Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-166309/9/Kof/Gr

Linz, 03.11.2011

 

 

 

E r k e n n t n i s

(Bescheid)

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Josef Kofler über die Berufung des Herrn X am Inn gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 29.08.2011, VerkR96-5280-2011 wegen Übertretung des § 5 Abs.1 StVO, nach der am
3. November 2011 durchgeführten mündlichen Verhandlung einschließlich Verkündung des Erkenntnisses, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird stattgegeben, das erstinstanzliche Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

Der Berufungswerber hat weder eine Geldstrafe,

noch Verfahrenskosten zu bezahlen.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 AVG iVm § 24 VStG;  § 66 Abs.1 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

Die belangte Behörde hat über den nunmehrigen Berufungswerber (Bw) das in der Präambel zitierte Straferkenntnis – auszugsweise – wie folgt erlassen:

 

Tatort:  Gemeindegebiet ...../Straße ...../Str.km. .....

            aus Richtung ..... kommend in Fahrtrichtung .....

Tatzeit:  11.06.2011, 02.15 Uhr

Fahrzeug:  Fahrrad, Marke, Farbe

 

Sie haben am das angeführte Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt. Der Test am geeichten Alkomaten ergab einen Alkoholgehalt der Atemluft von 0,81 mg/l.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt: § 5 Abs.1 StVO

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von 1.000 Euro

Falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von 9 Tagen

Gemäß § 99 Abs.1 lit.a StVO  iVm  § 20 VStG

 

Ferner haben Sie gemäß § 64 VStG zu zahlen: 100 Euro

 

Der zu zahlende  Geldbetrag  (Strafe, Kosten) beträgt daher  1.100,00 Euro.

 

Gegen dieses Straferkenntnis hat der Bw innerhalb offener Frist die begründete Berufung vom 2. Oktober 2011 erhoben und vorgebracht, er habe zur Tatzeit und am Tatort das Fahrrad nicht gelenkt bzw. gefahren, sondern geschoben.

 

Hierüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich (UVS) durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Mitglied (§ 51c VStG) erwogen:

 

Unbestrittene Tatsache ist, dass der Bw zur Tatzeit und am Tatort mit dem Fahrrad gestürzt ist.

 

§ 65 Abs.1 erster Satz zweiter Halbsatz StVO lautet:

"Wer ein Fahrrad schiebt, gilt nicht als Radfahrer."

 

Entscheidungswesentlich ist somit im vorliegenden Fall einzig und allein,

ob zur Tatzeit und am Tatort der Bw

das Fahrrad gelenkt/gefahren oder geschoben hat;

d.h. Radfahrer oder Fußgänger war.

 

Die Behörde hat

-     nach der Aufnahme von Beweisen zu prüfen, ob ihr diese die erforderliche Überzeugung vom Vorliegen oder Nichtvorliegen des maßgeblichen Sachverhalts vermitteln  (= Beweiswürdigung)

-    unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht  und

-     den Wert der aufgenommenen Beweise nach deren innerem Wahrheitsgehalt

    zu beurteilen;

Hengstschläger-Leeb, AVG-Kommentar, RZ 2 und RZ 8 zu § 45 AVG (Seite 460ff) sowie Leeb – Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung im Verwaltungsverfahren

in Holoubek–Lang: Allgemeine Grundsätze des Verwaltungs- und Abgabenverfahrens,

Seite 343 – 348; jeweils mit zahlreichen Literatur- und Judikaturhinweisen.  

 

Am 3. November 2011 wurde beim UVS eine öffentliche mündliche Verhandlung (mVh) durchgeführt, an welcher der Bw sowie die Zeugen RI CS, und Herr RO. teilgenommen haben.

 

Stellungnahme des Berufungswerbers:

Am Freitag, dem 10. Juni 2011 war ich zu einer Geburtstagsfeier in einem Gasthaus in B. eingeladen.

Eingeladen hat Herr RO (= der heutige Zeuge).

Ich bin mit dem Fahrrad zu diesem Gasthaus gefahren.

Die Entfernung von meinem Wohnort bis zu diesem Gasthaus beträgt geschätzt
3 bis 3,5 Kilometer.

Die Geburtstagsfeier dauerte bis ca. 01:30 Uhr, dann war "allgemeiner Aufbruch".

Nach dem "Weggehen" vom Gasthaus waren wir noch mehrere Personen ("Geburtstagsgratulanten"), welche auf den ersten 300 m denselben "Nachhauseweg" hatten.

Diese sind jedoch dann zu ihren Wohnhäusern bzw. Wohnungen gegangen.

Nach ca. einem halben Kilometer waren nur noch Herr RO und ich.

Unser "Nachhauseweg" führt auf einem kurzen Stück auf der .......

Diese Straße ist auf diesem Teilstück eine "Freilandstraße".

Weiters existiert auf diesem Straßenteilstück keine Straßenbeleuchtung.

Herr RO und ich gingen auf der rechten Fahrbahnseite und wollten die Fahrbahn überqueren.

Wir gingen hintereinander, Herr RO vorne und

ich schob unmittelbar hinter ihm das Fahrrad.

An der späteren "Unfallsstelle" stolperte ich und fiel auf das Fahrrad.

Dabei zog ich mir eine Kopfverletzung an der Stirn zu.

Ich blutete. 

Diese Verletzung wurde später dann im Krankenhaus genäht.

Die Rettung und die Polizei wurden von einem bis heute unbekannten Verkehrsteilnehmer verständigt.

Betreffend die Zeugenaussage des Herrn Insp. G, PI B bei der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn am 26. Juli 2011, wonach mein Fahrrad ca. 15 m von der Unfallstelle entfernt war, gebe ich an:

Ich kann mir nicht erklären, wie mein Fahrrad dort hingekommen ist.

Ich kann allenfalls vermuten, dass jener Verkehrsteilnehmer, welcher die Polizei und die Rettung verständigt hat, zuvor kurz stehen geblieben ist und das Fahrrad an jene Stelle verbracht hat, wo es später gefunden wurde.

 

Die Entfernung vom Gasthaus, in welchem wir die Geburtstagsfeier hatten
bis zur Unfallstelle beträgt geschätzt einen Kilometer.

 

Dass ich zum amtshandelnden Polizisten ca. dreimal gesagt habe,

"ich habe das Fahrrad gelenkt", daran kann ich mich nicht bewusst erinnern.

 

Möglicherweise ist diese missverständliche Aussage einerseits auf den konsumierten Alkohol, andererseits auf den Unfall – ich habe auch eine leichte Gehirnerschütterung erlitten – zurückzuführen.

 

Ich bin mit dem Fahrrad nicht gefahren, sondern habe es geschoben.

 

Zeugenaussage des Herrn Rev. Insp. CS, PI B:

Wir wurden im Wege der Bezirksleitzentrale verständigt, in der S.straße bei
ca. Straßenkilometer ...... habe sich ein Verkehrsunfall ereignet.

 

Als wir zur Unfallsstelle kamen, saß der Bw am Fahrbahnrand,

angelehnt an einen Leitpflock.

Der Bw war am Kopf verletzt.

Etwa gleichzeitig mit uns ist auch die Rettung eingetroffen.

 

Ich habe den Bw nach dem Unfallhergang gefragt und ihn ebenso befragt,

ob er das Fahrrad "gelenkt" habe.

Dies wurde von ihm bejaht.

 

Aus diesem Grund wurde der Bw zur Vornahme des Alkovortests und anschließend zum Alkotest aufgefordert.

 

Der Alkotest wurde durchgeführt –

Ergebnis: Atemluftalkogehalt 0,81 mg/l (niedrigster Wert).

 

Der Bw hat zu uns eindeutig gesagt, er habe das Fahrrad gelenkt.

 

Zeugenaussage des Herrn RO:

Am Freitag 10. Juni 2011 waren wir in einem Gasthaus in B.

auf einer Geburtstagsfeier.

Eines von insgesamt zwei "Geburtstagskindern" war ich.

Die Geburtstagsfeier hat um 19:30 Uhr begonnen,

ich bin mit einem Freund dorthin gefahren.

 

Die Geburtstagsfeier dauerte bis ca. kurz vor zwei Uhr früh.

 

Mein Freund, mit welchem ich zur Geburtstagsfeier gefahren bin, ist allerdings schon früher, meiner Erinnerung nach: kurz vor Mitternacht, gefahren.

 

Mir wurde sogar noch von einem anderen Gast der Geburtstagsfeier ein Fahrrad angeboten, damit ich nach Hause fahren könne.

Dies wurde jedoch von mir abgelehnt, da ich zuviel konsumiert hatte.

Der Bw und ich gingen zu Fuß nach Hause,

wobei der Bw das Fahrrad geschoben hat.

 

Wir gingen über Ortschaftswege und gelangten schließlich zur S.straße.

Wir gingen im "Gänsemarsch", ich vorne, der Bw hinten.

Wir gingen immer am Gehsteig, nicht jedoch auf der S.straße –

dort ist keiner vorhanden.

 

An der späteren Unfallstelle wollten wir ursprünglich die Fahrbahn überqueren.

Dort ist jedoch der Bw samt dem Fahrrad gestürzt.

Ich bin ebenfalls gestürzt. Möglicherweise waren beide Stürze dadurch bedingt, dass kurz zuvor der Gehsteig geendet hat.

Ich habe mich "aufgerappelt" und sah im Übrigen, dass ein PKW aus der Gegenrichtung kam.

 

Dieser PKW-Lenker ist stehen geblieben und hat auch telefoniert.

Ich nehme an, dass dieser PKW-Lenker die Rettung und die Polizei verständigt hat.

 

Dieser Verkehrsteilnehmer hat auch noch gesagt "und das Fahrrad stellen wir weg".

Er dürfte dies auch durchgeführt haben.

 

Ich war so auf mich selbst konzentriert, sodass ich nicht mit Sicherheit gesehen habe, ob dieser PKW-Lenker das Fahrrad "weggestellt" hat.

 

Nach einigen Minuten kam die Polizei.

 

Ich habe ebenfalls einen Alkovortest durchgeführt, das Ergebnis ist mir nicht mehr mit Sicherheit in Erinnerung, glaube jedoch 0,76 mg/l.

 

Nachdem der Bw mit der Rettung ins Krankenhaus verbracht wurde, bin ich zu Fuß nach Hause gegangen.

 

Anmerkung:   Der Name des Bw wurde durch die Wendung "Bw"

                     – in der jeweils grammatikalisch richtigen Form – ersetzt.

 

 

Bei der mVh haben sowohl der Bw, als auch die beiden Zeugen einen seriösen und glaubwürdigen Eindruck hinterlassen.

 

Der amtshandelnde Polizeibeamte

·   wurde von einem am Verkehrsunfall unbeteiligten PKW-Lenker – im Wege der Bezirksleitstelle – von diesem Verkehrsunfall verständigt

·   ist naturgemäß erst einige Minuten später zur Unfallstelle gekommen  und

·   hat somit nicht selbst gesehen, ob der Bw das Fahrrad gelenkt oder geschoben hat.

 

Der vom Bw sowie vom Zeugen RO. dargestellte Geschehensablauf

ist glaubwürdig und nachvollziehbar. –

Der Zeuge RO ist offensichtlich ein Freund des Bw;

dies ändert jedoch nichts an dessen Glaubwürdigkeit.  

siehe die in Walter-Thienel, Verwaltungsverfahren, Band I,

2. Auflage, E88-E92 zu § 45 AVG (Seite 656f) zitierte Judikatur des VwGH.

 

Das Vorbringen des Bw, er habe – zur Tatzeit und am Tatort – das Fahrrad nicht gelenkt, sondern geschoben ist dadurch glaubwürdig und nachvollziehbar.

 

Anders ausgedrückt:

Es kann nicht bewiesen werden, dass der Bw das Fahrrad gelenkt/gefahren hat.

 

Im vorliegenden Fall besteht – hinsichtlich der Beweislage – ein entscheidungswesentlicher Unterschied zu jenem Sachverhalt, welcher

·         dem UVS im Erkenntnis vom 15.12.2010, VwSen-165521/7 und

·         dem VwGH im Erkenntnis vom 27.05.2011, 2011/02/0044

vorgelegen hat.

 

Der do. Bf war nicht in der Lage, einen konkreten Zeugen namhaft gemacht für seine Behauptung, er sei mit seinem Fahrrad zum Vorfallszeitpunkt nicht gefahren.

 

Dem gegenüber hat der glaubwürdige und seriöse Zeuge, Herr RO bestätigt, dass der Bw das Fahrrad nicht gelenkt, sondern geschoben hat.

 

Es war daher

·         der Berufung stattzugeben,

·         das erstinstanzliche Straferkenntnis aufzuheben,

·         das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG einzustellen,

·         auszusprechen, das der Bw weder Geldstrafe, noch Verfahrenskosten

      zu bezahlen hat  und

·         spruchgemäß zu entscheiden.

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder Verwaltungsgerichtshof erhoben werden;  diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden.

Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Josef Kofler

 

 

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