Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-231180/8/BMa/Mu/Th

Linz, 21.11.2011

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag.a Gerda Bergmayr-Mann über die Berufung der X, X, X, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 5. November 2010, S-40.044/10-2, wegen einer Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes zu Recht erkannt:

 

 

 

I.               Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.           Die Berufungswerberin hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.:   § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I. Nr. 111/2010 – AVG iVm. §§ 24, 45 Abs.1 Z2, 51c und 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I. Nr. 135/2010 – VStG

Zu II.:  § 66 Abs.1 VStG


 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis wurde die Berufungsweberin (im Folgenden: Bwin) wie folgt schuldig gesprochen und bestraft:

 

"Wie vom fremdenpolizeilichen Referat der BPD Linz am 05.08.2010 anlässlich einer fremdenpolizeilichen Überprüfung festgestellt wurde, sind Sie Fremde im Sinne des § 2 Abs. 4 Z. 1 des Fremdenpolizeigesetzes und Sie halten sich seit 01.01.2006 unrechtmäßig im Bundesgebiet von Österreich auf, da Sie weder aufgrund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz noch aufgrund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind, Sie nicht im Besitze eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind, Ihnen eine Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz nicht zukommt und Sie nicht Inhaber einer Beschäftigungsbewilligung, Entsendebewilligung oder Anzeigebestätigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz sind.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 120 Abs. 1 Z. 2 FPG iVm § 31 Abs. 1 Z. 2-4 u. 6 FPG

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe in Euro           falls diese uneinbringlich ist,      Gemäß §

                                      Ersatzfreiheitsstrafe von

€ 1.000,--                      4 Tage                                       120 Abs. 1 FPG

 

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

100,-- Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich 15 € angerechnet);

 

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher

1.100,-- Euro."

 

1.2. Begründend führt die belangte Behörde nach Darlegung des Verwaltungsgeschehens und der relevanten Rechtsgrundlagen im Wesentlichen aus, das Asylverfahren sei negativ beendet worden und nach den von der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungen hätten sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, die geeignet gewesen wären, den Aufenthalt der Bwin in Österreich als legal anzusehen. Mit Bescheid des Bundesasylamtes Außenstelle Linz vom 13. Dezember 2005 sei wegen unrechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet die Ausweisung gegen die Bwin angeordnet worden.

 

Mildernd wurde bei der Strafbemessung die verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit berücksichtigt.

 

1.3. Gegen diesen der Bwin am 10. November 2010 durch Hinterlegung zugestellten Bescheid richtet sich die am 19. November 2010 – und damit rechtzeitig – zur Post gegebene Berufung vom 16. November 2010.

 

Darin stellt die Bwin zunächst den Antrag auf Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens, in eventu von der Verhängung einer Strafe abzusehen bzw. die Strafhöhe herabzusetzen.

 

Begründend führt die Berufung im Wesentlichen aus, der Spruch des Straferkenntnis sei mit Rechtswidrigkeit behaftet. Zum Sachverhalt bringt die Bwin vor, sie habe erst im Jahr 2007 einen negativen Bescheid des damaligen UBAS erhalten, weshalb ihre Ausweisung nicht mit 13. Dezember 2007 (gemeint wohl: 2005) rechtswirksam geworden sei. Zunächst sei von einem Ausweisungsverfahren abgesehen worden, weil das Asylverfahren betreffend ihren Lebensgefährten und des minderjährigen gemeinsamen Kindes noch nicht abgeschlossen gewesen sei. Erst am 24. November 2009 hätten diese eine am 1. Jänner 2010 wirksame Entscheidung vom Asylgerichtshof erhalten.

Während dieses Zeitraumes habe sich jedoch die maßgebliche Rechtsvorschrift hinsichtlich des Strafausmaßes verschärft. Die belangte Behörde habe allerdings nicht das Günstigkeitsprinzip des § 1 Abs.2 VStG beachtet, weshalb daher das angefochtene Straferkenntnis rechtswidrig sei.

Es ist zwar richtig, dass ihr Asylverfahren seit 2007 rechtskräftig negativ abgeschlossen sei, jedoch sei sie über diesen Zeitraum hinaus bis dato aufrecht gemeldet und eine Abschiebung tatsächlich nicht möglich gewesen. Im Hinblick auf die Bestimmung des § 46a Abs.1 FPG  sei daher ihr Verschulden als gering zu werten gewesen.

Außerdem hätten ihr Lebensgefährte und ihr gemeinsames Kind bereits im April 2010 gemäß § 44 Abs.4 NAG einen Antrag auf Erteilung einer "Niederlassungs­bewilligung – beschränkt" gestellt. Sie selbst habe eine solchen Antrag nicht stellen können, weil sie über keine Dokumente verfüge. Da ihr Lebensgefährte und das gemeinsame Kind nicht abgeschoben worden seien und somit den Ausgang des Niederlassungsbewilligungsverfahrens im Bundesgebiet abwarten hätten  dürfen, könne auch ihr nicht zugemutet werden, ohne ihr Kind und den Kindesvater in ihre Heimat zurückzukehren, sondern müsse ihr zugestanden werden, gemeinsam mit ihrer Familie dieses Niederlassungsbewilligungs­verfahren abwarten zu dürfen, weil ansonsten auch ein Verstoß gegen Art. 8 EMRK vorliegen würde.

 

 

2.1. Mit Schreiben vom 23. November 2010 hat die belangte Behörde den Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt.

 

2.2. Da im angefochtenen Bescheid keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (§ 51c VStG).

Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt der Bundespolizeidirektion Linz zu S-40.044/10-2 und den fremdenpolizeilichen Verwaltungsakt zu  1-1054419/FRB/11 zur Einsichtnahme angefordert.

Der entscheidungswesentliche Sachverhalt ließ sich bereits aus dem vorliegenden Verwaltungsakt, den zusätzlich vom Unabhängigen Verwaltungssenat getätigten Erhebungen und der Berufung klären, die Verfahrenspartei habe einen dementsprechenden Antrag nicht gestellt, somit konnte im Übrigen gemäß § 51e Abs.1 VStG von einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

2.3. Ergänzend zum vorgelegten Verwaltungsakt und fremdenbehördlichen Akt wurden, nachdem aufgrund eines weiteren beim Oö. Verwaltungssenat anhängigen Verfahrens betreffend ihres Lebensfährten bekannt wurde, dass diesem und dem gemeinsamen Kind zwischenzeitlich bereits am 26. Mai 2011 vom Magistrat der Landeshauptstadt Linz ein Aufenthaltstitel erteilt wurde, vom Unabhängigen Verwaltungssenat telefonisch bei der Volkshilfe – Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung Integrationsnachweise von der Bwin angefordert. In der Folge wurde mit E-Mail vom 29. September 2011 bekannt gegeben, dass das Asylverfahren der Bwin seit Dezember 2005 rechtkräftig negativ abgeschlossen sei. Letztere habe zwei Deutsch-Integrationskurse absolviert und am 6. August 2011 die A2-Prüfung bestanden. Somit sei die Integrationsvereinbarung erfüllt. Zudem werde sie beim Magistrat der Landeshauptstadt Linz gemäß § 41a Abs.9 NAG einen Antrag für einen Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot – Karte plus" stellen. Sollte über ihren Antrag positiv entschieden werden, würde sie dann bei einer Imbissfirma arbeiten können. Außerdem sei ihrem langjährigen Lebensgefährten und ihrer Tochter im Juni 2011 eine "Niederlassungsbewilligung – beschränkt" erteilt worden. Darüber hinaus sei sie mittlerweile in ihrem Wohnumfeld bestens integriert. Als Beilage wurden diesem E-Mail jeweils in Kopie der Antrag für einen Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot – Karte plus", die Niederlassungsbewilligung ihres Lebensgefährten und ihrer Tochter, weiters die Urkunden sowohl über die absolvierten Deutschkurse als auch über die diesbezüglich abgelegte Prüfung, ein Dienstvorvertrag sowie eine Unterstützungserklärung übermittelt.

 


3. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1. Folgender rechtlich relevante Sachverhalt wird festgestellt:

Die Bwin ist chinesische Staatsangehörige. Sie reiste am 7. Oktober 2005 illegal nach Österreich ein und stellte am 10. Oktober 2005 einen Asylantrag. Mit Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle Linz, vom 25. November 2005, Zl. 05 16.769 – BAL, welcher am 13. Dezember 2005 rechtskräftig wurde, wurde ihr Asylverfahren gemäß §§ 7 und 8 Asylgesetz 1997 negativ abgeschlossen und gleichzeitig die Ausweisung verfügt.

Am 14. Juli 2006 wurde der Bwin die Aufenthaltsberechtigungskarte gem. § 36b AsylG anlässlich einer Vorsprache abgenommen. Daraufhin wurde mit der Bwin das für das Heimreisezertifikat vorgesehene Fragenprogramm aufgenommen. Im diesbezüglichen AV ist vermerkt, dass Schubhaft nicht verhängt worden sei, weil aus Erfahrung bekannt sei, dass für chinesische Staatsbürger kein Heimreisezertifikat ausgestellt werde. Aus der niederschriftlichen Datenbefragung vom 14. Juli 2006 geht hervor, dass die Bwin bei der Ermittlung der Daten zur Ausstellung eines Heimreisezertifikats mitgewirkt hat. Die Erlangung dieses Zertifikats ist der Behörde in den folgenden Jahren nicht gelungen. Weil am X die Tochter der Bwin, X, geboren wurde, wurde das Heimreisezertifikat am 23. Juli 2010 für die Bwin und ihre Tochter urgiert. Gemäß Mail vom 28. Juli 2010 ist nach einer Verbalnote der chinesischen Botschaft die Ausstellung eines Heimreisezertifikats mit den derzeit zur Verfügung stehenden Daten nicht möglich. Der der Bwin vorgeworfene Tatzeitraum des unrechtmäßigen Aufenthalts ist von 01. Jänner 2006 bis zur Bescheiderlassung am 5. November 2010.

 

3.2. Beweiswürdigend wird ausgeführt, dass sich der festgestellte Sachverhalt widerspruchsfrei aus den vorgelegten und zur Einsicht angeforderten Akten und den weiteren Ermittlungen des Unabhängigen Verwaltungssenats ergibt.   

 

3.3. In rechtlicher Hinsicht hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.3.1. Gemäß § 5 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot und bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

 

3.3.2. Demnach muss die Bwin es fahrlässig unterlassen haben, die Heimreise nach China anzutreten.

Wie sich aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt, war es ihr aber gar nicht möglich, ein Heimreisezertifikat zu erlangen, waren doch der chinesischen Botschaft die Daten zur Ausstellung des Heimreisezertifikats nicht ausreichend, obwohl die Bwin die ihr von der Behörde gestellten Fragen beantwortet hat.

Die belangte Behörde hat nicht dargelegt, wie die Bw unter diesen Umständen das für die Ausreise benötigte Heimreisezertifikat erlangen hätte können oder welche Schritte sie ansonsten unternehmen hätte müssen, um aus Österreich ausreisen zu können.

 

Nach dem dem Strafrecht immanenten Grundsatz "nulla poena sine culpa" war das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

Bei diesem Verfahrensergebnis waren gemäß § 66 VStG der Berufungswerberin weder die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens noch jene des Berufungsverfahrens aufzuerlegen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Mag. Bergmayr-Mann

 

 


 

VwSen-231180/8/BMa/Mu/Th vom 21. November 2011

 

Erkenntnis

 

VStG §5 Abs1

 

Gemäß dem Grundsatz "nulla poena sine culpa" war das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen, weil die Erlangung eines Heimreisezertifikats für China, trotz Mitwirken der Berufungswerberin bei dessen Beantragung, nicht möglich war.

 

Vgl ebenso VwSen-231030/4/BMa/Gr vom 22. März 2010.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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