Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-301080/13/Br/Th

Linz, 02.12.2011

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn Mag. X, vertreten durch Dr. X, Rechtsanwalt, X, X, gegen den  Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Wels, Verwaltungspolizei,  vom 14. Juli  2011, Zl. BZ-Pol-07015-2011, nach der am 10. Oktober 2011 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:

 

 

Der Berufung wird statt gegeben; der angefochtene Bescheid wird ersatzlos behoben.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 iVm § 67d Abs.1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51/1991 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 111/2010 – AVG iVm § 8 Abs.1 u. 2 Oö. Hundehaltegesetz, LGBl. Nr. 147/2002, zuletzt geändert durch LGBl. Nr. 124/2006;

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Die belangte Behörde hat mit dem oben bezeichneten Bescheid gegenüber den Berufungswerber als Halter des Hundes "Rottweiler-Mix, Name: X, Farbe: schwarz, mit der Hundemarken-Nummer X, die Anordnung ausgesprochen, "Zur Vermeidung von Gefährdungen von Menschen oder Tieren durch einen Hund ab sofort dafür Sorge zu tragen, dass der Hund außerhalb des Hauses/Grundstückes X, X, ausnahmslos an der Leine zu führen ist und einen Maulkorb zu tragen hat."

Gestützt wurde diese Anordnung auf § 8 Abs.2 Oö. Hundehaltegesetz 2002, LGBI.Nr. 147 i.d.g.F

 

 

1.1. In der Begründung führte die Behörde erster Instanz Folgendes aus:

"Laut Abschluss-Bericht (GZ.: B6/3257/2011 vom 19.03.2011) des Stadtpolizeikommandos Wels habe es der Berufungswerber  zumindest am 07.03.2011, um ca. 19.30 Uhr, auf der Andreas-Hofer-Straße (unmittelbar vor der Kreuzung mit der Oberhaiderstraße in 4600 Wels) unterlassen, den oa. Hund in einer Weise zu führen, sodass der Hund mit der Hundemarke-Nummer X gefährdet (mit Bissverletzungen) wurde.

 

Unter Bezugnahme auf diesen Bericht und auf die Stellungnahme (17.05.2011) von Frau Mag. X, Bezirksverwaltung, PG. Vet, ergibt sich die Notwendigkeit dieser Anordnungen, da auch eine unmittelbare Gefährdung für (andere) Menschen und Tiere durch den gegenständlichen Hund nicht ausgeschlossen werden kann.

 

Ist nach § 8 Abs.2 Oö. Hundehaltegesetz 2002 nicht auszuschließen, dass durch die Hundehaltung Menschen gefährdet werden können, habe der Bürgermeister (der Magistrat) im Einzelfall mit Bescheid Maßnahmen anzuordnen, wenn und soweit dies zur Vermeidung von Gefährdungen von Menschen oder Tieren durch einen Hund erforderlich ist.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden."

 

 

2. Dagegen wendet sich der Berufungswerber der fristgerecht durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter erhobenen, nachfolgend zitierten Berufung:

"In obiger Verwaltungsstrafsache erstattet obig näher bezeichneter Mag. X gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wels vom 14.07.2011, BZ-Pol-07015-2011, zugestellt am 18.07.2011, innerhalb offener Frist durch seinen gemäß § 10 AVG bevollmächtigten Vertreter nachstehende

 

B e r u f u n g

 

und führt dazu aus wie folgt:

 

Dem Berufungswerber wird mit dem bekämpften Bescheid ab sofort aufgetra­gen, dass der Hund (Hunderasse: Rottweiler (im Bescheid Rottweiler-Mix) Name. „X", Farbe, schwarz) mit der Hundemarken-Nummer X außer­halb des Hauses/Grundstückes X, X, ausnahmslos an der Leine zu führen und einen Maulkorb zu tragen hat.

 

Begründet wird die behördliche Anordnung

 

1. mit dem Abschlussbericht (GZ: B6/3257/2011 vom 19.03.2011) des Stadt­polizeikommandos Wels, wonach es der Berufungswerber unterlassen hat, zumindest am 07.03.2011 um ca. 19:30 Uhr auf der Andreas-Hofer-Straße den oben angeführten Hund in einer Weise zu führen, sodass der Hund mit der Hundemarke-Nummer X gefährdet (mit Bissverletzungen) wurde.

 

 

2.         sowie der Stellungnahme vom 17.05.2011 von Frau Mag. X, Bezirksverwaltung, Veterinärdienst der Stadt Wels, wonach sich bei dem Vorfall vom 07.03.2011 der Rottweiler "X" (4-jährig) von seinem Besitzer Herrn Mag. X losgerissen hat und kurz darauf auf den Pudel von Herrn X gestoßen ist, der angeleint war. Es kam zu einer Rauferei - der Rottweiler verbiss sich und ließ erst nach einiger Zeit von dem Pudel ab (tierärztlicher Befund Dr. X).

 

Als Rechtsgrundlage für die behördliche Anordnung wurde § 8 Abs 2 Oö. Hun­dehaltegesetz 2002, LGBI Nr. 147 i.d.g.F. herangezogen.

 

Diese Auslegung ist rechtsirrig und verfehlt, insoferne auf nachstehende Aus­führen verwiesen wird:

 

§ 8 Abs. 2 Oö. Hundehaltegesetz 2002 LGBI. Nr.147 i.d.g.F. normiert aus­drücklich, dass vom Bürgermeister (Bürgermeisterin) im Einzelfall mit Be­scheid/Maßnahmen anzuordnen sind, wenn nicht auszuschließen ist, dass durch die Hundehaltung Menschen gefährdet werden können.

 

Der gesamte Akteninhalt bietet jedoch keinen Hinweis, dass eine Gefährdungslatenz für Menschen existiert, insofern auf die Stellungnahme von Frau Mag. X vom 17.05.2011 verwiesen wird, gleichermaßen den Ab­schlussbericht zu GZ, B6/3257/2011 vom 19.03.2011 (des Stadtpolizeikom­mandos Wels).

 

3.         Auch die Strafverfügung der Verwaltungspolizei der Stadt Wels zu BZ-Pol-07015-2011 vom 28.06.2011 beinhaltet ebenfalls keinen Hinweis auf eine Gefährdung eines Menschen, einziger Hinweis auf eine Gefährdungslatenz den unsubstantierten Angaben von X, der den verletzten Hund mit der Hundemarken-Nr. X am Vorfallstag geführt hat, entnehmbar ist, der zwei Tage nach dem Vorfallstag erstmals von einer Verletzung berichtet, jedoch angibt, dass er nicht sagen könne, wodurch die Verletzung entstanden sei und die Art der Verletzung (siehe Erstbefund: beugeulnarseitig am PIP-Gelenk, eine etwa 2x3 mm durchmessende oberflächlich imponierende (erscheinende) Wunde, der Wundgrund etwas schmierig belegt, kein Pus exprimierbar, keine umgebende Rötung, keine fortgel.Entzündungszeichen, keine Schwellung, keine Hämatomverfärbung, keine Druckdolenz an Beuge und Strecksehne, Lymphknoten bland, kein Fieber. Beugen und Streckung kraftvoll in vollem Bewegungsumfang möglich, D. und S, ungestört, Spitz-/Stumpfdiskriminierung ungestört usw.) geradezu beweist dass diese nicht vom Hund mit der Hundemarken-Nr. X („X") stammen kann, folgerichtig die Staatsanwaltschaft Wels das gegen den Berufungswerber zu GZ. 46 BAZ 305/11p geführte Ermittlungsverfahren mit 02.05.2011 gem. § 190 Z. 1 StPO eingestellt hat.

 

Ergänzend wird als Verfahrensmangel releviert, dass die Textierung des Ab­schlussberichtes (GZ: B6/3257/2011 vom 19.03.2011), wonach sich der Hund des Mag. X losriss, in keinster Weise aus den dem Abschlussbericht zugrundeliegenden Beweismitteln entnehmen läßt; die einzige diesbezügliche Angabe beinhaltet, dass Herrn Mag. X die Leinenschlaufe entglitten ist, als er auf die Armbanduhr sah (siehe Beschuldigtenvernehmung). Aus welchen Gründen mag dahingestellt bleiben, übernimmt Frau Mag. X, Be­zirksverwaltung, Veterinärdienst der Stadt Wels, die im Abschlussbericht auf­tauchende Formulierung, welche - wie bereits ausgeführt - frei erfunden ist, „hat sich von seinem Besitzer, Herrn Mag. X, losgerissen.

 

Das dem "Losreißen" inhärente Aggressionspotential ist durch kein einziges Beweismittel erhärtet oder gedeckt, impliziert jedoch eine (nicht ausschließlich fallbezogene) nicht vorurteilsfreie tendenzielle Beurteilung des Hundes (Rasse „Rottweiler"), der Hundehaltung und des Sachverhaltes.

 

Nur der guten Ordnung halber wird als weiterer Verfahrensmangel releviert, dass anlässlich der am 17.05.2011 verpflichtend stattgefundene Begutachtung des Hundes „X" wegen des Vorfalls vom 07.03.2011 durch den Veteri­närdienst der Stadt Wels (Fr. Mag. X), wie dem dort erstellten Proto­koll entnehmbar ist, keine wie immer geartete Begutachtung, Befundung o.a. stattgefunden hat bzw. dem Protokoll entnehmbar ist, sondern sich diese aus­schließlich auf das Zitieren der vorfallsrelevanten Umstände aus dem Abschlussbericht (siehe Punkt 1) beschränkt und ohne weitere Begründung die Maßnahme von Leinen- und Beißkorbpflicht empfiehlt.

 

Beweis:  Abschlussbericht Stadtpolizeikommando Wels v. 19.03.2011 samt Einver­nahmen

Stellungnahme von Fr. Mag. X, Bezirksverwaltung,

BZ-Pol-07015/2011 vom 17.05.2011

Strafverfügung

Erstbefund des Klinikums Wels-Grieskirchen (X betreffend) v. 09.03.2011

Benachrichtigung von der Einstellung des Verfahrens der Staats­anwaltschaft Wels zu 46 BAZ 305/llp v. 02.05.2011 Ladung zur Befundung durch Veterinärdienst der Stadt Wels vom 28.04.2011

 

Nicht unerwähnt kann auch bleiben, dass, unabhängig vom Vorfall des 07.03.2011, Mag. X im Zuge der laufenden Ausbildung des Hundes mit der Hundemarkennummer X die Begleithundeprüfung-BH1 am 09.07.2011 erfolgreich absolviert hat.

 

Beweis : Urkundenkopie des Hundesportvereins X vom 09.07.2011

 

Aus den dargestellten Erwägungen wird beantragt, von der Verhängung einer ausnahmslosen Leinen- und Maulkorbpflicht außerhalb des Hau­ses/Grundstückes X, X, auf der Rechtsgrundlage des § 8 Abs. 2 Oö. Hundehaltgesetz 2002, LGBI. Nr. 147 i.d.g.F. für den Hund der Hunderasse Rottweiler (im Bescheid Rottweiler-Mix), Name „X", Farbe schwarz, HundemarkenNr. X, abzusehen.

 

Mag. X durch Dr. X " (e.h. Unterschrift).

 

 

3. Der Verfahrensakt wurde dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt. Dieser hat demnach durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 67a Abs.1 Z2 AVG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung schien hier mit Blick auf das Berufungsvorbringen geboten (§ 67d Abs.1 AVG).

Dem Verfahrensakt angeschlossen finden sich tierärztliche Stellungnahmen (ON 1 und ON 3), sowie eine Kopie der in Rechtskraft erwachsenen Strafverfügung wegen der Übertretung nach § 15 Abs.1 Z2 iVm § 3 Abs.2 Z1 Hundehaltegesetz (ON 5). Weiters ein Schreiben des Hundesportvereins X (ON 13).

 

 

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Verlesung des vorgelegten Verfahrensaktes und die Vernehmung des Berufungswerbers zum damaligen Vorfall anlässlich der Berufungsverhandlung am 10.10.2011. Auch ein Vertreter der Behörde erster Instanz nahm an der Berufungsverhandlung teil.

Da gegen die tierärztliche Beurteilung und  auch gegen die fachlichen Schlussfolgerungen des Hundesportvereins X (Frau X), welches dem Berufungswerber erst im Rahmen der Berufungsverhandlung zur Kenntnis gelange, wurden fachliche Bedenken eingewendet. Aus diesem Grunde wurde dem Berufungswerber die Vorlage eines entsprechenden weiteren Gutachtens anheim gestellt.

Über h. Rücksprache bei der Abteilung Ernährungssicherheit und Veterinärwesen, Amtstierarzt HR Dr. X wurde in Erfahrung gebracht, dass man sich von dortiger Seite für diese fachliche Beurteilung nicht in der Lage sehe und ein Amtstierarzt als Sachverständiger nicht namhaft gemacht werden könne.

Mit Schriftsatz vom 16.11.2011 wurde das gutachterliche Ergebnis des sogenannten "HAGER-WESENSTEST" der Hundeschule X[1], v. 12.11.2011, sowie eine "PSYCHOLGISCHE STELLUNGNAHME" v. Mag. X v. 5.11.2011 vorgelegt. Betreffend die fachliche Qualifikation der Hundeexpertin X wurden entsprechende Nachweise beigeschafft.

Diese nunmehr vom Berufungswerber vorgelegte Expertise wurden der Behörde erster Instanz zur Kenntnis gebracht, worauf im Ergebnis repliziert wurde, dem Kalkül des Hundesportvereins-X könne nur mit einem tierpsychologischen Gutachten einer namentlich empfohlenen Veterinärin entgegen getreten werden. Eine inhaltliche Stellungnahme zum Gutachten selbst unterblieb seitens der Behörde erster Instanz bzw. der damit befassten Amtstierärztin.

 

 

4. Sachverhalt:

Unstrittig  ist der Vorfall mit dem Hund des Berufungswerbers, dessen oben beschriebener Hund sich laut rechtskräftiger Feststellung in der Strafverfügung vom 28.6.2011 vom Berufungswerber auf einer öffentlichen Fläche losreißen konnte und sich in einem anderen Hund verbiss. Dabei soll in der Folge auch der Halter des zweitbeteiligten Hundes leicht verletzt worden sein.

Die im umfassend geführten erstinstanzlichen Beweisverfahren zu diesem Vorfall befragte Veterinärin Mag. X, äußerte sich in deren fachlichen Stellungnahme (ON 13) vom 29.8.2011 im Ergebnis dahingehend, dass auf Grund dieses Ereignisses von einer Beißkorbpflicht nicht abgesehen werden könne, da ein Gefährdungspotential gegenüber anderen Hunden bestehe.

Sie berief sich wiederum auf die Fachmeinung der X vom Hundesportverein X.

Darin wird dargelegt, dass sich eines Trainings im März 2011 anfänglich  der Rottweiler des Berufungswerbers  im Umgang mit anderen Hunden sehr schwierig zeigte.

Es sei schon am Weg vom Auto zum Vereinsgelände so gewesen, dass der Berufungswerber  Mühe hatte seinen Hund zu halten wenn ihm andere Hunde begegneten.

Auch am Trainingsplatz sei der Berufungswerber angehalten worden, einen größeren Abstand zu den anderen Hunden zu halten, da der Rottweiler die Hunde aggressiv anbellte. Nach gezieltem Training besserte sich das Verhalten des Rottweilers.

Am Ende des Kurses, Anfang Juli, sei der Hund angeleint schon sehr ruhig an den Hunden vorbeigegangen.

Sobald er abgeleint wurde, musste der Rottweiler laut Trainerin, in Vermeidung des Risikos eines Beißunfalls einen Maulkorb tragen.

Laut dieser Expertin habe sich der Berufungswerber  in der Beurteilung seines Hundes sehr blauäugig gezeigt, wenn er etwa meinte, seiner Ansicht nach würde der Hund nichts tun.

Dies könne und wolle sie als Trainer nicht bestätigen. Der Rottweiler zeigte sehr wohl Tendenzen zu Aggressivität bei Artgenossen.

Im Umgang mit Menschen habe sie in dieser Richtung jedoch nichts Auffälliges feststellen können. Sie hätte einen sehr guten Kontakt zu diesem Hund gehabt.

Das Fazit ihrer Beurteilung sei jedoch, dass eine latente Gefahr eines Beißunfalls bestehen würde.

 

 

4.1. Dem trat der Berufungswerber im Rahmen der Berufungsverhandlung massiv entgegen.

So käme der Maulkorbzwang für einen Hund dieser Rasse einer nicht artgerechten Tierhaltung gleich und die Maßnahme wäre überzogen. Von einer Verletzungsgefahr für Menschen könne wegen dieses einmaligen Ereignisses, wobei die Aggression vom anderen Hund ausgegangen wäre und "X" durch das plötzliche Auftauchen des anderen Hundes hinter einem Baucontainer sich geschreckt und letztlich  nur verteidigt habe. Hätte dieser mit voller Beißkraft zugebissen wären die Verletzungen beim gegnerischen Hund viel größer gewesen. Im übrigen sei auch "X" vom anderen Hund an der Pfote gebissen worden.

Insgesamt wurde im Rahmen der Berufungsverhandlung, anlässlich dieser sich auch die Familienmitglieder des Berufungswerbers nachhaltig einbrachten, der Hund als völlig gutmütiger Familienhund dargestellt. Die Fachmeinung von Frau X könnte durch die Information über den Vorfall seitens der Amtstierärztin zu seinem Nachteil beeinflusst worden sein. Dazu habe er bisher keine Gelegenheit gehabt zu dieser Expertise Stellung zu nehmen und hörte davon erstmals in der Berufungsverhandlung.

Antragsgemäß war demnach die Möglichkeit zu eröffnen das Berufungsvorbringen seinerseits durch ein Gutachten zu untermauern.

 

 

4.2. Der Berufungswerber legte schließlich ein Gutachten, vom 12.11.2011 der Hundeschule X – X - vor. Diesem liegt das Ergebnis eines sogenannten "HAGER-WESENSTEST" zu Grunde.

Dieses Gutachten ist überzeugend, sodass die Berufungsbehörde sich der darin zum Ausdruck gelangenden Fachmeinung anschließt. Es widerlegt die negative Beurteilung des Hundes seitens des Hundesportvereins X in überzeugenderer Weise. Im übrigen schien sich X mehr mit der Hundeführung als mit dessen Charakter auseinander zu setzen. Wenn etwa vermeint wurde, der Berufungswerber zeigte sich in der Beurteilung seines Hundes sehr blauäugig. Letztlich darf nicht übersehen werden, dass dieses zwischenzeitig neun Monate zurückliegenden Beißereignis durchaus auch vom zweitbeteiligten Hund ausgegangen sein könnte.

Die Berufungsbehörde sieht daher angesichts der  bereits gegenwärtig umfangreichen und in der fachlichen Einschätzung wohl abweichenden Gutachtenslage, keine Veranlassung im Rahmen der freien Würdigung seine Entscheidung zu treffen und dem sichtbar schlüssigeren und umfangreicher begründeten Gutachten zu folgen. Insbesondere besteht im Gegensatz zur amtstierärztlichen Auffassung keine Beweisregel, wonach nur durch einen tierärztlichen Sachverständigen die Fachmeinung einer Hundetrainerin entgegen getreten werden könnte.

 

 

5. Im Ergebnis lässt sich das nunmehr vorliegende Kalkül dahingehend zusammenfassen, dass eine Gefährlichkeit des Hundes "X" im Sinne der diesbezüglichen vom -Hundehaltegesetzgebung beinhalteten Vorgaben nicht erforderlich sind.  

Der Rotweiler „X" wurde nämlich im Zuge einer offenbar umfassend durchgeführten und ebenso dokumentierten Begutachtung als sehr sozialisierter Hund ohne Aggressionsreaktio­nen gegenüber Menschen oder anderen Hunden beurteilt. Sicherungsmaßnah­men, die über die Vorgaben der diesbezüglichen die Hundehaltung regelnden Inhaltes des Oö. Hundehaltegesetzes hinausgehen, werden darin letztlich nicht für erforderlich gehalten. Sämtliche Bewertungen der einzelnen Testsituationen werden mit „ausgezeichnet", „äußerst anpassungsfähig", sowie „freund­lich, gelassen und psychisch gefestigt" dargestellt. Dem ebenfalls beiliegenden Negativgutachten ist entnehmbar, dass sich der Hund artgerecht verhält und keine gesteigerte (über den normalen Bestandteil des Hundeverhaltens hi­nausgehende) Aggressivität bzw. Gefährlichkeit gegenüber Menschen und Tie­ren zeigt.

 

 

5.1. Dieses Gutachten fußt auf einer gut nachvollziehbaren und soliden Befundaufnahme. Es verweist auf Literatur und beinhaltet ein plausibles und aus sieben Punkten bestehendes Skalierungssystem.  Die Wesensprüfung des Hundes beinhaltete die Punkte "Hund-Mensch-Verhältnis", "Ausbildungsstand / Gehorsam", "Umweltsituationen", "Hund-Hund-Verhältnis".

In der abschließenden Bewertung gelangt die Gutachterin zu folgender Schlussfolgerung:

"„X" ist ein sehr ruhiger, entspannter und ausgeglichener Hund.

Er ist freundlich zu fremden Personen, Kindern und fremden Hunden jegliches Geschlechts, Größe und Rasse.

Sein Nervenkostüm ist erfreulich stark, es gibt keine einzige Situation im Test, welcher „X" mit Aggression, Aggressivität oder defensiver Reaktion gegenüber tritt.

Im Gegenteil, „X" zeigt in stark provokativen Situationen (bedrohender Fremder mit Stock in unmittelbarer Nähe) Beschwichtigungssignale und versucht dadurch die bedrohende Situation zu entschärfen.

Zum Zeitpunkt der Überprüfung am 12. November 2011 kann nicht von einer Gefährlichkeit des Hundes im Sinne des Oberösterreichischen Hundehaltegesetzes gesprochen werden. „X" zeigt sich als sehr gut sozialisierter Hund ohne Aggressionsreaktionen gegenüber Menschen oder anderen Hunden."

 

 

5.2. Auch die Tochter des Hundehalters versuchte im Rahmen einer psychologischen Stellungnahme das Wesen und Sozialverhalten des Hundes „X" anhand einer konkreten Erfahrung zur Beweiswürdigung der Berufungsbehörde  darzulegen. In der Substanz besagt diese Stellungnahme, dass in elf Behandlungseinheiten bei einer von ihr betreuten Probandin zu einem Gänzlichen Verschwinden deren ursprünglich beklagten Symptomatik "Angst vor Hunden" geführt habe.

Diese Probandin bestätigte, in der von Frau Mag. X verfassten und in diesem Verfahren als Urkunde vorgelegten Schreiben, dass es sich bei "X"  um einen "stabilen, ruhigen, freundlichen sowie überaus sozialverträglichen Hund" handle und die Therapie erfolgreich verlief.

In Zusammenschau mit dem Umstand, dass offenkundig auch "X" gebissen wurde, wobei die näheren Umstände des damaligen Zwischenfalls nicht wirklich feststehen, sieht die Berufungsbehörde keine Veranlassung für den Hund "X" zwecks Abwendung von Gefahren für Menschen oder Tieren einen Leinen- u. Maulkorbzwang zu verhängen.

 

 

6. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

Nach § 8 Abs.1 und 2 des Oö. Hundehaltegesetzes hat der Bürgermeister (hier der BGM Stadt Wels) mit Bescheid bestimmte Anordnungen für das Halten eines Hundes zu treffen, wenn ihm bekannt wird, dass durch die Hundehaltung Personen über ein zumutbares Maß hinaus belästigt werden. Die Anordnungen dürfen nur soweit getroffen werden, als dies zur Beseitigung der unzumutbaren Belästigung nötig ist.

Ist nicht auszuschließen, dass durch die Hundehaltung Menschen gefährdet werden können, hat der Bürgermeister im Einzelfall mit Bescheid Maßnahmen anzuordnen, wenn und soweit dies zur Vermeidung von Gefährdungen von Menschen oder Tieren durch einen Hund erforderlich ist.

Diese Bestimmung zielt auf die Möglichkeit, im Einzelfall bestimmte Anordnungen für das Halten des Hundes unter Anwendung als das gelindesten zum Ziel führenden Mittel zur Vermeidung von Belästigungen (Abs.1) oder Gefährdungen (Abs.2) durch Hunde (siehe AB 1548/2002 [XXV. Gesetzgebungsperiode]).

Wenngleich die "Kombination Mensch u. Hund" eine wohl nie zur Gänze  ausschließbare und gleichsam als Restrisiko in Kauf zu nehmende Gefahrenquelle darstellt, bedarf es letztlich des sachlichen Ermessens, ob und wann gleichsam als – vorbeugende – Maßnahme die vom Gesetz vorgesehene Maßnahme als Sachgerecht anzuordnen ist. Ansonsten hätte der Gesetzgeber einen generellen Leinen- u. Maulkorbzwang für Hunde im Freien zu normieren.

Der Beurteilung der Tierärztin Dr. X und der von ihr offenbar vorinformierten  Hundetrainerin X, scheint überwiegend von vorbeugenden Überlegungen getragen zu sein. Ohne sich mit dem Hund in vergleichbarer Weise auseinander gesetzt zu haben, wird in Verbindung mit der Meinung von X, mit der im Ergebnis lapidaren Aussage, "für mich bestätigt sich, dass sich ein derartiger Vorfall jederzeit wiederholen kann", das Negativkalkül statuiert. Bemerkenswert ist, dass die am 9.7.2011 vom Berufungswerber beim genannten Hundesportverein absolvierte Begleithundeprüfung, dem ein Training ab März 2001 vorausgegangen ist, mit der Note "GUT" mit 76,5 Punkten absolviert wurde. Vor diesem Hintergrund erweist sich das undatierte und am 31.8.2011 bei der Behörde erster Instanz einlangende Negativkalkül nicht überzeugend.

Die nunmehr vom Berufungswerber beigebrachte fundierte Fachmeinung lässt dem gegenüber jedenfalls keinen sachlichen Aspekt erkennen, der es rechtfertigen würde, für den verfahrensgegenständlichen Hund einen Maulkorb und Leinenzwang anzuordnen,  um den aus dem Gesetz abzuleitenden Gebot  Menschen oder auch Tiere zu schützen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von € 220,-- zu entrichten.

Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 59,80 Euro angefallen (Berufungsschriftsatz + 7 Beilage u. Gutachten [€ 14,30; 31,20; 14,30]).

 

 

 

Dr. B l e i e r

 

 



[1] einschlägige Qualifikationsbelege wurden v. C. H.  über h. Anforderung vorgelegt

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