Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281287/2/Kl/Pe

Linz, 23.12.2011

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Ilse Klempt über die Berufung des Herrn x, x, x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 2.12.2010, Ge96-32-2010, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II. Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 44a, 45 Abs.1 Z3 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

zu II: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 2.12.2010, Ge96-32-2010, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) eine Geldstrafe von 500 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 25 Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 43 Abs.3 und 4 Arbeitsmittelverordnung iVm § 130 Abs.1 Z16 ASchG verhängt, weil er als handelsrechtlicher Geschäftsführer der x Gesellschaft m.b.H. in deren Eigenschaft als persönlich haftende Gesellschafterin der x Gesellschaft m.b.H. & Co.KG. zur Vertretung nach außen Berufener und somit gemäß § 9 Abs.1 VStG zur Einhaltung der Verwaltungsvorschriften verantwortliche Organ der x Gesellschaft m.b.H. Co.KG. mit dem Sitz in x, x ist. Er hat es als solcher zu verantworten, dass der Jugendliche x, geb. am x, welcher seit August 2007 im Betrieb beschäftigt ist, am 19.7.2010 gegen 14.15 Uhr im Eisenlager allein und ohne Aufsicht an der kombinierten Presse und Stanze (Fa. x, Modell x, Maschinennummer x) gearbeitet hat, indem er an der Stanze das Werkzeug zu wechseln und anschließend in ein von Hand eingelegtes Winkeleisen Löcher zu stanzen hatte. Für den Stanzvorgang musste er an dieser Stanzmaschine zuerst den eingespannten Stanzstempel wechseln, weshalb er den Schutzbügel, der vor dem Stanzstempel angebracht war, zur Seite drehte. Nach dem Wechsel des Stanzstempels vergaß x, den Schutzbügel wieder an die vorgesehene Stelle zu bringen. Beim Rückgang des Stanzstempels verkantete sich dieser am Werkstück und Herr x, der dieses Werkstück mit beiden Händen gehalten hatte, geriet dabei mit dem rechten Daumen zwischen das Werkstück und die Halterung für den Schutzbügel und wurde ihm in der Folge das letzte Glied des rechten Daumen gequetscht.

Gemäß § 43 Abs.3 AM-VO sind Gefahrenstellen durch Schutzeinrichtungen so zu sichern, dass ein möglichst wirksamer Schutz der Sicherheit und Gesundheit der ArbeitnehmerInnen erreicht wird. Primär sind Gefahrenstellen durch Verkleidungen, Verdeckungen oder Umwehrungen zu sichern, die das Berühren der Gefahrenstelle verhindern. § 43 Abs.4 Z2 AM-VO besagt, sofern sich Schutzeinrichtungen nach Abs.3 ohne fremde Hilfsmittel öffnen oder abnehmen lassen, sie so beschaffen sein müssen, dass das in Gang setzen des Arbeitsmittels nur möglich ist, wenn sich die beweglichen Schutzeinrichtungen in der Schutzstellung befinden.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht mündlich Berufung bei der Bezirkshauptmannschaft Schärding eingebracht und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens bzw. ein Absehen von der Verhängung einer Geldstrafe beantragt. Begründend wurde ausgeführt, dass die Stanzmaschine x vom Lieferanten x gekauft worden sei und ein Prospekt über die momentan modernste Stanzmaschine x ergäbe, dass diese Stanzmaschine mit haargenau den gleichen Schutzvorrichtungen ausgestattet sei, wie die vom Bw verwendete Maschine. Jener Teil, der den Arbeitnehmer verletzt habe, sei ein höhenverstellbarer Abstreifer, der gesetzeskonform an der Maschine angebracht sei. Es fühle sich der Bw keiner Schuld bewusst. Der Geselle x habe den Jugendlichen an der Maschine, an welcher er schon häufig gearbeitet hätte und auch eingeschult gewesen sei, eingewiesen und hätten sie gemeinsam das erste Werkstück gemacht und habe sodann der Arbeitnehmer an der Maschine allein weitergearbeitet. Es konnte daher mit gutem Grund davon ausgegangen werden, dass der Arbeitnehmer die Maschine ordnungsgemäß bediene. Der Unfall sei ausschließlich auf einen Fehler des Arbeitnehmers zurückzuführen, der auch nicht verhindert hätte werden können, wenn jemand daneben gestanden wäre.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Schärding als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

4. Weil bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, entfällt eine öffentliche mündliche Verhandlung gemäß § 51e Abs.2 Z1 VStG.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 130 Abs.1 Z16 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz – ASchG, BGBl. Nr. 450/1994 idF BGBl. I Nr. 147/2006, begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 Euro bis 7.260 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 290 Euro bis 14.530 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber entgegen diesem Bundesgesetz oder den dazu erlassenen Verordnungen die Verpflichtungen betreffend die Beschaffenheit, die Aufstellung, die Benutzung, die Prüfung oder die Wartung von Arbeitsmitteln verletzt.

 

Gemäß § 43 Abs.3 Arbeitsmittelverordnung – AM-VO, BGBl. II Nr. 164/2000 idF BGBl. II Nr. 21/2010 (zum Tatzeitpunkt geltende Fassung), sind Gefahrenstellen durch Schutzeinrichtungen so zu sichern, dass ein möglichst wirksamer Schutz der Sicherheit und Gesundheit der ArbeitnehmerInnen erreicht wird. Primär sind Gefahrenstellen durch Verkleidungen, Verdeckungen oder Umwehrungen zu sichern, die das Berühren der Gefahrenstelle verhindern:

1.     Verkleidungen müssen das Erreichen der Gefahrenstelle von allen Seiten verhindern und die Einhaltung des nach Anhang C erforderlichen Sicherheitsabstandes gewährleisten.

2.     Verdeckungen müssen das Berühren der Gefahrenstelle von jenen Seiten verhindern, die im Normalbetrieb von den vorgesehenen Standplätzen aus, von anderen Arbeitsplätzen aus oder von Verkehrswegen aus, zugänglich sind. Verdeckungen müssen die Einhaltung des nach Anhang C erforderlichen Sicherheitsabstandes gewährleisten.

3.     Umwehrungen müssen ein unbeabsichtigtes Annähern an die Gefahrenstelle verhindern und die Einhaltung des nach Anhang C erforderlichen Sicherheitsabstandes gewährleisten.

 

Gemäß § 43 Abs.4 AM-VO müssen, sofern sich Schutzeinrichtungen nach Abs.3 ohne fremde Hilfsmittel öffnen oder abnehmen lassen, sie so beschaffen sein, dass

1.     sie sich entweder nur aus der Schutzstellung bewegen lassen, wenn das Arbeitsmittel still steht oder das Öffnen der Schutzeinrichtung das Arbeitsmittel bzw. den Teil des Arbeitsmittels zwangsläufig still setzt, wobei ein Gefahr bringender Nachlauf verhindert sein muss,

2.     das in Gang setzen des Arbeitsmittels nur möglich ist, wenn sich die beweglichen Schutzeinrichtungen in der Schutzstellung befinden und

3.     die Verriegelung der Schutzeinrichtungen so gestaltet und angeordnet sind, dass sie nicht leicht unwirksam gemacht werden können.

 

Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass

1) die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und

2) die Identität der Tat (z.B. nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Was den vorstehenden Punkt 1) anlangt, sind entsprechende, das heißt, in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können. Was den vorstehenden Punkt 2) anlangt (unverwechselbares Festhalten der Identität der Tat) muss im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, dass er in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und es muss ferner der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

 

Gemäß § 31 Abs.1 und 2 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von sechs Monaten von der Behörde keine Verfolgungshandlung vorgenommen worden ist. Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs.2 VStG ist jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung.

 

Es muss  daher die Tat unter Anführung aller wesentlicher Tatbestandsmerkmale dem Beschuldigten innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist vorgeworfen werden. Eine Umschreibung der Tatbestandsmerkmale lediglich in der Bescheidbegründung reicht im Bereich des Verwaltungsstrafrechtes nicht aus (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, Seite 937 ff).

 

Diesen Anforderungen entspricht der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses nicht.

Wie in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 28.9.2010 als erster und einziger Verfolgungshandlung wird dem Bw auch im nunmehr angefochtenen Straferkenntnis der nähere Hergang des Unfalles des Arbeitnehmers X am 19.7.2010 vorgeworfen. Welches unter Strafe gestellte Verhalten aber dem Bw vorgeworfen wird, also welcher objektive Tatbestand einer Verwaltungsübertretung als erfüllt erachtet wird, ist dem Spruch des Straferkenntnisses nicht bzw. nicht eindeutig zu entnehmen. Es ist eine konkrete Zuordnung des Tatverhaltens zu einer verletzten Verwaltungsvorschrift aus dem Tatvorwurf nicht erkennbar.

Die wörtliche Anführung des Gesetzeswortlautes des § 43 Abs.3 und § 43 Abs.4 Z2 AM-VO reicht hingegen nicht aus, weil hiemit nicht ein durch die konkreten Tatumstände individualisiertes unter Strafe gestelltes Tatverhalten vorgeworfen wird.

Dazu ist auf die Anzeige des Arbeitsinspektorates Vöcklabruck vom 14.9.2010 zu verweisen, welche nach der Schilderung des Unfallherganges dann auf Seite 2 konkret das gesetzwidrige Tatverhalten in der Passage „Da sich die gegenständliche Maschine in Gang setzen ließ ..... in der Schutzstellung befindet.“ ausführt. Dieser Tatvorwurf wurde in die Aufforderung zur Rechtfertigung bzw. in das angefochtene Straferkenntnis nicht übernommen. Dagegen ist anzumerken, dass die Aufforderung zur Rechtfertigung überhaupt von der nicht mehr zum Tatzeitpunkt in Geltung stehenden Fassung des § 43 Abs.4 AM-VO (nämlich Fassung BGBl. II Nr. 309/2004) ausging.

Schließlich war aber auch noch anzuführen, dass entgegen der alleinigen Zitierung des § 43 Abs.4 Z2 AM-VO im angefochtenen Straferkenntnis der § 43 Abs.4 AM-VO so konzipiert und zu lesen ist, dass sämtliche in den Z1 bis 3 genannten Voraussetzungen kumulativ vorhanden sein müssen (Argumentum „und“ vor der Z3 des § 43 Abs.4 AM-VO). Es ist hingegen dem Tatvorwurf im angefochtenen Straferkenntnis nicht ausdrücklich unter Umschreibung der tatsächlichen Tatumstände zu entnehmen, wie das konkret verwendete Arbeitsmittel gestaltet ist, dass es nicht dem § 43 Abs.4 AM-VO entspricht und daher die entsprechende Verpflichtung des Arbeitnehmers nicht eingehalten wurde.

 

Mangels einer gemäß § 44a Z1 VStG erforderlichen konkretisierten Tatumschreibung innerhalb der sechs Monate dauernden Verfolgungsverjährungsfrist war daher das Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren wegen eingetretener Verfolgungsverjährung gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG einzustellen.

 

6. Weil die Berufung Erfolg hatte, entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge gemäß § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Dr. Ilse Klempt

 

 

 

Beschlagwortung: Tatumschreibung, Zitierung der Gesetzesstelle reicht nicht

 

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