schillerstraße in Linz gefahren und hat jedenfalls auch nicht vor einem Lokal „X" eingeparkt.

 

Hervorzuheben ist jedenfalls, dass es niemals zu einer förmlichen Lenkererhebung im Sinne des § 103 Abs.2 KFG gekommen ist.

 

Verständlich ist insoweit, dass sich der Zulassungsbesitzer gegen eine Bestrafung seiner Person „gewehrt hat". Ob dessen Angaben zum Lenker im fraglichen Zeitraum jedoch richtig waren, wurde in der Folge durch die Behörde gar nicht weiter geprüft.

 

Möglicherweise ist es bei der Lenkerbekanntgabe (welche Erhebung nur beim Zulassungsbesitzer durchgeführt wurde) möglicherweise auch unabsichtlich zu einem Fehler gekommen und wurde Herr X unzutreffend als Lenker des VW Sharan am 26.09.10 angeführt. An diesem Tag hat Herr X den Firmen-PKW jedenfalls NICHT gelenkt.

 

Insoweit kann auch von keinem „Widerspruch" zu den Angaben im Einspruch gesprochen werden. Der Beschuldigte hat bereits im Einspruch eine grundsätzliche Bestreitung des Tatvorwurfes vorgenommen, welche unzweifelhaft auch die Bestreitung inkludierte, dass der Beschuldigte das Fahrzeug - zum „Tatzeitpunkt" - überhaupt gelenkt hat. Da er erst durch die Strafverfugung vom 17.03.11 (und damit nach einem halben Jahr) mit dem gegenständlichen Vorwurf konfrontiert worden war, sind ihm die genauen Daten durchaus nachvollziehbar (zunächst) nicht mehr in Erinnerung gewesen.

 

Die Behörde hat jedenfalls wesentliche Beweisanträge, welche der Beschuldigte im Einspruch und der Stellungnahme vom 06.07.11 gestellt hat, unberücksichtigt gelassen, sodass von schwerwiegenden Verfahrensmängeln auszugehen ist.

 

So wurde ausdrücklich die zeugenschaftliche Einvernahme von Herrn X. X, beantragt. Dieser hat Herrn X bei jener Fahrt (an einem Samstag) im September 2010 begleitet und kann daher unmittelbare Wahrnehmungen zur Entlastung des Beschuldigten wiedergeben.

 

Beantragt wurde auch die Durchführung einer Gegenüberstellung des X (offenbar des „Augenzeugen" - im vorliegenden Straferkenntnis wird dieser nicht namentlich benannt) mit Herrn X, zum Beweis dafür, dass letzterer den vom Zeugen am 26.09.10 beobachteten VW Sharan nicht gelenkt hat.

 

Auch die beantragte amtswegige Erhebung beim Zulassungsbesitzer des PKW VW Sharan mit dem KZ X (Fa. X), zum Beweis dafür, dass Herr X dieses Fahrzeug am 26.09.10 nicht benutzt hat, ist unterblieben. Angemerkt werden muss, dass die Behörde dazu schon aufgrund der Vorschrift des § 103 Abs.2 KFG von Amts wegen verpflichtet gewesen wäre.

 

Dadurch hätte aber festgestellt werden können, dass Herr X das fragliche Fahrzeug am 26.09.10 gar nicht gelenkt bzw. benützt hat.

 

Erhoben wurde offenkundig auch nicht, ob das fragliche „rote Fahrzeug" überhaupt beschädigt wurde (es fehlen dazu konkrete Feststellungen im vorliegenden Straferkenntnis). Auch in diesem Zusammenhang wurden offenbar keinerlei amtswegige Ermittlungen geführt und hat die Behörde auch den Beweisantrag in der Stellungnahme vom 06.07.11 unrichtig interpretiert. Die beantragte Erhebung beim Zulassungsbesitzer (bezüglich Schadenersatzforderungen des Besitzers des „roten Fahrzeuges"!) hätte dieser Klärung gedient.

 

Nicht überprüft wurde zudem, ob ein entsprechender Schaden am VW Sharan vorhanden ist. Nach dem Vorbringen des Beschuldigten sind am angeführten Fahrzeug keinerlei Spuren vorhanden, die auf die Beteiligung an einem Verkehrsunfall mit Sachschaden hindeuten würden. Auch hier hätte deshalb schon von Amts wegen eine Überprüfung erfolgen müssen.

 

Beweisanträge dürfen nur dann abgelehnt werden, wenn Beweistatsachen als wahr unterstellt werden, es auf sie nicht ankommt oder das Beweismittel - ohne unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung - untauglich ist (siehe VwGH 22.01.1987, 86/16/0221). Beweisanträgen ist somit stattzugeben, falls dies im Interesse der Wahrheitsfindung notwendig erscheint (VwGH 16.01.1992, Slg 13560A).

 

Wäre den gestellten Beweisanträgen entsprochen worden, so hätte die Behörde zu einem anderen Bescheidergebnis gelangen können und müssen und hätte jedenfalls keine Bestrafung der betroffenen Partei erfolgen dürfen.

Die belangte Behörde stützt sich letztlich bei der Feststellung des im Spruch angeführten Sachverhaltes ausschließlich auf Zeugenaussagen, deren Objektivität durchaus fraglich ist und von der Behörde nicht näher geprüft wurde.

 

Dass nach Ansicht der Behörde den Angaben in einem Einspruch keine Relevanz zukomme, entbindet die zur Entscheidung berufene Behörde nicht davon, das ordnungsgemäße Ermittlungsverfahren durchzuführen, die vorliegende Beweisergebnisse sorgfältig zu prüfen (auch in Richtung des Entlastungsbeweises für den Beschuldigten) und insbesondere sämtliche Beweisanträge einzuholen. Da dies im vorliegenden Fall unterblieben ist, liegt eine Verletzung des Grundsatzes auf Durchführung eines fairen Verfahrens vor.

 

In diesem Zusammenhang ist auch die Verletzung der Begründungspflicht nach §58 Abs.3 AVG zu rügen. Für die unterlassenen Beweisaufnahmen wurde keine ausreichend und hinlänglich nachvollziehbare Begründung gegeben.

 

In den diesbezüglichen Unterlassungen der Behörde zur umfassenden Ermittlung des relevanten Sachverhaltes sind daher schwerwiegende Verfahrensmängel zu erkennen und hätte die Behörde andernfalls zu einem anderen Bescheidergebnis gelangen müssen. Der vorliegende Bescheid ist sohin schon aus diesem Grund zu beheben.

 

Überhaupt ist nochmals festzuhalten, dass durch die Behörde keine Feststellung darüber getroffen wird, dass ein Schaden (und welcher ?) am angeblich beschädigten „roten Fahrzeug" (das der Zeuge X ebenfalls nicht näher beschreiben konnte) oder am VW Sharan eingetreten ist.

 

Es fehlt daher schon die grundlegende Voraussetzung für eine Bestrafung gemäß § 4 Abs. 5 StVO.

 

Gemäß § 44a Z 1 VStG hat der Spruch „die als erwiesen angenommene Tat" zu enthalten. Das heißt, dass jene Tat im Spruch so eindeutig umschrieben sein muss, dass kein Zweifel darüber besteht, wofür der Täter bestraft worden ist (siehe VwGH 03.10.1985, Slg 11984 A).

 

Diesem Bestimmtheitsgebot entspricht der vorliegende Spruch nicht. Eindeutige und konkrete Feststellungen der Behörde zum „Verkehrsunfall mit Sachschaden" fehlen im angefochtenen Bescheidspruch.

 

Damit liegt eine inhaltliche Rechtswidrigkeit vor.

 

Hinsichtlich des Verschuldens verweist die Behörde auf § 5 Abs.1 VStG. Danach genüge zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten.

 

Die Glaubhaftmachung iSd § 5 Abs.1 VStG, dass den Beschuldigte an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft, hält die Behörde offenbar für nicht gelungen.

 

Die rechtliche Begründung der Behörde ist allerdings unzutreffend.

 

Tatsächlich hat die Behörde dem Täter grundsätzlich nicht nur den objektiven Tatbestand, sondern auch das Verschulden nachzuweisen. Die Beschuldigte hat im Einspruch und in der Stellungnahme vom 06.07.11 alles dargelegt, was für seine Entlastung spricht. Er hat geeignetes Tatsachenvorbringen erstattet und konkrete Beweisanträge gestellt. Gemäß § 37 i.V.m. § 39 Abs.2 AVG ist die Behörde verpflichtet, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen (siehe VfGH 04.04.2001, 99/09/0143). Die Regelung des § 5 Abs.1 2.Satz VStG befreit die Behörde nicht von der Verpflichtung, im Hinblick auf § 25 Abs.2 VStG von sich aus alle Umstände zu berücksichtigen, von denen sie bereits bei der Ermittlung des äußeren Tatbestandes Kenntnis erlangt hat. (Siehe Erkenntnis vom 17.04.1956,904/55, Slg. 4046 A).

 

Herr X hat keine Kenntnis von einem Verkehrsunfall, welcher sich laut Strafverfügung zum fraglichen Zeitpunkt 26.09.10 in Linz ereignet haben soll. Es sind ihm auch keinerlei Umstände bekannt geworden, aus denen sich die Berechtigung des gegenständlichen Vorwurfes ergeben würde. Im Besonderen bestand für ihn bereits objektiv auch keine Möglichkeit, dass er den Eintritt eines Verkehrsunfalls mit Sachschaden zu erkennen vermocht hätte.

 

Herr X hat keine Wahrnehmungen über einen Verkehrsunfall gemacht. Selbst im vorliegenden Straferkenntnis findet sich darüber kein Nachweis. Die Aussage des „Augenzeugen" spricht sogar gegen den behördlichen Vorwurf („Ob der Unfallenker bemerkt hat, dass er an dem roten Fahrzeug angefahren ist, kann ich nicht sagen." - Zeuge X am 03.06.11)

 

Sollte sich trotzdem ergeben, dass dem Beschuldigten eine Verletzung von Rechtsvorschriften anzulasten ist, so würde sich diese als geringfügig darstellen. Da ein Verschulden subjektiv nicht vorwerfbar wäre (dieses jedenfalls geringfügig ist) und die Folgen der Übertretung (offenbar) unbedeutend sind, wäre gemäß § 21 VStG von der Verhängung einer Strafe abzusehen. Eine Bestrafung erscheint weder aus spezialpräventiven, noch generalpräventiven Gründen geboten. Der Betroffene kann als durchaus gereifte Autofahrerpersönlichkeit eingestuft werden, sodass es nicht der Verhängung einer Strafe bedarf, um ihn von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten.

 

Überdies ist die verhängte Geldstrafe von € 130,00 weitaus überhöht. Diese Strafe ist in Verbindung mit der Ersatzfreiheitsstrafe von 65 Stunden weder schuld- noch tatangemessen.

 

Der Betroffene verfugt nur über ein geringes Einkommen aus einer Invaliditätspension. Er ist ansonsten auf die Unterstützung von Freunden angewiesen.

 

Herr X darf derzeit nicht arbeiten, als er über keinen gültigen Aufenthaltstitel verfugt. Dazu darf festgehalten werden, dass bereits am 03.08.09 (!) ein Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung aus „humanitären" Gründen bei der BH Wels-Land eingebracht wurde. Darüber liegt noch keine Entscheidung vor.

 

Unter Berücksichtigung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse ist die verhängte Strafe jedenfalls überhöht. Die belangte Behörde hätte jedenfalls von ihrem außerordentlichen Strafmilderungsrecht Gebrauch machen müssen.

 

Aus all diesen Gründen wird daher gestellt der

 

A n t r a g:

Die Berufungsbehörde möge

1)    das Straferkenntnis der BH Wels-Land vom 29.09.11, AZ: VerkR96-1388-2011, aufheben und das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren ersatzlos einstellen.

2)    In eventu möge die Rechtsmittelbehörde das angeführte Straferkenntnis aufheben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidungsfindung an die Erstbehörde zurückverweisen;

3)    in eventu möge die Behörde gemäß § 21 VStG jedenfalls von der Verhängung einer Strafe absehen;

4)     jedenfalls die verhängte Strafe auf ein angemessenes Maß herabsetzen.

 

Wels, am 21.10.11                                                                                                    X"

 

 

3. Mit der Aktenvorlage wurde die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates begründet. Dieser ist, da weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen (§ 51c VStG).

3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verfahrensakt, sowie durch zeugenschaftliche Einvernahme des Zulassungsbesitzers, X, sowie des Aufforderers und Vorfallszeugen X im Rahmen der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung (§ 51e Abs.1 Z1 VStG).

 

 

4. Eingangs gilt es festzustellen, dass vorerst auf Grund dieser "Privatanzeige" gegen den Zulassungsbesitzer X am 2.2.2011 eine Strafverfügung wegen des Verstoßes gegen § 4 Abs.5 StVO erlassen wurde. Diese wurde vom Genannten am 9.2.2011 (E-Mail) unter Bekanntgabe des Namens des nunmehrigen Berufungswerbers mit dem Hinweis   beeinsprucht, dass dem Letztgenannten (Freund und Verwandten) das Fahrzeug zwischen 25.9.2010 bis 27.9.2010 überlassen gewesen sei.

In der Folge wurde am 17.3.2011 und damit noch binnen der offenen Verfolgungsfrist gegen diesen eine Strafverfügung  erlassen.

 

 

4.1. Feststellungen im Berufungsverfahren:

Erwiesen gilt, dass der Lenker des auf X zugelassenen Kraftfahrzeuges beim Einparken in der X, Höhe des Hauses Nr. X zu einer Beschädigung eines anderen dort abgestellten Fahrzeug gekommen ist. Hiefür wurde von der Haftpflichtversicherung des Zulassungsbesitzers laut dessen Zeugenaussage ein Schadenersatz an den Geschädigten in der Höhe von etwas über 900 Euro geleistet.

Vom Augenzeugen und Anzeiger  X wurde der Vorfall aus einer Entfernung von etwa 20 m wahrgenommen, als er an der Weiterfahrt wegen des im Rückwärtsgang einparkenden Fahrers des Schädigerfahrzeuges kurz gehindert war.  Dabei konnte dieser Zeuge deutlich sehen, dass der einparkende Fahrer gegen das neben ihm abgestellte Fahrzeug gestoßen war. Im Rückspiegel blickte er noch nach dem aussteigenden Lenker, den er als dunkelhaarigen Mann wahrnahm, aber nicht als den (im Verhandlungssaal sitzenden) Beschuldigten identifizieren konnte. Jedenfalls als er nach dem Abstellen seines Fahrzeuges von der ONr. X zum Unfallort  zurückgegangen war, sah er das Schädigerfahrzeug auf einem gegenüberliegenden Parallelparkplatz abgestellt, fand aber keinen Verständigungszettel am beschädigten Fahrzeug vor. Dies war der Grund, dass er bei unmittelbar in der Nähe liegenden Polizeiinspektion die Anzeige erstattete.

 

 

4.2. Der Zulassungsbesitzer wollte sich anlässlich der Berufungsverhandlung, wegen eines bestehenden Verwandtschaftsverhältnisses zu dem von ihm als Lenker bezeichneten Berufungswerber, seiner Aussage entschlagen. Dafür bestanden aber ob des offenbar fernen Verwandtschaftsgrades keine gesetzliche Grundlage. Die Aussage des Zulassungsbesitzers über die Lenkereigenschaft des Berufungswerbers blieb letztlich vage und überzeugte ganz und gar nicht. Es konnte der Eindruck gewonnen werden, dass der Berufungswerber – aus welchen familiären oder freundschaftlichen Verquickungen auch immer – den Berufungswerber allenfalls bloß tatsachenwidrig als den möglichen Lenker benannte. Er hatte sich angeblich auch bereit erklärt gehabt dem Berufungswerber die allfällige Strafe zu bezahlen. Dafür konnte der Zulassungsbesitzer im Verlaufe der Berufungsverhandlung – wo er sich aus unerfindlichen Gründen für diesen Vorfall als schuldig zu fühlen bezeichnete – keine schlüssigen Argumente nennen. Ebenfalls blieb im Dunkeln, wer ihm letztlich den an seinem Fahrzeug von der Polizei angebrachten Verständigungszettel überbrachte. Ursprünglich benannte er diesbezüglich den Berufungswerber, als dieser dies jedoch energisch bestritt, könnte der Überbringer des Verständigungszettel ein bereits nach Abschluss der Zeugenvernehmung vom Zulassungsbesitzer namhaft gemachter angeblicher Cousin des Zulassungsbesitzers, X, gewesen sein. So gesehen lässt sich aus dieser nun vagen Zeugenaussage, die im Ergebnis auf seiner Verantwortung als damals noch Beschuldigter beruhte, "er hätte die Tat nicht begangen, weil er in der Zeit v. 25. bis 27.9.2010 dem X das Fahrzeug überlassen gehabt hätte", dessen Lenkereigenschaft jedenfalls nicht beweistauglich festgestellt gelten.  

Da letztlich eine Lenkeridentifizierung nicht erfolgte und die Verantwortung des Berufungswerbers im Laufe der Berufungsverhandlung durchaus glaubwürdig erschien, kann seine Lenkeigenschaft jedenfalls nicht erwiesen gelten. Vielmehr scheint die Bekanntgabe des Zulassungsbesitzers im Zuge des ursprünglich von ihm erhobenen Einspruches vom 9.2.2011 über die damalige Überlassung des KFZ an den Berufungswerber idZ vom 25. bis 27.9.2011 eher unzutreffend.

 

 

5. Da letztlich die damalige Lenkereigenschaft des Berufungswerbers nicht nur als nicht erwiesen, sondern die wahren Umstände nicht mehr aufklärbar gelten kann, war das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG einzustellen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. B l e i e r

 

 

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