Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-200283/21/BP/Ga

Linz, 12.04.2011

 

E r k e n n t n i s

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung des X, vertreten durch X Rechtsanwalt in X, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes des Bezirks Linz-Land vom 10. Juni 2008, AZ. Agrar96-57-2006/Pl, nach Aufhebung durch den Verwaltungsgerichtshof und nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 5. April 2011, zu Recht erkannt:

 

 

 

I.                  Der Berufung wird stattgegeben; das angefochtene Straf­erkenntnis wird aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren wird eingestellt

 

II.              Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: §§ 24, 45 Abs. 1 Z 2 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm. § 66 Abs. 4 Allgemeines Ver­waltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG.

 

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Linz-Land vom
10. Juni 2008, GZ.: Agrar96-57-2006/Pl wurde über Herrn X (im Folgenden Bw) eine Geldstrafe in Höhe von 2.000 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 1 Tag) verhängt, weil er als zur Vertretung nach Außen berufener handelsrechtlicher Geschäftsführer der X, und somit als Verantwortlicher gemäß
§ 9 Abs.1 VStG zu vertreten habe, dass am 7.6. 2006 – wie von einem Organ des Bundesamtes für Ernährungssicherheit am 7. 6. 2006 festgestellt worden sei – 3 x 6 Liter des Präparates X mit der Pfl.Reg.Nr. X, dessen Zulassung mit 25. 7. 2003 aufgehoben worden sei und dessen Abverkaufsfrist mit 31. 12. 2003 geendet habe, im PSM-Lager/Lkw-Werkstätte am Standort der ggst. Firma zum Verkauf vorrätig gehalten worden seien und somit 3 x 6 Liter des nicht mehr zugelassenen Präparates X verbotenerweise in Verkehr gebracht worden sei.

 

Als Rechtsgrundlagen werden § 3 Abs.1 iVm § 34 Abs.1 Z1 lit.a Pflanzenschutzmittelgesetz 1997, BGBl. I Nr. 60/1997 idgF genannt.

 

Der Bw habe ferner gemäß § 64 VStG zu zahlen:

200 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens

393,08 Euro als Ersatz der Barauslagen für angefallene Gebühren gemäß § 32 Abs.2 Pflanzenschutzmittelgesetz iVm § 6 Abs.1 Z4 und Abs.6 des Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetzes – GESG

310,80 Euro als Ersatz der Barauslagen für angefallene Gebühren gemäß § 32 Abs.2 Pflanzenschutzmittelgesetz iVm § 6 Abs.1 Z4 und Abs.6 des Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetzes – GESG (Code-Nr. 12014).

 

Begründend führt die belangte Behörde aus, dass am 7. Juni 2006 anlässlich einer Kontrolle im Betrieb des in Rede stehenden Unternehmens von Organen des Bundesamtes für Ernährungssicherheit 3 x 6 Liter des im Spruch genannten Präparates vorgefunden worden seien. Dieses Pflanzenschutzmittel sei nicht mehr zugelassen. Das Produkt sei vom Kontrollorgan gemäß § 29 Abs.1 Pflanzenschutzmittelgesetz 1997 (PMG) vorläufig beschlagnahmt und dem Verfügungsberechtigten eine Bescheinigung hierüber ausgestellt worden.

 

In ihrer rechtlichen Beurteilung stützt sich die belangte Behörde insbesondere auf die §§ 34 Abs. 1 Ziffer 1 lit a, § 2 Abs. 10, § 3 Abs. 1, 2 und 4, § 11 Abs. 1 und § 12 Abs. 10 Pflanzenschutzmittelgesetz 1997 iVm § 9 VStG. Bezüglich des objektiven Tatbestandes führte sie aus, dass dieser einwandfrei erwiesen sei. Sowohl aus der Anzeige als auch aus der zeugenschaftlichen Einvernahme der Kontrollorgane und der Stellungnahme des Bundesamtes für Ernährungs­sicherheit sei erwiesen, dass das nicht mehr zugelassene Pflanzenschutzmittel X in der im Spruch angeführten Menge zum Kontrollzeitpunkt durch Vorrätighalten zum Verkauf in verbotener Weise im Sinne des § 2 Abs. 10 PMG in Verkehr gebracht worden sei. Entsprechend dem Erlass des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom 3. Mai 2006, unterliege auch das Lagern von Pflanzenschutzmitteln, soweit diese dem (späteren) Verkauf – hievon seien auch Lieferungen an andere Mitgliedstaaten oder Drittstaaten erfasst – zugeführt werden sollen, den Vorschriften des PMG. Auch sei es mangels diesbezüglicher gesetzlicher Bestimmungen des PMG für die Beurteilung des rechtmäßigen In-Verkehr-Bringens unerheblich, ob die Pflanzenschutzmittel versperrt oder unversperrt gelagert worden seien bzw. welche Personen Zutritt zum Lager hätten. Gemäß Art. 2 Z. 10 der Richtlinie 91/414/EWG sei die Einfuhr eines Pflanzenschutzmittels in das Gebiet der Gemeinschaft ein In-Verkehr-Bringen. Die belangte Behörde führt auch Art. 3 Abs. 2 leg. cit. ins Treffen. Eine allfällige vom Bw behauptete Kennzeichnung, dass die Ware nicht für den Vertrieb in Österreich bestimmt gewesen sei, hätte bereits vor und nicht während der Amtshandlung angebracht werden müssen (dokumentiert durch Lichtbilder und Aussagen der Kontrollorgane).

 

Bezug nehmend auf den in anderen EU Staaten zugelassenen Wirkstoff "X " werde festgehalten, dass dieses Produkt nicht beim Bundesamt für Ernährungssicherheit gemeldet und somit nicht nach dem PMG zugelassen sei. Die Anmeldeverpflichtung hätte zudem sehr wohl die in Rede stehende Firma getroffen, da die Zulassung von demjenigen zu beantragen sei, der beabsichtige, das Pflanzenschutzmittel im Inland erstmals in Verkehr zu bringen. Die Behauptung, dass das Pflanzenschutzmittel bloß gelagert worden sei und deshalb keiner Zulassung bedurft habe, habe vom Bw mangels konkreter Beweisvorbringen (insbesondere durch Lieferscheine und Rechnungen, Zulassung im Mitgliedsstaat, um festzustellen welches Produkt woher, in welcher Menge und wann bezogen wurde) nicht glaubhaft gemacht werden können. Eine Sicherstellung, dass die Ware nicht zum In-Verkehr-Bringen im Inland bestimmt sei, müsse nach außen eindeutig erkennbar sein (zB. durch Arbeitsanweisungen, gesonderte Verwahrung, eigener Lagerraum, besondere Bezeichnungen, entsprechende Geschäftsunterlagen usw.) und wäre nach strengen Maßstäben zu beurteilen, um einen Missbrauch verhindern zu können. Den vom Bw gestellten Anträgen auf Überprüfung der Registrierung und Anmeldung habe aufgrund seiner mangelnden Mitwirkung nicht entsprochen werden können. Es sei für die angelastete Verwaltungsübertretung irrelevant, ob das ggst. Pflanzenschutzmittel in anderen Staaten zugelassen sei, da die Zulassung in Österreich aufgehoben und somit entgegen § 3 Abs. 1 PMG in Verkehr gebracht worden sei. Weiters handle es sich teilweise um unterschiedliche Verwaltungsübertretungen und auch die vorgefundenen Pflanzenschutzmittel seien zu unterschiedlichen Zeitpunkten in die LKW-Werkstätte verbracht worden. Da der Bw den Nachweis nicht erbringen habe können, dass das gegenständliche Pflanzenschutzmittel nach dem PMG zugelassen sei bzw. dass keine Zulassung notwendig gewesen sei, wären die diesbezüglich vorgebrachten Argumente als Schutzbehauptungen zu werten. Es liege ein ohne gültige Zulassung erfolgtes Inverkehrbringen vor.

 

Hinsichtlich des Verschuldens führt die belangte Behörde insbesondere aus, dass ein sorgfältiger und pflichtbewusster Geschäftsführer eines Agrarhandels­unternehmens mit einem funktionierenden lückenlosen Kontrollsystem sich über die geltenden Vorschriften informieren hätte müssen, was im konkreten Fall zum Nicht-In-Verkehr-Bringen der Pflanzenschutzmittel geführt hätte. Insofern habe der Bw die Verwaltungsübertretung zumindest fahrlässig im Sinne des § 5 VStG und damit auch subjektiv vorwerfbar begangen.

 

Die belangte Behörde schließt mit Ausführungen zur Strafbemessung, wonach keine mildernden Umstände, vielmehr eine bereits einschlägige Verwaltungs­übertretung, nämlich eine Strafverfügung wegen einer Übertretung des § 34 Abs. 1 Z. 2 lit b PMG vom 21. März 2006, Zl. Agrar96-22-2006, sowie ein Einkommen von 3.000,00 Euro, bei keinem nennenswerten Vermögen und keinen Sorgepflichten zu werten gewesen seien.  

 

Bezüglich der vom Bundesamt für Ernährungssicherheit vorgeschriebenen Gebühren verweist die belangte Behörde auf § 32 Abs. 2 PMG iVm § 6 Abs. 6 des Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetzes, wonach eine tarifmäßig festgelegte Gebühr bei Zuwiderhandeln gegen das PMG zu entrichten sei.

 

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis brachte der Bw – rechtsfreundlich vertreten - Berufung bei der belangten Behörde mit Poststempel vom 27. Juni 2008 – somit rechtzeitig – ein. In diesem stellt er einen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung nebst dem Antrag der Berufung Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das anhängige Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

Begründend verweist der Bw insbesondere auf die Art. 28 und 30 EGV über die Wahrenverkehrsfreiheit und führt diesbezüglich Auszüge aus drei Urteilen des EuGH an. Demnach wäre es nur dann gerechtfertigt, die Varianten für die Genehmigung des In-Verkehr-Bringens und die Vorlage der hierfür erforderlichen Unterlagen als zwei verschiedene Arzneimittel zu behandeln, wenn sich das Bestehen therapeutisch relevanter Unterschiede ergeben sollte (Rs 104-75). Außerdem sei es dann, wenn die Gesundheitsbehörde des Einfuhrmitglieds­staates aufgrund eines Genehmigungsantrages für das In-Verkehr-Bringen der betreffenden Arzneispezialität bereits über alle für die Untersuchung der Wirksamkeit und der Unschädlichkeit des Arzneimittels als unentbehrlich angesehenen pharmazeutischen Angaben verfüge, für den Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen offensichtlich nicht notwendig, dass die Behörde von einem zweiten Wirtschaftsteilnehmer, der eine den erwähnten Kriterien entsprechende Arzneispezialität eingeführt hat, verlange, ihr nochmals die oben genannten Angaben zu unterbreiten (RS C-201/94).

 

Die zuständige Behörde habe zu überprüfen, ob die beiden Pflanzenschutzmittel, ohne in allen Punkten übereinzustimmen, zumindest nach der gleichen Formel und unter Verwendung des gleichen Wirkstoffes hergestellt worden seien und überdies die gleichen Wirkungen hätten und, falls die zuständige Behörde des Einfuhrmitgliedsstaates feststelle, dass diese Kriterien erfüllt wären, so sei das Pflanzenschutzmittel, das importiert werden soll, als bereits im Einfuhrmitglieds­staat in den Verkehr gebracht anzusehen, sodass für dieses Mittel die Genehmigung für das Inverkehrbringen des bereits auf dem Markt befindlichen Pflanzenschutzmittels zu gelten habe (Rs C-100/96). Dieser Rechtsprechung habe sich auch der VwGH angeschlossen, unter Hinweis auf diesbezügliche Entscheidungen. Weiters sähe Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 91/414/EWG ausdrücklich vor, dass Mitgliedsstaaten selbst dann, wenn ein Pflanzenschutz­mittel nicht zur Anwendung in ihrem Gebiet zugelassen sein sollte, diesen Umstand nicht zum Anlass nehmen dürften, die Herstellung, die Lagerung und den Verkehr mit Pflanzenschutzmitteln zu behindern, die zur Anwendung in einem anderen Mitgliedstaat bestimmt seien, sofern das Pflanzenschutzmittel in einem anderen Mitgliedstaat zugelassen sei. Das österreichische Pflanzenschutz­mittelgesetz sei im Sinne dieser EU-Rechtslage EU-rechtskonform zu interpretieren und anzuwenden.

 

Gemäß § 3 Abs. 2 Pflanzenschutzmittelgesetz bedürfe die bloße Lagerung der verfahrensrelevanten Pflanzenschutzmittel keiner Zulassung und sei nicht strafbar. Das hier in Rede stehende Pflanzenschutzmittel sei von Anfang an zur Entsorgung bestimmt gewesen – dies sei insbesondere durch die gesonderte Lagerung, die entsprechende Kennzeichnung, die Versperrung der LKW-Werkstätte, der Tatsache dass Werkstättenarbeiten nur von betriebseigenen Arbeitern durchgeführt worden seien, sowie den Aussagen von Mag. X und dem Bw selbst einwandfrei erwiesen. Gegenteilige Beweisergebnisse lägen nicht vor. Die belangte Behörde sei daher zu Unrecht davon ausgegangen, dass die beschlagnahmten Pflanzenschutzmittel in Österreich in Verkehr gebracht worden seien. Auch sei die belangte Behörde  rechtswidriger Weise, weil gesetzlich nicht vorgesehen, von Nachweispflichten des Bw bzw. der Firma X ausgegangen, welche einer Eu-rechtskonformen Interpretation des Pflanzenschutzmittelgesetzes nicht standhalten würden. Bei dem in Rede stehenden Präparat handle es sich um X; der dabei verwendete Wirkstoff nämlich X werde vom selben Hersteller in Frankreich unverändert verwendet und in Verkehr gebracht. Damit stehe aber auch fest, dass die Firma des Bw nicht behindert oder gar gehindert werden dürfe, die beschlagnahmten Pflanzenschutzmittel nach Frankreich zu verkaufen.

 

Für die anscheinend vom Bundesamt für Ernährungssicherheit und – diesem ohne eigene Begründung folgend – der belangten Behörde vertretene Auffassung, ein Pflanzenschutzmittel dürfe erst und nur dann auf Lager gelegt werden, wenn bereits der oder die konkreten Abnehmer der gesamten Ware feststünden, bestehe weder auf Basis des österreichischen PMG und noch viel weniger auf Basis des EG-Rechts eine gesetzliche Grundlage. Art. 3 Abs. 2 der oa. Richtlinie regle ausdrücklich, dass die Mitgliedsstaaten die Herstellung, die Lagerung und den Verkehr mit (in ihrem Gebiet nicht zugelassenen) Pflanzen­schutz­mitteln nicht behindern dürften, sofern ein Pflanzenschutzmittel in einem anderen Mitgliedstaat zugelassen sei. Wollte man die Lagerung dadurch einschränken, dass sie nur dann zulässig sei, wenn bereits der Abnehmer feststehe, so wäre dies eine im Sinne der zitierten Richtlinie unzulässige Behinderung sowohl der Lagerung als auch des Verkehrs. Im Übrigen habe der Bw stets eingewendet, dass sein Unternehmen nicht in erster Vertriebsstufe tätig sei und eine allfällige Anmeldepflicht gemäß § 3 Abs. 4 PMG im konkreten Fall daher nicht sie, sondern den Lieferanten treffe.

 

Der Bw stellt insbesondere die Anträge an die Verwaltungsstrafbehörde
II. Instanz (gemeint wohl den Oö. Verwaltungssenat). Dieser möge

·         eine unabhängige Analyse (also nicht vom Bundesamt für Ernährungssicherheit) und ein unabhängiges Sachverständigengutachten (also ebenfalls nicht vom Bundesamt für Ernährungssicherheit) zum Beweis dafür einholen, dass die beschlagnahmten Präparate mit dem in Frankreich registrierten Präparat mit dem Wirkstoff 2,4 DP völlig ident sind und nach den selben Formeln unter Verwendung derselben Wirkstoffe hergestellt wurden und die gleichen Wirkungen wie das in Frankreich registrierte Pflanzenschutzmittel haben und

·         eigene Anfragen bei den zuständigen Registrierungsbehörden in Frankreich zum Beweis dafür durchführen, dass die vom Bw vorgebrachte Registrierung des wirkstoffgleichen und vom selben Hersteller stammenden Pflanzenschutzmittels mit dem Wirkstoff 2,4 DP zum angeblichen Tatzeitpunkt bestanden hat und das beschlagnahmte Pflanzenschutzmittel in Frankreich zulässigerweise in Verkehr gebracht werden durfte.

 

Selbst bei Annahme des Vorliegens der vorgeworfenen Verwaltungsübertretung, wäre eine Bestrafung des Beschuldigten aufgrund eines entschuldbaren Rechtsirrtums unzulässig. So vertrete auch der UVS Niederösterreich (Erkenntnis vom 2. Jänner 2008, Zl. Senat-AM-06-0226) die Auffassung, dass die bloße Lagerung nicht strafbar sei.

Im Übrigen würden dem Beschuldigten zu Unrecht mehrere Verwaltungs­übertretungen zur Last gelegt, da es sich allenfalls um eine einheitliche Tat handeln würde. Dass die vorgefundenen Pflanzenschutzmittel zu unterschiedlichen Zeitpunkten in die LKW-Werkstätte gebracht worden sein sollen, seien reine Spekulationen der belangten Behörde. Außerdem lägen alle Voraussetzungen für die Anwendung des § 21 VStG vor. Die Tat habe nämlich keinerlei Folgen nach sich gezogen und ein allfälliges Verschulden wäre – sofern ein solches überhaupt vorliegen sollte – als minimal zu bezeichnen. Die verhängte Strafe widerspräche jedenfalls den gesetzlichen Strafbemessungs­gründen aufgrund der Folgenlosigkeit der Tat und des offensichtlich geringen Verschuldens. Überdies sei der Tatzeitpunkt willkürlich gewählt und es werde Verjährung eingewendet.

 

Schließlich wird die Vorschreibung der Gebühren des Bundesamtes für Ernährungssicherheit mangels gesetzlicher Grundlage dem Grunde und der Höhe nach zur Gänze bestritten.

 

1.3. Mit Erkenntnis des Oö. Verwaltungssenates vom 7. Oktober 2008, VwSen-200283/7/BP/Se, wurde der Berufung stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

1.4. Dagegen erhob die Amtspartei Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, der mit Erkenntnis vom 26. Jänner 2011, Zlen. 2008/07/0209, 07/0210-7, der Beschwerde stattgab und den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufhob.

 

Begründend führte das Höchstgericht im Wesentlichen dazu aus, dass es zutreffe, dass ein bloßes Lagern noch kein In-Verkehr-Bringen im Sinne des § 2 Abs. 10 PMG darstelle. Unter dem Begriff des Vorrätighaltens zum Verkauf im Sinne dieser Bestimmung falle nur ein solches Lagern von Pflanzenschutzmitteln, soweit sie dem späteren Verkauf in einen anderen EU-Mitgliedstaat oder in einen Drittstaat zugeführt werden sollten.

 

Allerdings hätte im Wege einer Verhandlung tiefgreifend ermittelt werden müssen, zu welchem Zweck die in Rede stehenden Pflanzenschutzmittel tatsächlich gelagert worden seien.

 

 

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde. Zusätzlich wurde am 5. April 2011 eine öffentliche mündliche Verhandlung zur Klärung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts durchgeführt.

 

2.2. Der Oö. Verwaltungssenat geht von folgendem entscheidungsrelevanten Sachverhalt aus:

 

Der Bw war zum Tatzeitpunkt handelsrechtlicher Geschäftsführer des in Rede stehenden Unternehmens.

 

Am 7. Juni 2006 wurde anlässlich einer Kontrolle im Betrieb des in Rede stehenden Unternehmens (folgend auf vorgängige Kontrollen ab 31. Mai 2008)von Organen des Bundesamtes für Ernährungssicherheit in der dortigen LKW-Werkstätte) 3 x 6 Liter des Präparates "X" mit der Pfl. Reg. Nr. X vorgefunden. Dieses Pflanzenschutzmittel ist seit 25. Juli 2003 nicht mehr zugelassen. Die Abgabefrist endete mit 31. Dezember 2003.

 

Der Bw beabsichtigte nicht, den Restposten des in Rede stehenden Pflanzenschutzmittels zu verkaufen, sondern dieses an den Lieferanten zu retournieren.

 

2.3.1. Hinsichtlich der Beweiswürdigung war nicht strittig, dass das in Rede stehende Pflanzenschutzmittel im Rahmen der Kontrolle in der LKW-Werkstätte vorgefunden wurde. Fraglich war, zu welchem Zweck das Pflanzenschutzmittel dort gelagert wurde und welcher Bestimmung es der Bw zuführen wollte.

 

2.3.2. Hinsichtlich der in Rede stehenden LKW-Werkstätte ergab die Beweiswürdigung zweifelsfrei, dass sie am Ende des Betriebsgeländes und rund 300 Meter von den Verkaufsräumen bzw. –hallen entfernt situiert liegt. Ihr Bestimmungszweck war zum Tatzeitpunkt primär den Reparaturen von LKWs gewidmet. Die vorgefundenen Paletten befanden sich lediglich in einem kleinen Abschnitt dieser Halle, die im Übrigen außer von Familienangehörigen und Mechanikern nicht betreten wurde und grundsätzlich verschlossen war. Glaubhaft schilderte der Bw, dass die – nicht mehr für den Verkauf vorgesehenen – Produkte gerade deshalb in der LKW-Werkstätte gelagert wurden, weil Kunden kein Zutritt möglich war.

 

2.3.3. Dass die Produkte nicht für den Verkauf bestimmt waren, ergibt sich auch daraus, dass sie nicht - wie sonst im Handelsverkehr der Lebenserfahrung nach üblich – in ansprechender und geordneter Weise präsentiert wurden, sondern lediglich die verschiedenen Restposten auf zwei Paletten deponiert wurden. Inwieweit die jeweiligen Pflanzenschutzmittelverpackungen verschmutzt bzw. staubig waren, wurde in der mündlichen Verhandlung grundsätzlich unterschiedlich bewertet. Klar ist jedoch, dass die Produkte unsystematisch gestapelt und foliert wurden, und dass sie zumindest teilweise Verschmutzungen, sämtliche jedoch Staub aufwiesen. Im Zuge der Verhandlung wurde auch thematisiert, dass ein Zettel mit dem Hinweis, dass diese Produkte nicht für den Verkauf in Österreich bestimmt seien, dies allerdings mit dem Zusatz "EU-Exportwahre" im Zuge der Kontrolle aufgefunden worden sei. Diesem Umstand kommt aber nur wenig Beweiskraft zu. Zum Einen war nicht geklärt, wann der Zettel angebracht wurde, zum Anderen lassen sich aus diesem keine letztgültigen Schlüsse ziehen. Weder, dass der Bw beabsichtigte die Pflanzenschutzmittel nicht in Österreich zu verkaufen noch, dass er dies aber im EU-Raum vorhatte, kann daraus geschlossen werden.

 

Durchgängig hatte der Bw im gesamten Verfahren (insbesondere auch in der öffentlichen mündlichen Verhandlung) ausgeführt, dass er das in Rede stehende Pflanzenschutzmittel an den Lieferanten retournieren wollte, was er als eine besondere Art des Entsorgens ansah. Der Bw räumte (im Übrigen glaubhaft ein), dass er hinsichtlich der Entsorgung von nicht mehr zugelassenen Pflanzenschutzmitteln fraglos nicht ausreichend sensibilisiert war, wodurch er ein zeitgerechtes Handeln vermissen ließ. Gerade aber aus diesem Umstand wird deutlich, dass der Bw tatsächlich keinen Verkauf im Sinne hatte, sondern lediglich in der für sein Unternehmen (aufgrund der geringen Mengen der jeweiligen Pflanzenschutzmittel) nicht wirtschaftlichen Entsorgung säumig war (dies in durchaus beträchtlichem Maß). 

 

2.3.4. Zusammenfassend ist also festzuhalten, dass aus den Umständen des Falles, insbesondere aus der Art und Weise der Lagerung des in Rede stehenden Pflanzenschutzmittels eindeutig anzunehmen ist, dass der Bw das Produkt nicht für den Verkauf bereitgehalten hat, sondern dieses (bei wirtschaftlich adäquater Gelegenheit) an den Lieferanten retournieren wollte. Die Tatsache, dass er allenfalls dieses Produkt in einem anderen EU-Mitgliedstaat noch hätte verkaufen können, war für ihn kein Motiv einen Verkauf ins Auge zu fassen, zumal der logistische Aufwand eines derartigen Transfers angesichts der so geringen Menge des noch zur Verfügung stehenden Restpostens jedenfalls unwirtschaftlich gewesen wäre.

 

2.4. Da im angefochtenen Straferkenntnis im Einzelnen keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung eines seiner Mitglieder berufen (§ 51c VStG).

 

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 3 Abs. 1 des Pflanzenschutzmittelgesetzes, BGBl.Nr. I 60/1997 in der zum Vorfallszeitpunkt geltenden Fassung BGBl.Nr. I 83/2004 (im Folgenden: PMG) dürfen nur jene Pflanzenschutzmittel, die nach diesem Bundesgesetz zugelassen sind, in Verkehr gebracht werden.

 

In diesem Zusammenhang normiert § 12 Abs. 10 PMG im Besonderen, dass Pflanzenschutzmittel, die in einem Mitgliedstaat, der seit zwei Jahren in einer Verordnung gemäß § 12 Abs. 9 PMG angeführt ist, zum In-Verkehr-Bringen zugelassen sind, zugleich als zugelassene Pflanzenschutzmittel nach diesem Bundesgesetz gelten, wenn und soweit sie in der Originalverpackung und mit der Originalkennzeichnung einschließlich der Gebrauchsanweisung in deutscher Sprache in Verkehr gebracht werden.

 

Wer beabsichtigt, nach § 12 Abs. 10 PMG zugelassene Pflanzenschutzmittel in Österreich gewerbsmäßig in erster Vertriebsstufe in Verkehr zu bringen, hat dies gemäß § 3 Abs. 4 PMG vor Aufnahme dieser Tätigkeit dem Bundesamt für Ernährungssicherheit unter Bekanntgabe der Kennzeichnung der Pflanzenschutz­mittel und seiner Anschrift oder gegebenenfalls des Firmensitzes sowie gegebenenfalls unter Nachweis des rechtmäßigen In-Verkehr-Bringens anzumelden (Meldepflichtiger). Der Meldepflichtige unterliegt den Meldepflichten gemäß § 25 PMG. Das In-Verkehr-Bringen von Pflanzenschutzmitteln ist unzulässig, wenn der begründete Verdacht besteht, dass die Konformität mit den Rechtsvorschriften der Europäischen Union, insbesondere des Annexes I der Richtlinie 91/414/EWG, nicht gegeben ist, oder die Gebühr für die Eintragung in das Pflanzenschutzmittelregister nicht entrichtet wurde.

 

Dem gegenüber bedarf gemäß § 3 Abs. 2 PMG die nachweisliche Abgabe zur Lagerung mit anschließender Ausfuhr aus dem Gebiet der Gemeinschaft einerseits sowie die Lagerung und der Verkehr von Pflanzenschutzmitteln, die nachweislich zur Anwendung in einem anderen Mitgliedstaat bestimmt und dort zugelassen sind, keiner Zulassung.

 

Nach § 34 Abs. 1 Z. 1 lit c PMG begeht derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 14.530 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe bis zu 29.070 Euro zu bestrafen, der Pflanzenschutzmittel im Inland entgegen der Kennzeichnungspflicht des § 20 PMG oder den Vorschriften für Fertigpackungen in § 21 PMG in Verkehr bringt.

 

3.2.1. Im vorliegenden Fall ist allseits unbestritten, dass der Beschwerdeführer zum Vorfallszeitpunkt der nach außen vertretungsbefugte handelsrechtliche Geschäftsführer des in Rede stehenden Unternehmens war und dass in der LKW-Werkstätte dieses Unternehmens bei einer amtlichen Kontrolle das oben angeführte Pflanzenschutzmittel vorgefunden wurde.

3.2.2. Strittig ist jedoch, ob überhaupt ein "In-Verkehr-Bringen" dieses Pflanzenschutzmittels vorlag. Dazu ist es erforderlich, diesen in § 3 Abs. 1 PMG enthaltenen Gesetzesbegriff zu interpretieren. 

Nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 10 PMG in der nunmehrigen Fassung BGBl. Nr. I 55/2007 ist unter „In-Verkehr-Bringen” das Lagern und Vorrätighalten zum Zwecke des Verkaufs oder der sonstigen Abgabe an andere, das Feilhalten, das Verkaufen und jedes sonstige Überlassen an andere – insbesondere auch die Abgabe in Genossenschaften, Vereinen oder sonstigen Vereinigungen an deren Mitglieder – sowie die Einfuhr aus Drittländern zu verstehen.

In der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung BGBl.Nr. I 83/2004 fand sich jedoch anstelle der nunmehrigen Wortfolge "Lagern und Vorrätighalten zum Zwecke des Verkaufs oder der sonstigen Abgabe an andere" damals nur die Wendung "Vorrätighalten zum Verkauf".

Nachdem bei der Beurteilung des vorliegenden Falles die zum Vorfallszeitpunkt geltende Rechtslage anzuwenden ist, ist hier somit noch die Legaldefinition vor der vorerwähnten Novelle des PMG im Jahr 2007 heranzuziehen. Daraus folgt, dass in der hier relevanten Fassung das allgemeine Lagern von Pflanzenschutzmitteln nicht explizit von der Begriffsbestimmung des In-Verkehr-bringens umfasst war, sondern lediglich ein Vorrätighalten zum Verkauf.

Aus der Tatsache, dass mit der Novelle 2007 die Lagerung nunmehr ausdrücklich in die Legaldefinition eingebunden wurde, kann e contrario gefolgert werden, dass der frühere, hier relevante Text das bloße Lagern an sich nicht mitumfasst hatte und somit zwischen der bloßen Lagerung einerseits und einem spezifischen Vorrätighalten zum Verkauf andererseits ein Unterschied sowohl im Wesenskern als auch hinsichtlich der Wesenschranke besteht.

In diesem Sinne führen auch die Erläuterungen zu § 2 Abs. 10 PMG i.d.F. der Novelle 2007 aus, dass die Aufnahme des "Lagerns" in die Begriffsbestimmungen nunmehr jede Art der Lagerung bzw. der Innehabung umfassen soll. Unter "Lagern" ist insbesondere auch die Lagerung von Pflanzenschutzmitteln, die zur Entsorgung oder Rückgabe an den Abgeber bestimmt sind, zu verstehen. Weiters sah sich der Gesetzgeber offensichtlich auch veranlasst, korrespondierend dazu den Begriff des "Vorrätighaltens zum Verkauf" neu zu umschreiben.

3.2.3. Daraus folgt zunächst, dass zum hier maßgeblichen Zeitpunkt die bloße Lagerung von Pflanzenschutzmitteln nicht unter den Begriff des "In-Verkehr-Bringens" zu subsumieren war. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass der von der belangten Behörde hiezu begründend herangezogene Erlass eines Bundesministeriums bloß einen generellen Rechtsakt mit Innenwirkung darstellt – also lediglich untergeordnete Verwaltungsbehörden zu verpflichten vermag – und somit nicht geeignet ist, darüber hinaus auch eine Bindungswirkung für Dritte, insbesondere auch nicht für den Oö. Verwaltungssenat zu entfalten.

Ein Vorrätighalten zum Verkauf muss daher noch weitere, über ein bloßes Lagern hinausgehende Kriterien aufweisen. In erster Linie muss sowohl in zeitlicher und räumlicher Hinsicht als auch hinsichtlich der Konkretheit des zu erwartenden Rechtsgeschäfts, hier des Verkaufs, eine verdichtete Annahme von dessen Realisierung gegeben sein. So ist fraglos die Präsentation von Produkten in Verkaufsräumen als ein Vorrätighalten zum Verkauf zu verstehen. Gleiches gilt für den Fall, dass eine Ware, deren zukünftiger Abnehmer schon bekannt oder zumindest konkret avisierbar ist, bis zur Realisierung des Verkaufs oder bis zu deren Übergabe an den Käufer noch in Räumlichkeiten des Verkäufers gelagert wird. Essentiell ist somit, dass der Bestimmungszweck des Produkts konkretisiert sein muss. In diesem Sinn äußerte sich auch der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 27. März 2008, Zlen. 2007/07/0033 u. 0034, in dem er das Vorrätighalten zum Verkauf hinsichtlich eines Exports von Pflanzenschutzmitteln an ein konkretes Unternehmen in Luxemburg bejahte; zudem werden in dieser Entscheidung auch "Lagern" und "Vorrätighalten zum Verkauf" keineswegs gleichgesetzt.

 

Das bloße Lagern einer Ware, deren Bestimmung aus der Sicht des Lagernden noch nicht konkret absehbar ist, kann daher – noch dazu, wenn die Lagerung nicht in den dafür vorgesehenen Verkaufs- oder Lagerräumen erfolgt – grundsätzlich nicht als ein "Vorrätighalten zum Verkauf" angesehen werden.

 

3.3.1. Die hier zu beurteilende Problematik der Auslegung des Begriffes des "In-Verkehrbringens" ist darüber hinaus auch im Lichte der gemeinschaftsrechtlichen Normen zu betrachten.

 

Primär ist daher in diesem Zusammenhang die Richtlinie 91/414 EWG zu beachten. Deren Art. 1 Abs. 1 betrifft die Zulassung, das Inverkehrbringen, die Anwendung und die Kontrolle von Pflanzenschutzmitteln in handelsüblicher Form sowie das Inverkehrbringen und die Kontrolle von Wirkstoffen für einen der in ABl.Nr. L 358 vom 18. 12. 1986, S. 1, oder in ABl.Nr. L 117 vom 8. 5. 1990,
S. 15, und in Art 2 Nr. 1 der RL 91/414 EWG genannten Zwecke innerhalb der Gemeinschaft.

 

Gemäß Art. 2 Z. 10 dieser Richtlinie ist unter "Inverkehrbringen" jede entgeltliche oder unentgeltliche Abgabe – ausgenommen die Abgabe zur Lagerung mit anschließender Ausfuhr aus dem Gebiet der Gemeinschaft – zu verstehen. Auch die Einfuhr eines Pflanzenschutzmittels in das Gebiet der Gemeinschaft wird als ein Inverkehrbringen im Sinne dieser Richtlinie angesehen.

 

Die Mitgliedstaaten schreiben gemäß Art. 3 Abs. 1 RL 91/414 EWG vor, dass in ihrem Gebiet nur solche Pflanzenschutzmittel in Verkehr gebracht und angewendet werden dürfen, die sie nach den Bestimmungen dieser Richtlinie zugelassen haben, es sei denn, dass der Anwendungszweck unter Art. 22 RL 91/414 EWG fällt.

 

Wenn ein Pflanzenschutzmittel nicht zur Anwendung in ihrem Gebiet zugelassen worden ist, dürfen die Mitgliedstaaten dies gemäß Art. 3 Abs. 2 dieser Richtlinie nicht zum Anlass nehmen, die Herstellung, die Lagerung und den Verkehr von Pflanzenschutzmitteln zu behindern, die zur Anwendung in einem anderen Mitgliedstaat bestimmt sind, sofern dieses Mittel in einem anderen Mitgliedstaat zugelassen ist und die vom Mitgliedstaat zur Einhaltung von Art. 3 Abs. 1 RL 91/414 EWG erlassenen Kontrollbedingungen erfüllt sind.

 

3.3.2. Die Anordnung des Art. 3 Abs. 2 dieser Richtlinie bestätigt daher schon seinem Wortlaut nach – und in Entsprechung zu den zuvor angeführten national-rechtlichen Überlegungen –, dass auch das Gemeinschaftsrecht prinzipiell zwischen Herstellung, Lagerung und Inverkehrbringen differenziert. Vor allem ist augenscheinlich, dass die Legaldefinition des Art. 2 Z. 10 RL 91/414 EWG explizit das Tatbestandselement der "Abgabe" normiert. Diese bedingt schon nach grammatikalischer Interpretation die Existenz eines Abgebers einerseits und eines Abnehmers auf der anderen Seite.

 

Um Interpretationsfragen letztgültig abklären zu können, ist nach der Judikatur des EuGH ein Sprachenvergleich hinsichtlich der einschlägigen Rechtsvorschrift mit anderen Amtssprachen (wobei jede für sich gleichwertig authentisch und verbindlich ist) vorzunehmen.

 

3.3.3. Vom Oö. Verwaltungssenat wurde ein derartiger Vergleich der deutschen Fassung mit ihrem jeweiligen englischen, französischen, italienischen, niederländischen, portugiesischen und spanischen Pendant angestellt. Demnach wird für "Abgabe" in der englischen Fassung das Wort "supply", in der französischen Fassung "remise", in der niederländischen "levering" sowie in der portugiesischen und spanischen "entrega" gebraucht. Auch letztere Begriffe bedingen durchwegs die der deutschen Fassung zu Grunde liegende Dynamik. Absolut keinen Zweifel hinsichtlich dieser Interpretation lässt jedenfalls die italienische Fassung offen, die wortwörtlich lautet "consegna a terzi", somit Abgabe, Lieferung, Übergabe und Zuweisung an Dritte. Die Legaldefinition der Richtlinie ist somit nach den verschiedensten Sprachen ohne jeden Zweifel als ein Vorgang zwischen einem Abgeber und einem Abnehmer zu verstehen, was z.B. eine nach der deutschen Fassung allenfalls denkmögliche, EU-rechtlich aber offensichtlich nicht beabsichtigte Abgabe von Pflanzenschutzmitteln an zB. ein eigenes Lager (= Abgeber und Abnehmer in Personalunion) ausschließt. Die europarechtliche Begriffsbestimmung ist demnach also noch wesentlich enger als die der nationalen Regelung.

 

Unbestritten ist, dass im vorliegenden Fall keine Abgabe des in Rede stehenden Pflanzenschutzmittels erfolgte bzw. dass eine solche dem Beschwerdeführer seitens der belangten Behörde auch nicht vorgeworfen (sondern allenfalls bloß eine nicht näher konkretisierte Absicht hiezu unterstellt) wurde. Somit kann der zu beurteilende Sachverhalt im Sinne der RL 91/414 EWG nicht unter deren
Art. 1 Abs. 1 bzw. Art. 3 Abs. 1 subsumiert werden, da die dort geforderte "Abgabe" nicht gegeben ist.

 

3.3.4. Auch wenn eine Richtlinie – im Gegensatz zu einer Verordnung der Gemeinschaft – grundsätzlich nicht unmittelbar anwendbar ist, sondern lediglich den rechtlichen Rahmen in Form von Zielsetzungen, hinsichtlich derer sie allerdings verbindlich ist, absteckt, so sind die Mitgliedstaaten doch gehalten, gerade Begriffsbestimmungen nicht primär aus nationaler Perspektive, sondern aus jener der Gemeinschaft zu betrachten. Droht ein nationaler Rechtsakt grundlegende Gemeinschafts­interessen zu beeinträchtigen, so ist nach der ständigen Judikatur des EuGH einer die Gemeinschaftsinteressen verfolgenden richtlinienkonformen Interpretation des nationalen Rechts der Vorrang zu geben.

 

3.3.5. Würde man der Auffassung anhängen, dass die in Rede stehende Richtlinie die vorliegenden Fälle nicht umfasst, wären diese aber – mangels einschlägigem Sekundärrecht – selbst dann nicht alleine nach nationalem Recht, sondern unter der Prämisse primärrechtlicher Bestimmungen zu lösen – hier unter jener der Warenverkehrsfreiheit gemäß Art. 28 EGV. Das in jenem Zusammenhang vom EuGH anerkannte und in ständiger Rechtsprechung judizierte Beschränkungsverbot würde – ohne hier eine detaillierte Prüfung aller gebotenen Kriterien darzustellen – im Ergebnis, weil binnenmarktsbeschränkend, mit Rückgriff auf die gemeinschaftsrechtliche Definition des "Inverkehrbringens" im Sinne der Verhältnismäßigkeit keine Begriffsausweitung des "Vorrätighaltens zum Verkauf" zulassen. Im Sinne der sog. "Dassonville"-Formel (vgl. Rs. C-8/74, Slg. 1974, S. 837 ff – Urteil vom 11. Juli 1974) ist nämlich auch jede potenzielle Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit (mit Ausnahme bloßer Verkaufs­modalitäten – vgl. die sog. "Keck"-Formel, Rs. C-267 und 268/91, Slg. 1993,
S. I-6097 ff., Urteil vom 24. November 1993) verboten.

 

Im vorliegenden Fall ist ein gemeinschaftsinternes Verbringen der Ware zumindest potenziell fraglos gegeben, weshalb der Sachverhalt unter den Anwendungsbereich des EGV zu subsumieren ist.

 

Aus diesen Überlegungen folgt, dass die Legaldefinition des o.a. § 2 Abs. 10 PMG nicht unberührt von der gemeinschaftsrechtlichen Definition des Art. 2 Z. 10 RL 91/414 EWG, sei es in Anwendung dieser Richtlinie, sei es als Interpretationshilfe für primärrechtliche Regelungen, bleiben kann. Die Konkretisierung des "Vorrätighaltens zum Verkauf" erfährt somit ihre spezifische Ausrichtung auf die in Art. 2 Z. 10 RL 91/414 EWG postulierte "Abgabe".

 

3.4.1. Im hier vorliegenden Fall wurde das in Rede stehende Pflanzenschutzmittel in einer LKW-Werkstätte gelagert – noch dazu in einer relativ geringen Menge. Aus letzterem Umstand kann insbesondere auch darauf geschlossen werden, dass der Verkauf dieses offensichtlichen Restpostens noch nicht avisiert und schon gar nicht konkretisiert war.

 

3.4.2. Weiters ist darauf Bedacht zu nehmen, dass sich die LKW-Werkstätte ca. 300 Meter entfernt von den Verkaufsräumen am Betriebsgelände befand und grundsätzlich außer von Familienangehörigen nur von den KFZ-Mechanikern betreten wurde. Dass im vorliegenden Fall kein Verkaufsraum anzunehmen ist, gründet sich auch darauf, dass die vorgefundenen 2 Paletten lediglich in einem Teilbereich der LKW-Werkstätte deponiert waren und fraglos – aufgrund mangelnder Ordnung bzw. Sortierung und auch aufgrund der Aufmachung – nicht als für das Anbieten von Produkten vorgesehen waren. Denn die in Rede stehenden Produkte befanden sich teils verstaubt bzw. verschmutzt ungeordnet auf den Paletten gestapelt, was keinerlei Verkaufsabsicht erkennen lässt. Im Gegenteil macht das Erscheinungsbild den Eindruck, dass hier Restbestände, die eben nicht mehr für den Verkauf vorgesehen waren, gelagert wurden. Die Nachlässigkeit bei der Lagerung lässt auch den Schluss zu, dass der Bw durchaus säumig hinsichtlich der Entsorgung bzw. Retournierung war, nicht jedoch den Schluss, dass er die dort gelagerten Pflanzenschutzmittel tatsächlich noch zu verkaufen beabsichtigte.

 

3.4.3. Hinsichtlich des konkreten Pflanzenschutzmittels hatte der Bw im Übrigen durchgängig – auch schon im erstinstanzlichen Verfahren – angegeben, dass er dieses habe retournieren wollen. Diese Aussage bekräftigte er glaubhaft auch in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Oö. Verwaltungssenat. Wie in der Beweiswürdigung aufgezeigt, ergaben sich keinerlei Umstände, die geeignet sein könnten, diese Aussage zu widerlegen.

 

3.4.4. Außerdem kann davon ausgegangen werden, dass der Bw zu dem – von der belangten Behörde angenommenen – Tatzeitpunkt im Juni 2006 auf Grund der vorangegangenen Kontrolle am 31. Mai 2006 sicherlich keinen Verkauf mehr ins Auge gefasst hätte, selbst wenn er derartiges zuvor allenfalls noch beabsichtigt gehabt hätte.

 

3.4.5. Der Umstand, dass an jenem Tag während der Kontrolle seitens des Unternehmens ein Schild angebracht wurde, dem zu Folge ein In-Verkehr-Bringen der Pflanzenschutzmittel in Österreich ausgeschlossen sein sollte, konnte zum damaligen Zeitpunkt zwar als ein unzureichender Beleg für eine tatsächlich in diese Richtung zielende Intention des Bw gewertet werden; daraus lässt sich aber noch nicht per se der gegenteilige Schluss ziehen, dass die in der LKW-Werkstätte gelagerten Produkte tatsächlich in Verkehr gebracht werden hätten sollen. Auch der dem in Rede stehenden Schild beigefügte Vermerk "EU-Export-Ware" lässt nicht zwingend den Schluss zu, dass ein "Vorrätig Halten zum Verkauf" eines oder mehrerer jener zahlreichen, jedoch allesamt in relativ geringen Mengen vorgefundenen Pflanzenschutzmittel unterschiedlicher Art im oben beschriebenen Sinn und im Hinblick auf die zitierte Judikatur des VwGH vorlag.

 

Angesichts der so geringen Menge des hier relevanten Pflanzenschutzmittels ist es vielmehr nicht glaubhaft, dass ein Verkauf überhaupt beabsichtigt war, da ein Agrarmittel-Handelsunternehmen im Hinblick auf logistische Überlegungen einen solchen als wohl nicht wirtschaftlich ansehen würde. Die wirtschafflichen Überlegungen mögen auch Grund für die Nachlässigkeit bei der Retournierung gewesen sein. 

 

3.4.6. Aus der Gesamtbetrachtung des Falls ergibt sich somit zweifelsfrei, dass hier keinerlei Vorrätig-Halten zum Verkauf, sondern bloße Lagerung mit der Absicht das Produkt zu retournieren vorlag.

 

Im Lichte der obigen rechtlichen Darstellungen ist also nicht vom In-Verkehr-Bringen auszugehen, weshalb es schon an der Tatbestandsmäßigkeit des Verhaltens mangelt.

 

Die objektive Tatseite ist somit nicht als gegeben anzusehen.

 

3.5. Es war daher der Berufung gemäß §§ 24 und 51 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG einzustellen.

 

 

4.1. Bei diesem Ergebnis war dem Bw gem. § 65 VStG kein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat aufzuerlegen.

 

4.2. Nach § 6 Abs. 6 des Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetzes, BGBl.Nr. I 63/2002, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I Nr. 49/2008 (im Folgenden: GESG), ist für Tätigkeiten des Bundesamtes für Ernährungssicherheit anlässlich der Vollziehung der in § 6 Abs. 1 GESG angeführten hoheitlichen Aufgaben – dazu gehört u.a. gemäß § 6 Abs. 1 Z. 4 GESG die Vollziehung des PMG – eine Gebühr noch Maßgabe des Tarifs zu entrichten, den das Bundesamt für Ernährungssicherheit mit Zustimmung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft und des Bundesministeriums für Finanzen kostendeckend festzusetzen hat.

 

Im Verwaltungsstrafverfahren sind diese Gebühren den Beschuldigten im Straferkenntnis zusätzlich zu einer Verwaltungsstrafe vorzuschreiben und unmittelbar an das Bundesamt für Ernährungssicherheit zu entrichten.

 

Da aber der Rechtsmittelwerber die ihm angelastete Übertretung des PMG nicht begangen hat und das Straferkenntnis aufzuheben war, hatte auch keine Kostenvorschreibung nach dem GESG zu erfolgen bzw. war die dementsprechende, durch die belangte Behörde erfolgte Vorschreibung aufzuheben.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Bernhard Pree

 

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