Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730324/17/Wg/Jo

Linz, 05.12.2011

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Wolfgang Weigl über die Berufung des X, geb. X, vertreten durch Rechtsanwalt X, X, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Steyr Land vom 15. Februar 2011, Zl. Sich40-205-2007, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 17. Oktober 2011, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird teilweise stattgegeben und der bekämpfte Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass die Dauer des Aufenthaltsverbots mit 5 Jahren festgesetzt wird. Im Übrigen wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.

 

Itiraziniz kismen kabul edildi ve itiraz edilen karar ölcülü bir sekilde tasdik edildilerek, Ikamet Yasagi 5 yil olarak belirlendi. Itirazla ilgili digerleri, gerekcesiz reddedildi.

 

 

Rechtsgrundlagen/ Hukuki dayanak:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG)

iVm § 63 Fremdenpolizeigesetz (FPG), BGBl I. Nr 100/2005 idF BGBl I Nr 38/2011

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Die Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land hat mit Bescheid vom 15. Februar 2011, Sich40-205-2007, gemäß § 60 Abs.1 iVm Abs.2 Z9 iVm § 86 und 63 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) gegen den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) ein für die Dauer von 10 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich erlassen. Die aufschiebende Wirkung einer Berufung gegen diesen Bescheid wurde nicht aberkannt. Dem Bw wurde ein Durchsetzungsaufschub von 1 Monat gewährt. Die Behörde begründet ihre Entscheidung im Wesentlichen damit, dass der Bw eine Aufenthaltsehe eingegangen sei.

 

Dagegen richtet sich die Berufung vom 2. März 2011. Der Bw beantragt darin, den Bescheid aufzuheben und das gegen ihn eingeleitete Aufenthaltsverbotsverfahren einzustellen, in eventu die Aufenthaltsverbotsdauer angemessen herabzusetzen. Er verwies auf das gesamte erstinstanzliche Vorbringen und argumentierte, bei richtiger Würdigung dieses Vorbringens hätte ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden dürfen. Anhaltspunkte für eine Aufenthaltsehe würden nicht vorliegen. Der Zweckänderungsantrag von 22. November 2010 stelle kein Indiz für eine Aufenthaltsehe dar, vielmehr hätte er auf Rat seines Rechtsvertreters die Konsequenz daraus gezogen, dass er von seiner Frau zu diesem Zeitpunkt bereits getrennt gelebt habe und sohin eine Niederlassungsbewilligung als Familienangehöriger mangels Familiengemeinschaft nicht verlängerbar gewesen sei. Daraus könne aber nicht abgeleitet werden, er würde selbst von einer Aufenthaltsehe ausgehen. Die eindeutigen niederschriftlichen Angaben seiner Ehegattin X vom 9. August 2010 würden die Annahme einer Aufenthaltsehe widerlegen. Seine Ehegattin habe am 9. August 2010 zu Protokoll gegeben, dass sie von ihm wegen Streitigkeiten seit 2 bis 3 Monaten getrennt leben würde. Damit würde seine Ehegattin aber bestätigen, dass zumindest bis Mai bzw. Juni 2010 ein gemeinsamer Haushalt und Familienleben bestanden habe. Gegenteilige Beweisergebnisse würden nicht vorliegen. Von einer Aufenthaltsehe könne daher nicht die Rede sein. Es könne auch nicht davon die Rede sein, er hätte sich den Zugang zum Arbeitsmarkt rechtsmissbräuchlich im Wege einer Scheinehe verschafft. Er sei vielmehr im Wege der Familienzusammenführung nach Österreich gekommen, habe dann mit seiner Ehegattin zusammen gelebt, bis es im Mai bzw. Juni 2010 zur Trennung gekommen sei. Er falle in den Anwendungsbereich des ARB Nr. 1/80 zum Assoziierungsabkommen EWG/Türkei. Auch aus diesem Grund dürfe ein Aufenthaltsverbot gegen ihn nicht erlassen werden. Hilfsweise wende er sich gegen die Aufenthaltsverbotsdauer von 10 Jahren, die in keiner Weise sachgerecht sei und unverhältnismäßig in seine grundrechtlich geschützten Positionen eingreife.

 

Die Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land hat der SID OÖ. den Verfahrensakt zur Entscheidung vorgelegt. Nachdem mit 1. Juli 2011 wesentliche Bestandteile des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2011 – FrÄG 2011 – BGBl. I Nr. 38/2011, in Kraft getreten sind, hat die Sicherheitsdirektion Oberösterreich dem Verwaltungssenat den Akt zuständigkeitshalber übermittelt.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt und Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 17. Oktober 2011. Im Zuge der mündlichen Verhandlung wurden der Bw als Partei und sein Bruder X als Zeuge einvernommen. Herr X ist entschuldigt der Verhandlung fern geblieben. Frau X ist unentschuldigt fern geblieben. Der Verhandlung wurde Herr X als Dolmetscher für die türkische Sprache beigezogen. Der Vertreter des Bw legte in der mündlichen Verhandlung ein Sprachdiplom über Deutschkenntnisse auf dem Niveau A2, eine Arbeitsbestätigung der X, eine Bestätigung des Unterkunftgebers X sowie Lohnzettel der Monate September, August, Juli 2011 vor. Diese wurden der Niederschrift als Beilage angeschlossen. Der Vertreter des Bw brachte abschließend vor, dass sich im Verfahren nicht ergeben habe, dass eine Scheinehe als erwiesen anzusehen sei. Es sei übereinstimmend von den Zeugen über die Anbahnung und auch die Eheschließung berichtet worden. Die Polizeiinspektion habe Erhebungen zur Scheinehe durchgeführt, wobei 5 bis 6 mal Observierungen durchgeführt worden seien. Soweit dabei festgestellt wurde, dass der Bw das Haus seines Bruders verlassen habe, sei es durchaus nachvollziehbar, dass er wegen ehelicher Probleme dort übernachtet habe. Insbesondere sei darauf hinzuweisen, dass er am 26. Juni 2009 sein KFZ direkt vor der Wohnung seiner Ex-Gattin geparkt hatte. Dies belege, dass er dort grundsätzlich nach wie vor Unterkunft genommen hatte. Selbst wenn man zu dem Ergebnis kommen sollte, dass eine Scheinehe vorliege, wäre die Anordnung eines Aufenthaltsverbotes aus Gründen des Privat- und Familienlebens unzulässig. Die Ehe sei bereits vor 4 Jahren geschlossen worden. Der Bw sei mittlerweile geschieden. Er gehe einer geregelten Erwerbstätigkeit nach. Es würden daher die persönlichen Interessen des Bw die öffentlichen Interessen an der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes überwiegen. In der Verhandlung wurde weiters Herr X als Zeuge einvernommen.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat stellt folgenden Sachverhalt fest:

 

Der Bw wurde am X geboren und ist Staatsangehöriger der Türkei. Er verfügt lt Sprachdiplom vom 26. Februar 2010 über Deutschkenntnisse auf A2 Niveau. Er besuchte im Jahr 2009 die Deutsch-Integrationskurse Stufe 1 und 2.

 

Lt seinen Angaben vor der PI Sierning am 4. Dezember 2008 lebte er bis zu seinem 9. Lebensjahr mit seinen Eltern in Österreich und wohnte in X. Danach kehrte er mit seinen Eltern wieder in die Türkei zurück. Dort besuchte er das Gymnasium bis zum Jahre 2004. Von 2004 bis 2008 besuchte er verschiedene Vorbereitungskurse für die Universität in X. Da er bei den Kursen durchfiel, brach er das beabsichtigte Studium ab.

 

Er hat keine Kinder. Abgesehen von seinem älteren Bruder X und einem Onkel hat er keine Familie im Bundesgebiet. Sein Onkel lebt hier mit seiner Gattin und den Kindern. Er hält mit seinem Bruder einen sehr intensiven Kontakt. Zu seinem Onkel hat er weniger Kontakt. Sein Vater und seine Mutter leben in der Türkei. Eine Tante und ein Onkel leben in Holland und in Deutschland. Die übrigen Verwandten wohnen alle in der Türkei. Er lebt zur Zeit alleine an seinem gemeldeten Hauptwohnsitz X. Seine Freundin X wohnt in X. In der mündlichen Verhandlung am 19. Oktober 2011 gab er an, dass er sie jeden Sonntag in Wien besucht.

 

Der Bw war von 1. Februar 2009 bis 31. August 2009 als gewerblich selbständig Erwerbstätiger sozialversichert. Von 11. August 2009 bis 4. Dezember 2009 war er als Arbeiter bei der X tätig. Seit 10. März 2010 ist er als Arbeiter bei der X beschäftigt. Er erhält dort ca 1.600 bis 1.700 Euro netto monatlich.

 

Er lernte im Jahr 2005 die nicht freizügigkeitsberechtigte österreichische Staatsbürgerin X während eines Urlaubs in der Türkei kennen. X kam damals mit X und dessen Gattin X in die Türkei. Der Bw fragte seine Ex-Gattin im Jahr 2006 am Telefon, ob sie ihn heiraten wolle. Am X heiratete er seine Ex-Gattin in der Türkei, als sich diese neuerlich während eines Urlaubs dort aufhielt.

 

Nach der Eheschließung stellte der Bw am 27. Dezember 2007 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" zum Zwecke der Familiengemeinschaft mit seiner Ex Gattin X.

 

Am 11. Oktober 2008 reiste er nach Österreich ein. Er hatte seine Gattin, nachdem sie die Türkei nach der Eheschließung verlassen hatte, bis zu seiner Einreise in Österreich nicht gesehen.

 

Sein Bruder X holte ihn am Flughafen ab. Die beiden fuhren gemeinsam nach X zu seiner Ex-Gattin. Mit 13. Oktober 2008 meldete er bei seiner Ex Gattin an der Adresse X, seinen Hauptwohnsitz an. Der Bw hielt sich nach seiner Einreise im Jahr 2008 (Anmeldung eines Hauptwohnsitzes am 13. Oktober 2008) bis zur Abmeldung des Hauptwohnsitzes and der X am 30. April 2010 zwar regelmäßig in der Wohnung seiner Ex-Gattin auf. Es bestand aber zu keinem Zeitpunkt eine Lebensgemeinschaft. Es wurde zu keinem Zeitpunkt ein gemeinsames Familienleben geführt. Bei der Eheschließung ging es vor allem darum, dem Bw ein Aufenthaltsrecht in Österreich zu verschaffen. Die Ehe des Bw wurde im September 2010 geschieden.

 

Dem Bw wurde zunächst ein bis 23. August 2009 gültiger Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" zum Zwecke der Familiengemeinschaft mit seiner österreichischen Ex-Gattin ausgestellt. Dieser wurde antragsgemäß bis 23. August 2010 verlängert. Am 2. August 2010 stellte er neuerlich einen Verlängerungsantrag. Mit Eingabe vom 22. November 2010 stellte der Bw den Antrag, eine Zweckänderung seines bereits beantragten Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" insoweit durchzuführen, dass statt dem Aufenthaltstitel Familienangehöriger eine Niederlassungsbewilligung unbeschränkt gemäß § 43 NAG beantragt werde. Über diesen Antrag wurde noch nicht entschieden.

 

Das Marktgemeindeamt X hatte bereits im E-Mail vom 9. Oktober 2008 den Verdacht der Scheinehe geäußert und die belangte Behörde unter anderem auf Folgendes hingewiesen: "Frau X gibt auf allen Förderansuchen ihren ledigen Namen X an. Sie wurde schon öfter darauf hingewiesen, dass sie ihren ehelichen Namen anzuführen hat. Frau X hat am X in der Türkei geheiratet. Herr X war bis 12. September 2007 als Lebensgefährte mit Hauptwohnsitz bei Frau X gemeldet. Erst nach mehrmaligem Nachfragen der Gemeinde hat Herr X seinen Hauptwohnsitz nach X abgemeldet. Frau X hat 3 Kinder mit Herrn X. Herr X bringt die Kinder täglich in den Kindergarten und zur Schule."

 

Die belangte Behörde ersuchte daraufhin die Polizeiinspektion Sierning mit Schreiben vom 14. Oktober 2008 Erhebungen zum Verdacht der Scheinehe durchzuführen. Die PI Sierning teilte der belangten Behörde mit Kurzbrief vom 5. Dezember 2008 mit, dass X, X, der Bw und dessen Schwägerin X einvernommen worden wären. Weiters sei eine Überprüfung der Wohnung durchgeführt worden. Es seien persönliche Gegenstände und Dokumente vorhanden gewesen. Es hätten sich keine eindeutigen Hinweise auf eine Aufenthaltsehe ergeben.

 

Nachdem ein anonymer Anrufer der PI Sierning am 4. Februar 2009 mitgeteilt hatte, dass der Bw seine Ex Gattin angeblich gegen Bezahlung geheiratete habe, intensivierte die PI Sierning die Erhebungen zum Verdacht der Scheinehe. Die PI überprüfte und beobachtete die Aufenthalte des Bw von Mai bis Juni 2009. GI X war ca 5 – 6 mal vor Ort und beobachtete von unterschiedlichen Standorten aus die Wohnung der Ex Gattin des Bw. GI X  konnte den Bw ca 2 bis 3 mal beobachten, wie er in der Früh bzw in den Vormittagsstunden die Wohnung seines Bruders X, X verließ und in Richtung seines KFZ ging. Die Wohnung seines Bruders und die Wohnung seiner Ex Gattin sind ca 490 m voneinander entfernt. Am 26. Juni 2009 war der PKW des Bw direkt vor der Wohnung der Ex Gattin abgestellt. Der Bw kam aus der Wohnung seines Bruders und stieg in sein KFZ. Er ging weder zur Haustüre noch  klopfte er an ein Fenster und nahm keinen Kontakt mit X auf (vgl Seite 2 des Abschlussberichts vom 9. November 2009). Die PI Sierning führte daraufhin auf Anordnung der Staatsanwaltschaft eine Hausdurchsuchung bei X durch. Weiters wurden X, der Bw, X, X und X einvernommen. Der Bw gab gegenüber der PI Sierning an, in der Nacht von 25. Juni 2009 auf den 26. Juni 2009 bei seiner Ex Gattin geschlafen zu haben. Mit Abschlussbericht vom 9. November 2009 zeigte die PI Sierning der Staatsanwaltschaft Steyr und der belangten Behörde X und X wegen des "Verdachts auf: Schlepperei ohne Bereicherung (§ 114 FPG)" an. Im Abschlussbericht wird unter anderem ausgeführt, dass der Bw auf Grund der Eheschließung eine Einreise- und Aufenthaltsgenehmigung sowie eine Arbeitserlaubnis für Österreich erhalten habe, obwohl kein gemeinsames Eheleben und kein gemeinsamer Haushalt in Österreich geführt werde.

 

Dieser Abschlussbericht langte am 10. November 2009 bei der belangten Behörde ein. Diese brachte am 19. Jänner 2010 in Erfahrung, dass das strafgerichtliche Verfahren gegen X und X gemäß § 190 Z 2 StPO eingestellt worden war. Weiters forderte sie das gegen den Bw ergangene Urteil des LG Steyr vom 14. Jänner 2010 an. Das LG Steyr hat in diesem Urteil vom 14. Jänner 2010, zl 11 Hv 227/09a, zu Recht erkannt:

"X ist schuldig, er hat am 26. Juni 2009 in Sierning vor der Kriminalpolizei als Zeuge bei seiner förmlichen Vernehmung zur Sache falsch ausgesagt, indem er angab, er habe in der Nacht von 25. Juni 2009 auf den 26. Juni 2009 bis seiner Gattin X geschlafen. Er hat hiedurch das Vergehen der falschen Beweisaussage nach § 288  Abs 1 und Abs 4 STGB begangen und wird hiefür nach dem § 288 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 5 (fünf) Monaten verurteilt. Gemäß § 43 Abs 1 StGB wird der Vollzug der verhängten Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen." Mildernd war das Geständnis, erschwerend kein Umstand.

 

Als der Bw mit 30. April 2010 seinen Hauptwohnsitz an der Adresse X ab- und an der Adresse X anmeldete, informierte er die PI Sierning. Am 9. August 2010 wurde X auf der PI Sierning einvernommen und gab an, seit ca 2 – 3 Monaten von ihrem Mann X wegen Streitigkeiten getrennt zu sein.

 

Die belangte Behörde kündigte dem Bw in weiterer Folge mit Schreiben vom 19. November 2010 die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes an und erließ am 15. Februar 2011 den bekämpften Bescheid.

 

Diese Feststellungen stützen sich auf die Zeugenaussagen des X und des GI X sowie die Angaben des Bw in der mündlichen Verhandlung. Den Feststellungen wird weiters der Akt der Erstbehörde zu Grunde gelegt. Darin befinden sich neben den ausgefüllten Antragsformularen insb mehrere Versicherungsdatenauszüge, Einkommensnachweise, ein Staatsbügerschaftsnachweis der X, ein Mietvertrag, Unterlagen über die Unterhaltsleistungen des X an dessen drei gemeinsame Kinder mit X, KSV Auskunft über X, Meldebestätigungen und eine Bestätigung über die Eheschließung. Des Weiteren sind im Wesentlichen noch folgende Unterlagen im Akt der belangten Behörde enthalten: Email der Marktgemeinde X vom 9. Oktober 2008, Erhebungsauftrag der belangten Behörde an die PI Sierning vom 14. Oktober 2008, Kurzbrief der PI Sierning vom 5. Dezember 2008 (incl Niederschrift vom 3. Dezember 2008 über die Zeugeneinvernahme der X, Niederschrift vom 4. Dezember 2008 über die Zeugeneinvernahme des X, Niederschrift vom 5. Dezember 2008 über die Zeugenaussage des X, Niederschrift vom 7. Dezember 2008 über die Zeugenaussage der X). Abschlussbericht der PI Sierning vom 9. November 2009 (incl Niederschriften vom 26. Juni 2009 über die Einvernahmen des X und des X, Niederschrift vom 3. November 2009 über die Zeugeneinvernahme des X, Niederschrift vom 4. November 2009 über die Zeugeneinvernahme der X, Kurzbrief vom 5. Dezember 2008 samt oben genannten Beilagen, Personalblätter, Lichtbildbeilage über 7 bei der Hausdurchsuchung am 26. Juni 2009 angefertigte Lichtbilder), Ausfertigung des Urteils des LG Steyr vom 14. Jänner 2010; Aktenvermerk der PI Sierning vom 1. August 2010 über das Gespräch mit dem Bw, wonach er sich von seiner Gattin getrennt habe und unter einer neuen Adresse ein kleines Zimmer habe; Sachverhaltsdarstellung der PI Sierning vom 9. August 2010 samt Niederschrift vom 9. August 2010 über die Zeugenaussage der X.

 

Strittig war an sich nur die Frage, ob der Bw und seine Ex-Gattin jemals ein gemeinsames Familienleben bzw. eine Lebensgemeinschaft führten. Einzuräumen ist, dass seine Ex-Gattin bei der Einvernahme vor der PI Sierning am 3. Dezember 2008 das Bestehen einer sogenannten Aufenthaltsehe nicht eingestanden hat. Am 9. August 2010 gab seine Ex Gattin bei der PI Sierning an, sich (erst) vor ca 2 bis 3 Monaten vom Bw getrennt zu haben. Seit der Bw ausgezogen sei, hätten sie auch keinen gemeinsamen Haushalt und kein gemeinsames Familienleben mehr. Der ehemalige Lebensgefährte der Ex-Gattin, X, gab am 5. Dezember 2008 an, es dürfte sich um keine Scheinehe handeln, da er den Bw öfters in der Wohnung gesehen habe. Am 3. November 2009 gab er dagegen an, er möchte zur Hochzeit zwischen X und dem Berufungswerber keine Angaben machen, da er mit X die drei gemeinsamen Kinder habe. X, Gattin des X, gab am 7. Dezember 2008 an, der Bw habe im Sommer 2005 X kennen gelernt, sich verliebt und auch gemeinsam gewohnt. Am 4. November 2009 verweigerte sie vor der PI Sierning die Aussage, um nicht gegen den Bruder ihres Mannes, X, oder gegen einen anderen aussagen zu müssen. Die Ex-Gattin wurde nicht wegen des Eingehens einer Scheinehe strafrechtlich verurteilt.

 

Diese Umstände indizieren an sich, der Bw habe mit seiner Ex Gattin von der Einreise nach Österreich bis zur Abmeldung des Hauptwohnsitzes am 30. April 2010 in Familiengemeinschaft gelebt. Dieser Anschein wird durch den Abschlussbericht vom 10. November 2009 bzw die strafrechtliche Verurteilung vom 14. Jänner und das Verhandlungsergebnis vom 19. Oktober 2011 entkräftet.

 

In der mündlichen Verhandlung wurde der Bw eingehend zur Anbahnung der behaupteten Beziehung mit seiner Ex-Gattin befragt. Dem Bw ist es in keiner Weise gelungen, die Anbahnung einer tatsächlichen Liebesbeziehung glaubhaft zu machen. So hat er im Jahr 2005 seine Ex-Gattin kennen gelernt. Unstrittig ist, dass er bis zur Heirat im Jahr 2007 abgesehen vom Kontakt über E-Mail und Telefon keinen persönlichen Kontakt hatte. X sagte dazu am 3. Dezember 2008 vor der PI Sierning aus, dass sie vor dem zweiten Treffen "einige Telefongespräche" und "per Internet" Kontakt hatten. Demgegenüber gab der Bw an, sie hätten ca alle 2 – 3 Tage per Telefon und Internet Kontakt gehabt. Gleiches gilt sinngemäß für den Zeitraum nach der Rückkehr der X nach Österreich im Jahr 2007 bis zur Einreise des Bw im Oktober 2008. Wäre tatsächlich eine echte Lebensgemeinschaft bzw. eheliche Gemeinschaft vorgelegen, hätte der Bw spätestens nach der Eheschließung alles daran gesetzt, seine Gattin noch vor seiner Einreise im Oktober 2008 wieder zu sehen. X wäre es rechtlich ohne weiteres möglich gewesen, den Bw neuerlich in der Türkei zu besuchen. Hätten der Bw und X während der Urlaubsaufenthalte in den Jahren 2005 und 2007 sowie per E-Mail und Telefon einen intensiven Kontakt gepflegt, hätte der Bw zudem besser über die persönlichen Verhältnisse der X Bescheid gewusst. Er konnte in der mündlichen Verhandlung keine Hobbies seiner Ex-Gattin nennen. Er kannte nicht einmal den Namen ihrer Eltern. Über weitere Angehörige oder Bekannte seiner Ex-Gattin konnte der Bw nur berichten, dass ein Onkel von ihr in X lebe. Er habe ihn aber nicht kennen gelernt. Er wusste nicht, wie dieser heißt. Für das erkennende Mitglied steht daher fest, dass zum Zeitpunkt der Eheschließung keine seelisch-psychische Lebensgemeinschaft bestand und sich eine solche auch nicht anbahnte.

 

Der Bw behauptete in der mündlichen Verhandlung, er sei nach seiner Einreise bei X eingezogen und habe dort 1 1/2 Jahre lang gelebt. Er habe in dieser Zeit grundsätzlich immer bei X im Doppelbett geschlafen. Unstrittig ist, dass er sich regelmäßig dort aufgehalten hat. Dies entspricht auch der Zeugenaussage des X vom 5. Dezember 2008, wonach er den Bw öfters in der Wohnung gesehen hat. Da er aber nicht einmal über den Namen der Eltern seiner Ex-Gattin bzw. allfälliger Hobbys seiner Ex-Gattin bescheid wusste, ist erwiesen, dass nie ein relevanter Austausch im Sinn einer seelisch-psychischen Gemeinschaft stattgefunden hat.

 

Ähnlich gestaltet sich das Beweisergebnis zu behaupteten gemeinsamen Unternehmungen. Der Bw gab an, dass er sehr viel gearbeitet habe. Er habe lediglich am Sonntag frei gehabt. Die Beiden seien dann aber gemeinsam spazieren gegangen und hätten gemeinsam die Zeit verbracht. Weiters verwies er auf einen Bekanntenkreis in X und X (Familie X). Sie hätten diese Familie auch gemeinsam besucht. Er habe vor allem Kontakt mit den Männern dieser Familie gehabt. Seine Ex-Gattin vor allem mit den Frauen. Abgesehen davon berichtete er von keinen gemeinsamen Aktivitäten. Sein Bruder sagte demgegenüber aus, dass ihm der Bw erzählt habe, er würde ca. zweimal in der Woche etwas mit seiner Ex-Gattin und seiner Schwägerin unternehmen. Manchmal dreimal, manchmal auch gar nicht, auch wochentags. X gab weiters an, er sei auch unter der Woche hie und da dabei gewesen. Diese Aussage ist nicht glaubwürdig, da der Bw in der mündlichen Verhandlung auf ausdrückliche Nachfrage, was er mit seiner Ex-Gattin in Österreich unternommen habe, nicht von derartigen Treffen berichtete. Von Zusammenkünften mit seinem Bruder und dessen Gattin war nicht die Rede. Er verwies lediglich auf Besuche bei einem Bekanntenkreis in X und X.

 

Sein Bruder X war offenkundig sehr bemüht, ein gemeinsames Familienleben glaubhaft zu machen. Bezeichnend war, dass er seine eigene Aussage dahingehend relativierte, als er nach ergänzender Befragung auch darauf verwies, der Bw habe ihm davon berichtet. Er sei eher selten dabei gewesen.

 

Festzuhalten ist, dass weder X noch X, bei ihren Einvernahmen vor der PI Sierning über gemeinsame Aktivitäten bzw. nähere Umstände der Beziehung zwischen dem Bw und X berichteten.

 

Zu den dienstlichen Wahrnehmungen des Zeugen X ist festzuhalten, dass dieser den Bw etwa zwei- bis dreimal aus der Wohnung seines Bruders kommen sah. An den übrigen Erhebungstagen hat er ihn nicht gesehen. Es ist nicht so sehr diese Wahrnehmung des Zeugen X, als das Verhalten des Bw, welches im gegebenen Zusammenhang bei der Beweiswürdigung von entscheidender Bedeutung ist. Die Aussagen des Bw zum gemeinsamen Familienleben sind vor allem deshalb unglaubwürdig, weil er wegen einer Falschaussage zu seinem tatsächlichen Aufenthalt am 26. Juni 2009 strafrechtlich verurteilt wurde. In der mündlichen Verhandlung gab er erst nach mehrfacher und ergänzender Befragung zu, dass er sehr wohl am 26. Juni 2009 vor der Kriminalpolizei ausgesagt hat. Dies zeigt, dass der Bw selbst eine gerichtliche Strafe wegen Falschaussage in Kauf nimmt, um ein gemeinsames Familienleben bzw. einen Aufenthalt bei seiner Gattin vorzutäuschen. Unstrittig ist, dass sich der Bw manchmal bei seinem Bruder aufgehalten und dort auch übernachtet hat.

 

Zusammenfassend steht in freier Würdigung der vorliegenden Beweise fest, dass zwischen dem Bw und seiner Ex-Gattin keine über ein allenfalls freundschaftliches Verhältnis hinausgehende Nahebeziehung bestanden hat. Der Umstand, dass der Bw gegenüber dem Zeugen X bei einer Erhebung übereinstimmend das Doppelbett seiner Ex-Gattin als Schlafort bezeichnet hat und übereinstimmend angegeben hat, auf welcher Seite des Bettes der Bw schläft, ändert daran nichts. Es steht lediglich fest, dass sich der Bw regelmäßig in der Wohnung seiner Ex-Gattin aufgehalten hat. Es steht für den Verwaltungssenat fest, dass die Ehe vor allem deshalb geschlossen wurde, um dem Bw ein Aufenthaltsrecht zu verschaffen. Es bestand zu keinem Zeitpunkt eine Lebensgemeinschaft. Es wurde weder in wirtschaftlicher Hinsicht noch in seelisch psychischer Hinsicht ein gemeinsames Familienleben geführt.

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat hat dazu in rechtlicher Hinsicht erwogen:

 

§ 9 Abs.1 Z1 FPG und § 9 Abs.1a FPG sehen die Zuständigkeit des Verwaltungssenates als Berufungsbehörde grundsätzlich nur im Fall von EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen sowie bei Berufungen gegen Rückkehrentscheidungen vor. Aus dem Erkenntnis des VwGH vom 31. Mai 2011, GZ: 2011/22/0097, folgt aber letztlich, dass in Belangen einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme – wie zB Ausweisung, Aufenthaltsverbot, Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot – aufgrund der unmittelbaren Anwendbarkeit von Artikel 13 Abs.1 der Rückführungslichtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 generell der Unabhängige Verwaltungssenat zuständige Berufungsbehörde ist.

 

Dem Bw wurde ursprünglich ein Aufenthaltstitel (Familienangehöriger) gemäß
§ 47 Abs.1 NAG erteilt. Gemäß dieser Bestimmung sind zusammenführende Österreicher, die in Österreich dauernd wohnhaft sind und denen das Recht auf Freizügigkeit nicht zukommt.

 

Seit seiner Scheidung ist der Bw nicht mehr Familienangehöriger iSd § 2 Abs.4 Z12 FPG.

 

Der Bw berief sich darauf, unter den Anwendungsbereich des ARB Nr. 1/80 zu fallen. Einem Fremden kommt selbst in dem Fall, dass er den Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten hat, die Begünstigung nach dem ARB 1/80 nicht zugute, wenn er diesen Zugang rechtsmissbräuchlich im Weg einer Scheinehe erlangt hat (vgl VwGH vom 1. Juli 2004, 2004/18/0164). Die fremdenpolizeiliche Feststellung, eine Ehe ist nur zum Schein geschlossen worden, setzt nicht voraus, dass die Ehe für nichtig erklärt oder die Scheinehepartnerin gemäß dem FPG bestraft worden ist (vgl VwGH vom 23. März 2010, 2010/18/0034). Der Bw hat die Ehe mit X geschlossen und sich für die Erteilung des Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" auf diese Ehe berufen, aber mit seiner Ehegattin ein gemeinsames Familienleben iSd Artikel 8 EMRK nicht geführt. Dem Bw kommt daher die Begünstigung nach dem ARB 1/80 nicht zugute.

 

Er  hält sich im Verlängerungsverfahren rechtmäßig im Bundesgebiet auf.

Gem § 63 Abs. 1 FPG 2005 idgF kann gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt

  1. die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder
  2. anderen in Art 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

 

Bestimmte Tatsachen im Sinne des § 63 Abs. 1 FPG 2005 idgF sind insbesondere jene des § 53 Abs. 2 Z 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 und Abs. 3. § 53 Abs. 5 und 6 gelten.

 

Ein Aufenthaltsverbot ist gem § 63 Abs. 3 iVm Abs. 1 FPG 2005 idgF in den Fällen des § 53 Abs. 2 Z 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 FPG 2005 idgF für die Dauer von mindestens 18 Monaten, höchstens jedoch für 5 Jahre, in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 1 bis 4 FPG 2005 idgF für höchstens zehn Jahre und in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 5 bis 8 FPG 2005 idgF auch unbefristet zu erlassen. Die Frist beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.

 

Gem § 53 Abs. 2 FPG 2005 idgF ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von mindestens 18 Monaten, höchstens jedoch für fünf Jahre zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat die Behörde das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, ob der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige

  1. wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, iVm § 26 Abs. 3 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997, gemäß § 99 Abs. 1, 1 a, 1 b oder 2 StVO, gemäß § 37 Abs. 3 oder 4 FSG, gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl. Nr. 194, in Bezug auf ein bewilligungspflichtiges, gebundenes Gewerbe, gemäß den §§ 81 oder 82 des SPG, gemäß den §§ 9 oder 14 iVm § 19 des Versammlungsgesetzes 1953, BGBl. Nr. 98, oder wegen einer Übertretung des Grenzkontrollgesetzes, des Meldegesetzes, des Gefahrengutbeförderungs-gesetzes oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist;
  2. wegen einer Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von mindestens 1 000 Euro oder primären Freiheitsstrafe rechtskräftig bestraft wurde;
  3. wegen einer Übertretung dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist, sofern es sich dabei nicht um eine in Abs. 3 genannte Übertretung handelt;
  4. wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen oder wegen vorsätzlich begangener Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften rechtskräftig bestraft worden ist;
  5. wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, rechtskräftig bestraft worden ist;
  6. den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag, es sei denn, er ist rechtmäßig zur Arbeitsaufnahme eingereist und innerhalb des letzten Jahres im Bundesgebiet mehr als sechs Monate einer erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen;
  7. bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige hätte nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der der Drittstaatsangehörige betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen;
  8. eine Ehe geschlossen oder eine eingetragene Partnerschaft begründet hat und sich für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, zwecks Zugangs zum heimischen Arbeitsmarkt oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen, aber mit dem Ehegatten oder eingetragenen Partner ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geführt hat oder
  9. an Kindes statt angenommen wurde und die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, der Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, der Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt oder die Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausschließlicher oder vorwiegender Grund für die Annahme an Kindes statt war, er jedoch das Gericht über die wahren Verhältnisse zu den Wahleltern getäuscht hat.

 

Gem § 53 Abs. 3 FPG 2005 idgF ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn

  1. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;
  2. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht wegen einer innerhalb von drei Monaten nach der Einreise begangenen Vorsatztat rechtskräftig verurteilt worden ist;
  3. ein Drittstaatsangehöriger wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden ist;
  4. ein Drittstaatsangehöriger wegen einer Wiederholungstat oder einer gerichtlich strafbaren Handlung im Sinne dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft oder verurteilt worden ist;
  5. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;
  6. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);
  7. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder
  8. ein Drittstaatsangehöriger öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

 

Der Bw hat die Ehe mit X geschlossen und sich für die Erteilung des Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" auf diese Ehe berufen, aber mit seiner Ehegattin ein gemeinsames Familienleben iSd Artikel 8 EMRK nicht geführt. Es ist daher der Tatbestand für ein höchstens fünfjähriges Aufenthaltsverbot nach § 53 Abs 2 Z 8 iVm § 63 Abs 3 FPG erfüllt.

 

Jedermann hat gemäß Artikel 8 Abs 1 EMRK Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

 

Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist gemäß Artikel 8 Abs.2 EMRK nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Wird durch eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist gemäß § 61 Abs.1 FPG die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art.8 Abs.2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art.8 EMRK sind gemäß § 61 Abs.2 FPG insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war;

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4. der Grad der Integration;

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung ist gemäß § 61 Abs.3 FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs.1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung oder einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

Das Aufenthaltsverbot führt zur Trennung von seiner Freundin, seinem Bruder und zur Aufgabe der Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet. Dies stellt zweifelsohne einen Eingriff in das Privat- und Familienleben dar.

 

Dabei war zu berücksichtigen, dass die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nur aufgrund der Aufenthaltsehe mit X möglich war. Der Bw hat sich viele Jahre im Heimatstaat aufgehalten und spricht – wie sich in der mündlichen Verhandlung zeigte – fließend türkisch, weshalb jedenfalls starke Bindungen dorthin bestehen. Dort leben auch seine Eltern.

 

Das Eingehen einer sogenannten Aufenthaltsehe iSd § 53 Abs.2 Z8 FPG stellt eine schwerwiegende Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens dar. Dieses öffentliche Interesse iSd Artikel 8 Abs.2 EMRK überwiegt das persönliche Interesse des Bw an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet.

 

Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ist daher gemäß § 61 Abs.1 und Abs.3 FPG zulässig. Gemäß § 67 Abs.2 FPG iVm § 53 Abs.2 Z8 FPG beträgt die zulässige Höchstdauer für das Aufenthaltsverbot 5 Jahre. Im vorliegenden Fall ist dieser Zeitraum erforderlich, um von einem nachhaltigen Gesinnungswandel des Bw ausgehen zu können.

 

Ein 10-jähriges Aufenthaltsverbot ist – anders noch als bei Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides – gesetzlich nicht mehr vorgesehen.

 

Aus diesem Grund war spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren sind Stempelgebühren für die Beschwerde von 14,30 Euro angefallen.

 

 

Hukuki itiraz yolu bilgilendirilmesi

İşbu karar karşı olağan kanun yolu açık değildir.

 

Talimat

Verilen karara karşı kararın tebliğ gününden itibaren altı hafta içinde Anayasa Mahkemesi’nde ve/veya Danıştay‘da itiraz edilebilinir. Yasal istisnalar hariç, şikayetin vekil tayin edilmiş bir avukat tarafından yapılması gerekmektedir. Her itiraz için 220.- Euro dilekçe harcı ödenilir.

 

 

 

 

Mag. Wolfgang Weigl

 

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt;

VwGH vom 29.02.2012, Zl. 2012/21/0017-5

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