Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730244/2/BP/Wu

Linz, 07.12.2011

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung der X, StA der Dominikanischen Republik, X, gegen den Bescheid des Polizeidirektors von Linz vom 14. Juni 2011, AZ: 1067813/FRB, betreffend die Verhängung eines auf 3 Jahre befristeten Aufenthaltsverbotes gegen die Berufungswerberin nach dem Fremdenpolizeigesetz, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

 

Se estima la apelación y la decisión impugnada queda cancelada por completo.

 

Rechtsgrundlage / Fundamento jurídico:

§ 66 Abs. 4 iVm. § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG


Entscheidungsgründe

 

1.1.1. Mit Bescheid des Polizeidirektors von Linz vom 14. Juni 2011, AZ: 1067813/FRB, wurde über die Berufungswerberin (im Folgenden: Bw) auf Basis des § 87 iVm. § 86 Abs. 1 iVm. § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z6 und iVm. §§ 63 und 66 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung, ein auf 3 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich verhängt und ihr gleichgehend ein einmonatiger Durchsetzungsaufschub gemäß §§ 87 iVm. 86 Abs. 3 FPG erteilt.

 

1.1.2. Begründend führt die belangte Behörde zunächst zum Sachverhalt aus, dass die Bw, eine Staatsangehörige der Dominikanischen Republik, erstmals mit Gültigkeit vom 1. März 2002 bis 1. Mai 2002 von der Bezirkshauptmannschaft Melk eine Aufenthaltserlaubnis – Selbstständiger ohne Niederlassung – erteilt worden sei. Diese Aufenthaltserlaubnis sei wiederkehrend verlängert worden.

Nach der Eheschließung am X mit dem österreichischen Staatsbürger X sei der Bw, erstmals mit Gültigkeit ab 25. November 2003, eine Niederlassungsbewilligung "begünstigte Drittstaatsangehörige – Ö, § 49 Abs. a FrG" erteilt und diese in weiterer Folge wiederkehrend verlängert worden.

 

Zuletzt habe die Bw am 11. März 2010 einen Antrag auf Verlängerung ihres Aufenthaltstitels – nunmehr in Form eines Daueraufenthaltes Familienangehöriger – eingebracht, wobei sich die Bw auf die aufrechte Ehe und das gemeinsame Familienleben mit X berufen habe.

 

Im Zuge einer am 12. Mai 2010 durchgeführten polizeilichen Amtshandlung wegen Ordnungsstörung und aggressivem Verhalten habe die Bw gegenüber Polizeibeamten angegeben, das sie keine eheliche Gemeinschaft mit X mehr führen würde. Der Ehegatte der Bw würde mittlerweile nicht mehr in Österreich wohnen.

 

Mit Schreiben des Magistrates Linz vom 17. Juni 2010 sei der Bw mitgeteilt worden, dass gem. § 30 Abs. 1 NAG ein Verlängerungsantrag nicht zulässig sei, da die Bw zu diesem Zeitpunkt mit ihrem Gatten bereits kein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK mehr geführt habe. Die Bw habe sich somit für die Erteilung und Beibehaltung von Aufenthaltstiteln nicht auf diese Ehe berufen können, weshalb beabsichtigt gewesen sei, ihren Antrag abzuweisen.

 

Mit Bescheid des Magistrates Linz vom 22. Juli 2010 sei schließlich ihr Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem NAG mit dem Zweck "Daueraufenthalt – Familienangehöriger" abgewiesen worden.

 

Mit Schreiben vom 18. August 2010 habe der Magistrat Linz die belangte Behörde über den oa. Sachverhalt in Kenntnis gesetzt.

 

Die Bw sei zur näheren Klärung der Sachlage für den 28. Oktober 2010 zur Durchführung einer niederschriftlichen Einvernahme geladen worden. Dieser Ladung habe sie jedoch unentschuldigt nicht Folge geleistet. Erst am 16. Februar 2011 habe schließlich – unter Beiziehung eines Dolmetsch – eine Niederschrift mit der Bw aufgenommen werden können.

 

Die Bw habe dabei im Wesentlichen angegeben, dass sie noch immer mit X verheiratet sei, jedoch etwa seit dem Jahr 2008 mit ihm zerstritten sei und von im getrennt lebe. Der Ehegatte halte sich vermutlich im Ausland – möglicherweise in Deutschland oder in der Dominikanischen Republik – auf, wobei die Bw den genauen Aufenthaltsort nicht habe angeben können. Den letzten persönlichen Kontakt mit ihrem Ehegatten habe die Bw im März 2010 in der Wohnung eines Freundes ihres Mannes gehabt.

 

Auf die Frage, warum sie sich im Verfahren zur Verlängerung ihres Aufenthaltstitels auf das bestehende Eheleben berufen habe, habe die Bw angegeben, dass sie ja lediglich mit ihrem Ehegatten gestritten habe und es noch etwas Zeit brauche um wieder zusammen zu kommen. Sie könne jedoch nicht angeben, wie das funktionieren sollte, da die Bw ja keinen Kontakt zu ihrem Ehegatten pflege.

 

Mit Schreiben der BPD Linz vom 14. März 2011 sei der Bw mitgeteilt worden, dass beabsichtigt sei, gegen sie ein auf 3 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot zu erlassen, da die Bw im Verfahren zur Verlängerung ihres Aufenthaltstitels im Hinblick auf ihre Beziehung zu ihrem Gatten gegenüber Organen des Magistrates Linz unrichtige Angaben getätigt habe.

 

In ihrer dazu eingebrachten Stellungnahme habe die Bw angegeben, dass sie im April 2002 nach Österreich eingereist sei und sich seither durchgehend hier aufhalte. Als sie die letzte Verlängerung ihres Aufenthaltstitels beantragt habe – also am 11. März 2010 – habe sie noch Kontakt zu ihrem Ehegatten gehabt. Wo sich ihr Ehegatte derzeit aufhalte, wisse sie leider nicht.

Die Bw habe in Österreich Freunde und Bekannte, die sie zum Teil auch finanziell unterstützten. Ihr Lebensmittelpunkt liege in Österreich.

In der Dominikanischen Republik habe sie die Volksschule und ein Gymnasium absolviert und habe dort einen Sprachkurs gemacht, der in etwa der mittleren Reife entspreche.

 

Ihrer Stellungnahme habe die Bw Unterstützungserklärungen von 4 Personen sowie eine Bestätigung des X darüber, dass er die Bw regelmäßig bei der Bezahlung ihrer Miete finanziell unterstützen werde, vorgelegt.

 

1.1.2. In rechtlicher Hinsicht führt die belangte Behörde aus, dass sich die Bw bei ihrem letzten Ansuchen um Verlängerung ihres Aufenthaltstitels am 11. März 2010 – in Form eines Daueraufenthaltes - Familienangehöriger – auf die aufrechte Ehe mit X berufen habe, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt bereits seit längerem kein Eheleben mehr mit ihm geführt habe. Dies habe die Bw selbst mehrmals vorgebracht. So habe die Bw am 12. Mai 2010 gegenüber Polizeibeamten im Zuge einer Amtshandlung wegen Ordnungsstörung und aggressivem Verhalten (Übersetzung sei durch einen spanisch sprechenden Amtsarzt erfolgt) angegeben, dass ihr Ehegatte nicht mehr in Österreich wohne, sondern offensichtlich nunmehr in Deutschland lebe. Eine eheliche Gemeinschaft führe sie nicht mehr mit ihm. Weiters habe die Bw am 16. Februar 2011 im Zuge ihrer fremdenpolizeilichen Einvernahme angegeben, seit dem Jahr 2008 mit ihrem Ehegatten zerstritten zu sein. Den letzten persönlichen Kontakt zu ihrem Ehegatten habe die Bw im März 2010 gehabt, sie würden jedoch seit 2008 getrennt leben und es bestehe auch keine sexuelle Beziehung mehr. Die Bw habe nicht einmal den Aufenthaltsort ihres Ehegatten benennen können.

 

Der letzte gemeinsame Wohnsitz scheine laut ZMR in X auf. Der Ehegatte der Bw sei dort bis zum 2. Oktober 2008, die Bw selbst bis 12. März 2009 gemeldet gewesen.

 

Weiters führt die belangte Behörde aus, die Bw habe in ihrer zum gegenständlichen Aufenthaltsverbot eingebrachten Stellungnahme angegeben, zum Zeitpunkt des letzten Verlängerungsantrages noch Kontakt zu ihrem Ehegatten gehabt zu haben. Es sei aber anzumerken, dass die Bw im Rahmen ihrer fremdenpolizeilichen Einvernahme vom 16. Februar 2011 angegeben habe, dass sie ihren Ehegatten zuletzt im März 2010 in der Wohnung eines Freundes ihres Mannes getroffen habe, jedoch keinerlei Angaben über den damaligen Wohnort ihres Ehegatten habe machen können. Auch habe die Bw wiederholt angegeben, dass sie seit dem Jahr 2008 getrennt leben würden.

 

Es könne daher zusammenfassend zweifelsfrei davon ausgegangen werden, dass die Bw zum Zeitpunkt der Beantragung des Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt – Familienangehöriger" kein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK mit ihrem Ehegatten geführt habe und sie sich somit gem. § 30 Abs. 1 NAG nicht auf diese Ehe habe berufen dürfen.

 

Der Verstoß gegen § 30 Abs. 1 NAG stelle eine schwere Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens dar, weshalb es keinem Zweifel unterliegen könne, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 6 FPG als erfüllt anzusehen seien und das Verhalten der Bw eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre, darstelle und somit die in § 86 Abs. 1 FGP umschriebene Gefährlichkeitsprognose gerechtfertigt sei (vgl. VwGH vom 7. Februar 2008; 2077/21/0293).

 

An dieser Stelle weist die belangte Behörde darauf hin, dass bei der BPD Linz  zwei verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen wegen § 81 Abs. 1 SPG sowie eine Vormerkung wegen § 82 Abs. 1 SPG und bei der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis ebenfalls eine verwaltungsstrafrechtliche Vormerkung wegen § 81 Abs. 1 SPG aufscheinen würden. Diese würden für sich alleine schon die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes – maßgebliche Bestimmung wäre § 60 Abs. 2 Z 2 FPG – rechtfertigen.

 

Darüber hinaus sei die verfahrensgegenständliche Maßnahme jedoch unter den Gesichtspunkten der Verhältnismäßigkeit und des gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleisteten Grundrechts auf den Schutz des Privat- und Familienlebens zu beurteilen.

 

Laut Angaben der Bw halte sie sich seit April 2002 in Österreich auf, wobei sie zu Beginn einer Beschäftigung als Prostituierte nachgegangen sei. Am X habe Sie ihren Ehegatten geehelicht und bis zum Jahr 2008 mit ihm ein Eheleben geführt. Laut Aktenlage habe das Ehepaar keine gemeinsamen Kinder und die Bw offensichtlich auch sonst keine weiteren familiären oder nennenswerte private Bindungen. Die Bw habe zu ihrer Stellungnahme zum gegenständlichen Aufenthaltsverbot lediglich 4 Unterstützungserklärungen sowie eine Bestätigung über die Unterstützung bei der Mietzahlung vorgelegt, wobei diesen Schreiben nicht entnommen werden könne, in welcher Beziehung die Bw zu diesen Personen stehe.

 

Hinsichtlich der beruflichen Integration der Bw gab die belangte Behörde an, dass die Bw laut Versicherungsdatenauszug in der Zeit vom 1. August 2005 bis 21. Jänner 2006 einer Tätigkeit als gewerblich selbstständiger Erwerbstätiger nachgegangen und am 3. März 2010 als Arbeiter geringfügig beschäftigt gewesen sei.

 

Aufgrund der Dauer ihres Aufenthaltes und ihrer zumindest zeitweisen beruflichen Tätigkeit sei der Bw ein gewisses Maß an Integration zuzubilligen. Die Bw beherrsche jedoch die deutsche Sprache trotz ihres seit bereits mehr als 9 Jahren andauernden Aufenthaltes in Österreich noch nicht. Die niederschriftliche Einvernahme der Bw im Februar 2011 sei nur unter Beiziehung eines Dolmetsch möglich gewesen.

 

Die Bw habe in der Dominikanischen Republik die Volksschule und das Gymnasium besucht, sowie einen Abschluss, der in etwa der mittleren Reife entspreche, gemacht. In Österreich habe sie hingegen keinerlei schulische oder berufliche Ausbildung absolviert. Eine Wiedereingliederung der Bw in ihr Heimatland sei somit möglich und zumutbar, da die Bw erst im Alter von etwa 22 Jahren nach Österreich gekommen sei und somit den Großteil ihres Lebens in der Dominikanischen Republik verbracht habe. Auch das Vorbringen der Bw, ihr Lebensmittelpunkt liege in Österreich, ändere nichts daran.

 

Zusammenfassend sei somit die Annahme gerechtfertigt, dass auf Grund des bisherigen Verhaltens der Bw die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes wesentlich schwerer wiegen würde, als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf ihre Lebenssituation.

 

Das gegenständliche Aufenthaltsverbot sei daher auch im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK – unter besonderer Berücksichtigung des § 66 Abs. 2 und 3 FPG 2005 – erforderlich, um das hohe Schutzinteresse des Staates an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung, zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen und zum Schutz der Rechte Dritter zu wahren.

 

Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes sei nach § 63 Abs. 2 FPG auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen.

 

Die belangte Behörde erachte es als angemessen, die Dauer des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes auf 3 Jahre festzusetzen, da erst nach Ablauf dieses Zeitraums erwartet werden könne, das die Bw sich wiederum an die im Bundesgebiet geltenden Normen halten werde.

 

Umstände, die eine Unzulässigkeit des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes zur Folge haben würden, hätten nicht festgestellt werden können.

 

1.2. Gegen diesen Bescheid erhob die Bw rechtzeitig Berufung mit Schriftsatz vom 28. Juni 2011.

 

Eingangs führt die Bw an, dass ihr von der Behörde erster Instanz vorgehalten und der Bescheid damit begründet werde, dass sie sich bei der Verlängerung ihres Aufenthaltstitels auf die Ehe mit X berufen habe, obwohl ein Eheleben nicht mehr geführt worden sei.

 

Tatsache sei aber, dass sie mit ihrem Ehegatten zerstritten sei, jedoch bis ca. Anfang Oktober 2008 mit ihm zusammengelebt und immer wieder Kontakt zu ihrem Ehemann, zuletzt im März 2010, gehabt habe.

 

Die Bw gibt an, dass sie weder die Mitteilung vom 17. Juni 2010, wonach ihr Verlängerungsantrag gem. § 30 Abs. 1 NAG nicht zulässig sei, noch den daraufhin ergangenen Bescheid vom 22. Juli 2010 des Magistrates Linz erhalten habe.

 

Sie verweist auf einen begründeten Wiedereinsetzungsantrag mit dem sie gleichzeitig Berufung beim Magistrat eingebracht habe, worin sie sinngemäß ausführte, dass oft Briefsendungen nicht oder falsch in die jeweiligen Hausbrieffächer eingeordnet würden und sie deshalb keine Kenntnis von den Schriftstücken gehabt habe. Weiters führt die Bw an, dass sie, indem sie der Ladung der BPD Linz Folge geleistet habe, gezeigt habe, dass sie Ladungen Folge leiste bzw. auf Behördenschriftstücke reagiere, wenn sie davon Kenntnis erlange. Sie sei sehr bemüht, ihre Angelegenheiten und den Verkehr mit Ämtern und Behörden ordnungsgemäß abzuwickeln.

 

Dieses Vorbringen erhebe sie auch zum Vorbringen dieser Berufung. Die Bw sei sohin durch ein für sie unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis daran gehindert gewesen, beim Magistrat entsprechende Veranlassungen zu treffen.

 

Der Umstand, dass die Postzustellung nicht ordnungsgemäß erfolgt sei und sie die wesentliche Mitteilung und den Bescheid nicht erhalten habe, könne der Bw auch in diesem Verfahren nicht zum Nachteil gereichen. Hätte die Bw das Schreiben vom 17. Juni 2010 erhalten und somit von der Unzulässigkeit ihres Verlängerungsantrages Kenntnis erlangt, hätte sie den Antrag auf Verlängerung des Aufenthaltstitels mit Zweckänderung gestellt und die dafür erforderlichen Unterlagen beigebracht und wäre so der Grund für die Verhängung des Aufenthaltsverbotes nicht vorgelegen. Keinesfalls sei aber dieser Umstand so schwerwiegend, dass die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet sei. Das Aufenthaltsverbot hätte daher nicht verhängt werden dürfen.

 

Die Bw gibt an, dass sie sich während ihres Aufenthaltes in Österreich – acht Jahre – bis auf einen für die Bw schwierigen Zeitraum im Jahr 2010 immer wohlverhalten habe, weshalb auch aus diesem Grunde eine Verhängung eines Aufenthaltsverbotes nicht zulässig sei.

 

Wenn die Behörde erster Instanz der Bw vorhalte, dass sie lediglich Unterstützungserklärungen sowie eine Bestätigung von Herrn X vorgelegt habe und daher eine Beziehung zu diesen Personen nicht entnommen werden könne, so sei der Behörde vorzuhalten, dass sie im Rahmen ihrer gesetzlichen Ermittlungspflicht die Personen als Zeugen laden und einvernehmen hätte müssen. Die Behörde erster Instanz habe somit das Verfahren mit Mangelhaftigkeit belastet.

 

Abschließend stellt die Bw den Antrag, nach Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Berufungsverhandlung dieser Berufung Folge zu geben, den angefochtenen Bescheid ersatzlos zu beheben und das Aufenthaltsverbotsverfahren einzustellen, allenfalls die Verwaltungsangelegenheit an die Behörde erster Instanz zurückzuverweisen; eventualiter die Dauer von 3 Jahren herabzusetzen.

 

 

2.1. Mit Schreiben vom 1. Juli 2011 wurde der gegenständliche Verwaltungsakt dem Oö. Verwaltungssenat von der Bundespolizeidirektion Linz vorgelegt.

 

2.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde.

 

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte – trotz des entsprechenden Parteienantrags - abgesehen werden, weil eine solche nicht erforderlich war, nachdem sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt zweifelsfrei aus der Aktenlage ergibt, im Verfahren im Wesentlichen die Beurteilung von Rechtsfragen strittig ist und die Akten erkennen lassen, dass eine weitere mündliche Erörterung eine tiefgreifendere Klärung der Sache nicht erwarten lässt (§ 67d AVG).

 

Hiezu ist auch darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof in seinen Erkenntnissen ua. vom 21. Dezember 2010, ZI. 2007/21/0528 und vom 5. Juli 2011; ZI. 2008/21/0671-6, explizit ausgeführt hat, dass im fremdenpolizeilichen Administrativverfahren ein Recht des Fremden von der Berufungsbehörde mündlich gehört zu werden, nicht besteht.

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter dem Punkt 1.1.1. dieses Erkenntnisses dargestellten völlig unbestrittenen Sachverhalt aus.

 

2.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

 

3. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1.1. Gemäß § 65b des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG idgF. BGBl. I Nr. 38/2011 unterliegen Familienangehörige (§ 2 Abs. 4 Z. 12) der Visumpflicht. Für sie gelten die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach den §§ 41a, 65a Abs. 2, 66, 67 und 70 Abs. 3.

 

Gemäß § 2 Abs. 4 Z. 12 FPG ist Familienangehöriger: wer Drittstaatsangehöriger und Ehegatte oder minderjähriges lediges Kind, einschließlich Adoptiv- oder Stiefkind ist (Kernfamilie); dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, die Drittstaatsangehörige sind.

 

3.1.2. Im vorliegenden Fall ist § 65b FPG einschlägig, da die Bw seit dem Jahr 2003 Ehegattin eines österreichischen Staatsangehörigen ist. Nach dem oa. Gesetzeswortlaut spielt es für die Anwendbarkeit der Normen keine Rolle, dass die Bw nicht mehr mit ihrem Ehegatten im selben Haushalt lebt. Ausschlaggebend ist, dass die offensichtlich gültig geschlossene Ehe nicht geschieden wurde.

 

Die Verhängung von Aufenthaltsverboten für EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige ist in § 67 FPG geregelt, der durch § 65b FPG als anwendbar erklärt wird.

 

3.2.1. Gemäß § 67 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

 

3.2.2. Es ist – im Hinblick auf die oa Bestimmung - nun zu prüfen, ob das Verhalten der Bw auch aus derzeitiger Sicht geeignet erscheint, die öffentliche Ordnung oder Sicherheit nachhaltig und erheblich zu gefährden.

 

Bei Interpretation des unbestimmten Gesetzesbegriffs "nachhaltig" ist festzuhalten, dass darunter sowohl eine nach Intensität als auch Konstanz vorliegende Wirksamkeit angesprochen wird. Als Synonym bzw. Deskription von nachhaltig könnte demnach auch "wirksam andauern" verstanden werden.

 

Zum Vorliegen des Tatbestandselements der Gegenwärtigkeit bedarf es eines Sachverhalts dessen Wirkungen nicht schon in der Vergangenheit erschöpft, sondern auch zumindest in die Gegenwart reichend anzusehen sind. Dies impliziert jedoch auch die Beurteilung einer aus Sicht des gegenwärtigen Augenblicks erstellten Zukunftsprognose.

 

"Erheblich" wiederum bedeutet in etymologischer Herleitung: "Schwer genug, um die Waagschale zu heben". Ursprünglich aus dem Rechtsbegriff Relevanz abgeleitet, übersteigt "erheblich" in der Gemeinsprache den seinen Ursprungsbegriff der Intensität nach.

 

Die eben dargestellten Tatbestandselemente müssen zur Rechtfertigung eines Aufenthaltsverbotes kumulativ gegeben sein.

 

3.2.3. Im angefochtenen Bescheid wird der Bw zunächst vorgeworfen, durch ihr Verschweigen des Umstandes, dass sie nicht mehr mit ihrem Ehegatten im gemeinsamen Haushalt lebte, versucht zu haben sich die Verlängerung eines Aufenthaltstitels zu erschleichen. Weiters werden Verwaltungsübertretungen der Bw nach § 81 SPG (aggressives Verhalten) angeführt.

 

Hinsichtlich der relevierten Verwaltungsübertretungen mangelt es in Hinblick auf § 67 Abs. 1 FPG – unter Heranziehung der oben getroffenen Begriffsbestimmungen – sowohl an der Gegenwärtigkeit als auch am wirksamen Andauern der dadurch entstandenen Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit.

 

Aber auch betreffend die vermeintliche Erschleichung des Aufenthaltstitels wird der Sachverhalt den Voraussetzungen des § 67 Abs. 1 FPG nicht gerecht. Zum Zeitpunkt der Antragstellung im März 2010 lebte die Bw zwar schon seit über einem Jahr nicht mehr im gemeinsamen Haushalt mit ihrem Gatten, gab aber an, ihn im März 2010 zumindest getroffen zu haben. Faktum bleibt zudem, dass die Ehe damals – wie auch jetzt – formal nicht geschieden ist. Die Annahme des Gefährdungspotentials scheitert aber hier jedenfalls an der Gegenwärtigkeit, der Nachhaltigkeit und wohl auch an der Erheblichkeit der Gefährdung, da der Bw offensichtlich nicht bewusst war, dass es im NAG-Verfahren nicht so sehr auf das formale Bestehen der Ehe, sondern auf das tatsächliche Vorliegen der ehelichen Gemeinschaft ankommt. Scheinehe liegt deshalb nicht vor, da – wie sich aus dem Sachverhalt ergibt – die Ehe zwischen der Bw und ihrem Ehegatten ja von 2003 bis 2008 in vollem Umfang bestanden hatte.

 

3.2.4. Somit ist festzuhalten, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 67 Abs. 1 FPG zur Erlassung des in Rede stehenden Aufenthaltsverbotes per se nicht vorliegen, weshalb sich nicht nur eine weitere Erörterung im Sinne des § 61 FPG bzw. des Art. 8 EMRK, sondern auch ein Eingehen auf die jeweiligen Berufungsvorbringen erübrigt.

 

3.3. Es war daher – ohne auf das weitere Berufungsvorbringen näher einzugehen - der in Rede stehende Bescheid aufzuheben und spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

spanisch

 

2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro (Eingabegebühr) angefallen.

 

 

Información sobre los posibles recursos:

Contra la presente decisión no cabe recurso ordinario alguno.

 

Advertencia:

La presente decisión puede ser impugnada con una denuncia ante el Tribunal Constitucional y/o el Tribunal Administrativo dentro del plazo de seis semanas a partir de su notificación; tal denuncia se tiene que presentar por una abogada apoderada o un abogado apoderado – salvo las excepciones contempladas por la ley. Para cada una de estas denuncias se tiene que pagar una tasa de 220 euros para su presentación.

 

 

 

 

Bernhard Pree

 

 

 

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