Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730295/2/BP/Wu

Linz, 03.11.2011

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung des X, StA von Kroatien, X, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Vöcklabruck vom 1. Oktober 2010, GZ: Sich40-28549-2010, betreffend die Verhängung eines auf 5 Jahre befristeten Aufenthaltsverbotes gegen den Berufungswerber nach dem Fremden-polizeigesetz, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

 

 

Žalba se usvaja a osporeno rješenje ukida bez prava na naknadu.

 

 

Rechtsgrundlage/Zakonski osnov:

§ 66 Abs. 4 iVm. § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

 


Entscheidungsgründe:

 

 

1.1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 1. Oktober 2010, GZ.: Sich40-28549-2010, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) auf Basis der §§ 60 Abs. 1, 2 Z. 8, 63 und 66 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung, ein auf 5 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot verhängt.

 

Begründend führt die belangte Behörde zunächst zum Sachverhalt aus, dass der Bw, ein Staatsangehöriger von Kroatien, im Besitz eines gültigen näher bezeichneten Reisepasses sei. Aufgrund der Einreisestempel sei ersichtlich, dass er am 20. Juli 2010 in den Schengenraum und in der Folge nach Österreich eingereist sei und am 4. August 2010 das Schengengebiet wieder verlassen habe. Am 8. September 2010 sei er wieder in den Schengenraum eingereist. Faktum sei, dass er aufgrund seiner Staatsangehörigkeit Sichtvermerksfreiheit im Ausmaß von 90 Tagen innerhalb von 180 Tagen genieße.

 

Am 29. September 2010, um 10:55 Uhr, sei der Bw von Beamten des Finanzamtes Gmunden – Vöcklabruck auf frischer Tat in X, bei der Ausübung einer Beschäftigung betreten worden. Er sei mit Innenverputzarbeiten beschäftigt gewesen, habe aber weder eine Beschäftigungsbewilligung noch eine Krankenversicherung vorweisen können. Hierauf sei er der belangten Behörde vorgeführt worden.

 

In seiner niederschriftlichen Einvernahme vom 29. September 2010 habe er angegeben, sich seit 22. September 2010 in Österreich aufzuhalten und bei seinem Schwiegervater in X zu wohnen. Er habe sich nicht polizeilich gemeldet. Er habe bei seinem in X wohnhaften Schwager, einem kroatischen Staatsangehörigen, bzw. bei dessen X, ab 23. September 2010 entgeltlich gearbeitet.

 

Zu den Privat- und Familienverhältnissen habe der Bw angegeben, dass seine Gattin und er in Kroatien, die Eltern und Geschwister seiner Gattin in Österreich  wohnen würden.

 

In der Folge sei der Bw von der Einleitung des Aufenthaltsverbotsverfahrens in Kenntnis gesetzt, zur unverzüglichen Ausreise aus dem Bundesgebiet aufgefordert und ihm für ein Zuwiderhandeln die Verhängung der Schubhaft angedroht worden.

 

1.1.2. In rechtlicher Hinsicht führt die belangte Behörde aus, dass aufgrund der niederschriftlichen Einvernahme des Bw der oa. Sachverhalt, insbesondere die illegale Beschäftigung gegen Entgelt, feststehe.

Illegale Beschäftigung gefährde das wirtschaftliche Wohl des Staates und somit das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung. Aus diesem Grund sei der Eingriff in das Privat- und Familienleben erforderlich.

 

1.2. Gegen diesen Bescheid erhob der Bw rechtzeitig Berufung mit Schriftsatz vom 4. November 2010.

 

In der Berufung führt der Bw aus, dass er in Kroatien bei einem Bauunternehmen fest beschäftigt sei, wobei ihn die Tätigkeit vielfach in EU-Staaten (Ungarn, Slowenien Italien usw.) führe. Im Falle eines noch dazu auf 5 Jahre verhängten Einreiseverbotes wäre ihm die Erfüllung seiner Arbeit nicht möglich.

 

Zum Sachverhalt führt der Bw aus, dass er nach einem zweiwöchigen Urlaub bei seinen Schwiegereltern in X von seinem Schwiegervater ersucht worden sei, beim Mörteln auf einer Baustelle zu helfen. Die Arbeiten hätten am 22. September 2010 begonnen. Die Angaben im Rahmen der Kontrolle am 29. September 2010 und vor der belangten Behörde habe nicht er, sondern sein Schwager X gemacht, da er selbst ja nicht Deutsch spreche. Er sei auch dem Ausreiseauftrag noch am selben Tag gefolgt.

 

Der Bw betont, nicht zum Arbeiten bzw. Geldverdienen nach Österreich gekommen zu sein, sieht sich als Opfer und die verhängte "Strafe" als zu streng bemessen. Im Hinblick darauf, dass er ein kleines Kind habe und von der Maßnahme stark betroffen wäre, ersucht er um "Berücksichtigung" seiner Berufung.

 

 

2.1. Die belangte Behörde legte zunächst den in Rede stehenden Verwaltungsakt der Sicherheitsdirektion für Oberösterreich vor.

 

Mit 1. Juli 2011 trat das Fremdenrechtsänderungsgesetz, BGBl. I Nr. 38/2011 in wesentlichen Teilen in Kraft. Aus § 9 Abs. 1a FPG in der nunmehr geltenden Fassung ergibt sich, dass der unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung über die Berufung zuständig ist, weshalb der in Rede stehende Verwaltungsakt von der Sicherheitsdirektion – nach In-Krafttreten der Novelle am 1. Juli 2011 – dem Oö. Verwaltungssenat übermittelt wurde.

 

2.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde.

 

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, weil eine solche nicht erforderlich war, nachdem sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt zweifelsfrei aus der Aktenlage ergibt, im Verfahren im Wesentlichen die Beurteilung von Rechtsfragen strittig ist und die Akten erkennen lassen, dass eine weitere mündliche Erörterung eine tiefgreifendere Klärung der Sache nicht erwarten lässt (§ 67d AVG).

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten 1.1.1., 1.2. und 2.2.2. dieses Erkenntnisses dargestellten völlig unbestrittenen Sachverhalt aus.

 

Wesentlich ist hier zum Einen, dass der Bw im Rahmen der Niederschrift vor der belangten Behörde am 29. September 2010 angab, bei seinem Schwiegervater an der Adresse in X, Wohnung genommen zu haben. Davon ging auch zweifelsfrei die belangte Behörde aus.

 

Weiters räumte der Bw ein, bei seinem Schwiegervater beschäftigt gewesen zu sein, was aber nicht die ursprüngliche Intention bei der Einreise gewesen sei.

 

2.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

 

3. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1.1. Gemäß § 125 Abs. 14 des Fremdenpolizeigesetzes – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch das Bundesgesetzblatt BGBl. I Nr. 38/2011, gelten vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 erlassene Ausweisungen gemäß § 53 als Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 weiter, mit der Maßgabe, dass ein Einreiseverbot gemäß § 53 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 damit nicht verbunden ist.

 

3.1.2. Für eine allfällige Überleitung von Aufenthaltsverboten, die in der alten Fassung des FPG auf § 60 gestützt wurden, findet sich keine dem § 125 Abs. 14 FPG vergleichbare Bestimmung. Nun ist aber festzustellen, dass ein Aufenthaltsverbot grundsätzlich aus zwei Elementen besteht: zum Einen ist dies der Außerlandes-Verweis (rechtsterminologisch: Ausweisung oder nunmehr auch Rückkehrentscheidung); zum Anderen ist dies das Verbot ins Bundesgebiet wieder einzureisen.

 

Genau diese rechtlichen Elemente normierte der Gesetzgeber in § 52 iVm. § 53 des FPG in der Fassung des Bundesgesetzblattes BGBl. I Nr. 38/2011 im Hinblick auf den Personenkreis nicht zum Aufenthalt berechtigter Drittstaatsangehöriger. Für EWR-Bürger, Schweizer Bürger, für begünstigte Drittstaatsangehörige, für Drittstaatsangehörige die Familienangehörige von österreichischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern sind, sowie für Drittstaatsangehörige mit Aufenthaltstitel finden sich gesonderte Regelungen. 

 

3.1.3. Daraus folgt aber, dass für Personen gegen die ein Aufenthaltsverbot gemäß § 60 FPG (alte Fassung) verhängt wurde und die über keinen Aufenthaltstitel verfügen, im Berufungsverfahren nach dem FPG in der nunmehr geltenden Fassung zur Prüfung §§ 52 und 53 heranzuziehen sind.

 

3.1.4. Im vorliegenden Fall ist völlig klar, dass das in Rede stehende Aufenthaltsverbot auf Basis des § 60 FPG ("alte Fassung") erlassen wurde, wie auch dass der Bw über keinen Aufenthaltstitel verfügt.

 

Nun ist aber festzuhalten, dass der Bw - aufgrund des zulässigen sichtvermerksfreien Aufenthalts von 90 innerhalb von 180 Tagen im Schengenraum – grundsätzlich rechtmäßig nach Österreich einreiste und auch nicht unrechtmäßig aufhältig gewesen wäre. Allerdings kann aus § 31 FPG abgeleitet werden, dass im Fall der illegalen Beschäftigung – wie im vorliegenden Fall – der weitere Aufenthalt als nicht mehr rechtmäßig anzusehen wäre, was ganz klar die Anwendung der§§ 52 und 53 FPG über die Rückkehrentscheidung und das Einreiseverbot nach sich ziehen würde.

 

Im vorliegenden Fall kann diese Frage allerdings offen bleiben.

 

3.2.1. Gemäß § 6 Abs. 1 FPG richtet sich die örtliche Zuständigkeit im Inland nach dem Hauptwohnsitz im Sinn des § 1 Abs. 7 des Bundesgesetzes über das polizeiliche Meldewesen (Meldegesetzes 1991 – MeldeG), BGBl. Nr. 9/1992, in Ermangelung eines solchen nach einem sonstigen Wohnsitz des Fremden im Bundesgebiet. Bei Vorliegen mehrerer Wohnsitze ist jener maßgeblich, welcher zuletzt begründet wurde.

 

Gemäß § 6 Abs. 6 FPG ist für keinen Aufschub duldende Maßnahmen und Maßnahmen zur Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Einreise, des Aufenthalts und der Ausreise die Fremdenpolizeibehörde zuständig, in deren Sprengel sich der Fremde aufhält oder über deren Sprengel der Fremde nach Österreich ein- oder ausreisen will.

 

3.2.2. Zunächst ist festzuhalten, dass § 6 Abs. 6 FPG im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung gebracht werden kann, um die Zuständigkeit der belangten Behörde zu begründen, zumal hier zum Einen ausdrücklich von "Maßnahmen" gesprochen wird, im hier zu beurteilenden Fall aber ein bescheidmäßig zu erledigendes Verfahren (Rückkehrentscheidung) geführt wurde, zum Anderen auch das Tatbestandselement "keinen Aufschub duldende" nicht für Rückkehrentscheidungen herangezogen werden kann.

 

Es ist somit auf § 6 Abs. 1 FPG Bedacht zu nehmen.

 

3.2.3. Unbestritten ist, dass der Bw im Inland keinen Hauptwohnsitz begründet hat, unabhängig davon, dass er einen solchen auch nicht angemeldet hatte. Sowohl die belangte Behörde als auch der Bw sprachen aber davon, dass der Bw bei seinem Schwiegervater Wohnung nahm. Dies geht auch nicht zuletzt aus der im Akt befindlichen Niederschrift hervor, wo in der Präambel unter wohnhaft die in Rede stehende Adresse in X angeführt ist. Zur Klärung der Frage, ob es sich dabei um einen Wohnsitz im Sinne des § 6 Abs. 1 FPG handelte, kann auf die Definition dieses Begriffs im Meldegesetz zurückgegriffen werden.

 

3.2.4. § 1 Abs 6 Meldegesetz 1991 sieht vor, dass ein Wohnsitz eines Menschen an einer Unterkunft begründet ist, an der er sich in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, um dort bis auf weiteres einen Anknüpfungspunkt von Lebensbeziehungen zu haben.

 

3.2.5. Sowohl die Absicht zu Besuchszwecken und/oder zur Arbeitsaufnahme Wohnung zu nehmen, fällt fraglos unter die oa. Definition. Darüber hinaus ist aus der mit dem Bw aufgenommenen Niederschrift ersichtlich, dass sein Schwiegervater, beabsichtigte eine Arbeitserlaubnis für den Bw zu erwirken, weshalb die Absicht der Wohnungsnahme bzw. der Begründung eines Wohnsitzes  nicht einmal als kurzfristig anzusehen ist. Dass der Bw – in Umgehung der Bestimmungen des Meldegesetzes – nicht polizeilich gemeldet war, ändert nichts an der Tatsache, dass es sich bei der Adresse in X um einen Wohnsitz gehandelt hat.

 

3.2.6. Daraus folgt aber, dass zur Erlassung der Rückkehrentscheidung örtlich nicht die belangte Behörde sondern wohl der Polizeidirektor von Salzburg als örtlich zuständig anzusehen sein wird.

 

3.3. Es war daher der angefochtene Bescheid aufzuheben und spruchgemäß zu entscheiden. 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro (Eingabegebühr) angefallen.

 

 

Pouka o pravnom lijeku

Protiv ovog Rješenja nije dozvoljeno uredno pravno sredtsvo.

 

Napomena:

Protiv ovog Rješenja može se uložiti žalba u roku od šest sedmica od dana dostavljanja istog na Ustavni ili Upravni sud. Žalbu mora - osim uz zakonom propisane izuzetke - uložiti i potpisati ovlašteni advokat. Na svaku žalbu plaća se taksa u visini od 220 Euro.

 

 

 

 

Bernhard Pree

 

 

 

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