Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-401136/6/SR/Jo

Linz, 19.12.2011

 

E R K E N N T N I S

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Beschwerde des X, geboren am X, afghanischer Staatsangehöriger, X, wegen Anhaltung in Schubhaft vom 17. bis 25. November 2011 durch den Bezirkshauptmann von Vöcklabruck, zu Recht erkannt:

 

 

 

I.            Der Beschwerde wird stattgegeben und die Anhaltung des Beschwerdeführers in der Zeit vom 17. bis 25. November 2011 als rechtswidrig festgestellt.

 

II.        Der Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann von Vöcklabruck) hat dem Beschwerdeführer den Verfahrensaufwand in Höhe von 766,20 Euro (Schriftsatzaufwand und Eingabegebühr) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

 

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 Abs. 1 und 83 Abs. 2 und 4 Fremdenpolizeigesetz – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 112/2011) iVm §§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG und der UVS-Aufwandsersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 456/2008.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht auf Grund der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde, der Gegenschrift, der dazu vorgelegten Stellungnahme und den ergänzend vorgelegten Aktenteilen vom nachstehenden Sachverhalt aus:

 

1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) X (alias X), ein Staatsangehöriger von Afghanistan, geboren am X (alias X alias X), reiste am 1. September 2011 von Ungarn kommend illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 2. September 2011 beim Bundesasylamt, EAST-West, einen Antrag auf internationalen Schutz (im Folgenden: Asylantrag).

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 23. September 2011, Zl. 11 09.956, wurde der Asylantrag des Bf gemäß § 5 AsylG zurückgewiesen und seine Ausweisung nach Ungarn ausgesprochen.

 

Der dagegen eingebrachten Beschwerde erkannte der Asylgerichtshof mit Beschluss vom 14. November 2011, Zl. S22 422-337-1/2011-3Z, zugestellt am 14. November 2011, die aufschiebende Wirkung zu.

 

Mit Erkenntnis vom 16. November 2011, Zl. S22 422-337-1/2011-3E, zugestellt am 17. November 2011, gab der Asylgerichtshof der Beschwerde gemäß § 41 Abs. 3 AsylG statt und behob den angefochtenen Bescheid. Das Asylverfahren des Bf war daher mit 17. November 2011 zugelassen.

 

1.2. Mit Bescheid vom 6. September 2011, AZ Sich40-2804-2011, ordnete die belangte Behörde auf der Rechtsgrundlage des § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG iVm. § 57 AVG gegen den Bf die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung (§ 10 AsylG) und der Abschiebung (§ 46 FPG) an.

 

Abstellend auf das vorliegende Beschwerdebegehren begründete die belangte Behörde die Schubhaftverhängung mit der Sicherung der Außerlandesbringung von Österreich nach Ungarn.

 

2.1. Mit dem am 23. November 2011 beim Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich eingelangten Schriftsatz vom 21. November 2011 erhob der Bf Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides vom 6. September 2011, AZ Sich40-2804-2011, sowie wegen Rechtswidrigkeit der Anhaltung auf Grund des vorliegenden Schubhaftbescheides.

 

Unter Punkt 3 der Begründung führte der Bf aus, dass mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 16. November 2011 seiner Beschwerde stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben worden sei. Bereits zuvor habe der Asylgerichtshof seiner Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

 

Gemäß § 80 Abs. 5 FPG dürfe die Schubhaft bis zur Entscheidung des Asylgerichtshofes aufrecht erhalten werden, wenn der Beschwerde gegen eine Ausweisung, die mit einer zurückweisenden Entscheidung verbunden sei, die aufschiebende Wirkung gemäß § 37 AsylG zuerkannt werde. Darüber hinaus dürfe die Schubhaft nur aufrecht erhalten werden, wenn der Asylgerichtshof eine zurück- oder abweisende Entscheidung erlasse. Im Hinblick auf die Entscheidung des Asylgerichtshofes sei die Anhaltung als rechtswidrig anzusehen.

 

Neben dem Kostenzuspruch beantragte der Bf u.a. die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Anhaltung.

 

2.2. Mit Schreiben vom 23. November 2011 übermittelte die belangte Behörde per E-Mail den Fremdenakt, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Der Fremdenakt langte am 24. November 2011 beim Oö. Verwaltungssenat ein.

 

Einleitend verwies die belangte Behörde auf den Schubhaftbescheid vom 6. September 2011, teilte mit, dass sich der Bf bis laufend in Schubhaft befinde und die Landüberstellung nach Ungarn in kürzester Zeit mit "rk Abschluss des Asylverfahrens (zurückweisende Entscheidung gem §§ 5, 10 AsylG 2005)" beabsichtigt sei.

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 24. Oktober 2011 sei der Fremde durchsetzbar nach Ungarn ausgewiesen, sein Asylverfahren gemäß § 5 AsylG nach Ungarn zurückgewiesen und der dagegen eingebrachten Beschwerde sei mit 16. November 2011 die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden. Der Asylgerichtshof sei verpflichtet, binnen vierzehn Tagen zu entscheiden. Es sei daher beabsichtigt, den Bf nach Entscheidung des Asylgerichtshofes innerhalb kürzester Zeit nach Ungarn abzuschieben.

 

2.3. Am 25. November 2011 teilte die belangte Behörde mit, dass der Bf mit 25. November 2011 aus der Schubhaft entlassen worden sei. Da der Bf mit Wirkung vom 17. November 2011 zum Asylverfahren zugelassen worden sei, entfalle die Grundlage für die weitere Anhaltung.

 

2.4. Mit Schriftsatz vom 14. Dezember 2011 schränkte der Bf die Beschwerde auf den Anhaltezeitraum 17. November bis 25. November 2011 ein und zog den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurück.

 

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat nach Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt und die erstatteten Schriftsätze festgestellt, dass der Sachverhalt bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde hinreichend geklärt ist, weshalb von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß § 83 Abs. 2 FPG abgesehen werden konnte.

 

Der Oö. Verwaltungssenat geht von dem unter den Punkten 1.1. bis 2.4. dieses Erkenntnisses dargestellten entscheidungswesentlichem Sachverhalt aus. Der festgestellte Sachverhalt ist unstrittig.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1.  Gemäß § 83 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung des Bundesgesetzblattes BGBl. Nr. 38/2011, ist zur Entscheidung über eine Beschwerde gemäß § 82 Abs. 1 Z. 2 oder 3 der Unabhängige Verwaltungssenat zuständig, in dessen Sprengel die Behörde ihren Sitz hat, welche die Anhaltung oder die Schubhaft angeordnet hat. In den Fällen des § 82 Abs. 1 Z. 1 richtet sich die Zuständigkeit nach dem Ort der Festnahme.  

 

Gemäß § 82 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 17/2011, hat der Fremde das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen,

1.     wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;

2.     wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde, oder

3.     wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs. 4 FPG hat der Unabhängige Verwaltungssenat, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden.

 

4.2. Es ist unbestritten, dass der Bf auf Grund des Bescheides des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 6. September 2011, in der Zeit 17. bis 25. November 2011 in Schubhaft für die belangte Behörde angehalten wurde, weshalb der Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung berufen ist.

 

Nachdem sich der Bf zur Zeit der Entscheidung des Oö. Verwaltungssenates nicht mehr in Schubhaft befindet, war die Prüfung entsprechend des aktuellen Beschwerdebegehrens vorzunehmen.

 

4.3. Gemäß § 76 Abs 2 FPG kann die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zweck der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn

 

1.     gegen ihn eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen wurde;

2.     gegen ihn nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;

3.     gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine Rückkehrentscheidung, durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist oder

4.     auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

 

Die Schubhaft ist nach § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Der Bescheid hat den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung auch in einer dem Fremden verständlichen Sprache zu enthalten oder einer Sprache, bei der vernünftigerweise davon ausgegangen werden kann, dass er sie versteht. Eine unrichtige Übersetzung begründet lediglich das Recht, unter den Voraussetzungen des § 71 AVG wiedereingesetzt zu werden.

 

Gemäß § 80 Abs. 1 FPG ist die Behörde verpflichtet darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf solange aufrecht erhalten werden,  bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

 

Nach § 80 Abs. 5 FPG kann in Fällen, in denen die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 oder 2a verhängt wurde, diese bis zum Ablauf der vierten Wochen nach rechtskräftig negativer Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz aufrecht erhalten werden, es sei denn, es läge auch ein Fall des Abs. 4 Z. 1 bis 3 vor. Wird der Beschwerde gegen eine Ausweisung, die mit einer zurückweisenden Entscheidung verbunden ist, die aufschiebende Wirkung gemäß § 37 AsylG zuerkannt, darf die Schubhaft bis zur Entscheidung des Asylgerichtshofes aufrecht erhalten werden. Darüber hinaus darf die Schubhaft nur aufrecht erhalten werden, wenn der Asylgerichtshof eine zurück- oder abweisende Entscheidung erlässt.

 

4.4. Unbestritten wurde das Asylverfahren des Bf mit Zustellung des Erkenntnisses des Asylgerichtshofes am 17. November 2011 zugelassen.

 

Mangels rechtzeitiger Information der zuständigen Behörde ist die belangte Behörde noch zum Zeitpunkt der Aktenvorlage und der Erstattung der Gegenschrift davon ausgegangen, dass das Ziel der Schubhaft (Überstellung des Bf nach Ungarn) innerhalb angemessener Frist erreicht werden kann.

 

Unabhängig davon, dass auch die verkürzt vorgenommenen AIS-Eintragungen nicht zur Klärung beigetragen haben (die belangte Behörde musste spätestens bei der Beschwerdevorlage Kenntnis von der Entscheidung des Asylgerichtshofes erlangen), ist mit der Zustellung des Erkenntnisses des Asylgerichtshofes die weitere Anhaltung des Bf in Schubhaft als rechtswidrig anzusehen, da dieser der Beschwerde stattgegeben hat. Wie bereits dargestellt, darf gemäß § 80 Abs. 5 FPG die Schubhaft nur aufrechterhalten werden, wenn der Asylgerichtshof eine zurück- oder abweisende Entscheidung erlässt.

 

Die belangte Behörde ist dieser Rechtsansicht im Schreiben vom 25. November 2011 erschließbar gefolgt.

 

4.5. Entsprechend dem eingeschränkten Beschwerdebegehren war die Anhaltung des Bf in Schubhaft in der Zeit 17. bis 25. November 2011 für rechtswidrig zu erklären.

 

5. Nach § 79a Abs 1 AVG 1991 iVm § 83 Abs 2 FPG hat die im Verfahren nach    § 67c AVG obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wird die Beschwerde zurückgewiesen oder zurückgezogen oder abgewiesen, dann ist die belangte Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei (§ 79a Abs 3 AVG). Nach § 79a Abs 6 AVG ist Aufwandersatz nur auf Antrag der Partei zu leisten.

 

Gemäß § 79a Abs 4 AVG gelten als Aufwendungen gemäß Abs 1 neben Stempel- und Kommissionsgebühren sowie Barauslagen vor allem die durch Verordnung des Bundeskanzlers festgesetzten Pauschbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand. Nach der geltenden UVS-Aufwandersatzverordnung 2008 (BGBl II Nr. 456/2008) betragen die Pauschbeträge für Bf als obsiegender Partei für den Vorlageaufwand 737,60 Euro.

 

Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren war der Verfahrensaufwand des Bf mit insgesamt 766,20 Euro (darin enthalten 14,30 Euro Eingabegebühr) festzusetzen und der belangten Behörde der Kostenersatz zugunsten des Bf aufzutragen.

 

Analog dem § 59 Abs 4 VwGG 1985 war eine Leistungsfrist von 2 Wochen festzusetzen, zumal das Schweigen des § 79a AVG 1991 nur als planwidrige Lücke aufgefasst werden kann, sollte doch die Neuregelung idF BGBl Nr. 471/1995 im Wesentlichen eine Angleichung der Kostentragungsbestimmungen an das VwGG bringen (vgl Erl zur RV, 130 BlgNR 19. GP, 14 f).

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweise:

1) Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2) Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in Höhe von insgesamt 28,60 Euro (2 x 14,30 Euro) angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

 

 

Mag. Stierschneider

 

 

 

 

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