Linz, 11.10.2011
E r k e n n t n i s
Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn X, geb. X, X, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Steyr, vom 23.09.2011, Zlen.: Fe 191/2011, Nsch 134/2011, zu Recht:
Der Berufung wird mit der Maßgabe Folge gegeben, als die Entzugsdauer auf 12 (zwölf) Monate reduziert wird. Im gleichem Umfang wird das ausgesprochene Lenkverbot für nicht lenkberechtigungspflichtige Kraftfahrzeuge, sowie die Aberkennung des Rechtes von allfällig erworbenen ausländischen Lenkberechtigungen Gebrauch zu machen reduziert.
Rechtsgrundlagen:
§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 111/2010 – AVG iVm § 24 Abs.3 u. § 24 Abs.3 u. § 26 Abs.2 Z2 Führerscheingesetz 1997, zuletzt geändert durch BGBl I Nr. 117/2010 - FSG
Entscheidungsgründe:
1.1. Die Behörde erster Instanz führte begründend Folgendes aus:
2. Der Berufungswerber wendet sich in der dagegen fristgerecht durch die fristgerecht bei der Behörde erster Instanz im Beisein eines Sprachhelfers unmittelbar bei der Behörde erster Instanz eingebrachten Berufung:
X" (mit offenbar e.h. Unterschrift)
3. Der Verfahrensakt wurde ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich am 13.2.2009 zur Berufungsentscheidung vorgelegt. Dieser hat demnach durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 67a Abs.1 2. Satz AVG). Eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung schien mit Blick auf das Berufungsvorbringen im Sinne der umfassenden Beurteilungsmöglichkeit der Faktenlage geboten (§ 67d Abs.1 AVG).
3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verfahrensakt, sowie die Abklärung der Rechtskraft des Verfahrens nach § 5 Abs.2 StVO bei der Behörde erster Instanz (AZ: S 4502/St/2011).
4. Die erstinstanzliche Ausgangslage:
Der Sachverhalt ist unbestritten und die Bindung an die sich hier als Vorfrage stellende rechtskräftig abgeschlossene Angelegenheit der Verweigerung der Atemluftuntersuchung, konnten hier weiterführende Beweiserhebungen unterbleiben. Auch mit der Berufung wird der Entzugsgrund offenbar nicht in Abrede gestellt, sondern nur das Ausmaß der ausgesprochenen Entzugsdauer zum Gegenstand der Berufung erklärt. Wenngleich das Straferkenntnis in wohl verfehlter Weise einmal vom alkoholisiertem Lenken spricht und als Übertretungsnorm § 5 Abs.1 StVO angezogen wird, ändert dies nichts an der Rechtmäßigkeit der Bestrafung nach § 99 Abs.1 StVO. Tatsächlich scheint die Strafbehörde aber doch von einem Verweigerungstatbestand ausgegangen zu sein, weil in der Anzeige explizit von der Verweigerung die Rede ist. Das wohl jedenfalls der Verdacht des Lenkens begründet war sei an dieser Stelle ebenfalls nochmals festgestellt.
5. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:
Grundsätzlich kann in Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen der Behörde erster Instanz betreffend die Mindestentzugsdauer nach wiederholten Alkodelikte mit einem bestimmten Alkoholisierungsgrad verwiesen werden.
Es trifft daher zu, dass im Sinne des § 26 Abs.2 Z2 FSG, im Fall, dass ein Delikt gemäß § 99 Abs.1 StVO 1960 innerhalb von fünf Jahren ab der Begehung abermals Eines gemäß § 99 Abs.1 StVO 1960 begangen wird, die Lenkberechtigung auf mindestens zwölf Monate zu entziehen ist. Davon war hier laut Aktenlage auszugehen (zwei Verweigerungsdelikte binnen fünf Jahren).
Hier handelt es sich jedoch um eine vom Gesetzgeber vorweggenommene Wertung die zu einer Verkehrunzuverlässigkeitsprognose in der jeweils genannten Dauer führt. Nur im Falle des Hinzutretens weiterer Wertungstatsachen kann der Schluss auf eine länger währende Verkehrsunzuverlässigkeit in zulässiger Weise gezogen werden.
5.1. Als "erschwerend im Rahmen der Wertung anhand der Kriterien der Verwerflichkeit und der Gefährlichkeit der Verhältnisse" hat die Behörde erster Instanz als wohl zusätzliches Wertungskriterium
- in der Verweigerung der Atemluftuntersuchung
- Inbetriebnehmen des KFZ während aufrecht entzogener Lenkberechtigung
- und letztlich mehrere Vormerkungen, erblicken zu können vermeint.
Die Ausführungen zur Wertung der als erwiesenen angenommenen Tatsachen scheinen auch dem Entzug der Lenkberechtigung eine strafende Komponente zuzusinnen.
Damit wird jedoch übersehen, dass es einerseits um den Schutz der Verkehrsteilnehmer geht und andererseits es hier nur zu einer bloßen Inbetriebnahme in Form der Aktivierung der Zündung gekommen ist. Dies ist rechtskräftig - und daher auch für die Berufungsbehörde bindend – festgestellt.
Die Art und die Umstände lassen jedenfalls den logischen Schluss zu, dass der Tatunwert doch weit hinter dem zurück geblieben war, als der Gesetzgeber mit dem Schutzziel der verwaltungsstraf- u. führerscheinrechtlichen Maßnahmen hinanzuhalten sucht. Es gilt die mit dem Lenken in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand herbeigeführten Gefahren zu vermeiden, wobei im Falle der Verweigerung der Atemluftuntersuchung der Betroffene im Führerscheinentzugsverfahren immer noch nachweisen könnte, das er tatsächlich nicht gelenkt bzw. in Betrieb genommen hat.
Hier wurde der Pkw des Berufungswerbers von den Beamten offenbar weder mit gestarteten Motor noch in Bewegung wahrgenommen.
Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Behörde (hier der Unabhängige Verwaltungssenat), an einen im obigen Sinn "eine bestimmte Tatsache" feststellenden rechtskräftigen Schuldspruch gebunden (vgl. VwGH 28.5.2002, 2002/11/0074 sowie VwGH 12.4.2001, 98/11/0255 mit Hinweis auf VwGH 21.2.1990, 90/03/0013, VwGH 18.12.1997, 96/11/0038). Darin wird von einer Inbetriebnahme ausgegangen.
5.2. Für eine über die gesetzlich vorgesehene Mindestentzugsdauer hinausgehende Wertung bleibt aber für diese "formal" als Inbetriebnahme (rechtskräftig festgestellt) gewertete Tatsache kein Raum mehr. Als gegen das Doppelverwertungsgebot verstoßend erweist es sich insbesondere als verfehlt, die Verweigerung der Atemluftuntersuchung anzuführen, präsumiert doch gerade diese Bestimmung in den Rechtsfolgen eine Alkoholisierung von mehr als 0,8 mg/l. Dies wird vollumfänglich von der gesetzlich determinierten Wertung der Entzugsdauer (mindestens von 6 Monaten bei erstmaliger Begehung und bei abermaliger binnen fünf Jahren von mindestens 12 Monate) abgedeckt.
Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stehen ferner die in § 26 Abs.1 und 2 FSG normierten Mindestentziehungszeiten dem Ausspruch einer Entziehung für einen längeren Zeitraum etwa nur dann nicht entgegen, wenn Umstände vorliegen, die auf Grund der Verwerflichkeit und Gefährlichkeit der strafbaren Handlung die Prognose der Verkehrsunzuverlässigkeit für einen über die Mindestentziehungszeit hinausreichenden Zeitraum rechtfertigen und somit die Festsetzung einer längeren Entziehungsdauer erforderlich machen.
Solche können aber in den von der Behörde erster Instanz angeführten Punkten keinesfalls stichhaltig begründet gelten. Sein Tatverhalten ist vielmehr im Gegensatz dazu, selbst bei abstrakter Betrachtung gänzlich ohne nachteilige Folgen für andere Verkehrsteilnehmer geblieben.
Es ergeben sich somit keine überzeugenden Indizien dafür, dass der Berufungswerber, über den mit einem Jahr bereits sehr langen Entziehungsdauer nach § 26 FSG hinausgehenden Zeitraum, noch verkehrsunzuverlässig gelten sollte (VwGH 28.4.2011, 2010/11/0217 mit Hinweis auf VwGH 29.3.2011, Zl. 2011/11/0039, mwN.).
Mit einer bloßen Inbetriebnahme des KFZ in Form der aktivierten Zündung – um den, was nicht gänzlich unlogisch ist, Akku des Handys aufzuladen - wobei sogar das Starten des Motors unterblieben war, begründet schließlich auch noch keine Übertretung iSd § 1 Abs.3 FSG (hier ist nur "das Lenken" subsumierbar). Auch in einer länger als fünf Jahre zurückliegenden Vormerkungen vermag keine "Wertungstatsache" erblickt werden welche eine Verkehrsunzuverlässigkeit über den an sich schon hohe gesetzlich vorgesehene Entzugsdauer rechtfertigen könnte. Sohin bleibt letztlich für eine über die Mindestentzugsdauer hinausreichende negative Prognoseeinschätzung der Verkehrszuverlässigkeit kein Raum. Auf die sonstigen Aussprüche ist mangels des darauf zielenden Berufungsantrages nicht einzugehen.
Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro angefallen.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
Dr. B l e i e r