Linz, 16.12.2011
E r k e n n t n i s
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Ewald Langeder nach der am 8. Juni und 22. September 2011 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung über die Berufung des H D, vertreten durch Rechtsanwalt Ing. Mag. X X, X, X, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 30. September 2010, Zl. 0007786/2010, wegen einer Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes 1975 (AuslBG) zu Recht erkannt:
I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.
II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskosten.
Rechtsgrundlagen:
Zu I: §§ 24, 45 Abs.1 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG;
zu II: § 66 Abs.1 VStG.
Entscheidungsgründe:
1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde über den Berufungswerber (in der Folge: Bw) eine Geldstrafe in Höhe von 1.000 Euro bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe in Höhe von 34 Stunden verhängt, weil er es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als gemäß § 9 VStG nach außen zur Vertretung berufene Person der Firma A Logistik GmbH mit dem Sitz in X, X, verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten habe, dass von dieser Firma vom 1.11.2009 bis 3.12.2009 der nigerianische Staatsbürger O G als Zeitungszusteller beschäftigt worden sei, ohne dass die für eine legale Ausländerbeschäftigung erforderlichen arbeitsmarktrechtlichen Papiere vorgelegen seien.
In der Begründung wird angeführt:
oder
2 000 Euro bis zu 20 000 Euro, bei unberechtigter Beschäftigung von
2. In der Berufung wird dagegen vorgebracht:
3. Aus dem Akt ist ersichtlich:
Der Akt enthält die im angefochtenen Straferkenntnis bezogenen Aktenstücke.
4. In der öffentlichen mündlichen Verhandlung führte der Bw aus, das Vertragsverhältnis habe zur O KG bestanden und nicht direkt zum gegenständlichen Ausländer. Die Frächter (mitunter auch als Zusteller bezeichnet) des Bw seien in der Regel keine Kommanditgesellschaften sondern Einzelunternehmer. Wessen Idee die Gründung einer KG gewesen sei, wisse der Bw nicht.
Die Verteilung der OÖN erfolge Montag bis Samstag zu den angegebenen Zeiten. Zur Kontrolle hätten die Frächter ein Journalbuch zu führen. Außerdem hätten die über die OÖN laufenden Reklamationen Kontrollfunktion. Bei Problemen werde der Frächter verwarnt, bei gröberen Problemen werde das Verhältnis fristlos beendet. Für den Verlust der Zeitungen hafte der Zusteller.
Bei Ausfall eines Frächters habe dieser sich selbst um seine Vertretung zu kümmern. Wenn dies nicht funktioniere, "vergeben wir den Auftrag an eine andere Firma oder wir fahren selbst. In diesem Fall wird dann eine Rechnung an den Frächter gestellt".
Der Vertreter des Bw verwies auf das Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 15. Oktober 2009, VwSen-252242, auf das sich der Bw verlassen habe. Auch aus diesem Grund sei freizusprechen.
Der Zeuge G O sagte aus, er habe damals wie heute Zeitungen (OÖN) aufgrund des gegenständlichen Vertrags mit der Firma A zugestellt. Er transportiere nur Zeitungen und zwar nur die OÖN. Zur damaligen Zeit sei der Zeuge außerdem nur für die Firma A gefahren.
Seine Tätigkeit bestehe darin, die Zeitungspakete von einer bestimmten Stelle (X X) abzuholen und zu bestimmten Verteilungspunkten zu bringen, von wo die Zeitungszusteller ihre Pakete abholen würden. Der Zeuge habe vom Bw dafür einen Tourenplan mit den jeweiligen Zustellzeiten erhalten. Dazu wurde eine Liste vorgelegt, auf der Verteilungspunkte und minutengenau Zustellzeiten verzeichnet sind. Hauszustellungen nehme der Zeuge nicht vor. Die Stopps, an denen die Zeitungen zu bestimmten Zeiten zu deponieren seien, seien von den OÖN fixiert.
Die Kontrolle sei durch die OÖN erfolgt und zwar dergestalt, dass die Hauszusteller bei Fehlen eines Pakets die OÖN, diese A und A über Handy den Bw verständigt habe. Eine solche Situation habe z.B. bei Vandalismus ("Jungs aus einer Disko") eintreten können. Diesfalls habe der Zeuge ein Paket vom Media-Park holen "und hinbringen" müssen. Fehlende Pakete habe der Zeuge nicht bezahlen müssen. Es sei notwendig gewesen, dass der Zeuge ein Handy mitgeführt habe.
Zur Haftung befragt, gab der Zeuge an, es sei nie vorgekommen, dass er ein Paket verloren habe. Zum fiktiven Fall eines solchen Verlusts meinte der Zeuge, dass er diesfalls das Paket bezahlen hätte müssen.
Für den Fall der Verhinderung gebe es Springer. Im Verhinderungsfall habe es der Zeuge A gesagt "und A organisierte das". Das sei aber nicht oft vorgekommen.
Der Zeuge habe gegenüber der Firma A Rechnungen gelegt. Dies habe aus seiner Sicht dem Finanzamt gedient, da er nach der Zahl der gefahrenen Kilometer bezahlt worden und diese der Firma A ohnehin bekannt gewesen sei.
Für seine Tätigkeit habe er sein privates Auto im Wert von ein paar hundert Euro und sein Handy benutzt. Ein Büro habe er nicht benötigt.
Die O KG habe er gegründet, weil er aus fremdenrechtlichen Gründen jemanden gebraucht habe, der für ihn haftet und weil er Arbeit gebraucht habe. Der Boss des Unternehmens sei er selbst. Die erwähnte Person, Frau W O (laut Firmenbuch Kommanditistin, laut Gewerberegisterauszug gewerberechtliche Geschäftsführerin) habe nur "zu Beginn" für den Zeugen gearbeitet (die Eintragung ins Firmenbuch erfolgte am 23.5.2007). Für diese Arbeit (einfache manuelle Arbeiten wie Arrangieren von Paketen) habe der Zeuge W O bezahlt. Danach sei der Zeuge "ganz alleine in der Firma" gewesen. W O arbeite mittlerweile glaublich in einer Reinigungsfirma.
Den Vertrag mit der Firma A sei von W O unterschrieben worden.
Die Zeugin W O sagte zur Gründung der O KG aus: "Ich sollte Pakete packen. Das ist alles. Das war meine ganze Funktion. Meine Funktion bestand darin, für die Registratur der Gesellschaft zu unterschreiben." Für das Pakete packen habe sie "wenig Geld" von O bekommen. Nach Beendigung dieser Arbeit habe sie O von der GKK abgemeldet, seither habe sie mit der O KG nichts mehr zu tun. Ihre Unterschrift für die O KG gelte aber immer noch. Die Zeugin arbeite aber nicht mehr dort. In der Zeit, als sie bei der O KG gewesen sei, sei O der Boss gewesen.
Der gegenständliche Vertrag mit A sei der einzige, den die Zeugin unterschrieben habe. Zum Zeitpunkt der Unterschrift "habe ich gar nicht mehr in der Firma O gearbeitet". Die Unterschrift habe sie geleistet, weil O "die Dokumente brauchte". O habe den Vertrag von A bekommen. "Dann musste ich unterschreiben, weil ja das der Registratur der Gesellschaft entsprach." Sie habe nie persönlichen Kontakt mit der Firma A gehabt. Den Inhalt des (in deutscher Sprache abgefassten) Vertrages habe sie nicht verstanden. Die Rechnungen habe O geschrieben. O habe auch die ganze Finanzverwaltung des Unternehmens inne gehabt.
5. In einer in seinem Standpunkt zusammenfassenden Schreiben vom 12.10.2011 brachte der Bw vor:
"Zu dem Zeitpunkt, als Herr O von der O KG an die A Logistik GmbH herangetreten ist, um von dieser eine Tour zu übernehmen, waren mir die näheren Verhältnisse zwischen Herrn O und Frau W nicht bekannt. Ich wusste lediglich, dass die O KG in das Firmenbuch eingetragen ist und Frau W gewerberechtliche Geschäftsführerin war.
Die nähere Ausgestaltung der von der O KG übernommenen Tour wurde von der OÖ Nachrichten vorgegeben, die sowohl den Zeitpunkt der Abholung und der Ablieferung der Zeitungen, als auch die Orte, wo die Zeitungen anzuliefern waren, vorgegeben haben. Auf diese Umstände hatte die A Logistik GmbH überhaupt keinen Einfluss.
Die Tätigkeit der A Logistik GmbH hat sich darauf beschränkt, eine von den OÖ Nachrichten übernommene Tour durch die O KG als deren Subauftragnehmer ausführen zu lassen, wobei es jeweils im Verantwortungsbereich der A Logistik GmbH bzw. der O KG lag, die von den OÖ Nachrichten vorgegebenen Zustellungen durchzuführen. Bei fehlerhaften Zustellungen wird vertragsgemäß der Verursacher zum Ersatz herangezogen, wobei aufgrund der vertraglichen Gestaltung die OÖ Nachrichten ihre Ansprüche gegenüber der A Logistik GmbH und diese wiederum ihre Ansprüche gegenüber der O KG geltend macht.
Die Verpflichtung, die vorgegebene Tour einzuhalten und auch im Verhinderungs- und Urlaubsfall für Vertretung zu sorgen, basiert wiederum auf einer inhaltlich gleichen Verpflichtung der A Logistik GmbH gegenüber den OÖ Nachrichten, welche die Zustellung ihrer Medien durch Logistikunternehmen organisiert haben.
Auch eine wirtschaftliche Betrachtung der von der O KG ausgeübten Tätigkeit führt zu keiner Beschäftigung von Herrn O durch die A Logistik GmbH. Die A Logistik GmbH hat nämlich ausschließlich mit der O KG, somit mit einer eigenen Rechtspersönlichkeit, einen Frachtvertrag abgeschlossen, weshalb zwischen der A Logistik GmbH und der O KG kein Arbeitsverhältnis vorgelegen haben kann. Hätte beispielsweise Herr O eine Ein-Mann-GmbH gegründet, deren Geschäftsführer auch Herr O ist, und hätte die "O GmbH" mit der A Logistik GmbH den gegenständlichen Vertrag abgeschlossen, so wäre wohl niemand auf die Idee gekommen, dass es sich dabei um ein Arbeitsverhältnis bzw. arbeitnehmerähnliches Verhältnis handeln könnte. Was die rechtliche Beurteilung des gegenständlichen Sachverhaltes angelangt, macht es keinen Unterschied, ob die A Logistik GmbH mit einer KG oder einer Ein-Mann-GmbH einen Vertrag abgeschlossen hat.
Mangels Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses bzw. eines arbeitnehmerähnlichen Verhältnisses zwischen der A Logistik GmbH und Herr O wiederhole ich meine Anträge laut Berufung."
6. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat darüber erwogen:
Zum Sachverhalt ist zunächst festzustellen, dass die Tätigkeit des Ausländers unter Bedingungen erfolgte, wie sie vor allem durch G O in der öffentlichen mündlichen Verhandlung dargestellt wurden; ergänzend ist die Aktenlage und die Darstellung des Bw heranzuziehen. Demnach war das Rechtsverhältnis auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, wobei die Pflicht des Ausländers darin bestand, nach einem vorgegebenen Organisationsplan Zeitungspakete von einem bestimmten Ort abzuholen und auf andere Orte zu verteilen, wobei der Organisationsplan auch einen genauen Zeitplan enthielt. Mit dem Organisationsplan korrespondierte eine praktisch lückenlose Kontrolle der Erfüllung der einzigen Aufgabe des Ausländers dahingehend, ob die Zeitungspakete rechtzeitig an der richtigen Verteilerstelle einlangten. Die Bezahlung erfolgte monatlich und zwar kilometergebunden nach vorgegebenem Tarif. Eine selbst bestimmte Vertretung des Ausländers gab es nicht. Zur Tatzeit arbeitete der Ausländer nicht auch für weitere Unternehmen. Über eine relevante betriebliche Organisation bzw. relevante betriebsspezifische Betriebsmittel verfügte der Ausländer nicht.
Unter diesen Voraussetzungen kann im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes von keinem relevanten Werk bzw. einem gewährleistungstauglichen Erfolg die Rede sein. Vielmehr liegt im Sinne einer gefestigten "Zeitungszustellerjudikatur" des Verwaltungsgerichtshofes eine Beschäftigung im Sinne des AuslBG vor. Zu Nachweisen kann auf die Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses verwiesen werden.
Der Bw wendet allerdings ein, dass der Vertrag nicht mit dem gegenständlichen Ausländer sondern mit der O KG geschlossen wurde. Nach der Darstellung insbesondere der Zeugin W O (Verständnis des Vertragstextes, de facto Ein-Mann-Gesellschaft bzw. Geschäftsführung durch den gegenständlichen Ausländer selbst) bestehen unter dem Blickwinkel des wahren wirtschaftlichen Gehalts (§ 2 Abs.4 AuslBG) erhebliche Bedenken, inwieweit der Rechtspersönlichkeit der KG Beachtung zu schenken ist. Käme man zu einem verneinenden Ergebnis, würde dies zum Resultat einer direkten Beschäftigung des Ausländers durch die A GmbH führen. Dem könnte der Bw – möglicherweise mit Erfolg – die unverschuldete Unkenntnis der inneren Verhältnisse der O KG entgegenhalten. Ginge man hingegen davon aus, dass die Rechtspersönlichkeit der KG einem solchen Durchgriff aufgrund des wahren wirtschaftlichen Gehalts entgegensteht, so wäre zumindest fraglich, inwiefern der Ausländer als "überlassungsfähige" Arbeitskraft der O KG angesprochen werden kann.
Der Sache nach macht der Bw noch einen weiteren Einwand geltend, indem er die Steuerung der Tätigkeit des Ausländers durch die OÖN ins Treffen führt. In der Tat ist davon auszugehen, dass der Organisationsplan, nach dem der Ausländer tätig werden musste – und der funktionsgleich einer Weisung die Dispositionsfreiheit des Ausländers so gut wie zur Gänze ausschaltete – von den OÖN gestaltet und aus der Sicht des Bw gleichsam nur einen "Durchlaufposten" bildete. Auch die zweite wesentliche Ingerenz – die lückenlose Kontrolle der Aufgabenerfüllung – wurde von den OÖN gehandhabt. Unter diesen besonderen Umständen erscheint es vertretbar, nach dem wahren wirtschaftlichen Gehalt die Firma A als Zwischenüberlasser im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis vom 10.3.1999, Zl. 97/09/0209) zu betrachten.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.
Dr. Ewald Langeder