Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-523008/2/Zo/Gr

Linz, 19.12.2011

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Mag. Gottfried Zöbl über die Berufung des Herrn G F, geb., U vom 17. November 2011 gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Freistadt vom 3. November 2011, Zahl: VerkR21-318-2011 wegen Entziehung der Lenkberechtigung zu Recht erkannt:

 

Die Berufung wird abgewiesen und der angefochtene Bescheid grundsätzlich bestätigt.

 

Die Anordnungen, dass sich die Entziehung auch auf eine innerhalb der Entziehungsdauer zukünftig erteilte ausländische Lenkberechtigung erstreckt sowie das Verbot zum Lenken von Motorfahrrädern, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen oder Invalidenkraftfahrzeugen werden jedoch aufgehoben.

 

Rechtsgrundlage:

§§ 66 Abs.4 und 67 Abs.1 AVG iVm §§ 7 Abs.1, Abs.3 Z.4, 24 Abs.1 Z.1, 29 Abs.3 und 30 FSG

 

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt hat mit dem angefochtenen Bescheid dem Berufungswerber die Lenkberechtigung für die Klassen AV, A und B für die Dauer von zwei Wochen, gerechnet ab Rechtskraft des Bescheides, entzogen. Es wurde angeordnet, dass sich diese Entziehung auch auf eine allfällige von einem EWR-Staates erteilte oder innerhalb der Entziehungsdauer zukünftig erteilte ausländische Lenkberechtigung erstreckt. Der Berufungswerber wurde verpflichtet, seinen Führerschein ab Rechtskraft des Bescheides abzuliefern und es wurde ihm das Recht aberkannt, von einer allfällig bestehenden ausländischen Lenkberechtigung für die Dauer der Entziehung in Österreich Gebrauch zu machen. Er wurde weiters aufgefordert, einen allfällig vorhandenen ausländischen Führerschein ab Rechtskraft des Bescheides der Behörde abzuliefern. Weiters wurde ihm das Lenken eines Motorfahrrades, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeuges oder Invalidenkraftfahrzeuges, gerechnet ab Rechtskraft des Bescheides, verboten.

 

2. In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung führte der Berufungswerber aus, dass er rechtskräftig bestraft wurde, weil er auf der A9 bei Kilometer 137.700 die erlaubte Geschwindigkeit von 100 km/h um 52 km/h überschritten habe. Diese Geschwindigkeitsbegrenzung habe sich daraus ergeben, dass er einen PKW mit einem leichten Anhänger gelenkt habe. Es habe sich nicht um eine in der StVO normierte Geschwindigkeitsbeschränkung gehandelt, sondern diese Beschränkung ergebe sich aus § 58 KDV aufgrund der von ihm verwendeten Fahrzeugkombination.

 

Der Gesetzgeber habe in § 26 Abs.3 sowie in § 7 Abs.3 Z.4 FSG die Entziehung der Lenkberechtigung wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen geregelt. Dabei sie immer von den jeweiligen Höchstgeschwindigkeiten im Ortsgebiet bzw. außerhalb des Ortsgebietes die Rede gewesen. Daraus ergibt sich, dass der Gesetzgeber offenbar von den in der Straßenverkehrordnung geregelten erlaubten Höchstgeschwindigkeiten ausgegangen ist. Dies komme auch in den Materien zum Ausdruck. Im gegenständlichen Fall habe er jedoch eine Übertretung des § 58 KDV, nämlich der höchsten zulässigen Fahrgeschwindigkeit, begangen, wobei diese Fahrgeschwindigkeit vom jeweiligen Fahrzeug bzw. der Fahrzeugkombination abhängig ist. Es entspreche daher nicht der Absicht des Gesetzgebers, auch diese Geschwindigkeitsüberschreitungen mit einem Führerscheinentzug zu belegen.

 

3. Der Bezirkshauptmann von Freistadt hat den Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen. Es ergibt sich daher die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates, wobei dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c VStG).

 

4. Der UVS des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt. Aus diesem ergibt sich der für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt zur Gänze, weshalb eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung nicht erforderlich war. Eine solche wurde auch nicht beantragt.

 

4.1. Folgender Sachverhalt steht fest:

 

Der Berufungswerber ist im Besitz einer Lenkberechtigung für die Klassen AV, A und B vom 9. Jänner 1990. Aus der rechtskräftigen Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Leoben vom 10. August 2011, Zahl: BHLN-15.1-6128/2011 ergibt sich, dass der Berufungswerber am 31. Juli 2011 um 16:00 Uhr in St. M in der O auf der A9, bei Kilometer 137.700 mit dem PKW, Kennzeichen: x und dem Anhänger, Kennzeichen: x die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 52 km/h überschritten hatte. Er habe dadurch eine Übertretung des § 58 Abs.1 Z.2 lit.g KDV begangen, weshalb über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von 230 Euro und eine entsprechende Ersatzfreiheitsstrafe verhängt wurden.

 

Die in Betracht kommende Messtoleranz war bereits zu Gunsten des Berufungswerbers abgezogen worden.

 

5. Darüber hat der UVS des Landes Oberösterreich in rechtlicher Hinsicht folgendes erwogen:

 

5.1.  

Gemäß § 7 Abs.3 Z4 FSG hat als bestimmte Tatsache iSd Abs.1 insbesondere zu gelten, wenn jemand die zulässige Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet um mehr als 40 km/h oder außerhalb des Ortsgebietes um mehr als 50 km/h überschritten hat und diese Überschreitung mit einem technischen Hilfsmittel festgestellt wurde.

 

Gemäß § 24 Abs.1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1.      die Lenkberechtigung zu entziehen oder

2.      die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diesfalls ist gemäß § 13 Abs. 5 ein neuer Führerschein auszustellen.

Für den Zeitraum einer Entziehung der Lenkberechtigung für die Klassen A, B oder F ist auch das Lenken von vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen unzulässig, es sei denn es handelt sich

1. um eine Entziehung gemäß § 24 Abs. 3 achter Satz oder

2. um eine Entziehung der Klasse A wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung, die ausschließlich mit dem Lenken von einspurigen Kraftfahrzeugen zusammenhängt.

 

Gemäß § 26 Abs.3 FSG hat im Fall der erstmaligen Begehung einer in § 7 Abs.3 Z4 genannten Übertretung, sofern die Übertretung nicht geeignet war, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen oder nicht mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern begangen wurde (§ 7 Abs.3 Z3) oder auch eine Übertretung gemäß Abs.1 oder 2 vorliegt, die Entziehungsdauer

            1. zwei Wochen,

            2. wenn die jeweils zulässige Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet um    mehr als 60 km/h oder außerhalb des Ortsgebietes um mehr als 70 km/h          überschritten worden ist, sechs Wochen,

            3. wenn die jeweils zulässige Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet um    mehr    als 80 km/h oder außerhalb des Ortsgebietes um mehr als 90 km/h          überschritten worden ist, drei Monate

zu betragen. Bei wiederholter Begehung einer derartigen Übertretung innerhalb von zwei Jahren hat die Entziehungsdauer, sofern in keinem Fall eine Qualifizierung im Sinne der Z. 2 oder 3 gegeben ist, sechs Wochen, sonst mindestens sechs Monate zu betragen. Eine nach Ablauf von zwei Jahren seit der letzten Übertretung begangene derartige Übertretung gilt als erstmalig begangen.

 

Gemäß § 29 Abs.3 FSG ist nach Eintritt der Vollstreckbarkeit des Entziehungsbescheides der über die entzogene Lenkberechtigung ausgestellte Führerschein, sofern er nicht bereits abgenommen wurde, unverzüglich der Behörde abzuliefern.

 

In § 30 Abs.1 FSG ist vorgesehen, dass Besitzern von ausländischen Lenkberechtigungen das Recht aberkannt werden kann, von ihrem Führerschein in Österreich Gebrauch zu machen, wenn Gründe für eine Entziehung der Lenkberechtigung vorliegen.

 

Gemäß § 30 Abs.3 erster Satz FSG hat die Behörde eine Entziehung auszusprechen und den Führerschein des Betroffenen einzuziehen und der Ausstellungsbehörde zurückzustellen, wenn das Verfahren gemäß Abs.1 dem Besitzer einer in einem EWR-Staat erteilten Lenkberechtigung betrifft, der seinen Wohnsitz (§ 5 Abs. 1 Z.1) nach Österreich verlegt hat.

 

5.2. Der Berufungswerber hat am 31. Juli 2011 um 16:00 Uhr als Lenker eines PKW mit einem leichten Anhänger die gemäß § 58 KDV auf Autobahnen für diese Fahrzeugkombination erlaubte Höchstgeschwindigkeit  von 100 km/h um 52 km/h überschritten. Diese Überschreitung wurde mit einem Messgerät festgestellt und der Berufungswerber hat das Ausmaß der Überschreitung auch nicht bestritten.

 

Strittig ist lediglich, ob sich die bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs.3 Z.4 FSG sowie die Bestimmung des § 26 Abs.3 FSG auch auf Geschwindigkeitsbeschränkungen gemäß § 98 KFG bzw. § 58 KDV bezieht oder nicht. Dazu ist anzuführen, dass in den angeführten gesetzlichen Bestimmungen von der "jeweils zulässigen Höchstgeschwindigkeit "die Rede ist. Die Unterscheidung, ob die Geschwindigkeitsüberschreitung im Ortsgebiet oder auf einer Freilandstraße begangen wurde, ist nur insofern von Bedeutung, als innerhalb des Ortsgebietes bereits eine Überschreitung um mehr als 40 km/h, außerhalb des Ortsgebietes erst eine Überschreitung um mehr als 50 km/h eine bestimmte Tatsache darstellt. Der Wortlaut der Bestimmung (jeweils zulässige Höchstgeschwindigkeit) lässt nur den Schluss zu, dass der Gesetzgeber alle Arten von Geschwindigkeitsbeschränkungen erfassen wollte. Im konkreten Fall ist zu berücksichtigen, dass auch die Beschränkung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit auf 100 km/h für die Fahrzeugkombination "PKW mit leichtem Anhänger" aus Gründen der Verkehrssicherheit erlassen wurde, weil derartige Fahrzeugkombinationen ein anderes Fahrverhalten aufweisen, als ein PKW alleine. Nach Ansicht des zuständigen Mitgliedes des UVS führt daher auch die Überschreitung der für eine bestimmte Fahrzeugkombination erlaubten Höchstgeschwindigkeit in dem im FSG vorgesehenen Ausmaß zu einer Entziehung der Lenkberechtigung.

 

Die Entziehung der Lenkberechtigung für zwei Wochen bei extremen Geschwindigkeitsüberschreitungen wurde mit BGBl. Nr. 162/1995 in das KFG eingeführt. Auch das der damaligen Formulierung ergibt sich kein Hinweis, dass dabei nur an Geschwindigkeitsbeschränkungen nach der StVO gedacht gewesen wäre (vgl. dazu auch Grundtner, KFG, Anmerkung 19 zu § 66).

 

Anzuführen ist, dass die Entziehung einer erst in der Zukunft möglicherweise erteilten Lenkberechtigung rechtlich nicht möglich ist, weil ein Recht, welches noch gar nicht erteilt wurde, logischerweise auch nicht entzogen werden kann. Bei einer Entziehung der Lenkberechtigung wegen einer massiven Geschwindigkeitsüberschreitung besteht kein sachlicher Grund, auch das Lenken von Motorfahrrädern oder Invalidenkraftfahrzeugen zu verbieten, weil mit diesen Fahrzeugarten eine derart massive Geschwindigkeitsüberschreitung ohnedies nicht möglich ist. Selbst wenn mit einem Motorfahrrad aufgrund von technischen Umbauten eine entsprechend hohe Geschwindigkeit erreicht werden könnte, würde es sich bei diesem Fahrzeug in rechtlicher Hinsicht nicht mehr um ein Motorfahrrad sondern bereits um ein Motorrad handeln, welches aufgrund der entzogenen Lenkberechtigung für die Klasse A ohnedies nicht gelenkt werden dürfte. Zur Information für den Berufungswerber ist jedoch darauf hinzuweisen, dass sich das Verbot zum Lenken von vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen, während der Entzugsdauer unmittelbar aus der gesetzlichen Bestimmung des § 24 Abs.1 FSG ergibt.

 

Die Verpflichtung zur Ablieferung des Führerscheines sowie der sonstigen behördlichen Anordnungen sind in den § 29 und 30 FSG begründet.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

1.     Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

2.     Im Verfahren sind Stempelgebühren in der Höhe von 14,30 Euro angefallen.

 

 

Mag. Gottfried Zöbl

 

 

 

 

VwSen-523008/2/Zo/Gr vom 19. Dezember 2011

 

Erkenntnis

 

Rechtssatz 1:

 

FSG §7 Abs3 Z4

 

Aus der Formulierung "die jeweils zulässige Höchstgeschwindigkeit" in § 7 Abs 3 Z 4 FSG ergibt sich, dass es für die Entziehung der Lenkberechtigung wegen einer massiven Geschwindigkeitsüberschreitung nicht darauf ankommt, aus welcher gesetzlichen Bestimmung (StVO 1960, KDV 1967, IG-L usw) sich die Geschwindigkeitsbeschränkung ergibt. Auch die Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit für einen Kraftwagenzug (PKW mit leichtem Anhänger) von 100 km/h um mehr als 50 km/h auf einer Autobahn führt zu einer Entziehung der Lenkberechtigung.

 

Rechtssatz 2:

 

FSG §7 Abs3 Z4

 

Die Entziehung einer "zukünftig erteilten" ausländischen Lenkberechtigung ist rechtlich nicht möglich, weil ein zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung (noch) nicht bestehendes Recht auch nicht entzogen werden kann.

 

Rechtssatz 3:

 

FSG §7 Abs3 Z4

 

Bei einer Entziehung der Lenkberechtigung wegen einer massiven Geschwindigkeitsüberschreitung besteht kein sachlicher Grund, auch das Lenken von Motorfahrrädern oder Invalidenkraftfahrzeugen zu verbieten, weil mit solchen Fahrzeugen eine derart massive Geschwindigkeitsüberschreitung technisch nicht möglich ist.

 

 

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