Linz, 02.12.2011
E r k e n n t n i s
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Wolfgang Weigl über die Berufung des X, geb. X, vertreten durch X gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 26.11.2010, Zl. 1002991/FRB, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 12. Oktober 2011 zu Recht erkannt:
Der Berufung wird teilweise stattgegeben und der bekämpfte Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass die Dauer des Aufenthaltsverbotes mit 18 Monaten festgesetzt wird. Im Übrigen wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.
Rechtsgrundlagen:
§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG)
iVm § 63 Fremdenpolizeigesetz (FPG), BGBl I. Nr 100/2005 idF BGBl I Nr 38/2011
Entscheidungsgründe:
Die Bundespolizeidirektion Linz hat mit Bescheid vom 26. November 2010, AZ: 1002991/FRB, gegen den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) gemäß § 60 Abs.1 und Abs.2 Z1 iVm §§ 66 und 63 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) ein auf 5 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich erlassen. Dieses Aufenthaltsverbot stützt sich im Wesentlichen auf die strafrechtliche Verurteilung des Bw durch das Landesgericht Linz am 15. Juni 2010, Zl. 34 Hv 22/2010d, wegen des Verbrechens des versuchten Diebstahles durch Einbruch nach dem § 15 Abs.1 und 129 Z2 StGB und des Verbrechens des versuchten Raubes nach dem § 15 Abs.1 und 142 Abs.1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 21 Monaten, bedingt auf eine Probezeit von 3 Jahren.
Dagegen richtet sich die Berufung vom 10. Dezember 2010. Der Bw beantragt darin, die SID OÖ möge den hier angefochtenen Bescheid vom 26. November 2010 dahingehend abändern, dass das wider ihn ausgesprochene erstinstanzliche – auf 5 Jahre befristete – Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich aufgehoben werde und das wider ihn eingeleitete Aufenthaltsverbotsverfahren zur Einstellung bringen; in eventu den hier angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass das wider ihn auf 5 Jahre befristete ausgesprochene Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich entsprechend herabgesetzt wird. Der Bw argumentiert, das LG Linz habe als Strafgericht im Rahmen der wider ihn erlassenen Verurteilung eine bedingte Haftstrafe ausgesprochen, somit wider ihn eine günstige Zukunftsprognose erstellt. Andernfalls hätte gegen ihn eine unbedingte Haftstrafe ausgesprochen werden müssen, was allerdings nicht der Fall gewesen sei. Zum Tatzeitpunkt sei er, wie aus dem Akt ersichtlich, erheblich alkoholisiert gewesen. Er habe im Lokal X sehr viel Alkohol konsumiert und gleichzeitig an den Geldautomaten gespielt. Wie er später erfahren habe, habe er rund 2.000 Euro in die Spielautomaten geworfen. Irgendwann dürfte er dann gemerkt haben, dass er seinen ganzen Monatslohn verspielt hatte. Als er bemerkt habe, dass er kein Geld mehr hatte und scheinbar ein schlechtes Gewissen hatte (an die genauen Details könne er sich aufgrund seiner Alkoholisierung nicht mehr erinnern) habe er scheinbar die Nerven verloren und vom Wirt sein Geld zurückverlangt. Er sei schon oft in diesem Lokal gewesen und habe noch nie Schwierigkeiten gemacht. Mit dem Wirt habe er im Übrigen ein freundschaftliches Verhältnis. Wäre er nicht so betrunken gewesen, so hätte er seinen Verlust zur Kenntnis genommen oder erst gar nicht zu spielen begonnen. Die Alkoholisierung sei so stark gewesen, dass ihn die Polizei gar nicht vernehmen konnte. Er habe vorher nie eine strafbare Handlung gesetzt. Er habe noch nie gestohlen, jemanden geschlagen oder bedroht. Er könne sein einmaliges Fehlverhalten nur auf seine Alkoholisierung zurückführen, ohne dass er es bagatellisieren wolle. Seit damals habe er nicht wieder Alkohol getrunken. Wenn die Erstbehörde anführe, dass Herr X angegeben habe, dass er, wenn er alkoholisiert sei oder auf Drogen sei, zu allem fähig wäre, so möchte er festhalten, dass er mit Drogen noch nie etwas zu tun gehabt hätte und diese strikt ablehne. Zur Überprüfung seiner spezifischen Gefährlichkeit im Zusammenhang mit seinem Aufenthalt in Österreich sei allerdings festzuhalten, dass betreffend die Frage seiner Gefährdung der öffentlichen Ordnung, Ruhe und Sicherheit das Strafgericht die selben Überlegungen und Erwägungen anzustellen hatte, als auch die Fremdenpolizei vor dem Hintergrund der Anwendbarkeit des FPG zu tun habe. Wie er bereits in seiner Stellungnahme durch seinen Vertreter an die Erstbehörde vorgebracht habe, halte er sich seit 2001 durchgehend rechtmäßig in Österreich auf. Aber auch schon früher sei er in Österreich aufhältig gewesen. In Summe halte er sich seit 14 Jahren in Österreich auf. Er lebe mit seiner Lebensgefährtin X und dem gemeinsamen Kind, der minderjährigen X, in X in einem gemeinsamen Haushalt. Er sei in hohem Maße hier in Österreich integriert, beherrsche die deutsche Sprache perfekt und bestehe zu seinem Heimatstaat mittlerweile kaum Bindungen. Sein Vater X und dessen Sohn, sein Halbbruder, würden ebenfalls in X wohnen und hätte er sowohl zu seinem Vater als auch zu seinem Halbbruder engen Kontakt. Er würde ein intensives und aufrechtes Familienleben mit seinen Angehörigen pflegen. Er gehe seit er das erste Mal in Österreich gewesen sei einer aufrechten sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach und verdiene hier sein Einkommen und seinen Lebensunterhalt. Von ihm gehe daher keinerlei Gefahr für die öffentliche Ordnung, Ruhe und Sicherheit für die Interessen der Republik Österreich aus. Insbesondere vor dem Hintergrund des Artikel 8 EMRK aber auch seines verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechts nach Artikel 3 EMRK erweise sich das gegen ihn erlassene Aufenthaltsverbot als inhaltlich rechtswidrig. Die Erstbehörde habe die seine persönlichen Verhältnisse betreffenden Umstände keinerlei Würdigung zugeführt, sondern letztlich als ausschlaggebendes Kriterium zur Erlassung des wider ihn ausgesprochenen erstinstanzlichen Aufenthaltsverbots nur die strafgerichtliche Verurteilung als Beurteilungsmaßstab herangezogen. Dies sei rechtswidrig, als eben als auch nach den Bestimmungen des FPG eine individuelle und auf den jeweiligen Einzelfall bezogene Beweiswürdigung und Sachverhaltsfeststellung zu erfolgen habe. Vor dem Hintergrund seiner hohen Integration, seines aufrechten Familien- und Ehelebens und vor dem Hintergrund seines langjährigen Aufenthalts in Österreich stehe die wider ihn ergriffene aufenthaltsbeendete Maßnahme nicht in Relation zu der wider ihn ergangenen strafrechtlichen Verurteilung. Darüber hinaus erweise sich auch die festgesetzte Zeitdauer des erstinstanzlich erlassenen Aufenthaltsverbotes als unverhältnismäßig und sei für ihn unverhältnismäßig benachteiligend, da die von der Erstbehörde (nur ansatzweise im angefochtenen Bescheid enthaltene) Beweiswürdigung und Zukunftsprognose betreffend seine Person jedenfalls jedweder konkreten Begründung entbehre. Bei richtiger rechtlicher Würdigung des zugrunde liegenden Sachverhalts, auch im Hinblick auf das von ihm erstattete Gelöbnis, sich hinkünftig wohl zu verhalten, wäre daher das wider ihn eingeleitete Aufenthaltsverbotsverfahren zur Einstellung zu bringen gewesen. Nunmehr sei aufgrund der verstrichenen Zeitspanne und auch dem Zeitraum seines Wohlverhaltens zuvor und seit seiner strafrechtlichen Verurteilung auch dokumentiert, dass er gewillt sei, sich entsprechend den österreichischen Gesetzen zu verhalten, er sich insofern gebessert habe und auch entsprechend Gewähr dafür biete, dass er sich hinkünftig wohl verhalten werde.
Die Bundespolizeidirektion Linz hat der Sicherheitsdirektion Oberösterreich den Verfahrensakt zur Entscheidung vorgelegt. Nachdem mit 1. Juli 2011 wesentliche Bestandteile des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2011 – FrÄG 2011, BGBl. I Nr. 38/2011, in Kraft getreten sind, hat die Sicherheitsdirektion für Oberösterreich die verfahrensgegenständliche Berufung dem Verwaltungssenat zuständigkeitshalber übermittelt.
Der Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der belangten Behörde und Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12. Oktober 2011. In der mündlichen Verhandlung wurde der Bw als Partei einvernommen. X und X wurden als Zeugen einvernommen.
Der Vertreter der belangten Behörde verwies auf die Ausführungen im bekämpften Bescheid und beantragte die Abweisung der Berufung. Aus Sicht der belangten Behörde habe im Beweisverfahren keine maßgebliche Integrations- bzw Aufenthaltsverfestigung festgestellt werden können, die einem Aufenthaltsverbot entgegenstehen würde.
Der Bw bzw sein rechtsanwaltlicher Vertreter verwiesen auf die Ausführungen in der Berufung und führten aus, dass das Beweisverfahren sehr wohl ein hohes Maß an Integration im Bundesgebiet und ein intaktes Familienleben ergeben hätten. Ein Aufenthaltsverbot würde daher eine unverhältnismäßige Maßnahme darstellen.
Der Unabhängige Verwaltungssenat stellt folgenden Sachverhalt fest:
Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 31. Mai 2011, Zl. 2011/22/0097 ausgesprochen, dass es sich bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes (unabhängig von der innerstaatlichen Benennung des Rechtsinstituts) um eine Rückkehrentscheidung im Sinne des Art 3 Z 4 der Richtlinie 2008/115/EG vom 16. Dezember 2008, Abl. l. 348/98 (in der Folge: RückführungsRL) handelt. Aus diesem Erkenntnis folgt, dass durch die notwendige unmittelbare Anwendung der RückführungsRL der UVS als Rechtsmittelinstanz iSd Art 13 Abs. 1 der RückführungsRL berufen ist.
Gemäß § 125 Abs. 16 FPG 2005 idF BGBl I 38/2011 (= idgF) sind vor dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I 38/2011 erlassene Aufenthaltsverbote gemäß § 60 FPG bis zum festgesetzten Zeitpunkt weiterhin gültig.
Festzuhalten ist, dass der Bw als Lebensgefährte der freizügigkeitsberchtigten slowakischen Staatsangehörigen X nicht begünstigter Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs.4 Z11 FPG ist.
Gem § 63 Abs. 1 FPG 2005 idgF kann gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt
- die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder
- anderen in Art 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.
Bestimmte Tatsachen im Sinne des § 63 Abs. 1 FPG 2005 idgF sind insbesondere jene des § 53 Abs. 2 Z 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 und Abs. 3. § 53 Abs. 5 und 6 gelten.
Ein Aufenthaltsverbot ist gemäß § 63 Abs. 3 iVm Abs. 1 FPG 2005 idgF in den Fällen des § 53 Abs. 2 Z 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 FPG 2005 idgF für die Dauer von mindestens 18 Monaten, höchstens jedoch für 5 Jahre, in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 1 bis 4 FPG 2005 idgF für höchstens zehn Jahre und in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 5 bis 8 FPG 2005 idgF auch unbefristet zu erlassen. Die Frist beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.
Gemäß § 53 Abs. 2 FPG 2005 idgF ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von mindestens 18 Monaten, höchstens jedoch für fünf Jahre zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat die Behörde das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, ob der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige
- wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, iVm § 26 Abs. 3 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997, gemäß § 99 Abs. 1, 1 a, 1 b oder 2 StVO, gemäß § 37 Abs. 3 oder 4 FSG, gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl. Nr. 194, in Bezug auf ein bewilligungspflichtiges, gebundenes Gewerbe, gemäß den §§ 81 oder 82 des SPG, gemäß den §§ 9 oder 14 iVm § 19 des Versammlungsgesetzes 1953, BGBl. Nr. 98, oder wegen einer Übertretung des Grenzkontrollgesetzes, des Meldegesetzes, des Gefahrengutbeförderungs-gesetzes oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist;
- wegen einer Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von mindestens 1 000 Euro oder primären Freiheitsstrafe rechtskräftig bestraft wurde;
- wegen einer Übertretung dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist, sofern es sich dabei nicht um eine in Abs. 3 genannte Übertretung handelt;
- wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen oder wegen vorsätzlich begangener Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften rechtskräftig bestraft worden ist;
- wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, rechtskräftig bestraft worden ist;
- den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag, es sei denn, er ist rechtmäßig zur Arbeitsaufnahme eingereist und innerhalb des letzten Jahres im Bundesgebiet mehr als sechs Monate einer erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen;
- bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige hätte nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der der Drittstaatsangehörige betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen;
- eine Ehe geschlossen oder eine eingetragene Partnerschaft begründet hat und sich für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, zwecks Zugangs zum heimischen Arbeitsmarkt oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen, aber mit dem Ehegatten oder eingetragenen Partner ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geführt hat oder
- an Kindes statt angenommen wurde und die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, der Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, der Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt oder die Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausschließlicher oder vorwiegender Grund für die Annahme an Kindes statt war, er jedoch das Gericht über die wahren Verhältnisse zu den Wahleltern getäuscht hat.
Gemäß § 53 Abs. 3 FPG 2005 idgF ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn
- ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;
- ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht wegen einer innerhalb von drei Monaten nach der Einreise begangenen Vorsatztat rechtskräftig verurteilt worden ist;
- ein Drittstaatsangehöriger wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden ist;
- ein Drittstaatsangehöriger wegen einer Wiederholungstat oder einer gerichtlich strafbaren Handlung im Sinne dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft oder verurteilt worden ist;
- ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;
- auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);
- auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder
- ein Drittstaatsangehöriger öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.
Der Bw ist durch sein im Verlängerungsstadium befindliches Verfahren gemäß § 24 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, BGBl I 100/2005 idF 38/2011 (= idgF) als Drittstaatsangehöriger anzusehen, der sich aufgrund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält (vgl. § 24 Abs. 1 2. Satz NAG idgF).
Die Fremdenpolizeibehörde hat dabei das Fehlverhalten eines Fremden und die daraus abzuleitende Gefährlichkeit ausschließlich aus dem Blickwinkel des Fremdenrechts, also unabhängig von gerichtlichen Erwägungen über die bedingte Nachsicht der Strafe, zu beurteilen (vgl. VwGH vom 7. Mai 1999, 99/18/0056).
Gemäß Art 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens. Ein Eingriff in dieses Recht ist nur dann zulässig, wenn er gesetzlich vorgesehen ist und dabei auf die von Art 8 EMRK geschützten Interessen des Rücksicht genommen wird. Damit einher gehen die gesetzlich normierten Voraussetzungen des § 61 FPG 2005 idgF.
Gemäß Art 8 Abs. 2 EMRK ist ein Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung der Rechte gemäß Abs. 1 (nur) statthaft, insoweit dieser Eingriff eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Wird durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist gemäß § 61 Abs. 1 FPG 2005 idgF die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind gemäß § 61 Abs 2 FPG insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war;
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;
4. der Grad der Integration;
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung ist gemäß § 61 Abs 3 FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung oder einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.
Das Aufenthaltsverbot führt zur Trennung von seiner Lebensgefährtin und der gemeinsamen minderjährigen Tochter. Weiters würde das Beschäftigungsverhältnis beendet. Es liegt zweifelsohne ein schwerwiegender Eingriff in das Privat- und Familienleben des Berufungswerbers vor.
Bei der Integration des Bw ist zunächst die mehrjährige rechtmäßige Niederlassung seit dem Jahr 2001 zu berücksichtigen. Der Bw steht jedenfalls eit seiner Wiedereinreise im Jahr 2005 de facto durchgehend in sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen und ist als beruflich integriert anzusehen.
Jedenfalls zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung wohnte bei ihm auch sein Vater X, der zur unbefristeten Niederlassung in Österreich berechtigt ist. Die Beziehung zu seinem Vater ist in rechtlicher Hinsicht insoweit zu relativieren, als er in den Jahren davor nicht mit ihm in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat und sein Vater wegen des Pensionsbezuges als selbsterhaltungsfähig anzusehen ist (vgl. VwGH vom 12. November 1998, Zl: 98/18/0319). Gleiches gilt sinngemäß für die Beziehung zu seinem Bruder und seiner Cousine.
Der Bw weist starke Bindungen zum Herkunftsstaat auf. Dies ergibt sich schon daraus, dass er nach wie vor mit einer bosnischen Staatsangehörigen verheiratet ist und in Bosnien einen Sohn hat. Auch seine Mutter und alle übrigen Verwandten (abgesehen vom Vater, Bruder und einer Cousine) halten sich in Bosnien auf.
Dem persönlichen Interesse des Bw an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet steht das öffentliche Interesse an der Verhinderung von Straftaten, somit ein Ziel im Sinn des Artikel 8 Abs.2 EMRK entgegen. Es wäre eine unzulässige Verharmlosung, die Straftat als – alkoholbedingten – Ausrutscher abzutun. Die Straftat zeigt, dass der Bw durchaus noch in der Lage war einen Bereicherungsvorsatz bilden und sogar mit einem Brecheisen einen Spielautomaten aufzwingen wollte. Weiters packte er X am Hals und äußerte, er werde sie umbringen. Es ist daher zu befürchten, dass der Bw im Falle einer neuerlichen Alkoholisierung und insbesondere bei einer finanziellen Notlage weitere derartige Straftaten begehen wird. Die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit ist gegenwärtig und erheblich.
Das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung überwiegt das persönliche Interesse des Bw an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet.
Die Aufenthaltsbeendigung ist auch seiner Gattin und der minderjährigen Tochter zumutbar. So arbeitet X zur Zeit als Teilzeitkraft und verdient 600 Euro Netto im Monat. Aus ihrer Sicht kann sie jederzeit wieder als Vollzeitkraft arbeiten. Die kleine Tochter geht seit September 2011 in den Kindergarten. Es ist daher davon auszugehen, dass die Versorgung der minderjährigen Tochter sichergestellt ist. Unterhaltsleistungen können – wenn auch in geminderter Form – auch vom Ausland aus geleistet werden (vgl VwGH vom 25. Februar 2010, GZ 2010/18/0011).
Bei der Bemessung des Aufenthaltsverbotes sind vor allem zwei Umstände zu beachten. Einerseits, bis zu welchem Zeitpunkt bei weiterem Wohlverhalten eine nachhaltige Besserung des Bw angenommen werden kann. Zum anderen, wie lange dem Bw bzw. seiner Familie eine Trennung zumutbar ist (vgl VwGH vom 30. August 2011, 2008/21/0576).
Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass bei einer Gesamtwertung ein 18-monatiges Aufenthaltsverbot angemessen ist. Dies ist seiner Lebensgefährtin und der minderjährigen Tochter zumutbar. Es besteht die Möglichkeit, dass X gemeinsam mit der Tochter den Berufungswerber in Bosnien während der Zeit des Aufenthaltsverbotes – im Rahmen der geltenden fremdenrechtlichen Bestimmungen – besucht. In dieser Zeit kann auch Kontakt über Telefon bzw. E-Mail gehalten werden.
Nach Ablauf der Aufenthaltsverbotsdauer ist es dem Berufungswerber als bosnischen Staatsangehörigen zunächst gestattet, sichtvermerksfrei in das Bundesgebiet einzureisen und sich hier gemäß dem Schengener Grenzkodex 90 Tage aufzuhalten. Im Falle einer Eheschließung bestünde nach Ablauf des Aufenthaltsverbotes gemäß § 52 Abs.1 Z1 NAG ein Aufenthaltsrecht.
Aus diesem Grund war spruchgemäß zu entscheiden. Eine Übersetzung dieser des Spruches und der Rechtsmittelbelehrung war nicht erforderlich, da der Bw der deutschen Sprache ausreichend mächtig ist.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.
2. Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren sind Stempelgebühren für die Beschwerde von 14,30 Euro angefallen.
Mag. Wolfgang Weigl
Beachte:
Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt;
VwGH vom 29.02.2012, Zl. 2012/21/0020-5