Linz, 12.12.2011
E r k e n n t n i s
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Ewald Langeder nach der am 23. September 2011 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung über die Berufung des Herrn X X, X, X/BRD, vertreten durch X Rechtsanwälte OG, X, X, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Grieskirchen vom 25. mai 2011, BauR96-506-2010, wegen einer Übertretung des Bundesstraßen-Mautgesetzes (BStMG) 2002 zu Recht erkannt:
I. Der (Straf-)Berufung wird Folge gegeben, die Geldstrafe auf 150 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 17 Stunden herabgesetzt.
II. Ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat ist nicht zu leisten. Der Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens ermäßigt sich auf 15 Euro.
Zu I: §§ 16 Abs.2, 19, 20, 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm. § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG;
zu II: §§ 64 ff VStG.
Entscheidungsgründe:
1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde über den Berufungswerber (Bw) eine Geldstrafe von 300 Euro bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe von
33 Stunden verhängt, weil er als Lenker des Kfz mit dem behördlichen Kennzeichen X am 25. Juli 2010 um 09.12 Uhr, die mautpflichtige Innkreisautobahn A8 bei ABKM 37.400 in Fahrtrichtung Knoten Voralpenkreuz benützt habe, ohne die zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben, obwohl die Benützung des mautpflichtigen Straßennetzes mit mehrspurigen Kraftfahrzeugen, deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht nicht mehr als 3,5 Tonnen beträgt, einer zeitabhängigen Maut unterliegt. Es sei festgestellt worden, dass am Fahrzeug keine gültige Mautvignette angebracht war.
2. In der Berufung wird Folgendes vorgebracht:
Die Verwaltungsbehörde erster Instanz wäre daher verpflichtet gewesen, auf diese sachverhaltserhebliche Beweisanträge einzugehen und die beantragten Beweise aufzunehmen. Diesfalls hätte sich im Sinne des Vorbringens des Beschuldigten bestätigt, dass an seinem Fahrzeug im fraglichen Zeitpunkt tatsächlich eine gültige Vignette angebracht war. Indem die beantragte Beweisaufnahme ohne Begründung unterblieben ist, ist das erstinstanzliche Verfahren daher mangelhaft geblieben. Die Mangelhaftigkeit dieses Verfahrensfehlers manifestiert sich darin, dass die Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz bei antragsgemäßer Beweisaufnahme zu einer anderen Sachverhaltsfeststellung hinsichtlich Anbringung der Mautvignette gelangt und die Verhängung einer Geldstrafe daher unterblieben wäre.
3. Aus dem Akt ist ersichtlich:
Dem Akt liegt eine Anzeige der ASFINAG vom 20.12.2010 zugrunde. Die Lenkeranzeige enthält den gegenständlichen Tatvorwurf. Demnach sei am Kfz keine gültige Mautvignette angebracht gewesen. Gemäß § 19 Abs.4 BStMG sei der Zulassungsbesitzer am 2.9.2010 schriftlich zur Zahlung der Ersatzmaut aufgefordert worden, dieser Aufforderung wurde jedoch nicht entsprochen.
Nach Strafverfügung vom 30. Dezember 2010 äußerste sich der Bw dahingehend, dass die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen worden sei. Am Fahrzeug des Bw sei eine gültige Mautvignette ordnungsgemäß angebracht gewesen.
Einer Stellungnahme der ASFINAG vom 2. März 2011 ist zu entnehmen, dass im gegenständlichen Fall der Lenker des Fahrzeuges das mautpflichtige Straßennetz ohne die Maut mittels einer ordnungsgemäß geklebten Vignette zu entrichten, benutzt habe. Dies sei von der automatischen Vignettenkontrolle erkannt und registriert worden. Der Stellungnahme angeschlossen sind Beweisfotos.
Dazu äußerte sich der Bw folgendermaßen:
Weiters werden Farbkopien der Vignette vom 25.07.2010 und das Lichtbild zeigend die Reste der Vignette auf der Windschutzscheibe nach deren Entfernung vorgelegt.
Der Akt schließt mit dem angefochtenen Straferkenntnis und der daraufhin eingebrachten Berufung.
4. In der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung führte der Sachverständige aus, dass auf dem aktenkundigen Foto Details, wie zB. die Fahrgestellnummer, erkennbar seien. Im rechten unteren Eck seien zwei Aufkleber, einer kreisrund und einer rechteckig, vorhanden und daher könne keiner der beiden die Vignette sein, weil die geometrische Form der Vignette eine andere sei.
Zur Frage der automatischen Vignettenkontrolle führte der Sachverständige aus, dass über Videoaufnahmen das Fahrzeug in der Weise detektiert werde, dass zum einen die Identifikation, also das Kennzeichen, abgelesen werden könne und zum zweiten, dass es eine Detailaufnahme der jeweiligen Windschutzscheibe ermögliche. Diese Detailaufnahme könne entsprechend vergrößert werden, sodass Details erkennbar seien. Im gegenständlichen Fall sei im Windschutzscheibenbereich, also hinter dem unteren Rand der Windschutzscheibe, die Fahrgestellnummer erkennbar. Auch sei erkennbar, dass am Armaturenbrett keine Gegenstände liegen und dass im ganzen Windschutzscheibenbereich nur im rechten unteren Eck sich die oben erwähnten Aufkleber befinden. Weitere Aufkleber oder Indizien, dass eine Vignette geklebt wäre, seien nicht feststellbar. Festzuhalten sei zudem, dass die Bildqualität so gut sei, dass die im Frontbereich angebrachte Fahrgestellnummer dargestellt und weiters erkennbar sei, dass auch auf dem Armaturenbrett keine Gegenstände abgelegt seien.
Zur Frage, ob es auszuschließen sei, dass eine Windschutzscheibe, auf der sich eine Vignette befindet, fotografiert werde, aber auf der Fotografie dann die Vignette nicht aufscheint, legte der Sachverständige dar, dass es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen sei, dass die Fotografie die Vignette nicht aufnimmt. Denkbar sei, dass bei schlechter Bildqualität Details der Vignette nicht erkennbar seien, wie zB. die Lochung des Datums oder dgl. Der Umstand, ob eine Vignette selbst geklebt ist oder nicht, werde nicht verschluckt, bei dieser Fotoqualität seien keine Fehlerquellen denkbar.
Zum Vorbringen des Vertreters des Bw, es sei unverständlich, warum der Bw bei Nichtanbringung der Vignette bei der Strecke Deutschland – Ungarn und retour nicht öfter "erwischt" worden sei, legte der Sachverständige dar, dass die entsprechenden Geräte nur in sehr geringer Zahl verfügbar seien und daher eine sehr geringe Kontrolldichte vorhanden sei. Die Vignettenprobe habe Stichprobencharakter.
5. Mit Schriftsatz vom 13.10.2011 äußerte sich der Bw wie folgt:
"Aufgrund der Ergebnisse der Verhandlung vom 23.09.2011 wird ausdrücklich mitgeteilt, dass der Beschuldigte für den Fall einer Aussprache einer Bestrafung von € 150,00 auf jegliche Rechtsmittel verzichtet und mit der Verminderung einverstanden ist. Sämtliche bisherige Beweisangebote werden daher für diesen Fall zurückgezogen."
6. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat darüber erwogen:
6.1. Gemäß § 10 Abs. 1 BStMG unterliegt die Benützung von Mautstrecken mit einspurigen Kraftfahrzeugen und mit mehrspurigen Kraftfahrzeugen, deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht nicht mehr als 3,5 t beträgt, der zeitabhängigen Maut.
Gemäß § 11 Abs. 1 BStMG ist die zeitabhängige Maut vor der Benützung von Mautstrecken durch Anbringen einer Mautvignette am Fahrzeug zu entrichten.
Punkt 7.1. der Mautordnung lautet: An jedem mautpflichtigen Kraftfahrzeug ist vor Benützung des mautpflichtigen Straßennetzes eine gültige der jeweiligen Fahrzeugkategorie entsprechende Vignette ordnungsgemäß (unter Verwendung des originären Vignettenklebers) anzubringen. Jede andere Art der Anbringung (z.B. durch [zusätzliche] Klebestreifen) ist nicht gestattet und verwirkt den Nachweis der ordnungsgemäßen Mautentrichtung. Die Vignette ist - nach Ablösen von der Trägerfolie - unbeschädigt und direkt so auf die Innenseite der Windschutzscheibe anzukleben, dass sie von außen gut sicht- und kontrollierbar ist (z.B. kein Ankleben hinter einem dunklen Tönungsstreifen).
Gemäß § 20 Abs. 1 BStMG ("Mautprellerei") begehen Kraftfahrzeuglenker, die Mautstrecken benützen, ohne die nach § 10 geschuldete zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben, eine Verwaltungsübertretung und sind mit Geldstrafe von 300 Euro bis 3.000 Euro zu bestrafen.
§ 19 BStMG ("Ersatzmaut") bestimmt, dass in der Mautordnung für den Fall der nicht ordnungsgemäßen Entrichtung der Maut eine Ersatzmaut festzusetzen ist, die den Betrag von 250 Euro einschließlich Umsatzsteuer nicht übersteigen darf (Abs. 1).
Kommt es bei einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 zu keiner Betretung, so ist die Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft ermächtigt, im Falle einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 1 den Zulassungsbesitzer schriftlich zur Zahlung einer Ersatzmaut aufzufordern, sofern der Verdacht auf automatischer Überwachung beruht, im Falle einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 den Zulassungsbesitzer schriftlich zur Zahlung einer Ersatzmaut aufzufordern, sofern der Verdacht auf automatischer Überwachung oder auf dienstlicher Wahrnehmung eines Organs der öffentlichen Aufsicht beruht. Die Aufforderung hat eine Identifikationsnummer und eine Kontonummer zu enthalten. Ihr wird entsprochen, wenn die Ersatzmaut binnen vier Wochen ab Ausfertigung der Aufforderung dem angegebenen Konto gutgeschrieben wird und der Überweisungsauftrag die automationsunterstützt lesbare, vollständige und richtige Identifikationsnummer enthält (Abs. 4).
Subjektive Rechte des Lenkers und des Zulassungsbesitzers auf mündliche oder schriftliche Aufforderungen zur Zahlung einer Ersatzmaut bestehen nicht (Abs.6).
6.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht davon aus, dass der Bw die Vignette nicht an der Windschutzscheibe befestigt hat, sondern lediglich mitgeführt hatte. Im Hinblick auf die verringerte Manipulationsgefahr bei einer 10-Tages-Vignette und des letztlich geständigen Verhaltens des Bw erscheint es vertretbar, dem Antrag des Bw folgend § 20 VStG anzuwenden und die Geldstrafe auf 150 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 17 Stunden herab zu setzen. Die Tat bleibt im Übrigen nicht so weit hinter dem deliktstypischen Unrechts- und Schuldgehalt zurück, dass eine Anwendung des § 21 Abs.1 VStG gerechtfertigt wäre.
Aus diesen Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.
Dr. Ewald Langeder