Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-222519/7/Kl/Pe

Linz, 09.11.2011

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Ilse Klempt über die Berufung des Herrn x, vertreten durch Rechtsanwälte‚ x, x, x, x, x, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 29.7.2011, GZ. 9696/2011, wegen einer Verwaltungsübertretung nach der Gewerbeordnung 1994 nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 28.9.2011 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II. Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z1 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

zu II: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 29.7.2011, GZ. 9696/2011, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) eine Geldstrafe von 200 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 31 Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 1 und 52 Abs.4 GewO 1994 iVm § 1 Z5 der Verordnung des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 17.11.2009 über das Verbot der Ausübung gewerblicher Tätigkeiten mittels Automaten verhängt, weil er als Gewerbeinhaber und Betreiber des Handelsgewerbes im Standort x, x, folgende Verwaltungsübertretung zu verantworten hat:

Im Zuge einer Kontrolle durch Organe des Magistrates, TBL Abt. Straßenverwaltung am 1.3.2011 wurde festgestellt, dass vom Beschuldigten im Standort x, x, das Handelsgewerbe durch den Verkauf mittels zwei Automaten ausgeübt wird. Es wurden Süßigkeiten sowie Kleinspielwaren in Automaten zum Verkauf angeboten. Gemäß § 1 Abs.4 GewO wird das Anbieten einer gewerblichen Tätigkeit an einen größeren Personenkreis der Ausübung des Gewerbes gleichgehalten. Das – wie im vorliegenden Fall – Anbieten von Waren mittels Automaten stellt unstrittig ein solches Anbieten an einen größeren Personenkreis dar.

Die gegenständlichen Automaten befinden sich 26,32 m Luftlinie von der Haltestellentafel der Bushaltestelle x (Haltestelle des öffentlichen Verkehrs) entfernt und somit innerhalb eines Umkreises von 50 m zu dieser Haltestellentafel. Gemäß § 1 Z5 iVm Z4 der Verordnung des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 17.11.2009 über das Verbot der Ausübung gewerblicher Tätigkeiten mittels Automaten, iVm mit § 52 Abs.4 Gewerbeordnung ist die Ausübung gewerblicher Tätigkeit mittels Automat zur Abgabe von Süßigkeiten wie Zuckerl, Kaugummi u.a. sowie Kleinspielwaren im Umkreis von 50 m gemessen von einer Haltestellentafel bei einer Haltestelle des öffentlichen Verkehrs verboten.

Somit wurde vom Beschuldigten am 1.3.2011 auf eigene Rechnung und Gefahr in Ertragsabsicht das Handelsgewerbe mittels Automaten in verbotener Weise, da innerhalb der o.a. Verbotszone, ausgeübt.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und geltend gemacht, dass für einen Verstoß Feststellungen erforderlich seien, dass die gegenständliche Haltestelle erfahrungsgemäß viel von unmündigen Minderjährigen besucht werde, also in besonderem Maß und daher mehr als andere von unmündigen Minderjährigen besucht werde. Selbst wenn zwar die Haltestelle von unmündigen Minderjährigen auf dem Weg von oder zur Schule frequentiert würde, wäre damit noch kein Verstoß gegen den Schutzzweck der angesprochenen Norm begründet. Es müsse sich um eine Haltestelle handeln, die mehr als andere Haltestellen von unmündigen Minderjährigen aufgesucht wird. Die Verordnung des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz verstoße außerdem gegen das Bestimmtheitsgebot, weil nicht zu ersehen ist, ob sich der Schutzkreis auf eine Luftlinie oder eine Gehstrecke beziehe.

 

3. Der Magistrat der Stadt Linz hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme, insbesondere in die der Anzeige beigeschlossenen Fotos bzw. das Orthofoto, sowie durch Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 28.9.2011, zu welcher die Verfahrensparteien geladen wurden. Der Bw hat durch seinen Rechtsvertreter teilgenommen, weiters hat ein Vertreter der belangten Behörde teilgenommen. Es wurde der Zeuge x geladen und einvernommen.

 

4.1. Im Grunde des durchgeführten Beweisverfahrens steht fest, dass der Bw eine Gewerbeberechtigung für das Handelsgewerbe am Standort x, x, besitzt, und am 1.3.2011 am Standort x, x, durch betriebsbereite Automaten, welche mit Süßigkeiten sowie Kleinspielwaren befüllt waren und diese Waren zum Verkauf angeboten haben, das Handelsgewerbe ausgeübt wurde. Die Automaten befinden sich in 26,30 m Luftlinie von der Haltestellentafel der Bushaltestelle x (Haltestelle des öffentlichen Verkehrs) entfernt. Die Automaten stehen laut Plakette im Eigentum des Bw. Die Automaten wurden am Haus x befestigt und sie befinden sich schräg gegenüber der Bushaltestelle. Die Bushaltestelle ist unmittelbar vom Automaten aus ersichtlich und umgekehrt. Bei der Haltestelle handelt es sich um eine O-Bus- und Autobushaltestelle, also ein öffentliches Verkehrsmittel. In unmittelbarer Nähe der Haltestelle befindet sich weder ein Schul- noch ein Kindergarteneingang. Das Verkehrsmittel wird von der Bevölkerung der dort befindlichen Wohngegend frequentiert, zumal das Verkehrsmittel x eine öffentliche Aufschließung dieses Wohngebietes und auch des daneben liegenden Wohngebietes darstellt. Die Benutzer sind allgemein Personen des Wohngebietes, es wird auch von unmündigen Minderjährigen benutzt.

 

4.2. Diese Feststellungen gründen sich auf die im Akt vorliegenden Fotos sowie die damit übereinstimmenden Aussagen des einvernommenen Zeugen. An der Glaubwürdigkeit des Zeugen bestehen keine Zweifel. Im Übrigen war der Zeuge auch zehn Jahre im Vermessungsdienst tätig.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 367 Z15 Gewerbeordnung 1994 – GewO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 2.180 Euro zu bestrafen ist, wer ein Gewerbe mittels Automaten entgegen § 52 Abs.2 oder entgegen den Bestimmungen einer Verordnung gemäß § 52 Abs.3 oder 4 ausübt, wenn nicht der Tatbestand des § 366 Abs.1 Z1 gegeben ist.

 

Gemäß § 52 Abs.4 GewO 1994 kann, soweit dies zum Schutz von unmündigen Minderjährigen vor unüberlegten Geldausgaben oder vor Gefahren des Straßenverkehrs erforderlich ist, die Gemeinde durch Verordnung die Ausübung gewerblicher Tätigkeiten mittels Automaten, die erfahrungsgemäß besonders auf die Inanspruchnahme durch unmündige Minderjährige ausgerichtet sind

....

2.  bei Aufnahmestellen des öffentlichen Verkehrs, die erfahrungsgemäß viel von unmündigen Minderjährigen auf dem Weg zur oder von der Schule benützt werden ... untersagen.

 

Gemäß der Verordnung des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 17.11.2009 über das Verbot der Ausübung gewerblicher Tätigkeiten mittels Automaten, Amtsblatt Nr. 23/2009, wird zum Schutz von unmündigen Minderjährigen vor unüberlegten Geldausgaben die Ausübung gewerblicher Tätigkeiten mittels Automaten zur Abgabe von Süßigkeiten, wie Zuckerl, Kaugummi u.a. sowie zur Abgabe von Kleinspielwaren wie Ringen, Tierzeichen, Kugeln u.a. an folgenden Orten untersagt:

...

4.  bei Haltestellen des öffentlichen Verkehrs im Stadtbereich;

5.  ... bei den unter 4. angeführten Haltestellen auch im Umkreis von 50 m gemessen von den Haltestellentafeln.

 

5.2. Im Grunde des erwiesenen Sachverhaltes wurde am 1.3.2011 durch Aufstellung von zwei Automaten, welche mit Süßigkeiten und Kleinspielwaren befüllt und betriebsbereit waren, in einer Entfernung von 26,32 m Luftlinie von der Haltestellentafel der Bushaltestelle x, und sohin innerhalb des Umkreises von 50 m gemessen von den Haltestellentafeln, das Handelsgewerbe ausgeübt.

Wenn der Bw geltend macht, dass die Verordnung des Bürgermeisters gegen das Bestimmtheitsgebot verstoße, so ist ihm entgegenzuhalten, dass bereits der Verfassungsgerichtshof zu dem Begriff „bei Aufnahmestellen des öffentlichen Verkehrs“ in § 52 Abs.4 Z2 GewO 1994 erkannt hat, dass bei einer größeren Distanz als 50 m nicht mehr davon gesprochen werden kann, dass sich ein Warenautomat „bei einer Haltestelle befinde“ (vgl. Gruber/Paliege-Barfuß, die Gewerbeordnung, Anmerkung 24 zu § 52 mit Judikaturnachweisen). Es ist daher der festgelegte Verbotsradius gesetzeskonform.

Hingegen ist der Bw mit seinen weiteren Ausführungen, dass die Haltestelle erfahrungsgemäß viel von unmündigen Minderjährigen besucht werden müsse, und zwar auf dem Weg von oder zur Schule, im Recht.

Der Verfassungsgerichtshof hat nämlich erkannt, dass es nicht genügt, wenn die Haltestelle von einigen in der Umgebung wohnenden unmündigen Minderjährigen im üblichen Ausmaß benützt wird. Das Gesetz verlangt mehr: Nämlich, dass die Haltestelle „viel“ – also öfter als andere Haltestellen – von unmündigen Minderjährigen auf dem Weg zur oder von der Schule benützt wird (vgl. Gruber/Paliege-Barfuß, Anmerkung 25 zu § 52 mit Judikaturnachweisen).

Wenn auch die Verordnung des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz von 17.11.2009 in § 1 Z4 ein Verbot lediglich „bei Haltestellen des öffentlichen Verkehrs im Stadtbereich“ und auch „im Umkreis von 50 m gemessen von den Haltestellentafeln“ umschreibt, so ist diese Bestimmung in konformer Auslegung zu § 52 Abs.4 Z2 GewO einschränkend nur so auszulegen, dass nicht generell alle Haltestellen des öffentlichen Verkehrs gemeint sind, sondern nur jene, „die erfahrungsgemäß viel von unmündigen Minderjährigen auf dem Weg zur oder von der Schule benützt werden“.

Da aber das Beweisverfahren eindeutig gezeigt hat, dass sich in unmittelbarer Nähe dieser Haltestelle kein Eingang einer Schule befindet, sondern vielmehr die Haltestelle u.a. auch von den unmündigen Minderjährigen, aber die Haltestelle im Wesentlichen von der gesamten Bevölkerung dieses Wohngebietes zur Aufschließung des Wohngebietes benutzt wird, ist die einschränkende Voraussetzung „die erfahrungsgemäß viel von unmündigen Minderjährigen auf dem Weg zur oder von der Schule benützt werden“ nicht erfüllt.

Es hat daher der Bw nach einer gesetzeskonformen Interpretation die ihm vorgeworfene Verwaltungsübertretung nicht begangen und war daher das diesbezügliche Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG einzustellen.

 

6. Weil die Berufung Erfolg hatte, entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge gemäß § 66 Abs.1 VStG.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Dr. Ilse Klempt

 

 

Beschlagwortung: verfassungs-/gesetzeskonforme Auslegung; Gewerbeausübung mittels Automaten

 

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