Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730331/4/BP/Jo

Linz, 20.12.2011

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung des X, StA von Serbien, vertreten durch X, gegen den Bescheid des Polizeidirektors von Steyr vom 17. März 2011, Zahl 1-1009596/FP/10, betreffend die Verhängung eines auf 5 Jahre befristeten Aufenthaltsverbotes gegen den Berufungswerber nach dem Fremdenpolizeigesetz, zu Recht erkannt:

 

 

I.       Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid   ersatzlos aufgehoben.

 

II.     Der Berufungsantrag auf Zuerkennung der aufschiebenden   Wirkung der in Rede stehenden Berufung wird als unzulässig       zurückgewiesen.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 iVm. § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG


Entscheidungsgründe

 

1.1.1. Mit Bescheid des Polizeidirektors von Steyr vom 17. März 2011, Zahl 1-1009596/FP/10,, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) auf Basis des § 60 Abs. 1 Z. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung, geändert durch BGBl. I Nr. 135/2009, ein auf 5 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich verhängt.

 

Begründend führt die belangte Behörde zunächst zum Sachverhalt aus, dass der Bw, ein serbischer Staatsbürger, am X in X geboren sei und seit 1992 in Österreich lebe. Am 30. November 2009 sei der Bw schuldig gesprochen worden, vorschriftswidrig im Zeitraum vom 1. September 2008 bis 27. September 2008 Suchtgift erworben, besessen und anderen gewerbsmäßig überlassen zu haben.

 

In seiner Stellungnahme vom 2. März 2011 habe der Bw angegeben, eine Lebensgefährtin, sowie Eltern und neun Geschwister in Österreich zu haben. Weiters verweise der Bw auf einen großen Freundeskreis und gute Deutschkenntnisse.

 

Folgende strafrechtliche Verurteilungen schienen gegen den Bw auf:

 

1.     Urteil des BG Steyr vom 7. Mai 1997, rk seit 10. Mai 1997, Zl.: 7 U 32/97h wegen § 127 StGB, Geldstrafe von 40 Tag. zu je S 50,- (S 2.000,-) im NEF 20 Tage Ersatzfreiheitsstrafe;

2.     Urteil des LG Steyr vom 15. März 1999, rk seit 19. März 1999, Zl.: 10 E VR 512/98 HV 62/98 wegen § 107 Abs. 1 StGB, Freiheitsstrafe 2 Monate, bedingt, Probezeit 2 Jahre;

3.     Urteil des BG Steyr vom 28. August 2000, rk seit 28. August 2000, Zl.: 5 U 31/2000d wegen § 83 Abs. 1 StGB, Geldstrafe von 100 Tags zu je S 30,- (S 3.000,-) im NEF 50 Tage Ersatzfreiheitsstrafe;

4.     Urteil des LG Steyr vom 27. September 2001, rk seit 2. Oktober 2001, ZI.: 10 HV 1017/2001h wegen §§ 27 Abs. 1, 27 Abs. 2 Z. 1 u. 2 SMG, Freiheitsstrafe 4 Monate, Freiheitsstrafe 8 Monate bedingt, Probezeit 3 Jahre

5.     Urteil des LG Steyr vom 8. Jänner 2004, rk seit 13. Jänner 2004, Zl.: 13 HV 76/2002a wegen §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB, § 27 Abs. 1 (1. und 2.Fall) SMG, Freiheitsstrafe 4 Monate;

6.     Urteil des BG Traun vom 25. Juli 2005, rk seit 16. September 2005, Zl.: 3 U 407/2004z wegen § 27 Abs. 1 (1. und 2. Fall) SMG, Geldstrafe von 150 Tags zu je € 2,00,- (€ 300,-) im NEF 75 Tage Ersatzfreiheitsstrafe;

7.     Urteil des LG Steyr vom 3. Juli 2008, rk seit 3. Juli 2008, Zl.: 11 HV 70/2008m wegen § 27 Abs.1 Z.1 (1. und 2. Fall) SMG, Freiheitsstrafe 6 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre;

8.     Urteil des LG Steyr vom 30. November 2009, rk seit 4. Dezember 2009, Zl.: 13 HV 23/2009s wegen §§ 27 Abs.1 Z. 1 (2.Fall) 27 Abs.1 Z. 1 (8.Fall) SMG, Freiheitsstrafe 9 Monate.

 

Bei der Strafbemessung im Urteil des LG Steyr vom 30. November 2009 seien als Erschwerungsgründe der äußerst rasche Rückfall und die Vielzahl der einschlägigen Vorstrafen angeführt worden.

 

1.1.2. In rechtlicher Hinsicht führt die belangte Behörde aus, dass das Aufenthaltsverbot unter dem Gesichtspunkt der Interessensabwägung nach § 66 FPG einen relevanten Eingriff in das Privat- und Familienleben des Bw darstelle, zumal er in seiner Stellungnahme vorbringe, seine Lebensgefährtin sowie seine gesamte Familie in Österreich zu haben. Dem stehe jedoch das besonders hohe öffentliche Interesse an der Bekämpfung der Suchtmittelkriminalität, und zwar auch mit fremdenpolizeilichen Maßnahmen, gegenüber. Dieses Interesse ergebe sich aus der besonderen Gefährlichkeit von Suchtgifttätern, der großen Gefahr für die Gesundheit von Personen und die Volksgesundheit sowie aus der großen Wiederholungsgefahr. Demnach sei die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Bw dringend geboten und die Abstandnahme von dessen Erlassung würde wesentlich schwerer wiegen als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Bw und seiner Familie. Seine privaten und familiären Interessen müssten gegenüber dem hohen öffentlichen Interesse an der Hintanhaltung der Suchtmittelkriminalität zurücktreten.

 

Bei der vorgenommenen Interessensabwägung nach § 66 FPG sei zu Gunsten des Bw der langjährige Aufenthalt im Bundesgebiet sowie seine familiären Bindungen zu seiner Lebensgefährtin und seinen Familienangehörigen berücksichtigt und ein mit dem Aufenthaltsverbot verbundener relevanter Eingriff in das Privat- und Familienleben angenommen worden. Diese familiären Bindungen hätten den Bw jedoch auch bisher nicht davon abgehalten, die ihm angelasteten strafbaren Handlungen zu begehen. Den insoweit relativierten persönlichen Interessen an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet stehe die aus den Straftaten des Bw resultierende Gefährdung des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen und an der Verhinderung der Suchtmittelkriminalität gegenüber, welches das Aufenthaltsverbot zum Schutz der Öffentlichen Ordnung und Sicherheit sowie zum Schutz der Gesundheit anderer - somit zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen - als dringend geboten erscheinen lasse.

 

Der Handel mit Suchtgift stelle eine große und manifeste Gefahr für die Volksgesundheit dar, wodurch ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt werde. Die Wiederholungsgefahr bei der Begehung von Suchtmitteldelikten sowie die Gefahr einer illegalen Mittelbeschaffung zur Sicherung des Lebensunterhaltes seien auf Grund der bestehenden Erfahrungswerte eminent hoch.

 

Die belangte Behörde führt weiters aus, dass der Bw keinen Beruf erlernt und sich nicht in den österreichischen Arbeitsmarkt integriert habe. Bloße Absichtserklärungen würden nicht reichen, die privaten Interessen des Bw am Verbleib im Bundesgebiet zu stärken. Laut Versicherungsdatenauszug der österreichischen Sozialversicherung sei der Bw hin und wieder einer Beschäftigung nachgegangen, jedoch habe der Bw weitgehend Arbeitslosengeld und Sozialhilfe bezogen. Angesichts des besagten gravierenden Fehlverhaltens vertrete die belangte Behörde die Auffassung, dass das gegen den Bw erlassene Aufenthaltsverbot gemäß § 66 Abs. 1 FPG zulässig sei.

 

Der Bw habe angesichts der gravierenden Straffälligkeit und seiner sich daraus ergebenden besonderen Gefährlichkeit eine allfällige Trennung von seinen Angehörigen und die mit der Wiedereingliederung in sein Heimatland verbundenen Schwierigkeiten in Kauf zu nehmen. Auf die Frage der Zumutbarkeit der Führung eines gemeinsamen Familienlebens in Montenegro komme es daher bei der vorliegenden Konstellation nicht an (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Juli 2008, 2007/21/0084).

 

Im Hinblick auf die Mehrzahl der strafgerichtlichen Verurteilungen, die dem Bw keine Lehre zu sein vermocht hätten, sei eine positive Verhaltensprognose für den Bw unter keinen Umständen möglich.

Die Tatsache der Verurteilung des Bw rechtfertige die Annahme, dass sein weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden könnte.

 

Aufgrund des Fehlverhaltens des Bw sei das Aufenthaltsverbot auf die im Bescheid angeführte Zeit auszusprechen, weil aufgrund seines Verhaltens derzeit nicht vorhergesehen werden könne, wann der für die Erlassung dieses Aufenthaltsverbotes maßgebliche Grund, nämlich die Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit, weggefallen sein wird.

 

Abschließend weist die Behörde darauf hin, dass dieses Aufenthaltsverbot die Ausschreibung zur Einreiseverweigerung nach dem Schengener Durchführungsübereinkommen für den gesamten Schengener Raum nach sich ziehe.

 

1.2. Gegen diesen Bescheid erhob der Bw durch seine rechtsfreundliche Vertretung rechtzeitig Berufung mit Schriftsatz vom 5. April 2011.

 

Eingangs fasst der Bw die Begründungen der belangten Behörde zusammen. Diesen sei entgegen zu halten, dass die Verurteilungen des Bw nach dem Suchtmittelgesetz lediglich auf das Vergehen nach § 27 Abs. 1 gründen. Er habe nie gewerbsmäßig mit Drogen gehandelt, sondern diese nur zum Eigenkonsum verwendet. Die Straftaten würden lediglich Vergehenstatbestände erfüllen. Er habe mit Drogen nicht gehandelt und schon gar nicht dadurch "leicht verdientes Geld" erwirtschaftet; diese Unterstellung finde auch in den angeführten Verurteilungen keinerlei Deckung. Eine aktuelle Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch die Begehung weiterer Straftaten sei wegen der Unterstützung seiner Bewährungshelferin und des Umstandes, dass er "clean" sei und durch die Drogenberatungsstelle X unterstützt werde, bei dem Bw nicht gegeben.

 

Ein Aufenthaltsverbot wäre für den Bw ein massiver Eingriff in sein Privat- und Familienleben. Er sei aufgrund des Bosnienkrieges bereits mit zwölf Jahren vor 19 Jahren nach X gekommen. Seit dem Jahr 1992 lebe der Bw mit seinen Eltern und neun Geschwistern, welche überwiegend ebenfalls in X wohnhaft seien, in Österreich. Der Bw lebe seit 1992 sohin durchgehend mit einem Niederlassungsnachweis in Österreich. Er habe in Österreich 1 Volksschuljahr und 4 Hauptschuljahre in der X absolviert. Der Bw spreche sehr gut deutsch und sei in Österreich gut integriert. Zurzeit lebe er mit seinen Eltern X und X in der X in X. Er sei bereits seit zwölf Jahren mit der österreichischen Staatsbürgerin X zusammen und sie würden auch beabsichtigen, in naher Zukunft zu heiraten.

Zu seinen in Österreich lebenden Verwandten – Geschwister mit Kindern, Onkel, Tanten, Cousins und Cousinen – bestehe guter und regelmäßiger Kontakt. Sein gesamtes soziales Leben finde in Österreich statt. Er sei auch im Boxclub X aktiv tätig gewesen.

 

Auf Grund seines Niederlassungsnachweises habe der Bw freien Zugang zum Arbeitsmarkt und sei auch immer rechtmäßig in Österreich aufhältig gewesen. Derzeit beziehe der Bw an Arbeitslosentaggeld täglich € 18,91 und er könne ab Mai 2011 bei der Firma X in X als Aufzugmontagehelfer arbeiten. Seine berufliche Integration sei daher ebenfalls gewährleistet. Ferner sei er bei der GKK versichert und auch ordnungsgemäß bei der Adresse X, gemeldet, wo er gemeinsam mit seinen Eltern lebe. Der Vater des Bw habe im Jahr 2007 einen Schlaganfall erlitten, könne sich nur in einem Rollstuhl fortbewegen und benötige rund um die Uhr Pflege. Seine Mutter sei mit der alleinigen Pflege überfordert und daher auf den Bw angewiesen; er habe diesbezüglich als ältester Sohn eine sehr verantwortungsvolle Rolle im Familienverband.

 

Es sei für den Bw völlig unvorstellbar in seinem Ursprungsland Montenegro zu leben, da er keinen Bezug zu diesem Land habe, dort niemanden kenne und auch nicht wisse, was ihm dort passieren würde. Er habe zwei Drittel seiner Lebenszeit in Österreich verbracht und er fühle sich hier beheimatet. Seine ganze Großfamilie sowie sein Freundeskreis würden allesamt in Österreich leben.

 

Bei der zu erstellenden Gefährlichkeitsprognose sei die Person des Rechtsbrechers, sein Vorleben, seine Aussichten auf ein redliches Fortkommen zu berücksichtigen. Der Bw sei stets bestrebt gewesen, einer geregelten Arbeit nachzugehen und sei bei der Firma X in X, Fa. X und beim X sowie bei der X tätig gewesen. Der Bw habe eine fixe Arbeitsstellenzusage, ab Mai 2011 als Aufzugsmonteur bei der X zu arbeiten.

 

Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sei jedenfalls ein unverhältnismäßiger Eingriff in sein Privat- und Familienleben. Der Bw sei in Österreich familiär, sozial und beruflich bestens integriert. Der Bw sei durch seinen Haftaufenthalt "clean" geworden und werde durch seine Bewährungshelferin und dem Verein X bestens unterstützt. Seit seiner letzten Verurteilung habe der Bw sich wohl verhalten. Es sei daher davon auszugehen, dass gegenwärtig und tatsächlich von dem Bw keine erhebliche Gefahr ausgehe und eine weitere Delinquenz nicht zu befürchten sei.

 

Zum Beweis seiner ausgezeichneten Integration und die Intensität seiner familiären Bindung zu Österreich sowie des Umstands, dass er seine Mutter bei der Pflege seines Vaters unterstützen müsse, lege der Bw ein Schreiben des AMS vom 03.02.2011, Bestätigung der Firma X, Bestätigung der Meldung vom Magistrat der Stadt X, eine Kopie seines Aufenthaltstitels und eine Kopie des Behindertenausweises seines Vaters bei.

 

Für eine gute Zukunftsprognose hinsichtlich des Bw spreche auch die Stellungnahme seiner Bewährungshelferin X, die schlüssig darlege, dass sich für die Zukunft aus seiner positiven Entwicklung eine Orientierung für ein künftig deliktfreies Gestalten seines Alltages in Österreich ergebe. Die Bewährungshelferin des Bw ersuche ebenfalls um Abstandnahme von der Erteilung eines Aufenthaltsverbotes und werde diesbezüglich auf das beigelegte Schreiben vom 04.04.2011 verweisen.

 

Abschließend stellt der Bw die Anträge, der Berufung Folge zu geben und das erlassene auf 5 Jahre befristete Aufenthaltsverbot aufzuheben; in eventu das befristete Aufenthaltsverbot herabzusetzen.

 

 

2.1. Die belangte Behörde legte zunächst den in Rede stehenden Verwaltungsakt der Sicherheitsdirektion für Oberösterreich vor.

 

Mit 1. Juli 2011 trat das Fremdenrechtsänderungsgesetz, BGBl. I Nr. 38/2011 in wesentlichen Teilen in Kraft. Aus § 9 Abs. 1a FPG in der nunmehr geltenden Fassung ergibt sich, dass der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung über die Berufung zuständig ist, weshalb der in Rede stehende Verwaltungsakt von der Sicherheitsdirektion – nach In-Krafttreten der Novelle am 1. Juli 2011 – dem Oö. Verwaltungssenat übermittelt wurde.

 

2.2.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde.

 

2.2.2. eine telefonische Anfrage beim Magistrat der Stadt X am 19. Dezember 2011 ergab, dass der Bw bislang nicht verheiratet und als ledig eingetragen ist.

 

Aus einem aktuellen Versicherungsdatenauszug ergibt sich, dass der Bw zwar von 4. bis 10. Mai 2011 als Arbeiter der X sozialversichert war, danach aber wieder Arbeitslosengeld bezog.

 

2.2.3. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, weil eine solche nicht erforderlich war, nachdem sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt zweifelsfrei aus der Aktenlage ergibt, im Verfahren im Wesentlichen die Beurteilung von Rechtsfragen strittig ist und die Akten erkennen lassen, dass eine weitere mündliche Erörterung eine tiefgreifendere Klärung der Sache nicht erwarten lässt (§ 67d AVG).

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten 1.1., 1.2. und 2.2.2. dieses Erkenntnisses dargestellten völlig unbestrittenen Sachverhalt aus.

 

2.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

 

3. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1.1. Gemäß § 63 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG idgF. BGBl. I Nr. 112/2011, kann gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt

1.      die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder

2.      anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen    zuwiderläuft.

 

Gemäß § 63 Abs. 2 FPG sind bestimmte Tatsachen im Sinne des Abs. 1 insbesondere jene des § 53 Abs. 2 Z 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 und Abs. 3. § 53 Abs. 5 und 6 gelten.

 

Gemäß § 63 Abs. 3 FPG ist ein Aufenthaltsverbot gemäß Abs. 1 in den Fällen des
§ 53 Abs. 2 Z 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 für die Dauer von mindestens 18 Monaten, höchstens jedoch für fünf Jahre, in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 1 bis 4 für höchstens zehn Jahre und in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen. Die Frist beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.

 

3.1.2. Im vorliegenden Fall ist zunächst unbestritten, dass der Bw über einen Aufenthaltstitel verfügt, weshalb grundsätzlich die oben genannten Bestimmungen zur Prüfung des Aufenthaltsverbotes heranzuziehen sind.

 

Allerdings ist davor noch auf die besonderen Ausschließungsgründe des § 64 FPG einzugehen. Einschlägig ist hier vor allem § 64 Abs. 4 FPG, zumal der Bw weder von Klein auf im Bundesgebiet aufhältig ist noch die Voraussetzungen für die Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft erfüllte.

 

3.2.1. Gemäß § 64 Abs. 4 FPG dürfen Drittstaatsangehörige, die vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen waren und über einen Aufenthaltstitel “Daueraufenthalt - EG” oder “Daueraufenthalt-Familienangehöriger” verfügen, nur mehr ausgewiesen werden, wenn ihr weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

 

Gemäß § 64 Abs. 5 FPG hat als schwere Gefahr im Sinn des Abs. 4 insbesondere zu gelten, wenn ein Drittstaatsangehöriger von einem inländischen Gericht

1.      wegen eines Verbrechens oder wegen Schlepperei, entgeltlicher Beihilfe    zum   unbefugten Aufenthalt, Eingehens oder Vermittlung von        Aufenthaltsehen oder          Aufenthaltspartnerschaften, wegen einer   Aufenthaltsadoption oder der Vermittlung einer Aufenthaltsadoption,      wegen eines mit mehr als einjähriger          Freiheitsstrafe bedrohten Vergehens   nach dem SMG oder nach einem       Tatbestand des 16. oder 20.    Abschnitts des besonderen Teils des StGB oder

 2.     wegen einer Vorsatztat, die auf derselben schädlichen Neigung (§ 71       StGB)          beruht, wie eine andere von ihnen begangene strafbare         Handlung, deren          Verurteilung noch nicht getilgt ist, zu einer unbedingten        Freiheitsstrafe von         mehr als sechs Monaten

          rechtskräftig verurteilt worden ist. § 73 StGB gilt.

 

3.2.2. Aufgrund des im Jahr 2004 ausgestellten Niederlassungstitels der einem Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt – EG" gleichzuhalten ist, fällt der Bw in den Begünstigtenkreis des § 64 Abs. 4 FPG.

 

Wenn auch diese Bestimmung lediglich vom Verbot der Ausweisung gegen jenen Adressatenkreis spricht, muss sie dennoch aufgrund eines Größenschlusses auch für Aufenthaltsverbote gelten. Ein Aufenthaltsverbot besteht aus 2 Komponenten: aus dem Landesverweis bzw. der Ausweisung und aus dem - sei es befristeten oder unbefristeten – Verbot der Wiedereinreise in das Bundesgebiet. Wenn also § 64 Abs. 4 FPG Schutz vor Ausweisung gewährt, muss dies um so mehr den Schutz auch vor der schwerwiegenderen, die Ausweisung mit-umfassenden, Maßnahme des Aufenthaltsverbotes gelten.

 

3.2.3. Im vorliegenden Fall wäre die Erlassung des Aufenthaltsverbotes demnach nur dann zulässig, wenn der weitere Aufenthalt des Bw eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

 

Als Fiktion dieser Gefährdung enthält Abs. 5 leg. cit. verschiedene strafrechtsrelevante Tatbestände, die jedoch durch das Wort insbesondere eingeleitet werden. Wenn es sich dabei also nicht um eine taxative Aufzählung handelt, ist doch der Wille des Gesetzgebers, welche Straftaten ihrer Natur nach und welche nach der, durch das Ausmaß der Verurteilung zum Ausdruck gebrachten Verwerflichkeit, bei der Beurteilung heranzuziehen sind, klar ersichtlich. Eine Ausdehnung kann somit wohl nur sehr restriktiv und nicht gegen den Wortlaut erfolgen.

 

3.2.4. § 64 Abs. 5 Z. 1 StGB nennt ua. Verstöße gegen das SMG, die mit einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr bedroht sind. § 27 Abs. 1 und 2 SMG, auf Basis deren der Bw mehrfach verurteilt wurde, erfüllen dieses Kriterium nicht.

 

Allerdings wird in Z. 2 des § 64 Abs. 5 auch eine Vorsatztat angeführt, die auf derselben schädlichen Neigung (§ 71      StGB) beruht, wie eine andere von ihnen begangene strafbare Handlung, deren Verurteilung noch nicht getilgt ist, wegen der Personen zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten rechtskräftig verurteilt wurden.

 

Im vorliegenden Fall steht fest, dass der Bw zuletzt wegen § 27 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 9 Monaten verurteilt wurde und, dass der Bw schon mehrfach wegen dieser Bestimmung belangt wurde, was die gleiche schädliche Neigung bejahren lässt.

 

Der Bw kann sich also nicht erfolgreich auf § 64 Abs. 4 FPG stützen.  

 

3.3.1. Gemäß § 63 Abs. 1 FPG bedarf es zur rechtmäßigen Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen die dort genannte Personengruppe, das aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass deren Aufenthalt entweder die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

 

Betreffend der Auslegung der oa. bestimmten Tatsachen, verweist § 63 Abs. 2 FPG auf § 53 Abs. 2 und 3 FPG.

 

3.3.2. Gemäß § 53 Abs. 2 FPG ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von mindestens 18 Monaten, höchstens jedoch für Fünf Jahre zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes hat die Behörde das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen miteinzubeziehen und zu berücksichtigen, ob der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige

1.      wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, iVm. § 26 Abs. 3      des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997, gemäß § 99 Abs.    1, 1a, 1b oder 2 StVO, gemäß § 37 Abs. 3 oder 4 FSG, gemäß § 366 Abs.     1 Z. 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl. Nr. 194, in Bezug auf ein          bewilligungspflichtiges, gebundenes Gewerbe, gemäß den §§ 81 oder 82 des SPG, gemäß den §§ 9 oder 14 iVm. 19 des Versammlungsgesetzes 1953, BGBl. Nr. 98, oder wegen einer Übertretung des   Grenzkontrollgesetzes, des Meldegesetzes, des Gefahrengutbeförderungs-         gesetzes oder des          Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft          worden ist;

2.      wegen einer Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von mindestens         1.000 Euro oder primären Freiheitsstrafe rechtskräftig bestraft wurde;

3.      wegen einer Übertretung dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs-        und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist, sofern es sich         dabei           nicht um eine in Abs. 3 genannte Übertretung handelt;

4.      wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen oder wegen vorsätzlich     begangener Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften      rechtskräftig bestraft worden ist;

5.      wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution          geregelt ist, rechtskräftig bestraft worden ist;

6.      den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag, es           sei denn er ist rechtmäßig zur Arbeitsaufnahme eingereist und innerhalb des letzten Jahres im Bundesgebiet mehr als sechs Monate einer erlaubten       Erwerbstätigkeit nachgegangen;

7.      bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht         ausüben hätte dürfen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige hätte nach      den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für den selben          Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die     Beschäftigung bei der der Drittstaatsangehörige betreten wurde, wäre keine           Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig       gewesen;

8.      eine Ehe geschlossen oder eine eingetragene Partnerschaft begründet hat         und sich für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen          Aufenthaltsrechts           für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft,          zwecks Zugangs zum heimischen Arbeitsmarkt oder zur Hintanhaltung          aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe oder eingetragene          Partnerschaft berufen, aber mit dem Ehegatten oder eingetragenen          Partner ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht   geführt hat oder

9.      an Kindes statt angenommen wurde und die Erteilung oder Aufrechterhaltung eines Aufenthaltstitels für den          Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, zwecks Zugangs zum heimischen Arbeitsmarkt oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausschließlicher oder vorwiegender Grund für die Annahme an Kindes statt war, er jedoch das    Gericht über die wahren Verhältnisse zu den Wahleltern getäuscht hat.

 

Gemäß § 53 Abs. 3 FPG ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 für die Dauer von höchstens 10 Jahren, in den Fällen der Z. 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn

1.       ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;

2.       ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht wegen einer innerhalb von drei    Monaten nach der Einreise begangenen Vorsatztat rechtskräftig verurteilt    worden ist;

3.       ein Drittstaatsangehöriger wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden ist;

4.       ein Drittstaatsangehöriger wegen einer Wiederholungstat oder gerichtlich strafbaren Handlung im sinne dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft oder verurteilt worden ist;

5.       ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

6.       aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat,   terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);

7.       aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche         Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt        oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale        Sicherheit gefährdet oder

8.       ein Drittstaatsangehöriger öffentlich in einer Versammlung oder durch Verbreitung von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

 

3.3.3. Im vorliegenden Fall ist § 53 Abs. 3 Z. 1 FPG einschlägig, da nach dem Sachverhalt zweifelsfrei mehr als eine auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende rechtskräftige Verurteilung ua. in Form von mehreren Verurteilungen wegen Vergehen nach dem SMG gegeben ist und zuletzt auch eine Verurteilung von 9 Monaten unbedingt vorlag.

 

Es ist – im Hinblick auf die Zulässigkeit und die festzusetzende Dauer des Aufenthaltsverbotes sowie aus Gründen der Verhältnismäßigkeit - nun zu prüfen, ob das Verhalten des Bw auch aus derzeitiger Sicht geeignet erscheint, die öffentliche Ordnung oder Sicherheit schwerwiegend zu gefährden.

 

3.3.4. Die Verhinderung von Straftaten gerade im so sensiblen Bereich der Suchtgiftkriminalität, insbesondere wenn sie in der hier vorliegenden gehäuften und kontinuierlichen Form gegeben sind, zählt unbestritten zum Grundinteresse der Gesellschaft, auf dem die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit basiert.

 

Maßgeblich ist aber nicht primär, dass eine strafgerichtliche Verurteilung - bzw. hier mehrere strafgerichtliche Verurteilungen - ausgesprochen wurden, sondern dass im Sinne einer Prognoseentscheidung das gegenwärtige und zukünftige Verhalten einer Person im Lichte einer strafgerichtlichen Verurteilung rechtlich zu würdigen ist. Es ist also im konkreten Einzelfall zu analysieren, ob davon ausgegangen werden kann, dass sich der Bw hinkünftig rechtskonform verhalten wird.

 

3.3.5. Es zeugt fraglos von konstanter krimineller Energie - gleich mehrfach –Suchtgiftdelikte zu setzen. Bezeichnend ist, dass der Bw – völlig ungerührt von den vorhergegangenen Verurteilungen sein Verhalten fortsetzte. Es wird dem Bw zwar zugebilligt, dass bei seinen Straftaten der Eigenkonsum im Vordergrund stand und er nicht wegen Drogenhandels verurteilt wurde, allerdings können diese Taten dadurch nicht verharmlost werden, da zumindest seine Gesundheit und auch in der Folge wirtschaftliche Interessen des Staates jedenfalls beeinträchtigt sind. Auch ist darauf hinzuweisen, dass Suchtgiftkriminalität - generell gesprochen – sehr anfällig für Begleitkriminalität ist (Gewalt- und Eigentumsdelikte, die auch der Bw schon begangen hatte).

 

Wenn der Bw anführt nun clean zu sein, mag dies für den Moment zutreffen; allerdings ist gerade bei Suchtgiftdelikten die Rückfallsquote exorbitant hoch, weshalb die Gegenwärtigkeit der vom Bw ausgehenden Gefährdung zum jetzigen Zeitpunkt nicht ausgeschlossen werden kann und im Gegenteil noch bejaht werden muss. Hiefür ist jedenfalls ein mehrjähriger Beobachtungszeitraum erforderlich.

 

Weiters kann durch den längeren Zeitraum, der Begehung der verschiedenen Delikte, nicht davon ausgegangen werden, dass die kriminelle Motivation bloß punktuell und kurzfristig bestand, sondern von ihm bewusst gewählt wurde.

 

Es kann jedenfalls – angesichts der vorher doch gefestigten kriminellen Verhaltensweisen des Bw – zum jetzigen Zeitpunkt nicht geschlossen werden, dass nunmehr das oben beschriebene Gefährdungspotential von ihm nicht mehr ausgeht und die unbestritten vorhandene kriminelle Energie nicht mehr vorliegt.

 

3.3.6. Ohne den Grundsatz in dubio pro reo außer Acht zu lassen, folgt das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenates grundsätzlich der Ansicht der belangten Behörde, dass das Verhalten des Bw auch zum jetzigen bzw. zukünftigen Zeitpunkt eine schwerwiegende Gefährdung des Grundinteresses der Gesellschaft an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sowie der Verhinderung von Straftaten bildet.

 

Allerdings ist bei der Beurteilung des Falls auch auf § 61 FPG bzw. Art. 8 EMRK Bedacht zu nehmen.

 

3.4.1. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist allerdings ein Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts gemäß Abs. 1 (nur) statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

3.4.2. Gemäß § 61 Abs. 1 FPG ist, sofern durch eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 2 FPG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

1.      die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der        bisherige          Aufenthalt des Fremden rechtmäßig war;

2.      das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3.      die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4.      der Grad der Integration;

5.      die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;

6.      die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7.      Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des      Asyl-          Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8.      die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem   Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren   Aufenthaltstatus bewusst waren;

9.      die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes in den Behörden       zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 3 FPG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung oder einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung schon allein  aufgrund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder 51ff. NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

Gemäß § 125 Abs. 20 FPG  gelten, vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. 38/2011 vorgenommene Beurteilungen und Entscheidungen gemäß § 66 als Beurteilungen und Entscheidungen gemäß § 61 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 weiter.

 

3.5.1. Im Sinne der zitierten Normen ist eine Interessensabwägung – basierend auf einer einzelfallbezogenen  Gesamtbetrachtung – vorzunehmen.

 

Es ist festzuhalten, dass es gestützt auf die ständige Rechtsprechung der Höchstgerichte grundsätzlich zulässig und erforderlich ist, Maßnahmen zu ergreifen, um Straftaten durch Fremde dauerhaft im Bundesgebiet zu unterbinden, da ein solcher rechtswidriger Status fraglos dazu geeignet ist, die öffentliche Ordnung und Sicherheit eines Staates massiv zu beeinträchtigen. Daraus folgt, dass das diesbezügliche öffentliche Interesse hoch anzusetzen ist und ein Aufenthaltsverbot grundsätzlich ein nicht inadäquates Mittel darstellt, um einen rechtskonformen Zustand wiederherzustellen. Dies gilt jedoch nur insofern, als die privaten bzw. familiären Interessen im jeweils konkreten Einzelfall nicht als höherrangig anzusehen sind.

 

3.5.2. Es ist zunächst festzustellen, dass im Fall des Bw vorrangig das Privatleben hinsichtlich der Interessensabwägung gemäß § 61 Abs. 2 FPG zu erörtern ist, da der Bw zwar im gemeinsamen Haushalt mit seinen Eltern  und seinen Geschwistern lebt, jedoch volljährig, ledig und ohne Sorgepflichten im Bundesgebiet ist. Die in der Berufung proklamierte Eheschließung mit einer österreichischen Staatsangehörigen ist offensichtlich bis dato nicht erfolgt. Dennoch ist diese Beziehung ebenfalls in die Erwägungen miteinzubeziehen.

 

3.5.3. Unbestritten ist zunächst, dass der Bw auf eine besonders lange Aufenthaltsdauer von 19 Jahren verweisen kann, wobei dieser Aufenthalt als weitgehend legal anzusehen ist. Grundsätzlich ist auch festzuhalten, dass das Privatleben des Bw durchaus als schutzwürdig zu bezeichnen ist.

 

Betreffend seine Integration ist anzuführen, dass in beruflicher Hinsicht keine Verfestigung vorliegt, da – wie sich aus dem Sachverhalt ergibt – hier keine Kontinuität festzustellen ist und der Bw oft nur wenige Tage einer legalen Beschäftigung nachging. Anders verhält es sich mit der sozialen Integration, die beim Bw stark ausgeprägt vorliegt. Er spricht deutsch, hat hier die Schule besucht, seine Familienangehörigen leben in Österreich; er war Mitglied in einem örtlichen Boxverein, und sein Freundes- und Bekanntenkreis befindet sich im Bundesgebiet. Zudem hält sich seine Freundin, mit der er seit 12 Jahren in einer Beziehung lebt, im Bundesgebiet auf. Die soziale Komponente wiegt hier besonders stark.

 

Der Bw kam mit 12 Jahren nach Österreich, hat also grundsätzlich die Sprache seines Heimatlandes, wo er auch die ersten Jahre seiner Grundschulausbildung absolvierte, erlernt und die dortige Kultur erfahren. Dass er im Ursprungsland nicht mehr sozialisiert ist und über keinen Bekanntenkreis dort verfügt, ist glaubhaft, wäre aber per se noch kein zwingender Grund die Zumutbarkeit der Rückkehr auszuschließen. Im Besonderen ist hier jedoch auf den gesundheitlichen Zustand seines Vaters Bedacht zu nehmen, der – nach dessen Schlaganfall – eine intensive Betreuung erfordert. Der Bw vermittelte glaubhaft, dass ihm als ältestem Sohn hiebei eine besondere Rolle zukommt.

 

Auf die strafgerichtlichen Verurteilungen muss hier nicht im Detail eingegangen werden, weshalb auf die obigen Feststellungen verwiesen werden kann.

 

Das Privatleben des Bw entstand keinesfalls in einem aufenthaltsrechtlich unsicherem Status; weiters können keine Verzögerungen der Behörden konstatiert werden.

 

3.5.4. Zusammengefasst ist festzuhalten, dass die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes – entgegen der Ansicht der belangten Behörde – im vorliegenden Fall - unter Bedachtnahme auf die persönlichen und privaten Interessen des Bw – nach einer eingehenden Abwägung als unverhältnismäßig erschiene. Sowohl die öffentlichen als auch die privaten Interessen sind im vorliegenden Fall besonders stark ausgeprägt; jedoch muss ein leichtes Überwiegen der privaten Interessen erkannt werden.

 

Somit kann sich der Bw erfolgreich auf den Schutz seines Privatlebens im Sinne des § 66 FPG bzw. des Art. 8 EMRK berufen. 

 

3.6.1. Es war daher der angefochtene Bescheid – ohne auf die weiteren Berufungsgründe einzugehen – ersatzlos aufzuheben und spruchgemäß zu entscheiden.

 

3.6.2. Nachdem der Bw offenkundig der deutschen Sprache ausreichend mächtig ist, konnte gemäß § 67 Abs. 5 iVm. § 59 Abs. 1 FPG auf die Übersetzung des Spruchs und der Rechtsmittelbelehrung verzichtet werden. 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro (Eingabegebühr) angefallen.

 

 

 

Bernhard Pree

 

 

 

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