Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-165519/12/Kei/Bb/Th

Linz, 30.09.2011

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Michael Keinberger über die Berufung des X, geb. X, X, vertreten durch den Rechtsanwalt Dr. X, X, vom 29. Oktober 2010 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Gmunden vom 19. Oktober 2010, GZ VerkR96-1925-2010, wegen Verwaltungsübertretungen nach dem Kraftfahrgesetz 1967 (KFG), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 9. August 2011, zu Recht erkannt:

 

 

I.                    Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG eingestellt.  

 

II.                 Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG iVm

§§ 24, 51 und 45 Abs.1 Z2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

 

1. Mit dem Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Gmunden vom 19. Oktober 2010, GZ VerkR96-1925-2010, wurde X (der Berufungswerber) wie folgt schuldig gesprochen und bestraft (auszugsweise Wiedergabe):

 

"... Tatort: Gemeinde Traun, B1 bei km 193.800 in Fahrtrichtung Wels, Höhe Kreuzung Gärtnerstraße

Tatzeit: 11.01.2010, 13:20 Uhr

Fahrzeug: PKW, X

 

Sie haben als Geschäftsführer und somit gemäß § 9 VStG als zur Vertretung nach außen Berufener des Vereines X mit dem Gewerbestandort in X, welcher Zulassungsbesitzer des angeführten Fahrzeuges ist, nicht dafür Sorge getragen, dass der Zustand des angeführten Kraftfahrzeuges den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entspricht. Das Fahrzeug wurde zum angeführten Zeitpunkt am angeführten Ort von X verwendet, wobei festgestellt wurde, dass die für die verkehrs- und betriebssichere Verwendung des angeführten Fahrzeuges maßgebenden Teile nicht den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entsprachen, obwohl Kraftfahrzeuge und Anhänger so gebaut und ausgerüstet sein müssen, dass durch ihren sachgemäßen Betriebe weder Gefahren für den Lenker, beförderte Personen oder für andere Straßenbenützer entstehen. Noch dürfen Beschädigungen der Straße, schädliche Erschütterungen, übermäßig Lärm, Rauch, übler Geruch, schädliche Luftverunreinigungen oder vermeidbare Beschmutzungen anderer Straßenbenützer bzw. ihrer Fahrzeuge entstehen. Es wurde festgestellt, dass

  1. an der rechten Längsseite des Schulbusses der Anfahrspiegel nicht angebracht war und
  2. die am Heck zusätzlich angebrachten gelb-roten Blinkleuchten nicht intermittierend blinkten..."

 

Als verletzte Rechtsgrundlagen wurden hinsichtlich beider Tatvorwürfe § 103 Abs.1 Z1 iVm § 4 Abs.2 KFG und § 9 VStG genannt.

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurde über den Berufungswerber jeweils gemäß § 134 Abs.1 KFG eine Geld­strafe in der Höhe 80 Euro, im Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von je 48 Stunden, verhängt. Weiters wurde der Berufungswerber zur Zahlung eines Verfahrenskostenbeitrages erster Instanz in der Höhe von insgesamt 16 Euro verpflichtet.

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis, das am 20. Oktober 2010 zugestellt wurde, hat der Berufungswerber anwaltlich vertreten fristgerecht – mit Schriftsatz vom 29. Oktober 2010 – Berufung erhoben und beantragt, das Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 VStG einzustellen.

 

Der Berufungswerber bekämpft das Straferkenntnis seinem gesamten Umfang nach. Als Berufungsgründe werden unrichtige Sachverhaltsfeststellung und materielle Rechtswidrigkeit durch die erstinstanzliche Behörde geltend gemacht.

 

Im Einzelnen führt er dazu im Wesentlichen an, dass es sich beim X (X) um eine X handle, die Rettungs-, Kranken- und Behindertentransporte durchführe. Der X transportiere physisch und psychisch beeinträchtigte oder kranke Personen, manche davon auch von zu Hause in die Schule/Kindergarten und zurück.

 

Der Berufungswerber vertritt daher die Auffassung, dass auf diese Transporte daher als lex specialis ausschließlich die Vorschriften für die Rettungs-, Kranken- und Behindertentransporte anzuwenden seien, nicht jedoch jene für Schülertransporte nach dem KFG bzw. der KDV oder für Transporte im Linien- oder Gelegenheitsverkehr.

 

3. Der Bezirkshauptmann von Gmunden hat die Berufungsschrift unter Anschluss des bezughabenden Verwaltungsstrafaktes mit Vorlageschreiben vom 4. November 2010, GZ VerkR96-1925-2010, dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen. Es ergibt sich daher die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates (§ 51 Abs.1 VStG), wobei dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsstrafakt der Bezirkshauptmannschaft Gmunden und in die Berufung sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 9. August 2011, bei der neben dem Berufungswerber auch dessen Rechtsvertreter sowie als Zeuge GI X von der Landesverkehrsabteilung für Oö. und Dipl.-HTL-Ing. X als Amtssachverständiger für Verkehrtechnik des Amtes der oberösterreichischen Landesregierung teilgenommen haben, gehört und zum Sachverhalt befragt wurden. Ein Vertreter der Bezirkshauptmannschaft Gmunden hat – entschuldigt – nicht teilgenommen.

 

4.1. Es ergibt sich daraus für den Unabhängigen Verwaltungssenat folgender rechtlich relevanter Sachverhalt, der seiner Entscheidung zu Grunde liegt: 

 

X lenkte am 11. Jänner 2010 um 13.20 Uhr das – auf den X zugelassene - Kraftfahrzeug, Pkw, X, mit dem Kennzeichen X, in Traun, auf der B 1, in Fahrtrichtung Wels. Auf Höhe Kreuzung Gärtnerstraße, Strkm 193,800, wurde er von einem Straßenaufsichtsorgan der Landesverkehrsabteilung für Oberösterreich im Beisein eines Sachverständigen für Verkehrtechnik des Amtes der oberösterreichischen Landesregierung zum Zwecke der Durchführung einer besonderen technischen Verkehrskontrolle angehalten.

 

Bei der polizeilichen Kontrolle stellte der Meldungsleger fest, dass durch den Lenker X ein Schülertransport durchgeführt worden sei, das verwendete Fahrzeug jedoch nicht den kraftfahrrechtlichen Vorschriften über Schülertransporte entsprechend ausgerüstet gewesen sei, da an der rechten Längsseite des Fahrzeuges der Anfahrspiegel gefehlt hätte und die am Heck angebrachten gelb-roten Blinkleuchten nicht intermittierend geblinkt hätten.

 

Zum Zeitpunkt der Anhaltung befand sich im Fahrzeug – neben dem Lenker - ein fünfjähriges Kindergartenkind, welches vom Kindergarten für Hör- und Sehbehinderte nach Hause befördert werden sollte. Aus dem im Rahmen der Anhaltung vorgewiesenen Tages-Wageneinsatz-Plan für das konkrete Fahrzeug geht hervor, dass es sich bei den transportierten Kindern ausschließlich um solche mit besonderen Bedürfnissen handelt. Dies geht aus den aufgelisteten Abholorten hervor.

 

Der Berufungswerber war und ist Geschäftsführer des X auf welche das besagte Fahrzeug zugelassen war.

 

4.2. Diese Festsstellungen ergeben sich aus dem erstinstanzlichen Akt und als Ergebnis der öffentlichen mündlichen Verhandlung und werden vom Berufungswerber dem Grunde nach nicht bestritten. Er wendet jedoch ein, dass die gegenständliche Fahrt nicht im Rahmen eines Schüler- und Kindergartentransportes sondern ausschließlich im Rahmen eines Behinderten- und Krankentransportes durchgeführt worden sei, auf welche die spezifischen Vorschriften des KFG und der KDV betreffend Schülertransporte nicht anzuwenden seien.

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat hierüber in rechtlicher Hinsicht Folgendes erwogen:

 

5.1. Gemäß § 103 Abs.1 Z1 KFG hat der Zulassungsbesitzer dafür zu sorgen, dass das Fahrzeug (der Kraftwagen mit Anhänger) und seine Beladung – unbeschadet allfälliger Ausnahmegenehmigungen oder -bewilligungen – den Vorschriften dieses Bundesgesetzes und der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen entspricht.

 

Gemäß § 4 Abs.2 KFG müssen Kraftfahrzeuge und Anhänger so gebaut und ausgerüstet sein, dass durch ihren sachgemäßen Betrieb weder Gefahren für den Lenker oder beförderte Personen oder für andere Straßenbenützer noch Beschädigungen der Straße oder schädliche Erschütterungen noch übermäßig Lärm, Rauch, übler Geruch, schädliche Luftverunreinigungen oder vermeidbare Beschmutzungen anderer Straßenbenützer oder ihrer Fahrzeuge entstehen. Sie müssen so gebaut und ausgerüstet sein, dass der Lenker, beförderte Personen und andere Straßenbenützer bei Verkehrsunfällen möglichst geschützt sind. Sie dürfen innen und außen keine vermeidbaren vorspringenden Teile, Kanten oder zusätzlichen Vorrichtungen aufweisen, die bei Verkehrsunfällen schwere körperliche Verletzungen erwarten lassen. Unvermeidbare vorspringende Teile, Kanten oder zusätzliche Vorrichtungen, die bei Verkehrsunfällen schwere körperliche Verletzungen erwarten lassen, müssen durch geeignete Schutzvorrichtungen entsprechend abgedeckt oder, wenn dies nicht ohne schwere Beeinträchtigung der Verwendbarkeit des Fahrzeuges im Rahmen seiner Zweckbestimmung durchführbar ist, entsprechend gekennzeichnet sein.

 

Gemäß § 63 Abs.4 Z3 KDV sind Schülertransporte (§ 106 Abs.10 zweiter Satz KFG) mit geschlossenen Personenkraftwagen oder Kombinationskraftwagen, bei denen bei der Genehmigung als größte zulässige Anzahl der beförderten Personen außer dem Lenker acht Personen festgesetzt wurde, nur zulässig, wenn das Fahrzeug mit zwei Hauptaußenspiegeln gemäß Anhang III der Richtlinie 2003/97/EG über Rückspiegel an Kraftfahrzeugen ausgerüstet ist, die dem Lenker ein einwandfreies Einsehen des Sichtfeldes nach hinten und der hinteren Einstiegsbereiche einschließlich des sich darunter befindlichen Fahrbahnteiles ermöglichen; ist dies mit den herkömmlichen zwei Hauptaußenspiegeln nicht möglich, so muss das Fahrzeug mit zusätzlichen Rückblickspiegeln (Anfahrspiegeln im Sinne des Anhanges III der Richtlinie 2003/97/EG) mit einer Mindestgröße von 200 cm² ausgerüstet sein, die ein einwandfreies Einsehen der hinteren Einstiegsbereiche einschließlich des sich darunter befindlichen Fahrbahnteiles ermöglichen.

 

Gemäß § 15a Abs.4 Z3 KDV dürfen als Warnleuchten für Omnibusse, die für Schülerbeförderungen im Sinne des § 106 Abs.10 KFG eingesetzt werden, die folgenden Warnleuchten verwendet werden:

Warnleuchten der Kategorie III mit gelbrotem Blinklicht speziell für Schülertransporte mit Omnibussen; diese müssen links und rechts abwechselnd blinkend gelbrotes Licht mit einer Lichtstärke von mindestens 700 cd ausstrahlen.

 

Gemäß § 9 Abs.1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs.2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

 

5.2. Bei der Beurteilung des relevanten Sachverhaltes ist von entscheidender Bedeutung, ob beim gegenständlichen Vorgang ein Schülertransport durchgeführt wurde oder nicht.

 

§ 106 Abs.10 KFG enthält eine Legaldefinition dieses Begriffes. Dort heißt es:

"... Als Schülertransporte gelten Beförderungen von

1.      Schülern, die ihre allgemeine Schulpflicht durch den Besuch einer der im § 5 des Schulpflichtgesetzes 1985, BGBl. Nr. 76/1985, angeführten Schule erfüllen, von und zu dieser Schule und zu ihren Schulveranstaltungen sowie von und zu Schülerhorten,

2.      schulpflichtigen Zöglingen von Jugendwohlfahrtanstalten, die ihre Schulpflicht nicht erfüllen, von und zu Veranstaltungen dieser Anstalten oder

3.      Kindern, die einen Kindergarten besuchen, von und zu diesem Kindergarten und seinen Kindergartenveranstaltungen."

 

Es ist allseits unstrittig, dass der hier relevante Personentransport ausschließlich ein Kind mit besonderen Bedürfnissen umfasst hat. Bei solchen Personen ist es nicht damit abgetan, dass diese bloß vor der Schule bzw. dem Kindergarten abgeholt werden, also sie selbständig in das Transportfahrzeug gelangen und in der Folge am Zielort dieses wieder verlassen, sondern umfassen derartige Transporte einen darüber hinausgehenden Aufwand seitens des Fahrpersonals, aber auch müssen im Regelfall die verwendeten Fahrzeuge speziell ausgerüstet sein, etwa um rollstuhlgebundene Personen befördern zu können. In diesem Sinne unterscheiden sich solche Fahrten von jenen im Rahmen des klassischen Schülertransportes. 

Im Vordergrund bei Transporten von Kindern wie im gegenständlichen Fall steht dem gegenüber, dass der Transport in erster Linie als "Krankentransport" im weiteren Sinne anzusehen ist. Die transportierten Kinder werden sohin nicht den "lauernden Gefahren", wie etwa beim selbständigen Aus- und Einsteigen – Einklemmen der Oberbekleidung in der Tür -, beim Halten auf der Strecke usw., ausgesetzt. Vielmehr werden diese – gegenteilig zum klassischen Schülertransport – sogar in der Regel bis in die Klassen – bzw. Kindergartengruppenräume gebracht bzw. abgeholt.

 

Es kann daher zusammenfassend gesagt werden, dass es sich bei dem gegenständlichen Transport um einen spezielleren als um einen Schülertransport gehandelt hat und sohin auf diesen speziellen Transport die spezifischen Bestimmungen des KFG und der KDV über Schülertransporte nicht zum Tragen kommen.

 

5.3. Gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat.

 

Nachdem es sich gegenständlich um einen Transport eines Kindes mit besonderen Bedürfnissen und nicht um einen Schülertransport gehandelt hat, bedurfte es im Rahmen der konkreten Fahrt weder der Ausrüstung des gegenständlichen Fahrzeuges mit Anfahrspiegeln gemäß des Anhanges III der Richtlinie 2003/97/EG noch mussten die am Heck angebrachten gelbroten Blinkleuchten links und rechts abwechselnd blinkend gelbrotes Licht ausstrahlen, sodass sohin für den Berufungswerber als gemäß § 9 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ des X im gegenständlichen Fall keine Sorgfaltspflicht hinsichtlich der Ausstattung des Fahrzeuges nach den kraftfahrrechtlichen Vorschriften über Schülertransporte bestand.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden.

Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. Michael  K e i n b e r g e r  

 

 

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