Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-401125/6/AB/Ba

Linz, 08.09.2011

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Astrid Berger über die Beschwerde des S J, geb. , StA von Irak, derzeit angehalten im PAZ der Bundespolizeidirektion Wels, im fremdenpolizeilichen Verfahren vertreten durch Rechtsanwälte Mag. A L und Mag. J P B, W,  W, wegen Anhaltung in Schubhaft seit 30. August 2011 durch den Bezirkshauptmann des Bezirks Vöcklabruck, zu Recht erkannt:

 

I.            Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen; gleichzeitig wird festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Anhaltung in Schubhaft weiterhin bestehen.

 

II.        Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann des Bezirks Vöcklabruck) den Verfahrensaufwand in Höhe von 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

Rechtsgrundlagen:

 

§§ 82 Abs. 1 und 83 Fremdenpolizeigesetz – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005) iVm §§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG und der UVS-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 456.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Vöcklabruck vom 30. August 2011, Z  Sich40-3019-2008, wurde über den Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) auf Grundlage des § 76 Abs. 2a Z. 5 iVm Abs. 2 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung sowie zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft angeordnet und durch Überstellung in das PAZ Wels vollzogen.

 

Begründend führt die belangte Behörde nach Darstellung der Rechtsgrundlagen zum Sachverhalt – auf das Wesentliche zusammengefasst – aus, dass der illegale Aufenthalt des Bf (Staatsangehöriger vom Irak) bzw. seine illegale Durchreise durch Österreich von Italien kommend im Zuge seiner illegalen Ausreise nach Deutschland im Zuständigkeitsbereich der Bezirkshauptmannschaft Kufstein bekannt worden sei. Dabei sei seitens der Bundesrepublik Deutschland ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot über den Bf (gültig für schengener Staaten – Gültigkeit bis 8. Oktober 2011) erlassen worden. Daraufhin sei der Bf aufgrund des Rückübernahmeabkommens am 7. Oktober 2008 nach Österreich rücküberstellt und Beamten der PI Kufstein übergeben worden. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom selben Tag sei ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot (gültig bis 7. Oktober 2013) über den Bf erlassen worden. Daraufhin habe der Bf am selben Tag einen Asylantrag gestellt. Nachdem dem Bf in der Folge eine bundesbetreute Unterkunft in der EAST-West zugewiesen worden sei, habe dieser nur zwei Tage später ohne Bekanntgabe einer Meldeadresse oder eines Aufenthaltsortes unberechtigt die Erstaufnahmestelle verlassen, habe sich damit dem Asylverfahren entzogen und sei in die Anonymität untergetaucht.

 

Am 7. Jänner 2009 sei der Bf aufgrund des Dublinabkommens (erneut) nach Österreich überstellt und der EAST-West zur Einvernahme vorgeführt worden. Nach der Einvernahme sei der Bf zum Asylverfahren zugelassen worden, der Festnahmeauftrag (vom 23. Oktober 2010) widerrufen und ihm eine landesbetreute Unterkunft zugewiesen worden. Erneut sei der Bf aber in die Anonymität abgetaucht. Mit Bescheid des Bundesasylamtes (BAA) vom 13. November 2009 sei das Asylbegehren mangels asylrelevanter Fluchtgründe gem. § 3 AsylG 2005 abgewiesen worden, die Zulässigkeit der Abschiebung in den Irak gem. § 8 AsylG 2005 festgestellt und der Bf gem. § 10 AsylG 2005 aus dem Bundesgebiet in den Irak ausgewiesen worden. Dieser Bescheid sei dem Bf per Aushang zugestellt worden, da der Bf abermals in die Anonymität abgetaucht sei.

 

Erneut sei der Bf aufgrund des Dublinabkommens am 23. März 2010 nach Österreich rücküberstellt worden. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom selben Tag sei über den Bf gem. § 76 Abs. 1 FPG die Schubhaft verhängt worden (Überstellung in das PAZ Wels). In der niederschriftlichen Einvernahme habe der Bf ausgeführt, unter keinen Umständen in den Irak zurück zu können, da er dort verfolgt werde. Personalausweis, Heiratsurkunde und Personalausweis seiner Frau befänden sich bei einem Onkel in Köln.

 

Am 1. April 2010 habe der Bf im Stande der Schubhaft einen weiteren Asylantrag (Folgeantrag) gestellt. Im Stande der Schubhaft sei der Bf aggressiv in Erscheinung getreten und habe am 4. März 2010 die Zelleneinrichtung beschädigt (Urteil des BG Wels - § 125 StGB).

 

Mit Bescheid des BAA-EAST-West vom 21. Mai 2010 sei der Asylfolgeantrag des Bf wegen entschiedener Sache gem. § 68 AVG durchsetzbar zurückgewiesen worden und der Bf abermals gem. § 10 AsylG 2005 durchsetzbar in den Irak ausgewiesen worden.

 

Eine Anfrage bei der irakischen Botschaft in Wien habe ergeben, dass ohne Originaldokument ein Ersatzreisedokument nicht ausgestellt werden könne, selbst wenn die Dokumente in Kopie vorhanden wären. Am 4. Juni 2010 sei der Bf aus der Schubhaft entlassen worden. Die gegen die Zurückweisung der EAST-West erhobene Beschwerde sei vom Asylgerichtshof mit Wirkung vom 16. Juni 2010 rechtskräftig abgewiesen worden. Weiters sei der Wiedereinsetzungsantrag des Bf über die Fortführung des ersten Asylverfahrens mit Beschluss des Asylgerichtshofes rechtskräftig abgewiesen worden. Die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof sei mit Beschluss vom 12. Oktober 2010 abgelehnt worden.

 

Am 21. Oktober 2010 habe der Bf ein weiteres Asylbegehren in der EAST-West gestellt, das mit Bescheid des BAA-EAST-West vom 10. Jänner 2011 wegen entschiedener Sache gem. § 68 AVG erneut durchsetzbar zurückgewiesen worden sei und er erneut durchsetzbar gem. § 10 AsyG 2005 in den Irak ausgewiesen worden sei. Im Rahmen der Mitteilung der durchsetzbaren Ausweisung durch die belangte Behörde und der damit verbundenen Ausreiseverpflichtung (§ 67 Abs. 3 FPG) habe der Bf angegeben, seiner Ausreiseverpflichtung unter keinen Umständen nachzukommen, weiters habe der Bf die Unterschrift der Übernahmebestätigung dieser Informationen verweigert. Nach wie vor sei der Bf zu keiner Mitwirkung gewillt. Die dagegen erhobene Beschwerde sei vom Asylgerichtshof abgewiesen worden. Auf Ersuchen der belangten Behörde habe das BAA den Bf aufgefordert, seine Identität nachzuweisen; daraufhin habe der Bf schließlich einen Staatsbürgerschaftsnachweis (vom Bundeskanzleramt überprüft) zur Vorlage gebracht.

 

Unmittelbar nach erfolgter Zustellung dieser Entscheidung des Asylgerichtshofes sei der Bf am 8. Februar 2011 im Auftrag der belangten Behörde zur Verhängung der Schubhaft festgenommen worden und in das PAZ Wien-Roßauerlände überstellt worden. Nachdem der Bf in den Hungerstreik getreten sei, sei er am 17. Februar 2011 aus der Schubhaft entlassen worden. Ausnahmsweise sei dem Bf daraufhin eine vorübergehende Unterkunft in der EAST-West zugewiesen worden.

 

Im ständigen Kontakt mit dem irakischen Konsulat sei ein Abschiebetermin mit 2. März 2011 nach Erbil (Irak) festgelegt worden und dem Bf unmittelbar nach der Festnahme zur Verhängung der Schubhaft am 23. Februar 2011 gem. § 67 Abs. 4 FPG mitgeteilt worden.

 

Die Abschiebung nach Erbil am 2. März 2011 sei gescheitert und sei der Bf am 3. März 2011 wieder in Schwechat gelandet und im PAZ Wien-Hernals angehalten worden (Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich). Für den 9. März 2011 sei erneut eine Abschiebung des Bf in den Irak festgesetzt und dem Bf am 3. März 2011 bekanntgegeben worden. Daraufhin habe dieser im Stande der Schubhaft seinen 4. Asylantrag gestellt, aufgrund dessen die neuerliche Abschiebung storniert habe werden müssen.

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes-Erstaufnahmestelle OST (BAA-EAST-Ost) – überprüft durch den Asylgerichtshof – sei der Abschiebeschutz gem. § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben und die Rechtmäßigkeit der Abschiebung in den Irak rechtswirksam festgestellt worden. Daraufhin habe die belangte Behörde eine neuerliche Abschiebung in den Irak für den 24. März 2011 beauftragt. Mangels einer Einreiseerlaubnis in den Irak wegen eines nationalen Festes habe die Abschiebung erneut storniert werden müssen.

 

Im Rahmen der Kommunikation mit dem irakischen Konsulat sei der belangten Behörde bewusst geworden, dass die Verweigerung der Einreise des Bf in den Irak aus den unterschiedlichen Formalitäten bei freiwilliger und unfreiwilliger Rückführung in den Irak resultiert sei. Nach Festlegung eines neuerlichen Abschiebetermins für 11. Juli 2011 sei vom irakischen Konsul schließlich erfolgreich ein Heimreisezertifikat zur unfreiwilligen Rückführung in den Irak ausgestellt und der Flug im Irak angekündigt worden. Aufgrund einer mangelhaften Ankündigung im Irak und der damit nicht rechtzeitigen Zustimmung der Einreise in Erbil habe die gebuchte Fluglinie die Mitnahme des Bf allerdings verweigert.

 

Daraufhin sei ein neuer Abschiebetermin für 12. Juli 2011 nach Erbil beauftragt worden. Aufgrund der Nichterteilung einer Einreisebewilligung in Erbil habe die betraute Fluglinie neuerlich eine Mitnahme des Bf verweigert.

 

In weiterer Folge sei eine Abschiebung für den 22. Juli 2011 – nunmehr nach Bagdad/Irak – festgelegt worden. Mit der bereits erwähnten Entscheidung des Oö. UVS vom 15. Juli 2011 sei die "Schubhaftbeschwerde" des Bf mangels Zuständigkeit zurückgewiesen worden und eine Zuständigkeit der belangten Behörde verneint worden. Der Bf sei daher am selben Tag aus der Schubhaft entlassen worden und gleichgehend aufgefordert worden, sich polizeilich zu melden.

 

Dem Abschiebetermin am 22. Juli 2011 sei der Bf nicht nachgekommen; er sei erneut in die Anonymität abgetaucht. Nach Rücksprache mit der Fluglinie hinsichtlich der Einreise nach Bagdad und der Bestätigung der Einreisebewilligung durch "Special Cases" wäre eine Einreise des Bf in Bagdad an diesem Tag aber möglich gewesen.

 

Nachdem sich der Bf erneut der Abschiebung entzogen habe, sei er mit Festnahmeauftrag vom 25. Juli 2011 zur Festnahme gem. § 74 Abs. 2 Z 3 FPG ausgeschrieben worden. Fünf Tage nach dem Abschiebetermin (dh am 27. Juli 2011) habe sich der Bf in Hall in Tirol polizeilich gemeldet; da der Bf bei seiner Meldung aber seinen Vornamen "M" abgeändert auf "M" als ersten Familiennamen verwendet habe, hätte der Bf auch weder von der Fremdenbehörde, noch vom Bundesasylamt ausfindig gemacht werden können. Keine der dem Bf verfügbaren Unterlagen und behördlichen Entscheidungen wären bei der polizeilichen Meldung vorgelegt worden; auch dadurch habe der Bf die Fremden- und Asylbehörden bewusst über seine Identität getäuscht.

 

Mit Bescheid des BAA-EAST-West vom 23. August 2011 sei das (4.) Asylbegehren – dessen Abschiebeschutz zuvor gem. § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchführbar aufgehoben worden sei – gem. § 68 AVG wegen entschiedener Sache durchsetzbar zurückgewiesen worden; gleichgehend sei der Bf abermals gem. § 10 AsylG 2005 durchsetzbar in den Irak ausgewiesen worden.

 

Nachdem sich der Bf am 26. August 2011 nach Salzburg ummelden habe wollen, habe der Magistrat Salzburg das BAA-EAST-West verständigt, worauf die belangte Behörde Kenntnis vom Aufenthalt des Bf erlangt habe. Der Magistrat Salzburg habe den Bf um erneutes Erscheinen zur Durchführung der polizeilichen Anmeldung am 30. August 2011 ersucht. Am 30. August 2011 sei der Bf daraufhin in Salzburg festgenommen und der belangten Behörde am selben Tag vorgeführt worden. Im Rahmen der niederschriftlichen Befragung habe der Bf angegeben, dass er durch den oa. Rechtsanwalt rechtsfreundlich vertreten sei. Weitere Vertreter habe er nicht (mehr).

 

Abschließend halte die belangte Behörde fest, dass sich der Bf zu jeder Zeit dem behördlichen Verfahren entzogen habe und mehrmals bewusst in die Anonymität abgetaucht sei. Der Hinweis, dass der Bf seinen Aufenthaltsort auch dem BAA bekanntzugeben hätte, sei dem Bf mehrmals (- konkret in jeder niederschriftlichen Einvernahme –) bekanntgegeben worden. Aufgrund des negativ finalisierten Asylverfahrens und der Aufhebung des Abschiebeschutzes sei eine Rückführung des Bf in seinen Herkunftsstaat daher rechtlich zulässig. Aufgrund der Ermittlungen im Zuge des letzten Abschiebeversuches vom 22. Juli 2011 sei geklärt, dass die Abschiebung nicht nur rechtlich zulässig, sondern ab sofort auch jederzeit faktisch durchführbar wäre.

 

1.2. Gegen die Verhängung und Anhaltung in Schubhaft durch Bescheid vom 30. August 2011 erhob der Bf durch seinen ausgewiesenen Vertreter mit Schreiben vom 1. September 2011 Schubhaftbeschwerde an den Oö. Verwaltungssenat und beantragte, unter Kostenersatz den bekämpften Schubhaftbescheid aufzuheben sowie die andauernde Anhaltung des Bf seit 30. August 2011 für rechtswidrig zu erklären.

 

Nach Schilderung des – in den entscheidungsrelevanten Punkten im Wesentlichen mit den Ausführungen der belangten Behörde deckungsgleichen – Sachverhalts begründet der Bf seine Beschwerde mit der mangelnden Zuständigkeit der belangten Behörde. Der Bf, der ohne Niederschrift oder weitere Verständigung am 30. August 2011 aus der Haft auf freien Fuß gesetzt worden wäre, habe am 27. Juli 2011 eine Unterkunft in Hall in Tirol gefunden und sich daher dort polizeilich gemeldet. Über seinen Rechtsanwalt – dessen Vollmacht seit 21. Juni 2011 bei der belangten Behörde ausgewiesen sei – wäre der Bf jederzeit erreichbar gewesen; diesem seien keinerlei Verständigungen oder Mitteilungen über etwaige Abschiebetermine des Bf zugestellt worden. Ebensowenig wären dem Bf fremdenpolizeiliche Schreiben oder Bescheide an seine gemeldete Unterkunft übermittelt worden. Eine Falschangabe bei der Meldebehörde in Tirol sei seitens des Bf nicht erfolgt, da lediglich die Reihenfolge der Vornamen des Bf verändert gewesen sei, allerdings unter Anführung des richtigen Geburtsortes und Geburtsdatums sowie einer konkreten [richtigen] AIS-Zahl. Im Übrigen hätte die belangte Behörde bereits an Hand der AIS-Zahl die Identität des Bf überprüfen können. Eine Zuständigkeit der belangten Behörde sei jedenfalls nicht gegeben.

 

Weiters wird in der Beschwerde ausgeführt, dass das gemeldete Quartier in Tirol dem Bf nur vorübergehend zur Verfügung gestanden hätte. Er habe daher in Salzburg eine neue Unterkunft gefunden und um polizeiliche Anmeldung ersucht. Unter Vorlage eines anwaltlichen Schreibens habe der Bf darauf hingewiesen, dass er verpflichtet sei, sich behördlich umzumelden, um weitere fremdenpolizeiliche Zwangsmaßnahmen hintanzuhalten. Daraus ergebe sich, dass der Bf keine Handlungen gesetzt habe, sich dem behördlichen Verfahren zu entziehen. Vielmehr hätte er sämtliche ihm mögliche Schritte gesetzt, sich für das fremdenpolizeiliche Verfahren zur Verfügung zu halten. Die Ausreiseunwilligkeit des Bf könne allein nicht als Grund für die Verhängung der Schubhaft herangezogen werden.

 

Gleichzeitig verweist der Bf auf seinen Schriftsatz zu Oö. UVS, VwSen-401118, vom 15. Juli 2011 und erklärt diesen auch zum Inhalt der gegenständlichen Beschwerdeschrift. Darin wurde im bezogenen Verfahren vorgebracht, dass der Bf vor seiner damaligen Festnahme [am 23. Februar 2011] seine im Rahmen des gelinderen Mittels zugewiesene Unterkunft bewohnt habe und seinen Meldepflichten nachgekommen sei. Auch sei die Ausreiseunwilligkeit des Bf kein ausrechender Anhaltspunkt dafür, dass er sich dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen würde. Der Bf habe vielmehr seine Identität selbständig durch Vorlage entsprechender Dokumente vor dem BAA nachgewiesen. Weiters sei aufgrund des Scheiterns des Abschiebeversuchs am 2. März 2011 objektiviert gewesen, dass das Ziel der Schubhaft nicht mehr erreicht werden könnte; es gebe keine Anhaltspunkte, dass neuerliche Abschiebeversuche pro futuro erfolgreich sein könnten, wogegen nicht zuletzt auch das Scheitern der Abschiebung am 2. März 2011 spräche.

 

Zur Frage der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft wird in der Beschwerde darauf hingewiesen, dass sich der Bf nunmehr aufgrund fremdenpolizeilicher Maßnahmen sowohl im Jahr 2011 als auch im Jahr 2010 sehr lange in Schubhaft befunden hätte, weshalb "aus Gründen der Vorsicht" die Überschreitung der absoluten Höchstdauer der Schubhaft eingewendet werde.

 

Festzuhalten sei weiters, dass sämtliche bisher festgesetzten Abschiebetermine mangels Wiedereinreisebewilligung letztlich durch die irakischen Behörden gescheitert seien. Es mangle daher an der Möglichkeit einer tatsächlichen Abschiebung des Bf.

 

Da nach den Ausführungen der belangten Behörde im bekämpften Bescheid bereits eine rechtskräftige und durchsetzbare Ausweisung nach § 10 AsylG 2005 gegen den Bf vorliege, sei nicht nachvollziehbar, welches Verfahren zur Erlassung einer Ausweisung nach § 10 AsylG – wie im Spruch des bekämpften Bescheides angeführt – gesichert werden solle. Ein zuletzt gestellter Antrag auf internationalen Schutz sei mittlerweile rechtskräftig abgewiesen. Die Verhängung und Aufrechterhaltung der Schubhaft könne somit nicht auf die zitierten Schubhafttatbestände gestützt werden und sei auch aus diesem Grund rechtswidrig.

 

Abschließend wird darauf hingewiesen, dass Nichtregierungsorganisationen nicht dazu befugt seien, Niederschriften und Verständigungspflichten für die Behörde durchzuführen. Ergänzend wird daher der Antrag gestellt, "der Erstbehörde aufzutragen, die angeblich von dem Verein Menschenrechte Österreich im Auftrag der Erstbehörde durchgeführten Niederschriften, Verständigungspflichten vorzulegen".

 

2.1. Mit E-Mails jeweils vom 2. September 2011 übermittelte die belangte Behörde unter Verweis auf den fremdenpolizeilichen Vorakt zur – mit VwSen-420686 durch den Oö. Verwaltungssenat abgesprochenen – Beschwerde die ergänzenden fremdenpolizeilichen Unterlagen sowie die gegenständliche, am 1. September 2011 bei der belangten Behörde eingebrachte, Beschwerde.

 

In einer kurzen Gegenschrift führt die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass aktuell (lediglich) eine Rechtsvertretung im fremdenpolizeilichen Verfahren durch den oa. Rechtsanwalt bestehe.

 

Betreffend dem – aus dem Akt ersichtlichen – geplanten Abschiebetermin am 16. September 2011 sei in Durchführbarkeit des aktuellen Asylantrages [dritter Folgeantrag] darauf hinzuweisen, dass der gegenwärtigen Zurückweisung im Asylverfahren gem. § 68 AVG eine Aufhebung des Abschiebeschutzes gem. § 12a Abs. 2 AsylG 2005 zuvorgekommen wäre. Es trete daher die Sonderkonstellation ein, dass das Asylverfahren durchsetzbar zurückgewiesen und der Fremde durchsetzbar ausgewiesen worden sei und diese Entscheidung bereits unabhängig von einer möglichen folgenden Einbringung einer Beschwerde beim Asylgerichtshof durchführbar wäre, da im vorliegenden Asylverfahren – bestätigt durch den Asylgerichtshof – kein Abschiebeschutz mehr bestünde. Die Abschiebung sei daher bereits vollziehbar und sei der Abschiebetermin nach Bagdad bereits für den 16. September 2011 terminisiert und angekündigt.

 

Wie aus der Aktenlage ersichtlich, hätte eine Abschiebung am 22. Juli 2011 nach Bagdag mit einer näher konkretisierten Fluglinie (Abflug in Schwechat um 10:00 Uhr, Ankunft in Bagdag um 15:00 Uhr), begleitet durch drei Sonderbeamte des Einsatzkommandos Cobra auch vollzogen werden können; eine Zustimmung der Einsreise in Bagdad habe vorgelegen. Allerdings hätte sich der Bf, dem der Abschiebetermin bekannt gewesen wäre, dieser Abschiebung durch Abtauchen in die Anonymität entzogen, weswegen die Abschiebung storniert habe werden müssen.

 

Dass der Bf unter keinen Umständen in den Irak zurückkehren werde und alles daran setze, sich dem zu entziehen, habe der Fremde durch das mehrmalige Entziehen der Asyl- und Fremdenbehörden, der mehrfachen illegalen Reisen innerhalb der europäischen Union, der mehrfachen Asylantragstellung, dem Entzug von der Abschiebung, dem abermaligen Abtauchen in die Anonymität und nicht zuletzt auch am 30. August 2011 vor der belangten Behörde bekundet und erwiesen.

 

Eine Abschiebung könne aufgrund folgender Fakten vollzogen werden:

-         rechtliche Durchführbarkeit im Asylverfahren

-         alle Ausweisungen seien durchführbar

-         schengenweit gültiges Aufenthaltsverbot von Deutschland

-         national rechtskräftiges Aufenthaltsverbot (durch die Bezirkshauptmannschaft Kufstein)

-         im Original vorliegendes unbefristetes Ersatzreisedokument für Deportée-Abschiebung vom irakischen Konsulat in Wien

-         Zustimmung zur Abschiebung nach Bagdad durch das Bundesministerium für Inneres.

 

Aus fremdenpolizeilicher Sicht sei eine Sicherung der Abschiebung ausschließlich durch Verhängung der Schubhaft möglich. Eine Sicherung durch Anwendung gelinderer Mittel scheide aus, zumal sich der Fremde klar gegen eine Abschiebung ausgesprochen und sich durch Abtauchen und Aufenthalt in der Anonymität entzogen hätte.

 

Weiters wird darauf hingewiesen, dass sich – wie von der Rechtsvertretung des Bf ausgeführt – der Bf am 19. August 2011 bereits in Salzburg aufgehalten hätte, wenn auch dessen Meldeadresse in Innsbruck-Land bestanden habe. Daraus gehe hervor, dass sich der Bf nicht nur unter den falschen Personalien in Hall in Tirol angemeldet habe, sondern diesen Wohnsitz auch als bloßen Scheinwohnsitz verwendet habe. Im Übrigen hätte die Möglichkeit eines Obdachlosenwohnsitzes bestanden. Die Erreichbarkeit des Bf sei daher nicht an seinem Misserfolg, sich einen Wohnsitz zu besorgen, sondern an seinem tatsächlichen Willen gescheitert. Wäre der Bf seiner Meldepflicht nach der Entlassung aus der Schubhaft nachgekommen, so hätte die Abschiebung auch am 22. Juli 2011 vollzogen werden können. Der bewusste Entzug aus dieser Abschiebung mit dem Abtauchen in die Anonymität und der darauffolgenden Begründung eines Scheinwohnsitzes unter falschen Personalien sei daher erwiesen. Überdies sei der Bf entgegen des Hinweises seiner rechtsfreundlichen Vertretung auch nicht über diese jederzeit erreichbar gewesen, zeige doch deren verwiesene Mitteilung vom 2. September 2011 an die belangte Behörde, dass deren Bereitwilligkeit zur Auskunftserteilung über den Aufenthaltsort des Bf nicht bestünde.

 

Schließlich wird die kostenpflichtige Abweisung der in Rede stehenden Beschwerde beantragt.

 

2.2. Der Oö. Verwaltungssenat hat nach Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt sowie den bezogenen Verwaltungsakt zu VwSen-420686 festgestellt, dass der Sachverhalt bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde hinreichend geklärt erscheint, weshalb von der – im Übrigen durch den rechtsfreundlich vertretenen Bf auch nicht ausdrücklich beantragten – Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß § 83 Abs. 2 FPG abgesehen werden konnte.

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht von dem unter Punkt 1.1. und 2.1. dieses Erkenntnisses dargestellten entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus, der im Übrigen hinsichtlich der entscheidungsrelevanten Punkte auch vom Bf nicht bestritten wird.

 

Dabei ist darauf hinzuweisen, dass die Mitteilung des Bf vom 6. September 2011, dass nach telefonischer Auskunft der BPD Wien, Fremdenpolizeiliches Referat, am 22. Juli 2011 kein Abschiebeversuch stattgefunden habe, jedenfalls zutrifft, war der Bf doch – wie im Übrigen auch von der belangten Behörde nicht bestritten – für eine Abschiebung an diesem Tag für die belangte Behörde (aus welchen Gründen auch immer) gar nicht verfügbar; dabei ist dem Bf Glauben zu schenken, dass ihm die geplante Abschiebung am 22. Juli 2011 nicht zuletzt schon mangels einer im Akt dokumentierten nachweislichen Verständigung nicht bekannt gewesen ist. Entscheidungswesentlich ist in diesem Zusammenhang auch, dass - wie aus dem Akt unzweifelhaft hervorgeht (insbes. E-Mail-Verkehr mit dem Station Manager Baghdad International Airport vom 21. Juli 2011) – eine Einreise des Bf in Bagdad am 22. Juli 2011 tatsächlich möglich gewesen wäre.

 

Hinsichtlich der Frage der Rechtskraft des Bescheides des BAA-EAST-Ost vom 23. August 2011, Z 1102.117, wurde auf Anfrage dem entscheidenden Mitglied des Oö. Verwaltungssenates seitens des BAA – glaubhaft – mitgeteilt, dass der bezogene Bescheid am 30. August 2011 dem Bf persönlich übergeben wurde und am 31. August 2011 der rechtsfreundlichen Vertretung des Bf zugestellt wurde. 

 

Der in der Beschwerde enthaltene "Antrag", "der Erstbehörde aufzutragen, die angeblich von dem Verein Menschenrechte Österreich im Auftrag der Erstbehörde durchgeführten Niederschriften, Verständigungspflichten vorzulegen", bezieht sich offensichtlich auf den im bekämpften Bescheid auf Seite 9 enthaltenen Hinweis, dass "die aktuellen Verfahrensstände und Mitteilungen ... wöchentlich dem Beschwerdeführer über die Schubhaftbetreuung des polizeilichen Anhaltezentrums Hernals, via dem V M Österreich bekannt gegeben" worden wären. Da diese Ausführungen nach Auffassung des erkennenden Mitglieds des Oö. Verwaltungssenates für das gegenständliche Schubhaftverfahren nicht von Bedeutung sind, konnte auf diesbezügliche Ermittlungen verzichtet werden.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 126 Abs. 9 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG, in der Fassung des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2011 (FrÄG 2011) BGBl. I Nr. 38/2011 (ausgegeben am 23. Mai 2011), treten ua. die Bestimmungen des § 76, § 77 Abs. 1, 3, 6 und 7 sowie § 80 in der Fassung des genannten Bundesgesetzes (BGBl. I Nr. 38/2011) mit 1. Juli 2011 in Kraft. Auf den vorliegenden Sachverhalt ist demnach die aktuelle Rechtslage anzuwenden.

 

 Gemäß § 82 Abs. 1 FPG hat der Fremde das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen,

1.     wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;

2.     wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde, oder

3.     wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs. 1 FPG ist zur Entscheidung über eine Beschwerde gemäß § 82 Abs. 1 Z 2 oder Z 3 leg.cit. der unabhängige Verwaltungssenat zuständig, in dessen Sprengel die Behörde ihren Sitz hat, welche die Anhaltung oder die Schubhaft angeordnet hat.

 

Gemäß § 83 Abs. 4 leg.cit. hat der unabhängige Verwaltungssenat, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden.

 

Gemäß § 6 Abs. 4a FPG richtet sich die örtliche Zuständigkeit zur Verhängung der Schubhaft oder zur Anordnung gelinderer Mittel nach dem Aufenthalt.

 

3.2. Es ist unbestritten, dass der Bf aufgrund des Bescheides des Bezirkshauptmannes des Bezirks Vöcklabruck vom 30. August 2011, Z Sich40-3019-2008, seit 30. August 2011 bis dato in Schubhaft angehalten wird, weshalb der Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung berufen ist. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass – entgegen der Behauptung in der Beschwerde – die belangte Behörde zur Erlassung der Schubhaft örtlich zuständig war, richtet sich die örtliche Zuständigkeit doch gem. § 6 Abs. 4a FPG nach dem Aufenthalt. Der Bf war am 30. August 2011 – nach erfolgter Festnahme und Überstellung des Bf an die belangte Behörde (wie auch in der Beschwerde bestätigt) – im Sprengel der belangten Behörde aufhältig; die Überprüfung der Festnahme ist dabei nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

 

Nachdem sich der Bf zur Zeit der Entscheidung des Oö. Verwaltungssenates noch in Schubhaft befindet, ist gemäß § 83 Abs. 4 FPG eine umfassende Prüfung der Anhaltung vorzunehmen.

 

3.3. Gemäß § 76 Abs. 1 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung, einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

 

Gemäß § 76 Abs. 2 FPG kann die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn

 

1. gegen ihn eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen wurde;

2. gegen ihn nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;

3. gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist oder

4. auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

 

Gemäß § 76 Abs. 2a FPG hat die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber Schubhaft anzuordnen, wenn

1. gegen den Asylwerber eine mit einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 5 AsylG 2005 verbundene durchsetzbare Ausweisung erlassen wurde oder ihm gemäß § 12a Abs. 1 AsylG 2005 ein faktischer Abschiebeschutz nicht zukommt;

2. eine Mitteilung gemäß § 29 Abs. 3 Z 4 bis 6 AsylG 2005 erfolgt ist und der Asylwerber die Gebietsbeschränkung gemäß § 12 Abs. 2 AsylG 2005 verletzt hat;

3. der Asylwerber die Meldeverpflichtung gemäß § 15a AsylG 2005 mehr als einmal verletzt hat;

4. der Asylwerber, gegen den nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde, der Mitwirkungsverpflichtung gemäß § 15 Abs. 1 Z 4 vorletzter Satz AsylG 2005 nicht nachgekommen ist, oder

5. der Asylwerber einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) gestellt hat und der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben wurde, oder

6. sich der Asylwerber gemäß § 24 Abs. 4 AsylG 2005 ungerechtfertigt aus der Erstaufnahmestelle entfernt hat, soweit eine der Voraussetzungen des Abs. 2 Z 1 bis 4 vorliegt,

und die Schubhaft für die Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung notwendig ist, es sei denn, dass besondere Umstände in der Person des Asylwerbers der Schubhaft entgegenstehen.

 

Die Schubhaft ist nach § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft.

 

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat die Behörde bei Vorliegen der in § 76 leg.cit. genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gelindere Mittel ist gem. Abs. 3 leg.cit. insbesondere die Anordnung

1. in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,

2. sich in periodischen Abständen bei einem Polizeikommando zu melden oder

3. eine angemessene finanzielle Sicherheit bei der Behörde zu hinterlegen.

 

3.4. Zu den Schubhaftgründen:

Im vorliegenden Fall steht unbestritten fest, dass über den Bf, der illegal nach Österreich gekommen ist, durch Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 7. Oktober 2008 ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen wurde (gültig bis Oktober 2013). Der Bf stellte am selben Tag seinen ersten Asylantrag (von mehreren) in Österreich, der durch Bescheid des Bundesasylamtes vom 13. November 2009 – nachdem der Bf aus der Bundesrepublik Deutschland nach Österreich rücküberstellt worden war – abgewiesen, die Zulässigkeit der Abschiebung in den Irak festgestellt und der Bf aus dem Bundesgebiet in den Irak ausgewiesen wurde (ein diesbezüglicher Wiedereinsetzungsantrag wurde seitens des Asylgerichtshofes abgewiesen, die Behandlung der Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof abgelehnt).

Nachdem am 23. März 2010 über den Bf die Schubhaft verhängt worden ist, stellte dieser im Stande der Schubhaft (Entlassung: 4. Juni 2010) am 1. April 2010 einen zweiten Asylantrag. Dieser wurde – ebenso wie sein dritter Asylantrag vom 21. Oktober 2010 – jeweils mit Bescheid des Bundesasylamtes wegen entschiedener Sache gem. § 68 AVG zurückgewiesen, die diesbezüglichen Beschwerden vom Asylgerichtshof jeweils abgewiesen.

 

Am 8. Februar 2011 wurde über den Bf die Schubhaft verhängt, aus der er am 17. Februar 2011 entlassen wurde. Nachdem über den Bf am 23. Februar 2011 erneut die Schubhaft verhängt worden ist, stellte dieser im Stande der Schubhaft einen vierten Asylantrag; die diesbezügliche Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gem. § 12a AsylG 2005 durch das BAA wurde vom Asylgerichtshof bestätigt.

 

Weiters befand sich der Bf – wenn auch nicht auf Grundlage eines Schubhaftbescheides (vgl. VwSen-420686 vom 15. Juli 2011) – von 2. März 2011 bis 15. Juli 2011 in "Schubhaft".

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 23. August 2011 wurde der Antrag des Bf auf internationalen Schutz (vierter Asylantrag) gem. § 68 AVG zurückgewiesen und der Bf aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Irak ausgewiesen. Dieser Bescheid wurde dem Bf am 30. August 2011 durch die belangte Behörde ausgehändigt, seiner rechtsfreundlichen Vertretung im Asylverfahren am 31. August 2011 zugestellt.

 

Aufgrund des nunmehr bekämpften Schubhaftbescheides der belangten Behörde vom 30. August 2011 befindet sich der Bf seit diesem Tag bis zum Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung des Oö. Verwaltungssenates in Schubhaft im Polizeianhaltezentrum Wels.  

 

3.4.1. Die belangte Behörde legte nach Auffassung des erkennenden Mitglieds des Oö. Verwaltungssenates dem angefochtenen Schubhaftbescheid vom 30. August 2011 zu Recht § 76 Abs. 2 Z. 1 FPG zugrunde. Nach dieser Bestimmung kann die zuständige Fremdenpolizeibehörde ua. über einen Asylwerber zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung oder zur Sicherung der Abschiebung Schubhaft anordnen, wenn gegen ihn eine durchsetzbare – wenn auch nicht rechtskräftige – Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen wurde.

Im Zeitpunkt der Schubhaftverhängung (30. August 2011) lag gegen den Bf – mit dem Status eines Asylwerbers iSd § 2 Abs. 1 Z. 14 AsylG 2005 – aufgrund des Bescheides des BAA-EAST-Ost vom 23. August 2011 (Entscheidung über den vierten Asylantrag) gem. § 36 Abs. 4 AsylG 2005 eine durchsetzbare, wenn auch nicht rechtskräftige Ausweisung vor. Da die Entscheidung des BAA-EAST-Ost, mit der der Antrag des Bf auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und der Bf aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Irak ausgewiesen wurde, der rechtsfreundlichen Vertretung des Bf (im asylrechtlichen Verfahren) am 31. August 2011 zugestellt wurde und gem. § 22 Abs. 12 AsylG 2005 eine Beschwerdefrist von einer Woche besteht, ist die Rechtskraft aber im Entscheidungszeitpunkt des Oö. Verwaltungssenates grundsätzlich – vorausgesetzt freilich, es befindet sich kein Schriftsatz auf dem Postweg, mit dem ein diesbezügliches Rechtsmittel erhoben wird – zwischenzeitlich bereits eingetreten.

Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass bei vorliegender Rechtskraft der asylrechtlichen Entscheidung im Entscheidungszeitpunkt des Oö. Verwaltungssenates von einem – zulässigen – in der Natur der Sache liegenden Wechsel des Schubhaftgrundes in das Regime des § 76 Abs. 1 FPG auszugehen sein wird: So führt nach der Judikatur des Verwaltungsgerichthofs in einem Fall der "Verdichtung" der chronologisch fortschreitenden Schubhaftgründe nach dem § 76 Abs. 2 FPG der Wegfall des bisherigen Schubhafttatbestandes per se zu dessen Ersetzung durch einen auf höherer Ebene liegenden Schubhafttatbestand derselben Norm. Dasselbe muss aber naturgemäß auch für den Fall der Erlassung einer rechtskräftigen asylrechtlichen Ausweisung und dem damit verbundenen Wechsel vom Regime des § 76 Abs. 2 FPG in jenes des § 76 Abs. 1 FPG gelten, weil auch hier nur eine "Verdichtung" in Bezug auf den bisherigen Schubhafttatbestand eintritt (vgl VwGH 18.12.2008, Zl. 2008/21/0582 unter Hinweis auf Vorjudikatur).

Der – durch Eintritt einer allfälligen Rechtskraft der durchsetzbaren Ausweisung nach § 10 AsylG 2005 während der Entscheidungsfindung durch den Oö. Verwaltungssenat erfolgte – Regimewechsel von § 76 Abs. 2 FPG in Abs. 1 ist daher ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden.

 

3.4.2. Weiters kann gem. § 76 Abs. 2a Z. 5 FPG die zuständige Fremdenpolizeibehörde ua. über einen Asylwerber zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung oder zur Sicherung der Abschiebung Schubhaft anordnen, wenn der Asylwerber einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) gestellt hat und der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben wurde.

 

Wenn es auch im Lichte der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes lediglich eines Schubhaftgrundes bedarf (vgl. VwGH 14.9.2001, 2000/02/0319), so war im vorliegenden Verfahren auch dieser von der belangten Behörde ihrem Bescheid zugrundegelegte Schubhaftgrund des § 76 Abs. 2a Z. 5 FPG gegeben; denn hinsichtlich des (dritten) Asylfolgeantrags des Bf ist die erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gem. § 12a Abs. 2 AsylG 2005 vom Asylgerichtshof im März 2011 bestätigt worden.

 

3.4.3. Aus fremdenrechtlicher Sicht durfte die belangte Behörde die am 30. August 2011 verhängte Schubhaft daher sowohl auf § 76 Abs. 2 Z 1 als auch auf § 76 Abs. 2a Z 5 FPG stützen. Ein aufgrund einer zwischenzeitlich eingetretenen Rechtskraft der Ausweisungsentscheidung nach § 10 AsylG 2005 erfolgter Regimewechsel in den Schubhaftgrund des § 76 Abs. 1 FPG ist im Lichte der höchstgerichtlichen Rechtsprechung ebenfalls rechtlich unproblematisch.

 

3.5.1. Aus der "Kann-Bestimmung" des Abs. 1 und 2 FPG wird deutlich, dass es sich bei der Verhängung der Schubhaft um eine Ermessensentscheidung handelt. Es müssen daher im konkreten Fall Umstände in der Person des Bf gelegen sein, die erwarten ließen, dass sich der Bf dem Verfahren bzw. der Abschiebung iSd § 76 Abs. 1 bzw. 2 FPG entziehen würde. Dabei sind diese Umstände nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs nicht isoliert voneinander, sondern in Zusammenschau und unter Erstellung einer Einzelfallprüfung zu betrachten.

 

3.5.2. Im Gegensatz zu den Schubhafttatbeständen des § 76 Abs. 1 und 2, die ihrer Formulierung nach eine Ermessensentscheidung bedingen, legt Abs. 2a leg.cit. grundsätzlich eine obligatorische Verhängung der Schubhaft bei Vorliegen der hier normierten Tatbestandselemente fest. Den Materialien zu § 76 Abs. 2a FPG ist zu entnehmen, dass in den hier normierten fünf Fällen "grundsätzlich von einem Sicherungsbedürfnis auszugehen sein wird".

 

Dem ist aber entgegenzuhalten, dass die Gesetzesbestimmung schon nach dem Wortlaut kumulativ zusätzlich zum Vorliegen der Z 1 bis 5 jedenfalls auch die Schubhaft für die Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung notwendig sein muss. Dies kann aber nichts anderes bedeuten, als dass der Sicherungsbedarf zusätzlich zum Vorliegen der Tatbestandsmäßigkeit der Z 1 bis 5 geprüft werden muss. Fraglos sind die genannten Fallkonstellationen ihrer Natur nach dazu geeignet aufgrund ihres Vorliegens Indizien auch für das Bestehen eines Sicherungsbedarfs darzustellen.

 

Weiters geben die Materialien an, dass der von den Höchstgerichten geforderten Verhältnismäßigkeitsprüfung durch den letzten Satz Rechnung getragen wird und gehen diesbezüglich von einem Anwendungsbereich der besonderen in der Person des Asylwerbers gelegenen Umstände "insbesondere" von "Alter" und "Gesundheitszustand" aus. Eine Beschränkung allein auf derartige Umstände wird wohl unzureichend sein, da nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfSlg. 17.891/2006 und 18.196/2007) schon bei den Absätzen 1 und 2 des § 76 FPG eine umfassende Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmen ist. Eine nunmehrige Einschränkung auf lediglich rein in der Person gelegene Umstände wäre somit verfassungsrechtlich bedenklich und ist über verfassungskonforme Interpretation aufzulösen.

 

Es folgt also daraus, dass das Vorliegen einer oder mehrerer Alternativen des § 76 Abs. 2a FPG als Indiz für das Vorliegen des Sicherungsbedarfs gewertet werden muss, eine derartige Prüfung aber nicht ersetzt. Weiters muss auch bei dieser Bestimmung die Verhältnismäßigkeit der Schubhaft – mit besonderer aber nicht ausschließlicher Blickrichtung auf persönliche Verhältnisse des Schubhäftlings – vorliegen. Auch muss schon nach dem Wortlaut dieser Bestimmung kumulativ zusätzlich zum Vorliegen der Z 1 bis 5 jedenfalls auch die Schubhaft für die Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung notwendig sein. Dies kann aber nichts anderes bedeuten, als dass der Sicherungsbedarf zusätzlich zum Vorliegen der Tatbestandsmäßigkeit der Z 1 bis 5 geprüft werden muss. Fraglos sind die genannten Fallkonstellationen ihrer Natur nach zwar dazu geeignet, aufgrund ihres Vorliegens Indizien auch für das Bestehen eines Sicherungsbedarfs darzustellen; die Möglichkeit der Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG bleibt aber auch diesbezüglich zu prüfen.

 

3.5.3. Vorweg ist anzumerken, dass aus dem bekämpften Bescheid der belangten Behörde ein einzelfallbezogener Sicherungsbedarf des Bf hervorgeht.

 

Der Bf (seit 2008 in Österreich aufhältig) ist mittellos und – wie sich aus dem Verwaltungsakt ergibt – in Österreich weder sozial noch sonstig in besonderem Maß integriert. Diesbezüglich ergeben sich im Übrigen auch keinerlei gegenteiligen Anhaltspunkte aus der Beschwerdeschrift, da der gänzlich unsubstanziierte Hinweis, dass der Bf auf die "Unterstützung durch Freunde und Bekannte im Bundesgebiet angewiesen" sei, mangels jeglicher Konkretisierung als bloße begründungslose Schutzbehauptung zu qualifizieren ist. Auch befinden sich weder Familienangehörige noch Verwandte des Bf in Österreich. (Vgl. diesbezüglich auch die Ausführungen im Bescheid des BAA-EAST-Ost vom 23. August 2011).  

 

Besonders ist in diesem Zusammenhang zu würdigen, dass der Bf offensichtlich keinesfalls dazu bereit ist, in seine Heimat Irak zurückzukehren (vgl. diesbezüglich bereits VwSen-420686 [dort unter 4.4.2.]). Wie aus dem Akt ersichtlich ist und auch von der belangten Behörde zutreffend festgestellt wird, will der Bf unter keinen Umständen in den Irak zurück: Seiner Ausreiseverpflichtung ist der Bf trotz mehrerer rechtskräftig abgeschlossener Asylverfahren nicht nachgekommen. Auch geht aus der bisherigen Verfahrensdokumentation eindeutig die Unwilligkeit des Bf, in den Irak zurückzukehren, hervor (vgl. etwa die niederschriftliche Einvernahme durch das Bundespolizeikommando Vöcklabruck vom 21. Oktober 2010). So hat der Bf auch jüngst erneut ausdrücklich bekannt, nicht in den Irak zurückzuwollen (vgl. die im bekämpften Bescheid wiedergegebene niederschriftliche Befragung vom 30. August 2011 durch die belangte Behörde).

 

Im bisherigen Verfahren ist der Bf wiederholt in die Anonymität abgetaucht, was nicht zuletzt auch durch mehrmalige Rücküberstellungen durch die Bundesrepublik Deutschland (wo sich ein Onkel des Bf befindet) nach Österreich erwiesen ist (vgl. etwa erneut die niederschriftliche Einvernahme durch das Bundespolizeikommando Vöcklabruck vom 21. Oktober 2010). Dabei ist das Motiv des Bf klar: Der Bf will auf diese Weise einer Abschiebung in sein Heimatland entgehen. Dass Deutschland offensichtlich das eigentliche Ziel des Bf darstellt, erhärtet dabei die Annahme der Fluchtgefahr. Seine wiederholten Asylantragstellungen (teilweise auch aus dem Stande einer Schubhaft heraus) sind dabei ebenfalls im Lichte der Verhinderung seiner Abschiebung zu sehen.

 

Wenn der Bf in der Beschwerde vorbringt, dass die "aus der Meldebestätigung der Behörde ersichtliche veränderte Reihenfolge der Vornamen, jedoch unter Anführung des richtigen Geburtsortes, des Geburtsdatums und der AIS Zahl ... nicht als Falschangabe gewertet werden" kann, so ist er damit auf den konkreten Einzelfall bezogen im Recht. Wenn es auch für die vollziehenden Behördenorgane unbestritten schwierig ist, angesichts der oft zahlreichen "Alias-Namen" umfassende Abfragen im Zentralen Melderegister (ZMR) zu tätigen, so stellt die konkrete Eintragung der Unterkunft in Hall in Tirol vom 27. Juli 2011 im ZMR keine Falschangabe dar; dabei ist freilich einzuräumen, dass der Bf bei der Meldebehörde – wie dem ZMR-Eintrag zu entnehmen ist – durch Angabe einer konkreten AIS-Nummer nicht auf das aktuellste (vierte) Asylverfahren Bezug genommen hat, sondern auf ein früheres Verfahren. Nichtsdestotrotz war aber durch die mögliche Abfrage des Nachnamens "J" mit Geburtsdatum und Geburtsort eine Rückführbarkeit auf das fremdenbehördliche Verfahren jedenfalls gewährleistet.

Auch die Tatsache, dass die Meldung in Tirol erst am 27. Juli 2011 erfolgte, stellt kein Indiz für einen Sicherungsbedarf dar. Entgegen der Auffassung der belangten Behörde hat der Bf damit auch – wie im Ersuchen auf Entlassung aus der Schubhaft an das PAZ Wien-Hernals durch die belangte Behörde vom 15. Juli 2011 hingewiesen – seiner polizeilichen Meldepflicht iSd Meldegesetzes entsprochen. So ist es durchaus nachvollziehbar und entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass der Bf für eine polizeiliche Meldung nach seiner Entlassung aus der Anhaltung zuerst eine Unterkunft finden musste. Insbesondere ist eine sog. Haupwohnsitzbestätigung für Obdachlose iSd § 19a Meldegesetz nur unter gewissen Voraussetzungen möglich, die im Falle des Bf – jedenfalls in Hall in Tirol – nicht vorlagen; aus dem behördlichen Hinweis auf die bestehende polizeiliche Meldepflicht eine Verpflichtung des Bf abzuleiten, eine Hauptwohnsitzbestätigung iSd § 19a leg.cit. bei der zuständigen Meldebehörde in Wien unter gleichzeitiger Begründung des Mittelpunktes seiner Lebensbeziehungen in Wien aufgrund seiner dortigen Anhaltung in Schubhaft zu erwirken, ginge nach Ansicht des erkennenden Mitglieds des Oö. Verwaltungssenates aber jedenfalls zu weit.

 

Nicht zuletzt mangels entsprechender Dokumentationen (insbesondere einer nachweislichen Verständigung des Bf über die bevorstehende Abschiebung) im Akt geht das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenates – wohl der Auffassung des rechtsfreundlichen Vertreters des Bf entsprechend (vgl. den Hinweis in der Beschwerde, dass der Bf ohne "weitere Verständigung" am 15. Juli 2011 aus der Anhaltung im PAZ Wien-Hernals auf freien Fuß gesetzt worden sei) – wie bereits unter 2.3. ausgeführt davon aus, dass eine Verständigung des Bf über den geplanten Abschiebetermin am 22. Juli 2011 nicht erfolgt ist und ihm der Abschiebetermin nicht bekannt war.

Allerdings konnte die belangte Behörde aufgrund des bisherigen Verhaltens des Bf seit 2008 (insbes. mehrmaliges Abtauchen in die Anonymität, illegale Grenzübertritte nach Deutschland, Hungerstreik zur Schubhaftbeendigung, Ausreiseunwilligkeit) sowie dem fehlgeschlagenen Abschiebeversuch am 2. März 2011 zu Recht davon ausgehen, dass sich der Bf auf freiem Fuß belassen ab dem Zeitpunkt, in dem er über eine neuerliche beabsichtigte Abschiebung in sein Heimatland informiert worden wäre, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dem Zugriff der Behörde entzogen hätte, um in Richtung Deutschland zu seiner Bezugsperson abzutauchen. So ist der Abschiebeversuch am 2. März 2011 erst in einem sehr späten Stadium (konkret: durch Verweigerung der Einreise am Flughafen von E/Irak) gescheitert und wurde dem Bf dadurch fraglos die Unmittelbarkeit der Gefahr einer Außerlandesschaffung in ihrer vollen Tragweite bewusst. Diese Gefahr des Abtauchens des Bf besteht auch im Entscheidungszeitpunkt des Oö. Verwaltungssenates nicht zuletzt aufgrund der Kenntnis des Bf vom geplanten Abschiebetermin am 16. September 2011 nach wie vor in besonderem Maße.

Dabei ist zu bemerken, dass je weiter dieses Verfahren fortschreitet, desto höher war und ist auch die Fluchtgefahr anzusetzen; insbesondere ist auch die – erneut – negative Entscheidung des Bundesasylamtes über den vierten (und bis dato letzten) Asylantrag, von der der Bf tatsächlich erst am Tag der In-Schubhaftnahme erfahren hat (vgl. die Angaben in der Niederschriftlichen Befragung der belangten Behörde vom 30. August 2011), von erheblicher Bedeutung für die Beurteilung des weiterhin bestehenden ausgeprägten Sicherungsbedarfes, der allerdings zweifellos auch schon zum Zeitpunkt der Verhängung der Maßnahme in entsprechendem Ausmaß bestand. Denn dadurch schwindet beim Bf die Hoffnung auf eine doch noch positive asylrechtliche Erledigung und die damit verbundene Möglichkeit, nicht in den Heimatstaat zurückkehren zu müssen, mehr und mehr.

Dass der Bf zuletzt seiner polizeilichen Meldepflicht in hinreichender Weise entsprochen hat, ändert im Lichte des geschilderten Verhaltens des Bf im bisherigen Verfahren nichts an dieser Einschätzung.

Schließlich indiziert nicht zuletzt auch die Verurteilung des Bf nach § 125 StGB wegen Beschädigung der Zelleinrichtung im Polizeianhaltezentrum Wels, wo er in Schubhaft angehalten wurde, durch das Bezirksgericht Wels vom 16. Juni 2010 die grundsätzliche Haltung des Bf, mit allen Mitteln eine Ausreise zu verhindern.

 

Wenn auch eine fehlende Ausreisewilligkeit – wie vom rechtsfreundlichen Vertreter richtig festgestellt – für sich allein nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung nicht rechtfertigen kann, so ergibt sich damit im Rahmen einer Gesamtschau des konkreten Einzelfalles doch eindeutig, dass der belangten Behörde folgend im vorliegenden Fall – trotz der für sich betrachtet nicht relevierbaren missverständlichen ZMR-Meldung – von einem Sicherungsbedarf auszugehen war und weiterhin ist.

 

Ein erheblicher Sicherungsbedarf – sowohl iSd § 76 Abs. 1 und Abs. 2, als auch iSd Abs. 2a FPG (vgl. dazu die unter 3.4. dieses Erkenntnisses dargestellten Überlegungen) – war und ist daher seit Verhängung der Schubhaft am 30. August 2011 bis dato jedenfalls zu bejahen. Im Übrigen machte der Bf auch keinerlei Umstände geltend, die auf die insbesondere in § 76 Abs. 2a FPG 2005 genannten besonderen Umstände abzielen könnten; er ist weder aufgrund seines Alters noch aufgrund seiner Gesundheit hinsichtlich der Schubhaftverhängung besonders schutzwürdig und hat dies auch nicht vorgebracht.

 

3.6. Damit scheidet auch die Anwendung gelinderer Mittel über den Bf gemäß § 77 FPG konsequenter Weise im konkreten Fall grundsätzlich aus. Eine tägliche Meldepflicht etwa würde den Zweck der Schubhaft aufgrund der erheblichen Gefahr, dass der Bf auf freiem Fuß belassen untertaucht um in weiterer Folge das Bundesgebiet zu verlassen, nicht gewährleisten können. Auch die vom Bf nunmehr in Salzburg beabsichtigte Wohnsitzbegründung gewährleistet keinesfalls, dass er sich dem Zugriff der Fremdenpolizeibehörden zur Verfügung halten würde. Diese Annahme ist durch das bisherige Verhalten des Bf im Bundesgebiet seit 2008 – wie bereits dargelegt – ausreichend dokumentiert. Daran vermag auch die Behauptung in der – verwiesenen – Beschwerde zu VwSen-420686, der Bf hätte sich im diesbezüglichen Verfahren dem gelinderen Mittel nie entzogen, nichts zu ändern; denn, wie bereits unter 3.5.3. ausgeführt, wird dem Bf die Tragweite seines Verfahrensstandes – nämlich die unmittelbar drohende Außerlandesschaffung und fortschreitend größere Aussichtslosigkeit im Asylverfahren – erst nach und nach in vollem Ausmaß bewusst.

 

Sowohl die belangte Behörde als auch das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenates hatte bzw. hat im Rahmen einer Prognoseentscheidung daher keinen Grund zur Annahme, dass der Zweck der Schubhaft auch durch Anwendung eines gelinderen Mittels erreicht werden kann.

 

3.7. Die Verhängung der Schubhaft und die weitere Anhaltung ist demnach zweifellos auch weiterhin verhältnismäßig, denn dem Recht des Bf auf Schutz der persönlichen Freiheit steht das dieses überwiegende Interesse des Staates an einem geordneten Fremdenwesen und damit am Schutz und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gegenüber. Um diese Ziele zu gewährleisten, war und ist der Eingriff in das Recht des Bf auf den Schutz der persönlichen Freiheit notwendig.

 

Auch geht aus dem vorliegenden Verwaltungsakt eindeutig hervor, dass die belangte Behörde regelmäßig bemüht war, die Festlegung eines konkreten Abschiebetermins voranzutreiben (vlg. dazu nur die im Akt einliegenden zahlreichen Korrespondenzen mit dem irakischen Konsulat, dem Bundesministerium für Inneres, dem Reisebüro und dem zuständigen Station Manager der beauftragten Fluglinie im Irak).

 

Der Schutz des Privat- und Familienlebens gemäß Art. 8 EMRK kann im vorliegenden Fall ebenfalls weiterhin nicht schlagend in Anwendung gebracht werden, zumal der Bf in Österreich keinerlei familiäre Bezugspunkte hat.

 

3.8.1. Gemäß § 80 Abs. 1 FPG ist die Behörde verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert; sie darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Gemäß Abs. 2 leg.cit. darf die Schubhaftdauer grundsätzlich

1. zwei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen verhängt wird;

2. vier Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, verhängt wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

 

Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 FPG noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft gem. Abs 3 leg.cit. bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

 

Kann oder darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden,

1. weil die Feststellung seiner Identität und Staatsangehörigkeit nicht möglich ist oder

2. weil die für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt oder

3. weil er die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt

kann die Schubhaft gemäß Abs. 4 leg.cit. wegen desselben Sachverhalts innerhalb eines Zeitraumes von einem Jahr nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden, es sei denn, die Nichtvornahme der Abschiebung ist dem Verhalten des Fremden zuzurechnen. In diesen Fällen darf der Fremde wegen desselben Sachverhalts innerhalb eines Zeitraumes von 18 Monate nicht länger als 10 Monate in Schubhaft angehalten werden. Gleiches gilt, wenn die Abschiebung dadurch gefährdet erscheint, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen hat. Ebenso kann die Schubhaft, die gemäß § 76 Abs. 2 verhängt wurde, länger als sechs Monate in einem Jahr, aber nicht länger als 10 Monate in 18 Monaten aufrechterhalten werden.

 

Gemäß Abs. 5 leg.cit. kann in Fällen, in denen die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 oder 2a leg.cit. verhängt wurde, diese bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftig negativer Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz aufrecht erhalten werden, es sei denn, es läge auch ein Fall des Abs. 4 Z 1 bis 3 vor. Wird der Beschwerde gegen eine Ausweisung, die mit einer zurückweisenden Entscheidung verbunden ist, die aufschiebende Wirkung gemäß § 37 AsylG 2005 zuerkannt, darf die Schubhaft bis zur Entscheidung des Asylgerichtshofes aufrecht erhalten werden. Darüber hinaus darf die Schubhaft nur aufrechterhalten werden, wenn der Asylgerichtshof eine zurück- oder abweisende Entscheidung erlässt. Die Schubhaftdauer darf in diesen Fällen die Dauer von zehn Monaten innerhalb eines Zeitraumes von 18 Monaten nicht überschreiten.

 

3.8.2. Gemäß § 80 Abs. 4 Z 2 FPG kann die Schubhaft dann, wenn ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden kann oder darf, weil die für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt, wegen desselben Sachverhalts innerhalb eines Zeitraums von einem Jahr nicht länger als sechs Monate aufrechterhalten werden. Wie sich aus den im Akt einliegenden Dokumentationen eindeutig ergibt, scheiterten die bisherigen Abschiebungsversuche jedes Mal am Vorliegen einer die jeweils konkrete Einreise des Bf gestattenden Bewilligung seitens des Iraks aus den verschiedensten Gründen. Dabei ist zu bemerken, dass das diesbezügliche Verfahren – wie dem Akt zu entnehmen ist und woran kein Grund zu zweifeln besteht – entsprechend aufwändig und teilweise auch (da offensichtlich von den diversesten konkreten Umständen abhängig) nur schwer einschätzbar ist (vgl. etwa die Stellungnahme der belangten Behörde an das Bundesministerium für Inneres vom 14. Juli 2011; den Aktenvermerk des Bundespolizeikommandos für Wien vom 30. Juni 2011; das E-Mail an einen Bedienstete des Bundesministeriums vom 21. Juli 2011 hinsichtlich des konsularischen Verfahrens zur Erwirkung eines entsprechenden Heimreisetzertifikates; etc).

Da die konkreten Zeiten einer Anhaltung des Bf in Schubhaft selbst bis zum Zeitpunkt der für 16. September 2011 geplanten Abschiebung zusammengerechnet unter sechs Monaten liegen, ist schon die zulässige Dauer der Schubhaft von sechs Monaten jedenfalls nicht überschritten; eine Prüfung eines allfälligen Vorliegens weiterer Tatbestände des § 80 Abs. 4 leg.cit., die eine über sechs Monate hinausgehende Anhaltung einräumen könnten, – so insbesondere die Frage, ob das Scheitern des Abschiebeversuches am 2. März 2011 dem Verhalten des Bf zuzurechnen ist – erübrigt sich daher im gegenständlichen Verfahren.

 

Auch ist das Ziel der Schubhaft, die Abschiebung in den Irak, zum Entscheidungszeitpunkt durchaus zeitnah erreichbar, da eine Auseinandersetzung mit den verschiedenen, im Akt einliegenden Korrespondenzen und Dokumentationen durchaus nahelegt, dass der tatsächlichen Durchführbarkeit einer Abschiebung – entgegen der Behauptung in der Beschwerde – nunmehr nichts entgegenstehen dürfte und eine Abschiebung (geplant: 16. September 2011) unmittelbar bevorsteht. Insbesondere ist auf das Vorliegen eines gültigen Heimreisezertifikates – das nunmehr auch (anders als noch im Verfahren zu VwSen-420686) eine unfreiwillige Einreise des Bf erfasst –, auf die Bestätigung der Einreiseerlaubnis seitens des Station Managers Baghdad International Airport durch die irakische Grenzpolizei am Flughafen Bagdad (vgl. E-Mail vom 7. September 2011) und die Zuweisung von konkreten Begleitbeamten für die Abschiebung am 16. September 2011 (vgl. E-Mail seitens des Bundesministeriums für Inneres vom 1. September 2011) hinzuweisen. Auch die offensichtlich vorliegende tatsächliche Einreisemöglichkeit des Bf in Bagdad (vgl. insbes. das E-Mail des Station Managers Baghdad International Airport vom 21. Juli 2011) am 22. Juli 2011 zeigt, dass eine Rückführung des Bf in den Irak über den Flughafen Bagdad tatsächlich möglich sein dürfte.

Auf das regelmäßige Bemühen der belangten Behörde, einen raschen Abschiebetermin zu erwirken, wurde im Übrigen bereits unter 3.7. hingewiesen.

 

3.9. Derzeit sind zudem keinerlei Umstände bekannt, die einer weiteren Anhaltung des Bf in Schubhaft entgegenstehen würden. Daher war die Beschwerde vom 1. September 2011 (eingelangt beim Oö. UVS am 2. September 2011) als unbegründet abzuweisen und gleichzeitig auszusprechen, dass auch die Voraussetzungen für die Anhaltung in Schubhaft im Entscheidungszeitpunkt weiterhin vorliegen.

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bund als Rechtsträger, für den die belangte Behörde eingeschritten ist, nach § 79a Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4 Z 3 AVG iVm § 1 Z 3 und 4 der UVS-Aufwandersatzverordnung (BGBl. II Nr. 456/2008) ein Aufwandersatz in Höhe von insgesamt 426,20 Euro (Vorlageaufwand: 57,40 Euro, Schriftsatzaufwand: 368,80 Euro) zuzusprechen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Hinweis: Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in Höhe von 18,20 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

Astrid Berger

 

Beachte:

 

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

 

VwGH vom 2. Oktober 2012, Zl.: 2012/21/0021-5

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum