Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-600102 /9/Bi/Kr

Linz, 01.12.2011

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 4. Kammer (Vorsitzender: Mag. Alfred Kisch, Berichterin: Mag. Karin Bissenberger, Beisitzer: Mag. Josef Kofler) über den Devolutionsantrag des Herrn X, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. X, vom 29. August 2011 im Verfahren betreffend Entziehung der Lenk­berechtigung für die Klassen A, B und F wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen, zu Recht erkannt:

 

I.          Dem Devolutionsantrag wird Folge gegeben.

 

II.  Die Vorstellung vom 17. Jänner 2011 gegen den Mandatsbescheid des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 27. Dezember 2010, VerkR21-650-2010/LL, wird abgewiesen und der Mandatsbescheid vollinhaltlich bestätigt.

 

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 73 Abs.2 iVm 67a AVG und § 29 Abs.1 FSG;

zu II.: §§ 24 Abs.1 und 4, 30 und 32 FSG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

Zu I.:

1. Mit Mandatsbescheid vom 27. Dezember 2010 wurde dem Rechtsmittelwerber gemäß §§ 24 Abs.1 und 4 FSG die von der BH Linz-Land am 2. Jänner 2007 unter der Zahl 07031657 für die Klassen A, B und F erteilte Lenkberechtigung gerechnet ab Zustellung des Bescheides – das war ab 4. Jänner 2010 – bis zur ärztlich bestätigten gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen entzogen. Weiters wurde ihm gemäß §§ 30 Abs.1 und 32 Abs.1 iVm 25 Abs.2 FSG für die Dauer der Nichteignung, gerechnet ab Bescheidzustellung, ein Lenkverbot für Motorfahrräder, vierrädrige Leichtkraftfahrzeuge und Invaliden­kraftfahrzeuge erteilt und das Recht aberkannt, von einem allfällig ausgestellten ausländischen Führerschein in Österreich Gebrauch zu machen. Gemäß § 29 FSG wurde die unverzügliche Ablieferung des über die Lenkberechtigung ausgestellten Führerscheins bei der Behörde angeordnet.

Dagegen hat der Rechtsmittelwerber fristgerecht Vorstellung eingebracht, worauf ein Ermittlungsverfahren durchgeführt, aber kein Bescheid erlassen wurde.  

 

2. Mit Schriftsatz vom 29. August 2011 hat der Rechtsmittelwerber beim Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich einen Devolutions­antrag einge­bracht, der am 1. September 2011 einlangte und über den gemäß
§ 67a AVG durch die nach der Geschäfts­verteilung zuständige 4. Kammer zu entscheiden war. Eine öffentliche mündliche Verhandlung wurde nicht beantragt und konnte entfallen (§ 67d Abs.4 AVG).

 

3. Der Rechtsmittelwerber macht im Wesentlichen geltend, die Erstinstanz habe nach Einlangen der Vorstellung zunächst auch Ermittlungen durchgeführt. Er habe insbesondere auch geltend gemacht, dass die Voraussetzungen für eine vollständige Entziehung der Lenkberechtigung nicht vorlägen. Selbst wenn man die gesundheitlichen Beeinträchtigungen als erwiesen annähme, wäre die Lenkberechtigung zumindest für bestimmte Klassen oder unter Auflagen,  Befristungen oder zeitlichen, örtlichen oder sachlichen Beschränkungen im Sinne des § 24 Abs.1 Z2 FSG aufrechtzuerhalten. Die Erstinstanz habe in der Folge die Ermittlungen nicht weitergeführt und auch keinen Bescheid erlassen; sie sei  bereits rund 5 Monate säumig. Die Verletzung der Entscheidungspflicht habe ausschließlich die Erstinstanz verursacht; er habe kein Verhalten gesetzt, das geeignet gewesen wäre, das Verfahren zu verzögern.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz und zum Devolutionsantrag in rechtlicher Hinsicht erwogen:

Gemäß § 29 Abs.1 FSG sind die Behörden im Verfahren zur Entziehung der Lenkberechtigung verpflichtet, über Anträge von Parteien und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber drei Monate nach deren Einlangen einen Bescheid zu erlassen.

Gemäß § 73 Abs.2 AVG geht, wenn der Bescheid nicht innerhalb der Entscheidungs­frist erlassen wird, auf schriftlichen Antrag der Partei die Zuständig­­keit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Ober­behörde, wenn aber gegen den Bescheid Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat erhoben werden könnte, auf diesen über (Devolutionsantrag). Der Devolutionsantrag ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

 

Aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates ist im Verfahren vor der Erstinstanz ab Einlangen der Vorstellung am 18. Jänner 2011 ein umfangreiches Ermittlungsverfahren, auch zu den neuen Argumenten in der Stellungnahme vom 8. Februar 2011, durchgeführt worden. Die letzte Stellungnahme langte am
17. März 2011 bei der Erstinstanz ein; danach blieb der Akt liegen, sodass davon auszugehen ist, dass ab diesem Zeitpunkt aus dem überwiegenden Verschulden der Erstinstanz eine Entscheidung über die Vorstellung nicht ergangen ist. Damit war ein Übergang der Entscheidungsfrist an den Unabhän­gigen Verwaltungssenat gegeben.

 

Zu II.:

1. In der Sache selbst hat der Unabhängige Verwaltungssenat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Wahrung des Parteiengehörs. Auch diesbezüglich war eine Berufungsverhandlung nicht beantragt worden.

Aus dem Verfahrensakt geht hervor, dass aufgrund eines Berichtes des PI Neuhofen/Krems über Anzeichen für eine gesundheitlich bedingte Fahruntüchtig­keit des Rechtsmittel­werbers der auf die §§ 24 Abs.4 iVm 8 FSG gestützte Bescheid der Erstinstanz vom 27. September 2010, VerkR21-650-2010/LL, erging. Der Anordnung, sich binnen zwei Monaten nach Rechtskraft amtsärztlich untersuchen zu lassen sowie zur Erstellung des Gutachtens erforderliche Befunde vorzulegen, entsprach der X geborene Rechtsmittelwerber. Nach Durch­führung einer Beobachtungsfahrt am 13. Dezember 2010 mit dem Amtssach­verständigen X wurde von der Amtsärztin Frau Dr. X das Gutachten gemäß § 8 FSG, San-5-373-2010/Üb, erstellt, in dem der Rechtsmittelwerber als zum Lenken von Kraftfahrzeugen nicht geeignet befunden wurde.

 

Mit Mandatsbescheid der Erstinstanz vom 27. Dezember 2010, VerkR21-650-2010/LL, wurde ihm daher gemäß §§ 24 Abs.1 und 4, 32 Abs.1 und 30 Abs.1 FSG die Lenkberechtigung für die Klassen A, B und F mangels gesundheitlicher Eignung entzogen, ein Lenkverbot für Motorfahr­räder, vierrädrige Leichtkraftfahr­zeugen und Invaliden­kraft­fahrzeugen ausgesprochen und ihm das Recht aberkannt, von einem allfällig ausgestellten ausländischen Führerschein im Österreich Gebrauch zu machen. Der Bescheid wurde ihm über die PI Neuhofen/Krems am 4. Jänner 2011 zugestellt und gleichzeitig der Führerschein abgenommen.

 

Die Vorstellung gegen den Mandatsbescheid langte am 18. Jänner 2011 bei der Erstinstanz ein. Laut Bericht der PI Neuhofen/Krems vom 27. Jänner 2011 liegen beim Rechtsmittelwerber keine Umstände vor, die seine Verkehrszuverlässigkeit in Frage stellen, besteht auch nicht der Eindruck, dass er sich im Straßenverkehr rücksichtslos verhalten würde und ist er weder entmündigt noch ein derartiges Verfahren anhängig. Seine Angaben über den Hauptwohnsitz wurden bestätigt und auf die Frage nach Gründen, die "eine Führerscheinerteilung nicht rechtfertigen würden", wurde auf das Erfordernis einer amtsärztlichen Untersuchung verwiesen.

In der Stellungnahme der Amtsärztin vom 3. Februar 2011 erachtete diese unter Hinweis auf die vom Rechtsmittelwerber bei der Beobachtungsfahrt gezeigten Fahrfehler, die er nicht habe kompensieren können, die Durchführung einer verkehrspsychologischen Untersuchung zum Nachweis von Kompensations­möglich­keiten für erforderlich, da die beobachteten Einschränkungen der kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen auch beim Lenken eines Traktors von wesentlicher Bedeutung sind.

In seiner Stellungnahme vom 8. Februar 2011 regt der Rechtsmittelwerber an, ihm die Lenkberechti­gung für die Klasse F unter Einschränkungen, Auflagen oder Bedingungen zu belassen.  

Aus dem Verfahrensakt ergibt sich, dass diese Anregung an die Amtsärztin weitergeleitet wurde, die eine Stellungnahme nach fernmündlichem Kontakt mit dem Rechtsmittelwerber ankündigte. Seit der Stellungnahme des Rechtsmittel­werbers vom 16. März 2011 ist eine solche aber nicht ergangen.

 

2. Im Bericht vom 1. September 2010 schilderte X, PI Neuhofen/Krems, die Fahrweise des Lenkers des Pkw X, der ihm bei einer Streifenfahrt an diesem Tag um 20.16 Uhr auf der St. Michl-Landesstraße, Neuhofen/Krems, aus Richtung St. Marien kommend aufgefallen war, derart,  dass er den Lenker zunächst für "schwerst alkoholisiert" gehalten habe. Dieser sei mit ca 40-50 km/h unterwegs gewesen, mehrfach nach rechts über das Bankett hinaus, aber auch weit über die Fahrbahnmitte auf die Gegenfahrbahn gekommen und dort auch längere Zeit weiter- bzw mit den linken Rädern trotz Gegenverkehrs genau auf der Mittellinie gefahren. In einer unübersichtlichen Rechtskurve bei km 2.4 sei er mit den linken Rädern über der Mittellinie gefahren, sodass der entgegenkommende Lenker rechts auf das Bankett ausweichen musste. In der durch ein Maisfeld unübersichtlichen Kurve bei km 0.8 sei er fast auf er Gegenspur gefahren. Danach hätte er mit Blaulicht angehalten werden sollen, was er aber trotz mehrerer Ausweichen bzw Anhaltemöglichkeiten ignoriert habe, sodass er erst bei km 0.45 angehalten werden konnte. Der Lenker habe keinen Führerschein mitgeführt und im EKIS sei keine Lenkberechtigung angeführt, sodass ihm bis zu seiner Wohnanschrift nachgefahren worden sei. Auf dieser Fahrt habe er die Stoptafel bei der Kreuzung St. Michl-Landesstraße – Schiedl­berger Landesstraße missachtet und sei erst am Kreuzungsende stehenge­blieben.  

 

Im amtsärztlichen Gutachten vom 20. Dezember 2010 hielt Frau
Dr. X nach einer Untersuchung des Rechtsmittelwerbers am
24. November 2010 ua fest, dass dieser bewusstseinsklar und orientiert sei, aber keinerlei Problem­bewusstsein zeige und sich ungerecht behandelt fühle, weder kognitive Einschränkungen noch psychotische Denkstörungen bestünden, er aber in der Auffassung verlangsamt und in der Wahrnehmung eingeschränkt sei.

Am 13. Dezember 2010 wurde mit dem Rechtsmittelwerber eine Beobachtungs­fahrt mit einem Fahrschul-Pkw über eine Dauer von etwa 45 Minuten vom Bahnhof Neuhofen/Krems zur B139, Kematen, über die Kremsmünsterer Landesstraße nach Kremsmünster und über die B122 über Rohr zurück nach Neuhofen/Krems im Beisein eines Fahrlehrers durchgeführt. X legt in seinem Gutachten vom 14. Dezember 2010 dar, aus technischer Sicht sei der Bw zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klassen B und F nicht geeignet. In genau beschriebenen Gefahrensituationen sei keinesfalls von einer ausreichenden Kompensation der gesundheitlichen Einschränkungen auszugehen. Der Rechts­mittel­werber habe zunächst kurzfristige Spurkorrekturen vorgenommen, Geschwin­dig­keitsbeschränkungen nicht beachtet und sei auf das Bankett geraten, wo der Fahrlehrer durch einen Eingriff ins Lenkrad die Spur korrigiert habe. Der Rechtsmittelwerber habe ein unkoordiniertes Geschwindigkeitsver­halten gezeigt, habe zB im Freilandbereich ohne ersichtlichen Grund von 60 km/h auf 40 km/h abgebremst, hingegen sei er im Ortsgebiet bzw bei Fußgängern am Fahrbahnrand deutlich zu schnell gefahren. An der Kreuzung Kremsmünsterer Landesstraße – Sipbachzeller Straße sei es zu einer Vorrangverletzung gekommen, wobei er beim Vorrangzeichen "Vorrang geben" nicht auf den von rechts kommenden Verkehr geschaut habe und unmittelbar vor einem von links kommenden Fahrzeug weitergefahren sei. Beim Linkseinbiegen auf der Gablonzer­straße in Kremsmünster habe er versucht, unmittelbar vor einem entgegen­kommenden, geradeaus weiterfahrenden Pkw nach links einzubiegen. Der Fahrlehrer habe stark abgebremst, um einen Frontalzusammenstoß zu verhindern. Darauf angesprochen habe der Rechtsmittelwerber gesagt, er habe gemeint, hier sei ein Kreisverkehr. Beim Ausparken auf dem Sparparkplatz habe er nicht zurückgeschaut und einen hinter dem Fahrzeug gehenden Fußgänger übersehen. An weiteren Kreuzungen seien keine Sicherungsblicke erfolgt, in den Kreisverkehr in Rohr sei er sehr knapp vor einem bevorrangten Fahrzeug eingefahren und in mehreren Ortsgebieten sei er 70 km/h gefahren. Es hätten sich laufend kurzfristige Spurkorrekturen und –un­sicherheiten gezeigt, das Blickverhalten sei sehr starr gewesen, Spiegelblicke seien kaum erfolgt. Diverse Gefahrensituationen bzw effektive Verkehrsunfälle seien durch den zufälligen Verkehrsablauf, die defensive umsichtige Fahrweise anderer Verkehrsteilnehmer sowie die Eingriffsbereitschaft und die faktischen Eingriffe des Fahrlehrers nicht entstanden. Der Sachverständige hielt auf dieser Grundlage auch die Nicht­eignung des Rechtsmittelwerbers zum Lenken von vierrädrigen Leichtkraftfahr­zeugen fest.

 

Frau Dr. X führte im amtsärztlichen Gutachten vom 20. Dezember 2010 dezidiert aus, aufgrund der festgestellten Einschränkungen in der Wahr­nehmung, der Überblicks­gewinnung und der Sensomotorik sei davon auszugehen, dass die kraftfahr­spezifischen Leistungsfunktionen beim Rechts­mittel­werber nicht mehr aus­reichend gegeben seien, um ein Kraftfahrzeug ausreichend zu beherrschen. Auch die Kompensationsfähigkeit fehle. Zur Wiedererteilung der Lenkberechtigung wäre eine Verbesserung der kraftfahr­spezifischen Leistungsfunktionen erforderlich, die durch eine verkehrs­psycho­logischen Stellungnahme zu belegen sei. Bei dieser Aussage blieb sie auch in ihrer Stellungnahme vom 3. Februar 2011.

 

In seiner Stellungnahme vom 8. Februar 2011 wendet sich der Rechts­mittelwerber gegen nach seiner Auffassung bestehende Widersprüche zwischen dem technischen und dem amtsärztliche Gutachten. Trotz seiner über die "normalen" Anforderungen im Straßen­verkehr hinausgehenden gewissen Belastung bei der Beobachtungsfahrt sei es im ersten Teil der Fahrstrecke zu keinen Schwierigkeiten gekommen. Er vertrete die Auffassung, dass die Lenkberechtigung zumindest hinsichtlich der Klasse F, erforderlichenfalls unter zusätzlichen Einschränkungen, aufrechtzuerhalten sei. Im Übrigen habe sogar der technische Sachverständige "lediglich von einer Nichteignung für die Klassen B und F gesprochen, nicht aber auch von der Nichteignung für die Klasse A".

Er habe seit 1954 den Führerschein, lege jährlich 5.000 bis 10.000 km zurück und habe aufgrund seines Berufs als Landwirt hauptsächlich Fahrpraxis in der Landwirtschaft beim Fahren mit dem Traktor erworben. Auch wenn sich seine körperliche Konstitution mit zunehmendem Alter naturgemäß nicht verbessern könne, sei er jedenfalls zum Lenken von Zugmaschinen (Traktoren) geeignet. Er habe als pensionierter Landwirt auf der in seinem (Mit-)Eigentum stehenden fast zur Gänze arrondierten Liegenschaft EZ X Grundbuch X land­wirtschaftliche Arbeiten zu verrichten. Die Grundstücke seien vom Hof aus zu erreichen, es sei lediglich ein Queren bzw kurzes Befahren von Güterwegen erforderlich. Unter Vorlage eines konkreten Grundstücksplanes wird beantragt, die Lenkberechtigung für die Klasse F unter Einschränkungen zu erteilen. Insbesondere wird vorgeschlagen, die Einschränkung der Gültigkeit auf die Liegenschaft EZ X KG X und die öffentlichen Straßen, die zum Erreichen aller Grundstücke dieser Liegenschaft erforderlich sind, eine Einschränkung auf bestimmte Tageszeiten (zB nicht bei Dunkelheit) und eine Einschränkung auf bestimmte Fahrzeugtypen (zB ihm vertraute Traktoren). Konkret nachvoll­ziehbare gesundheitliche Einschränkungen bestünden bei ihm auch nach den bisherigen Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens nicht; er sei wie schon seit Jahrzehnten weiterhin in der Lage, in der gewohnten Umgebung einen gewohnten Traktor zu fahren; dafür bestehe sowohl die gesundheitliche Eignung ebenso wie die fachliche Befähigung. Bei einer eventuellen neuerlichen Beobachtungsfahrt möge diese mit dem hofeigenen Traktor im Bereich seiner Liegenschaft durchgeführt werden. Beantragt wird ausdrücklich die Belassung der Lenkberechtigung für die Klasse F unter den aufgezeigten Einschränkungen.

 

Aus dem Aktenvermerk vom 15. Februar 2011 im erstinstanzlichen Verfahrensakt geht hervor, dass nach Rücksprache mit Frau Dr. X auch für die Klasse F eine verkehrspsychologische Untersuchung erforderlich sei.

In seiner Stellungnahme vom 16. März 2011 führt der Rechtsmittelwerber aus, er halte eine verkehrspsychologische Untersuchung für unzweckmäßig. Die Behörde könne selbst beurteilen, ob die Lenkberechtigung, gegebenenfalls unter Bedingungen oder Auflagen eingeschränkt, aufrechterhalten werden könne, ohne dass das Maß der Kompensationsmöglichkeiten noch einer weiteren Untersuchung bedürfe. Sollte die Behörde seine Auffassung nicht teilen,  beantrage er eine Probefahrt auf seiner Liegenschaft, allenfalls unter Beiziehung eines Kfz-Sachverständigen. Eine verkehrspsychologische Untersuchung halte er erst für sinnvoll, wenn die Probefahrt nicht zu einem eindeutigen Ergebnis führen sollte.

 

Mit h. Schreiben vom 13. September 2011 wurde der Rechtsmittelwerber seitens des Unabhängigen Verwaltungssenates darauf hingewiesen, dass die Amtsärztin in ihrer Stellungnahme vom 3. Februar 2011 bei ihrer Beurteilung geblieben sei, weil "die Fahrfehler auf Einschränkungen in der Wahrnehmung, in der Überblicksgewinnung und in der Sensomotorik schließen lassen, die er nicht kompensieren konnte. Da diese Einschränkungen der kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen auch beim Lenken eines Traktors erforderlich sind, kann nicht davon ausgegangen werden, dass Herr X in der Lage ist, diese Einschränkungen beim Lenken eines Traktors zu kompensieren. Zum Nachweis der Kompensationsmöglichkeiten wäre die Durchführung einer verkehrspsycho­logischen Untersuchung erforderlich."

Zum konkreten Antrag vom 8. Februar 2011 – Belassung der Lenkberechtigung für die Klasse F, eingeschränkt auf die Liegenschaft EZ X KG X und jene Straßen mit öffentlichem Verkehr (§ 1 StVO 1960), die zum Erreichen aller Grundstücke dieser Liegenschaft erforderlich sind, auf Tageslicht und auf  vertraute Traktoren – wurde darauf verwiesen, dass nach Mitteilung der Amtsärztin vom 15. Februar 2011 auch dafür eine verkehrs­psychologische Untersuchung erforderlich ist. Zum Antrag, anstelle der verkehrspsychologischen Untersuchung eine "Probefahrt" auf seiner Liegenschaft durchzuführen, wurde der Rechtsmittelwerber darauf hingewiesen, dass er auf den Grundstücken seiner Liegenschaft ohnehin berechtigt ist, Traktoren zu lenken, er darf nur keine Straßen mit öffentlichem Verkehr befahren, um die Grundstücke zu erreichen. Laut vorgelegtem DORIS-Foto sind dies die X Straße X (km X bis km X; hier befinden sich auch Haltestellen öffentlicher Verkehrsmittel), die X (von der Kreuzung mit der X bis ca km X) und die Güterwege X. Der Rechtsmittelwerber wurde auch davon in Kenntnis gesetzt, dass der Unabhängige Verwaltungssenat keinen Anlass sieht, eine neuerliche "Probefahrt" durchzuführen, weil die kraftfahr­spezifischen Leistungs­funktionen nichts mit Straßenkilometrierungen und Kraftfahrzeugarten zu tun haben, sondern mit seiner Fahreignung.

 

Der Rechtsmittelwerber kündigte daraufhin zunächst die Vorlage einer verkehrspsychologischen  Stellungnahme an, mit E-Mail vom 2. November 2011 widerrief er aber endgültig seine Absicht und beantragte Entscheidung nach der bisherigen Aktenlage.

 

3. In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 24 Abs.1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs.1 Z2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit 1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder 2. die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzu­schränken. Diesfalls ist gemäß § 13 Abs.5 ein neuer Führerschein auszustellen.

Für den Zeitraum einer Entziehung der Lenkberechtigung für die Klassen A, B oder F ist auch das Lenken von vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen unzulässig, es sei denn es handelt sich 1. um eine Entziehung gemäß § 24 Abs.3 achter Satz oder 2. um eine Entziehung der Klasse A mangels gesundheitlicher Eignung, die ausschließlich mit dem Lenken von einspurigen Kraftfahrzeugen zusammen­hängt.

Gemäß § 3 Abs.1 Z1 FSG-GV gilt als zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer bestimmten Fahrzeugklasse im Sinne des § 8 FSG gesundheitlich geeignet, wer für das sichere Beherrschen dieser Kraftfahrzeuge und das Einhalten der für das Lenken dieser Kraftfahrzeuge geltenden Vorschriften die nötige körperliche und psychische Gesundheit besitzt.

Gemäß § 25 Abs.2 FSG ist bei einer Entziehung wegen mangelnder gesundheit­licher Eignung die Dauer der Entziehung aufgrund des gemäß § 24 Abs.4 eingeholten Gutachtens für die Dauer der Nichteignung festzusetzen.

Gemäß § 30 Abs.1 FSG kann Besitzern von ausländischen Lenkberechtigungen das Recht aberkannt werden, von ihrem Führerschein in Österreich Gebrauch zu machen, wenn Gründe für eine Entziehung der Lenkberechtigung vorliegen.

Gemäß § 32 Abs.1 FSG hat die Behörde Personen, die nicht iSd § 7 verkehrszuverlässig oder nicht gesundheitlich geeignet sind, ein Motorfahrrad, ein vierrädriges Leichtkraftfahrzeug oder ein Invalidenkraftfahrzeug zu lenken, unter Anwendung der §§ 24 Abs.3 und 4, 25, 26 und 29 entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit das Lenken eines derartigen Kraftfahrzeuges 1.   ausdrücklich zu verbieten, 2.   nur zu gestatten, wenn vorgeschriebene Auflagen eingehalten werden oder 3. nur für eine bestimmte Zeit oder nur unter zeitlichen, örtlichen oder sachlichen Beschränkungen zu gestatten.

 

Das amtsärztliche Gutachten gemäß § 8 FSG lautet auf "gesundheitlich nicht geeignet", wobei sich diese Aussage – schlüssig und nachvollziehbar – zum  einen auf die persönliche Untersuchung des Rechtsmittel­werbers durch die Amtsärztin am 24. November 2010 und zum anderen auf das kfz-technische Gutachten anlässlich der mit ihm am 13. Dezember 2010 durchgeführten Beobachtungsfahrt stützt.   

Das technische Gutachten ist insofern schlüssig, als darin bezogen auf die gesamte Fahrstrecke sowohl die einzelnen Gefahrensituationen als auch das jeweilige Fahrverhalten des Rechtsmittelwerbers in dieser konkreten Situation genau beschrieben und daraus die gutachterliche Beurteilung durch den Sachverständigen eindeutig nachvollziehbar wird. Das vom Rechtsmittelwerber bei der Beobachtungsfahrt gezeigte Fahrverhalten, insbesondere die Spurun­sicher­heiten, die Geschwindigkeitswahl und die Vorrangmissachtungen, wider­spricht auch dem Bericht von X, PI Neuhofen/Krems vom 1. September 2010 inhaltlich in keiner Weise.

 

Da der Rechtsmittelwerber eine verkehrspsychologische Untersuchung zum Nachweis seiner kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen, bezogen auf die beantragte Belassung der Lenkberechtigung für die Klasse F unter den von ihm selbst vorgeschlagenen Einschränkungen, ablehnt, war auch aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates aufgrund des negativen Gutachtens über seine gesundheitliche Eignung die Entziehung der Lenkberechtigung für die Klassen A, B und F auszusprechen.

Auch beim Befahren von Straßen mit öffentlichem Verkehr in unmittelbarer Umgebung seines Hofes mit einem Traktor, an dessen technische Gegebenheiten der Rechtsmittelwerber gewöhnt ist, bei Tageslicht sind Mindestanforderungen hinsichtlich der kraftfahrspezifischen Eigenschaften zu stellen, denen der Rechtsmittelwerber, wie die Beobachtungsfahrt eindrucksvoll gezeigt hat, nicht gewachsen ist, auch wenn mit einem Traktor niedrigere Geschwindigkeiten gefahren werden. Auch auf den in der Nähe des Hofes gelegenen Straßen ergeben sich Vorrangsituationen, in denen der Rechtsmittelwerber rechtzeitig in der Lage sein muss, sich nach Verschaffen des Überblicks entsprechend zu verhalten, und ist die unbedingte Einhaltung der Rechtsfahrordnung, speziell beim ev. Ziehen von Anhängern, geboten.

An der südlich seiner Liegenschaft gelegenen Marchtrenker Landesstraße L534, die Teil der Verbindung zwischen X und X ist, liegen auch Haltestellen öffentlicher Verkehrsmittel, weshalb im an die Grundstücke des Rechtsmittelwerbers angrenzen Abschnitt mit stärkerem Verkehrsauf­kommen und auch Fußgängern zu rechnen ist. Die zwischen zwei seiner Grundstücken gelegene X Straße  stellt eine Abkürzung zur B139 in Richtung Linz dar. Die beiden Güterwege X sind nach der Definition des § 1 Abs.2 StVO 1960 ebenfalls Straßen mit öffentlichen Verkehr, für deren Befahren, dh auch beim Queren, eine gültige Lenkberechtigung erforderlich ist.

Wirtschaftliche Nachteile sind für den Rechtsmittelwerber diesbezüglich nicht zu erwarten, weil er seine Grundstücke mit landwirtschaftlichen Kraftfahrzeugen und Anhängern befahren und daher uneingeschränkt bewirtschaften darf. Abgesehen davon ist nach der Rechtsprechung des VwGH auf berufliche, wirt­schaftliche, persönliche und familiäre Nachteile bei der Entziehung einer Lenkberechtigung nicht Bedacht zu nehmen und eine solche als administrative Maßnahme zum Schutz der anderen Verkehrs­teilnehmer oder sonstiger Rechtsgüter vor gesundheitlich nicht geeigneten KFZ-Lenkern anzusehen. 

 

Die vom Rechtsmittelwerber vorgeschlagene Vorgangsweise der Durchführung einer neuerlichen "Probefahrt " mit einem Traktor auf den Straßen im Nahbereich seiner Liegenschaft erübrigt sich auch unter Hinweis darauf, dass der Bw am
1. September 2010 auch mit dem auf ihn selbst zugelassenen Pkw X gefahren ist, bei dem jedenfalls anzunehmen gewesen wäre, dass er mit diesem bestens vertraut ist. Augenprobleme oder (ev. korrigierbare) Sehschwächen, die sein Fahrverhalten beeinflussen könnten, wurden nicht einmal behauptet und fanden sich auch bei der amtsärztlichen Untersuchung am 24. November 2010 keine Anhaltspunkte dafür.

Zum Argument in der Stellungnahme vom 8. Februar 2011, nicht einmal der technische Amtssach­verständige habe von einer Nichteignung für die Klasse A gesprochen, ist zu sagen, dass die Beobachtungsfahrt mit einem Pkw stattge­funden hat und der Rechtsmittelwerber laut diesem Gutachten neben einem im bei einem Teilnehmer am Straßenverkehr inakzeptablen "sehr starren Blickverhalten" massive Probleme hinsichtlich Spurhaltung und Geschwindigkeits­wahl hatte – hier ist auch die Feststellung des Sachverständigen hervorzuheben, dass diverse Gefahrensituationen und effektive Verkehrsunfälle nur durch Zufall, das defensive und umsichtige Fahrverhalten anderer Verkehrsteilnehmer und die Eingriffsbereitschaft und sogar das tatsächliche Eingreifen des Fahrlehrers verhindert wurden – die nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenates auch auf sein Fahrverhalten beim Lenken mit einem einspurigen Kraftfahrzeug Schlüsse insofern zulassen, als dabei die Spurhaltung noch schwieriger ist und die Auswirkungen eines Verhaltens, wie es der Rechtsmittelwerber bei der Beobachtungsfahrt an den Tag gelegt hat, auf die Verkehrssicherheit noch massiver sind. Der Sachverständige hat seine Feststellung der Nichteignung im übrigen "unabhängig vom Geschwindigkeitsbereich" auch auf vierrädrige Leicht­kraftfahrzeuge bezogen und damit einwandfrei erschließbar auch auf Traktoren der Klasse F. 

 

Da die entsprechende gesundheitliche Eignung auch zum Lenken von Motor­fahrrädern, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen und Invalidenkraftfahrzeu­gen erforderlich ist, war aufgrund des festgestellten Fehlens der gesundheitlichen Eignung beim Rechtsmittelwerber auch diesbezüglich ein Verbot des Lenkens auszusprechen, zumal auch die Voraussetzungen des letzten Satzes des § 24 Abs.1 FSG nicht gegeben waren; ebenso war dem Rechtsmittelwerber der Gebrauch eines allfällig bestehenden ausländischen Führerscheins zu untersagen und somit spruchgemäß zu entscheiden.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Mag.  K i s c h

 

Beschlagwortung:

 

Devolutionsantrag FS-Entziehungsverfahren -> Folge gegeben

 

FS-Entziehung Klassen A, B + F -> bestätigt

 

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