Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730548/3/Sr/ER

Linz, 12.12.2011

B e s c h l u s s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des X, geb. am X, zuletzt wohnhaft in X, StA von Israel, gegen die mit Bescheid des Polizeidirektors der Stadt Linz vom 23. Februar 2011, AZ: 1068777/FRB, angeordnete Ausweisung, zu Recht erkannt:

 

 

Die Berufung wird als unzulässig zurückgewiesen.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 AVG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Der Polizeidirektor von Linz hat mit Bescheid vom 23. Februar 2011, AZ: 1068777/FRB – zugestellt am 24. Februar 2011 - den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich ausgewiesen.

 

2. Gegen diesen Bescheid erhob der Bw rechtzeitig mit Schreiben vom 24. Februar 2011 das Rechtsmittel der Berufung. Der Bw beantragt darin, die belangte Behörde möge ihn mit einer Verwarnung belasten, da ihm nicht bewusst gewesen sei, dass er sich zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung bereits rund einen Monat illegal in Österreich aufgehalten habe, zumal ihm sein Anwalt in Israel mitgeteilt habe, er dürfe sich bis zu sechs Monate in Österreich aufhalten. Ein Antrag auf Familienzusammenführung sei noch nicht erledigt, da seine Frau auf eine Wohnung warte und der Mietvertrag noch ausständig sei.

 

3. Die Bundespolizeidirektion Linz legte den Verfahrensakt dem Sicherheitsdirektor für Oberösterreich zur Entscheidung vor.

 

3.1. Der Sicherheitsdirektor bestätigte den Bescheid der belangten Behörde mit Bescheid vom 4. April 2011, AZ: E1/5139/11, zugestellt am 11. April 2011. Der Sicherheitsdirektor begründete seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass gemäß Sichtvermerksabkommen mit Israel, BGBl. Nr. 438/1968, i.d.F. BGBl. Nr. 61/1973 Inhaber gültiger gewöhnlicher israelischer Reisepässe zu einem nicht Erwerbszwecken dienenden Aufenthalt sichtvermerksfrei nach Österreich einreisen und sich hier drei Monate aufhalten dürfen.

Das Vorbringen des Bw, sein israelischer Rechtsanwalt habe ihn diesbezüglich falsch informiert und er sei daher davon ausgegangen, sich sechs Monate in Österreich aufhalten zu dürfen, führe nicht zum Erfolg, da ausschließlich falsche Rechtsauskünfte von zuständigen Beamten dazu führen würden, den Bw von seinem Verschulden zu befreien. Bei seinem israelischen Rechtsanwalt handle es sich nicht um die für die Angelegenheit zuständige Behörde.

Nach weiteren rechtlichen Erwägungen bestätigte der Sicherheitsdirektor den angefochtenen Bescheid.

 

3.2. Mit Bescheid vom 15. November 2011, GZ-BMI-1040490/0001-II/3/2011, zugestellt per Bekanntmachung durch Anschlag an der Amtstafel am 15. November 2011, hat die Bundesministerin für Inneres den Bescheid des Sicherheitsdirektors von Oberösterreich vom 4. April 2011 von Amts wegen für nichtig erklärt und sich bei der Entscheidung auf § 68 Abs. 4 Z. 1 AVG gestützt.

 

Begründend wurde ausgeführt, dass mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. Mai 2011, Zl. 2011/22/0097-5, nunmehr offenkundig sei, dass der Sicherheitsdirektor für Oberösterreich für die Erlassung des vorliegenden Bescheides sachlich unzuständig gewesen sei und der Bw daher in seinem Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt worden wäre.

 

Bedingt durch die Nichtigerklärung des Berufungsbescheides sei das Berufungsverfahren wieder offen und der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich für das fortgesetzte Verfahren zuständig.

 

3.3. Die belangte Behörde hat den bezughabenden Verwaltungsakt dem Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich am 19. August 2011 zur Berufungsentscheidung vorgelegt.

 

3.4. Dieser hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde.

Unstrittig steht fest, dass der Bw zuletzt am 23. Oktober 2010 legal als Inhaber eines gültigen israelischen Reisepasses nicht zu Erwerbszwecken sichtvermerksfrei nach Österreich eingereist ist und sich somit gemäß Art. 1 des Sichtvermerksabkommens mit Israel, BGBl. Nr. 438/1968 i.d.F. BGBl. Nr. 61/1973 drei Monate lang – also bis 23. Jänner 2011 – hier aufhalten durfte. Der Wohnsitz des Bw in X, wurde am 20. April 2011 abgemeldet. Laut Aktenvermerk der Bundespolizeidirektion Linz, AZ: 1-1068777/FRB/11, vom 21. April 2011 ist der Bw zu diesem Zeitpunkt – nach Auskunft seiner Stieftochter – bereits etwa eine Woche davor nach Israel ausgereist.

 

4. In der Sache hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

 

4.1.1. Mit 1. Juli 2011 sind wesentliche Bestandteile des Fremdenrechts-änderungsgesetzes 2011 – FrÄG 2011, BGBl. I Nr. 38/2011, in Kraft getreten. Gemäß § 125 Abs. 14 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2011, gelten vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 erlassene Ausweisungen gemäß § 53 als Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 weiter, mit der Maßgabe, dass ein Einreiseverbot gemäß § 53 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 damit nicht verbunden ist. Gemäß § 9 Abs. 1a Fremdenpolizeigesetz entscheiden über Berufungen gegen Rückkehrentscheidungen die Unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern.

 

4.1.2. Aus diesem Grund hat die Sicherheitsdirektion für Oberösterreich die verfahrensgegenständliche Berufung zuständigkeitshalber gemäß § 6 AVG zur Entscheidung an den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich übermittelt.

 

4.1.3. Da der entscheidungswesentliche Sachverhalt feststeht, war die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich nicht erforderlich.

 

4.2.1. Die stRsp des VwGH ergibt, dass durch die Ausreise eines Fremden aus dem Bundesgebiet das Rechtsschutzbedürfnis hinsichtlich der Entscheidung gegen eine gemäß § 53 Abs. 1 FPG idF vor dem 1. Juli 2011 erlassene Ausweisung nachträglich weggefallen ist (vgl. VwGH vom 22. Jänner 2009, Zl. 2008/21/0294 und VwGH vom 29.9.2009, Zl. 2009/21/0151). Durch die Ausreise ist der mit der Ausweisung verfolgte Zweck erfüllt; der Ausweisungsbescheid wird gegenstands- und wirkungslos. In diesem Sinn wurde im ersten Satz des § 59 Abs. 1 FPG idF vor dem 1. Juli 2011 ausdrücklich angeordnet, dass eine Ausweisung - vorbehaltlich der Wirkungen nach § 73 FPG - gegenstandslos wird, wenn der Betroffene seiner Ausreiseverpflichtung nachgekommen ist. Auch nach neuerlicher Einreise könnte der Fremde somit auf der Grundlage dieser Ausweisung nicht mehr abgeschoben werden. Wird demnach der Aufenthalt eines Fremden in Österreich nach Erlassung einer Ausweisung und nach Einbringung der Berufung - sei es durch Zurückschiebung, Abschiebung oder durch freiwillige Ausreise - beendet, so käme einer Entscheidung über die gegen den Ausweisungsbescheid erhobenen Berufung nur mehr abstrakttheoretische Bedeutung zu.

 

4.2.2. Da der Bw bereits vor dem 1. Juli 2011 freiwillig ausgereist ist, wurde seine (damals noch) Ausweisung bereits zu diesem Zeitpunkt gegenstandslos.

 

4.2.3. § 73 FPG idF BGBl I Nr 38/2011 findet aufgrund der Neustrukturierung des 8. Hauptstückes des FPG keine Anwendung mehr. Auch können § 11 Abs. 1 Z 3 und Z 1 NAG nicht zur Verwehrung eines Aufenthaltstitels herangezogen werden, da er seiner Ausreiseverpflichtung freiwillig vor einer Antragsstellung gemäß § 21 Abs. 1 nachgekommen ist und keine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG idF BGBl I Nr 38/2011 "erlassen" wurde; Ausweisungen gemäß § 53 FPG vor Inkrafttreten des BGBl I Nr 38/2011 haben bloß als Rückkehrentscheidungen "zu gelten". Auch aus dem NAG kann somit im Hinblick auf die übergeleitete Ausweisung des Bw kein Reflex erkannt werden.

 

4.2.4. Da gemäß § 125 Abs. 14 FPG idF BGBl I Nr 38/2011 vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes erlassene Ausweisungen als Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG idgF ohne dass hiermit jedoch ein Einreiseverbot gemäß § 53 FPG idgF verbunden ist, zu gelten haben, kann insofern auch keine negative Reflex- oder Fortwirkung im Sinne der Rsp des VwGH erblickt werden.

 

4.2.5. Darüber hinaus ist festzuhalten, dass nicht angenommen werden kann, dass durch den Entfall der Bestimmung des § 59 Abs. 1 FPG idF vor dem 1. Juli 2011 vom Gesetzgeber bewusst für "Übergangsfälle" eine Ablehnung der, bereits mit Beschluss des VwGH vom 19. Oktober 1999, Zl. 94/18/0819 begonnenen, stRsp des Verwaltungsgerichtshofes intendiert ist. Der Entfall der unmittelbaren Reflexwirkung nach Muster des § 73 FPG, verbunden mit dem Fehlen eines Einreiseverbotes im Sinne des § 125 Abs. 14 FPG idF BGBl I Nr 38/2011 und der Nichtanwendbarkeit des § 11 Abs. 1 Z 3 und Z 1 NAG stützen vielmehr Gegenteiliges.

 

4.2.6. Zusammenfassend kann somit an dieser Stelle festgehalten werden, dass durch die freiwillige Ausreise des Bw vor dem 1. Juli 2011 die "Ausweisung" zu diesem Zeitpunkt gegenstands- und wirkungslos wurde, das Ziel der Rückkehrentscheidung in der Form der Übergangsbestimmung gänzlich erfüllt wurde und keinerlei Reflexwirkung im Sinne der Möglichkeit der Verletzung in einem gesetzlich normierten subjektiven Recht besteht (siehe beispielsweise VwGH vom 23. April 2009, Zl. 2006/07/0078 mwN).

 

4.2.7. Die Berufungsbehörden hatte gemäß § 57 FPG idF vor dem 1. Juli 2011 im Falle einer freiwilligen Ausreise daher nur festzustellen, ob die Ausweisung zum Zeitpunkt der Erlassung rechtmäßig war. Das FPG idF BGBl I Nr 38/2011 enthält in § 68 Abs. 1 eine vergleichbare Bestimmung. Diese gilt aber nicht für Rückkehrentscheidungen und ist im vorliegenden Fall nicht anwendbar.

 

4.2.8. Auch die Erwähnung des § 66 Abs. 4 AVG in § 52 Abs. 1 letzter Satz FPG idF BGBl I Nr 38/2011 führt zu keinem gegenteiligen Ergebnis, da keine Rechtsverletzungsmöglichkeit gegeben (siehe statt vieler Aichlreiter, JBl 1996, 299 ff.), Gegenstandslosigkeit bereits mit der Ausreise des Bw eingetreten und überdies auch teleologisch die Notwendigkeit einer Sachentscheidung gemäß § 66 Abs. 4 AVG mangels verknüpftem Einreiseverbot bei diesem Übergangsfall im Hinblick auf § 52 FPG idF BGBl I Nr 38/2011 nicht gegeben ist.

 

4.2.9. Dem Berufungsantrag konnte im Ergebnis daher keine Folge gegeben werden, da die bekämpfte Ausweisung bereits gegenstands- und wirkungslos ist. Die Berufung war daher als unzulässig zurückzuweisen. Eine Erörterung der in der Berufung vorgebrachten Interessen der Bw am Verbleib im Bundesgebiet war bei diesem Verfahrensergebnis verwehrt. Aus diesem Grund war spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro (Eingabegebühr) angefallen.

 

 

Mag. Stierschneider

 

 

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