Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730116/2/Sr/ER/Jo

Linz, 01.12.2011

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des X, Staatsangehöriger von Armenien, geboren am X, X, gegen den Bescheid des Polizeidirektors von Linz vom 27. September 2010, AZ: 1025718/FRB, betreffend eine Ausweisung des  Berufungswerbers nach dem Fremdenpolizeigesetz, zu Recht erkannt:

 

 

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 iVm. § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Bescheid des Polizeidirektors von Linz vom 27. September 2010, AZ: 1025718/FRB, wurde gegen den Berufungswerber (im Folgenden Bw) auf Basis der §§ 53 iVm. 31 Abs. 1, 31 Abs. 1a und 66 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung, die Ausweisung angeordnet.

 

Begründend führt die belangte Behörde zunächst zum Sachverhalt aus, dass der Bw im November 2002 illegal nach Österreich eingereist sei und am 6. November 2002 einen Asylantrag gestellt habe. Das Asylverfahren sei seit 9. Juli 2010 rechtskräftig negativ entschieden.

Während seines Aufenthalts in Österreich sei der Bw wie folgt rechtskräftig gerichtlich verurteilt worden:

1.)        Landesgericht Linz vom 12. November 2003, 28 Hv 172/2003H, wegen Übertretungen nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z. 4, 130 (1. Fall), 15 Abs. 1, 12, 229 Abs.1, 15 Abs. 1, 146 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten, davon 8 Monate bedingt auf eine Probezeit von 3 Jahren;

2.)        Landesgericht Krems an der Donau vom 24. August 2007, 35 Hv 45/2007x, wegen § 114 Abs. 1 FPG 2005 zu einer Freiheitsstrafe von 5 Monaten, bedingt auf eine Probezeit von 3 Jahren;

3.)        Landesgericht Linz vom 19. Februar 2010, 26 Hv 7/2010l, wegen §§ 133 Abs. 1 und 133 Abs 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten, davon 8 Monate bedingt auf eine Probezeit von 3 Jahren.

 

Aufgrund der ersten beiden Verurteilungen sei mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 13. Februar 2008 gegen den Bw ein auf 10 Jahre befristetes Rückkehrverbot erlassen worden. Dieses Rückkehrverbot sei seit 18. April 2008 rechtskräftig.

 

Gemäß § 62 Abs. 1 FPG in der damals anzuwendenden Fassung gelte ein Rückkehrverbot als Entzug des Aufenthaltsrechts; der Bw halte sich also – unabhängig vom erst am 9. Juli 2010 rechtskräftig negativ entschiedenen Asylverfahren – bereits seit 18. April 2008 nicht rechtmäßig in Österreich auf.

 

Mit Schreiben vom 26. Juli 2010 sei der Bw von der Bundespolizeidirektion Linz darüber informiert worden, dass beabsichtigt sei, ihn auszuweisen. In seiner dazu eingebrachten Stellungnahme vom 9. August 2010 habe der Bw im Wesentlichen angegeben, dass er in Armenien seine Schul- und Berufsausbildung absolviert hätte, mit seiner bloß kirchlich angetrauten Lebensgefährtin in Linz eine Mietwohnung bewohnen und von ihr finanziell unterstützt würde, da er selbst keiner Beschäftigung nachgehe. Er sei bei seiner Frau mitversichert, verfüge über Deutschkenntnisse und habe sich in Österreich eine Existenz aufgebaut. Außerdem befürchte er bei seiner Rückkehr nach Armenien eine Verhaftung aus den im Asylverfahren angegebenen Gründen.

 

Nach Wiedergabe der angewendeten Rechtsvorschriften führt die belangte Behörde in rechtlicher Hinsicht aus, dass sich der Bw aufgrund des rechtskräftigen Rückkehrverbots seit 18. April 2008 unrechtmäßig in Österreich aufhalte.

Da beabsichtigt sei, auch seine Lebensgefährtin auszuweisen, sei nur ein Eingriff in das Privat- nicht aber in das Familienleben zu prüfen gewesen. Zum Entscheidungszeitpunkt habe sich der Bw bereits fast acht Jahre in Österreich aufgehalten. Die dadurch entstandene Integration sei aber dadurch gemindert, als sie zu einem Zeitpunkt entstanden sei, in dem der Bw keine genügende Veranlassung gehabt habe, von einer Erlaubnis zu einem dauernden Aufenthalt in Österreich auszugehen, spätestens ab der erstinstanzlichen negativen Entscheidung über seinen Asylantrag am 11. September 2003 hätte ihm dies bewusst sein müssen. Beruflich sei ihm die Integration nicht gelungen, da er in Österreich noch nie einer legalen Beschäftigung nachgegangen sei. Aufgrund der gerichtlichen Verurteilungen sei ihm auch die soziale Integration abzusprechen.

 

Nachdem der Bw erst im Alter von 33 Jahren nach Österreich eingereist sei, habe er den überwiegenden Teil seines Lebens in seinem Herkunftsstaat verbracht, wo sich sein Vater und seine Schwester aufhalten würden. Eine Reintegration scheine daher jedenfalls möglich.

 

Zusammenfassend könne daher nur festgestellt werden, dass die Ausweisung nicht nur zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten und somit im Lichte des § 66 Abs. 1 FPG zulässig scheine, sondern auch unter Beachtung der Bestimmungen des § 66 Abs. 2 und 3 FPG zulässig sei.

 

2. Gegen diesen Bescheid erhob der Bw rechtzeitig Berufung mit Schriftsatz vom 11. Oktober 2010.

In der Berufung stellt der Bw die Anträge, den angefochtenen Bescheid dahingehend zu ändern, dass die dauerhafte Unzulässigkeit der Ausweisung ausgesprochen wird; in eventu den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufzuheben; den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung an die Behörde erster Instanz zu verweisen.

Der Bw rügt im Wesentlichen, dass die belangte Behörde der Argumentation, der Bw habe seine integrationsbegründenden Umstände während eines Aufenthalts erworben, der sich auf einen letztlich unberechtigten Asylantrag gestützt habe, zu viel Gewicht beigemessen. Mit dieser Argumentation hätte er sich sinngemäß nie erfolgreich auf seine Integration berufen können.

Auch die Tatsache, dass er nie legal in Österreich gearbeitet habe, sei ihm nicht anzulasten, da es ihm als Asylwerber beinahe unmöglich gewesen sei, einer legalen Beschäftigung nach zu gehen.

 

3. Die belangte Behörde legte zunächst den in Rede stehenden Verwaltungsakt der Sicherheitsdirektion für Oberösterreich vor.

 

Mit 1. Juli 2011 trat das Fremdenrechtsänderungsgesetz, BGBl. I Nr. 38/2011 in wesentlichen Teilen in Kraft. Aus § 9 Abs. 1a FPG in der nunmehr geltenden Fassung ergibt sich, dass der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung über die Berufung zuständig ist, weshalb der in Rede stehende Verwaltungsakt von der Sicherheitsdirektion – nach Inkrafttreten der Novelle am 1. Juli 2011 – dem Oö. Verwaltungssenat übermittelt wurde.

 

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde.

 

3.2. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, weil eine solche nicht erforderlich war, nachdem sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt zweifelsfrei aus der Aktenlage ergibt, im Verfahren im Wesentlichen die Beurteilung von Rechtsfragen strittig ist und die Akten erkennen lassen, dass eine weitere mündliche Erörterung eine tiefgreifendere Klärung der Sache nicht erwarten lässt (§ 67d AVG).

 

Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter Punkt 1. dieses Erkenntnisses dargestellten völlig unbestrittenen Sachverhalt aus. Ferner steht fest, dass die Lebensgefährtin des Bw mittlerweile über einen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet verfügt.

 

3.3. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

4. In der Sache hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oö. erwogen:

 

4.1.1. Gemäß § 125 Abs. 14 des Fremdenpolizeigesetzes – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch das Bundesgesetzblatt BGBl. I Nr. 38/2011, gelten vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 erlassene Ausweisungen gemäß § 53 als Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 weiter, mit der Maßgabe, dass ein Einreiseverbot gemäß § 53 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 damit nicht verbunden ist.

 

4.1.2 Im vorliegenden Fall wurde die Ausweisung auf Basis des § 53 FPG (in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011) erlassen, weshalb diese Ausweisung als Rückkehrentscheidung im Sinne des § 52 FPG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 anzusehen und zu beurteilen ist.

 

4.2.1. Gemäß § 52 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch das Bundesgesetzblatt BGBl. I Nr. 38/2011, ist gegen einen Drittstaatsangehörigen, sofern nicht anderes bestimmt ist, mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Die Rückkehrentscheidung wird mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Berufung gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 66 Abs. 4 AVG auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

 

4.2.2. Im vorliegenden Fall ist auch vom Bw selbst unbestritten, dass er über keinerlei Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet verfügt und somit grundsätzlich unrechtmäßig aufhältig ist.

 

Allerdings ist bei der Beurteilung der Ausweisung bzw. der Rückkehrentscheidung auch auf Art. 8 EMRK sowie § 61 FPG Bedacht zu nehmen. 

 

4.3. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist allerdings ein Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts gemäß Abs. 1 (nur) statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 1 FPG ist, sofern durch eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 2 FPG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

1.         die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der       bisherige         Aufenthalt des Fremden rechtmäßig war;

2.         das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3.         die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4.         der Grad der Integration;

5.         die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;

6.         die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7.         Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des     Asyl-   Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8.         die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem            Zeitpunkt        entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren         Aufenthaltstatus         bewusst waren;

9.         die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes in den Behörden       zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 3 FPG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung oder einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung schon allein aufgrund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder 51ff. NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

Gemäß § 125 Abs. 20 FPG  gelten, vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. 38/2011 vorgenommene Beurteilungen und Entscheidungen gemäß § 66 als Beurteilungen und Entscheidungen gemäß § 61 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 weiter.

 

4.4. Im Sinne der zitierten Normen ist eine Interessensabwägung – basierend auf einer einzelfallbezogenen  Gesamtbetrachtung – vorzunehmen.

 

Gestützt auf die ständige Rechtsprechung der Höchstgerichte ist es grundsätzlich zulässig und erforderlich ist, Maßnahmen zu ergreifen, um den unrechtmäßigen Aufenthalt einer Person zu beenden, da ein solcher rechtswidriger Status fraglos dazu geeignet ist, die öffentliche Ordnung eines Staates massiv zu beeinträchtigen. Daraus folgt, dass das diesbezügliche öffentliche Interesse hoch anzusetzen ist und eine Rückkehrentscheidung grundsätzlich ein nicht inadäquates Mittel darstellt, um einen rechtskonformen Zustand wiederherzustellen. Dies gilt jedoch nur insofern, als die privaten bzw. familiären Interessen im jeweils konkreten Einzelfall nicht als höherrangig anzusehen sind.

 

4.4.1. Entgegen der Feststellung der belangten Behörde, die aufenthaltsbeendende Maßnahme würde aufgrund der beabsichtigten gemeinsamen Ausweisung des Bw und seiner Lebensgefährtin nur in das Privat- nicht aber in das Familienleben des Bw eingreifen, ist im vorliegenden Fall aufgrund des nunmehrigen Aufenthaltstitels der Lebensgefährtin des Bw gemäß § 61 Abs. 2 FPG eine Interessenabwägung hinsichtlich des Privat- und Familienlebens vorzunehmen, wobei insbesondere auf die berufliche und soziale Integration, das Asylverfahren und die Aufenthaltsdauer Bedacht zu nehmen ist.

 

In Anbetracht seines neunjährigen Aufenthalts im Bundesgebiet ist dem Bw eine der Dauer seines Aufenthalts entsprechende Integration zuzugestehen.

Diese Aufenthalt war nachweislich von 6. November 2002 bis zur Rechtskraft des Rückkehrverbots am 18. April 2008, also 5 Jahre und 5 Monate, rechtmäßig.

 

Das Gewicht der aus der (rechtmäßigen) Aufenthaltsdauer ableitbaren Integration wird jedoch angesichts der ständigen Judikatur des VwGH dadurch gemindert, als der Aufenthalt des Bw während des Asylverfahrens nur aufgrund eines Antrages, welcher sich letztendlich als unberechtigt erwiesen hat, temporär berechtigt war. Dem Bw musste bewusst sein, dass er ein Privat- und Familienleben während eines Zeitraumes, in dem er einen "unsicheren" Aufenthaltsstatus hatte, geschaffen hat, (vgl. etwa Erkenntnis vom 08.11.2006, Zahl 2006/18/0344 sowie Zahl 2006/18/0226 ua.). Er durfte nicht von vornherein damit rechnen, nach einem allfälligen negativen Ausgang des Asylverfahrens weiterhin in Österreich bleiben zu dürfen.

Im Hinblick auf den neun Jahre währenden Aufenthalt in Österreich ist im Besonderen auf die die jüngste Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abzustellen. Wie folgt wiedergegeben, hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 22. Dezember 2009, GZ 2009/21/0348, einer sozialen Integration, obwohl sie in einem Zeitraum entstanden ist, während dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst war, ein nicht unbeachtliches Gewicht beigemessen:

 

Das durch eine soziale Integration erworbene Interesse an einem Verbleib in Österreich ist in seinem Gewicht gemindert, wenn der Fremde keine genügende Veranlassung gehabt hatte, von einer Erlaubnis zu einem dauernden Aufenthalt auszugehen (E. vom 22. Oktober 2009, Zl. 2009/21/0293; E. vom 29. September 2009, Zl. 2009/21/0253; E. des VfGH vom 3. März 2008, B 825/07 mit Bezug auf die Urteile des EGMR vom 31. Jänner 2006, Rodrigues da Silva und Hoogkaamer gegen die Niederlande [Beschwerde Nr. 50435/99] und vom 31. Juli 2008, Darren Omoregie u.a. gegen Norwegen [Beschwerde Nr. 265/07]). Der EGMR stellt in den angesprochenen Urteilen darauf ab, ob das Familienleben zu einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich die betroffenen Personen bewusst waren, der Aufenthaltsstatus eines Familienmitgliedes sei derart, dass der Fortbestand des Familienlebens im Gastland von vornherein unsicher ist. Sei das der Fall, bewirke eine Ausweisung des ausländischen Familienangehörigen nur unter ganz speziellen bzw. außergewöhnlichen Umständen ("in exceptional circumstances") eine Verletzung von Art 8 EMRK (vgl.: E vom 19. Februar 2009, Zl. 2008/18/0721, E. vom 30. April 2009, Zl. 2009/21/0086). In diesem Sinn ist nach der Z. 8 des § 66 Abs. 2 FPG [in der Fassung vor dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011] aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Annordnung bei der Interessensabwägung darauf Bedacht zu nehmen, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst war. Freilich hat die genannte Bestimmung schon vor dem Hintergrund der gebotenen Gesamtbetrachtung nicht zur Konsequenz, dass der während unsicheren Aufenthalts erlangten Integration überhaupt kein Gewicht beizumessen und ein solcherart begründetes privates und familiäres Interesse nie zur Unzulässigkeit einer Ausweisung führen könnte.

 

Im Erkenntnis vom 20. Jänner 2011, Zl. 2010/22/0158, hat der Verwaltungsgerichtshof bei einer im Wesentlichen vergleichbaren Sachlage, jedoch eines knapp über 10 Jahre bestehenden Aufenthaltes, dem persönlichen Interesse des Fremden am Verbleib in Österreich ein solches Gewicht beigemessen, dass eine Ausweisung unzulässig ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat dabei wie folgt ausgeführt:

 

Der Beschwerdeführer verweist auf seine Erwerbstätigkeit und darauf, dass er sich während seines Aufenthaltes in Österreich "in privater Hinsicht sehr gut integriert" habe. Die belangte Behörde hob zwar zu Recht hervor, dass dem Beschwerdeführer bereits nach erstinstanzlicher Abweisung seines Asylantrages die Unsicherheit seines Aufenthaltsstatus bewusst war, er somit nicht mit einem legalen Aufenthalt in Österreich rechnen durfte. Sie ist auch darin im Recht, dass dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. für viele etwa das Erkenntnis vom 6. Juli 2010, 2008/22/0688). Dementsprechend haben Fremde nach Abweisung ihres Asylantrages grundsätzlich den rechtmäßigen Zustand durch Ausreise aus dem Bundesgebiet herzustellen. Demgegenüber vermag der Beschwerdeführer jedoch einen bereits über zehnjährigen Aufenthalt in Österreich für sich ins Treffen zu führen und es stellte die belangte Behörde auch fest, dass er erwerbstätig ist. Diese Umstände verleihen dem persönlichen Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich ein solches Gewicht, dass die Ausweisung unverhältnismäßig erscheint (vgl. zu ähnlichen Fällen etwa die E. vom 26. August 2010, 2010/21/0206 und 2010/21/0009).

 

4.4.2. Wie sich aus dem Sachverhalt ergibt, befindet sich der Bw schon seit 9 Jahren im Bundesgebiet, allerdings war sein Aufenthalt aufgrund des rechtskräftigen Rückkehrverbots nur 5 Jahre und 5 Monate rechtmäßig.

 

Zudem wird nicht angezweifelt, dass er über Deutsch-Sprachkenntnisse verfügt.

Nun ergibt sich aber unstrittig aus dem Akt, dass der Bw trotz seiner behaupteten guten Deutschkenntnisse bislang kein A2-Zertifikat vorgelegt hat.

 

Weiters ergibt sich aus dem Akt unstrittig, dass der Bw während seines gesamten Aufenthalts zu keiner Zeit rechtmäßig erwerbstätig war. Eine berufliche Integration konnte daher nicht festgestellt werden.

 

Bei der Beurteilung der sozialen Integration wird in besonderem Maß auf die strafrechtliche Unbescholtenheit Bedacht genommen. Der Bw wurde in drei Fällen zu (teils unbedingten) Freiheitsstrafen rechtskräftig gerichtlich verurteilt, wobei die letzte gerichtliche Verurteilung nach Rechtskraft des Rückkehrverbots, das aufgrund der vorangegangenen beiden Verurteilungen ausgesprochen wurde, ergangen ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 2 Z. 7 sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts zu berücksichtigen. Am 24. August 2007 wurde der Bw vom Landesgericht Krems wegen eines Verstoßes gegen das Fremdenpolizeigesetz zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten, bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren verurteilt. Angesichts dieser Umstände kann im Fall des Bw keinesfalls von einer gelungenen sozialen Integration gesprochen werden, zumal der diese nur lapidar, ohne konkrete Hinweise  vorzubringen, behauptete.

 

Unbestritten verfügt der Bw über familiäre Bindungen in Österreich zu seiner Lebensgefährtin, die zwar aufgrund der Legaldefinition des § 2 Abs. 4 z. 12 FPG nicht unter den Begriff der "Kernfamilie" fällt, es aber aufgrund der Meldedaten und der glaubhaften Angaben des Bw evident ist, dass diese partnerschaftliche Beziehung bereits zumindest während des gesamten Aufenthalts des Bw im Bundesgebiet besteht und der Bw von seiner Lebensgefährtin finanziell unterstützt wird und bei ihr mitversichert ist.

 

Dem ist gegenüber zu stellen, dass die Lebensgefährtin des Bw während der Verbüßung seiner Haftstrafen bereits mehrere Monate gezwungen war, getrennt vom Bw zu leben. Darüber hinaus bestreitet sie alleine den Familienunterhalt und ist durch die Rückkehrentscheidung finanziell nicht beeinträchtigt. Ergänzend sei erwähnt, dass die Lebensgefährtin des Bw – abgesehen von den Zeiträumen, in denen der Bw seine Haftstrafen verbüßte – über mehrere Monate nicht an gemeinsamer Adresse mit dem Bw ihren Hauptwohnsitz gemeldet hatte.

 

Verglichen mit dem oa. Erkenntnis des VwGH ist hier nicht nur die dort beschriebene – allenfalls als exemplarisch angeführte – Aufenthaltsdauer unterschritten; was noch mehr ins Gewicht fällt, ist die fehlende Verfestigung der sozialen und privaten Integration. Obwohl dem Bw bewusst war, dass der Fortbestand des Familienlebens im Gastland von vornherein unsicher ist, hat er nicht alles denkmögliche unternommen, um sich sozial und beruflich zu integrieren. Gerade das Gegenteil lässt sich aus seinem Verhalten (mangelndes Interesse eine Beschäftigungsbewilligung zu erlangen) und seiner Einstellung zur österreichischen Rechtsordnung ableiten. Über einen langen Zeitraum hat er wiederholt schwerwiegende Verstöße gegen strafgesetzliche Bestimmungen gesetzt. Mangels entsprechender Integration liegt nicht einmal ansatzweise eine Fallkonstellation vor, bei der die Höchstgerichte und der EGMR eine Verletzung des Art. 8 EMRK angedacht haben.

 

Nach einem 9-jährigen Zeitraum ist durchaus nachvollziehbar, dass die Bindung an den Heimatstaat nicht allzu intensiv sein dürfte.

 

Hier ist allerdings bei einer Abwägung festzustellen, dass der Bw 33 Jahre in seinem Herkunftsstaat gelebt, dort eine Ausbildung absolviert und gearbeitet hat, die Sprache beherrscht und sich auch seine Schwester und sein Vater in Armenien befinden, weshalb eine Reintegration nicht undenkbar und bei einer Gesamtbeurteilung wohl als jedenfalls zumutbar anzusehen ist.

 

4.4.3. Bei einer Gesamtbetrachtung aller Umstände ist festzustellen, dass die für die Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung sprechenden Elemente des öffentlichen Interesses gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK die persönlichen Interessen des Bw an einem Verbleib im Bundesgebiet eindeutig überwiegen.

 

4.5. Es war daher die Berufung als unbegründet abzuweisen und der angefochtene Bescheid zu bestätigen.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro (Eingabegebühr) angefallen.

 

 

 

 

Mag. Stierschneider

 

 

 

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