Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-165935/2/Kei/Bb/Th

Linz, 20.12.2011

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Michael Keinberger über die Berufung des X, vertreten durch den Rechtsanwalt Dr. X, vom 6. April 2011 gegen Tatvorwurf 2. des Straferkenntnisses des Polizeidirektors von Wels vom 4. April 2011, GZ 2-S-25.227/10/A 156,--, wegen einer Verwaltungsübertretung nach der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), zu Recht erkannt:

 

 

 

I.                   Die Berufung wird abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis wird bestätigt.

 

 

II.                Der Berufungswerber hat zusätzlich zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten für das Berufungsverfahren einen Kostenbeitrag in der Höhe von 7,20 Euro (= 20 % der verhängten Geldstrafe zu Tatvorwurf 2.) zu leisten.

 

 

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG iVm

§§ 24, 51 Abs.1 und 19 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

zu II.: § 64 Abs.1 und 2 VStG.

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

Zu I.:

 

1. Mit Straferkenntnis des Polizeidirektors von Wels vom 4. April 2011, GZ 2-S-25.227/10/A 156,--, wurde über X (den nunmehrigen Berufungswerber) unter Tatvorwurf 2. wegen einer Übertretung des § 18 Abs.1 StVO gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO eine Geldstrafe in der Höhe von 36 Euro, im Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von 18 Stunden, verhängt. Weiters wurde er zur Zahlung eines Verfahrenskostenbeitrages in der Höhe von 3,60 Euro verpflichtet.

 

Dieser Bestrafung liegt folgender Tatvorwurf zu Grunde (auszugsweise Wiedergabe):

 

"... 2. Sie haben am 28.7.2010 um 15.12 Uhr in Straß im Attergau, auf der Westautobahn (A 1) Höhe Strkm. 243.870, Fahrtrichtung Salzburg, als Lenker des Kraftfahrzeuges Kennzeichen X (internationales Unterscheidungskennzeichen 'D'), beim Hintereinanderfahren vom nächsten vor Ihnen fahrenden Fahrzeug keinen solchen Abstand eingehalten, der ein rechtzeitiges Anhalten ermöglicht hätte, wenn dieses plötzlich abgebremst worden wäre."

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis, zugestellt am 5. April 2011, hat der Berufungswerber rechtzeitig – mit Schriftsatz 6. April 2011 – durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter gegen Tatvorwurf 2. Berufung erhoben und beantragt, seiner Berufung stattzugeben und die ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretung nach § 18 Abs.1 StVO einzustellen. 

 

Der Berufungswerber bestreitet darin die Unterschreitung des Sicherheitsabstandes nicht, er vertritt jedoch die Auffassung, dass für die Verwirklichung einer Übertretung nach § 18 Abs.1 StVO die Höhe der von ihm eingehaltenen Geschwindigkeit und der konkret eingehaltene Tiefenabstand zum Vorderfahrzeug entscheidungswesentlich festzustellen gewesen wären.

 

3. Der Polizeidirektor von Wels hat die Berufungsschrift unter Anschluss des bezughabenden Verwaltungsstrafaktes mit Vorlageschreiben vom 11. April 2011, GZ S-25227/10, ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Es ergibt sich daher die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates (§ 51 Abs.1 VStG), wobei dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsstrafakt der Bundespolizeidirektion Wels und in die Berufung.

 

Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte mangels gesonderten Antrages der Verfahrensparteien und der Tatsache, dass der für das Verfahren relevante Sachverhalt ausreichend geklärt vorliegt, unterbleiben.

 

4.1. Es ergibt sich für den Unabhängigen Verwaltungssenat – aus den genannten Beweismitteln - folgender rechtlich relevanter Sachverhalt, der seiner Entscheidung zu Grunde liegt: 

 

Im Zuge einer Nachfahrt am 28. Juli 2010 um 15.12 Uhr wurde durch zwei Straßenaufsichtsorgane der Autobahnpolizeiinspektion Seewalchen am Attersee in Straß im Attergau, auf der Autobahn A 1, bei km 243,870, in Fahrtrichtung Salzburg mittels geeichtem Verkehrgeschwindigkeitsmessgerät ProVida mit Videoaufzeichnung, Type Multavision, Messergerät Nummer 213675, bei einer gemessenen Fahrgeschwindigkeit von 155 km/h die Begehung einer Abstandsverletzung gemäß § 18 Abs.1 StVO durch den Lenker des Pkws mit dem internationalen Kennzeichen X (D) festgestellt.  

 

Nach Angaben der Anzeigenleger war der eingehaltene Sicherheitsabstand derart gering, dass dieser vom Video nicht ausgemessen werden konnte.  

 

4.2. Diese Feststellungen ergeben sich aus der Anzeige der Autobahnpolizeiinspektion Seewalchen am Attersee vom 10. Oktober 2010, GZ A1/33479/01/2010 inklusive Lichtbild, der durchgeführten Geschwindigkeitsmessung mittels geeichtem Messsystem ProVida, der dienstlichen Wahrnehmung anlässlich des Nachfahrens und der Verantwortung des Berufungswerbers, der im Einspruch gegen die Strafverfügung eine kurzfristige Unterschreitung des Mindestabstandes eingeräumt und dies mit dem unvorhersehbaren Fehlverhalten des vor ihm fahrenden Verkehrsteilnehmers begründet hat.

 

Verkehrstechnisch geschulten Organen der Straßenaufsicht ist – auf Grund ihrer Ausbildung – zuzubilligen, über Vorgänge des öffentlichen Straßenverkehrs richtige Wahrnehmungen zu machen. Es kann diesen durchaus die Unterscheidung eines üblichen Sicherheitsabstandes von einer augenscheinlich auffallenden Unterschreitung desselben zugemutet werden. Gestützt wird ihre Wahrnehmung durch das beigeschlossene Lichtbild, aus dem augenscheinlich erkennbar ist und anhand der abgebildeten Leitlinien (vgl. § 5 Abs.1 Bodenmarkierungsverordnung) unwiderlegbar feststeht, dass der Berufungswerber am linken Fahrstreifen in geringem Abstand hinter dem vorausfahrenden Fahrzeug nachgefahren ist.

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat hierüber in rechtlicher Hinsicht Folgendes erwogen:

 

5.1. Gemäß § 18 Abs.1 StVO hat der Lenker eines Fahrzeuges stets einen solchen Abstand vom nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug einzuhalten, dass ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich ist, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst wird.

 

5.2. In der Regel wird ein Mindestabstand für ausreichend erachtet, der etwa der Länge des Reaktionsweges entspricht. Der Reaktionsweg beträgt - für eine als angemessen zu erachtende Reaktionszeit von einer Sekunde - in Metern drei Zehntel der Höhe der eingehaltenen Geschwindigkeit in km/h (z. B. VwGH 23. Oktober 1986, 86/02/0081). Dies bedeutet, dass bei der gemäß § 20 Abs.2 StVO auf Autobahnen zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h ein Sicherheitsabstand von mindestens 39 m zum Vorderfahrzeug einzuhalten ist.

 

Bei der gemessen Fahrgeschwindigkeit des Berufungswerber von 155 km/h, die  nach Abzug der Messtoleranz, einer tatsächlich gefahrenen Geschwindigkeit von 147 km/h entspricht, hätte der Berufungswerber einen Abstand von mindestens 44 m zum vorausfahrenden Fahrzeug einhalten müssen. Nach dem Ergebnis des Beweisverfahrens (siehe 4.2.) hat der Berufungswerber aber diesen Mindestabstand zum Vorderfahrzeug nicht eingehalten.

 

Das Verhalten des vorausfahrenden Lenkers in Form eines Bremsmanövers, dass der Behauptung des Berufungswerber zu Folge im erstinstanzlichen Verfahren zur Unterschreitung des Mindestabstandes geführt haben soll, kann ihn nicht entschuldigen, da er sich als Nachfahrender nicht auf das Unterlassen eines überraschenden Bremsmanövers durch den Vorausfahrenden verlassen darf. Der Nachfahrende hat unter Berücksichtigung aller gegebenen Umstände, wie etwa Straßenverhältnisse und Sichtverhältnisse sowie der Art des vorne fahrenden Fahrzeuges dafür zu sorgen, dass er auch bei überraschendem Bremsmanöver des vor ihm Fahrenden sein Fahrzeug rechtzeitig zum Anhalten bringen kann.

 

Da weder ein ziffernmäßig bestimmter Abstand zwischen den Fahrzeugen noch eine bestimmte von den Fahrzeugen eingehaltene Fahrgeschwindigkeit zu den Tatbestandsmerkmalen einer Übertretung des § 18 Abs.1 StVO gehört (Hinweis VwGH  25. September 1986, 86/02/0058; 4. Juli 1997, 97/03/0028 ua.) steht damit die Erfüllung des objektiven Tatbestandes des § 18 Abs.1 StVO durch den Berufungswerber zweifelsfrei fest. Zumal ihm die Glaubhaftmachung mangelnden Verschuldens im Sinne des § 5 Abs.1 VStG nicht gelungen ist, hat der Berufungswerber sein Verhalten als Verwaltungsübertretung zu verantworten.

 

5.3. Zur Straffestsetzung ist festzustellen, dass gemäß § 19 Abs.1 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen ist, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

 

Gemäß § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Nach der anzuwendenden Verwaltungsstrafbestimmung des § 99 Abs.3 lit.a StVO begeht, wer unter anderem als Lenker eines Fahrzeuges gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs.1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b, 2c, 2d, 2e oder 4 zu bestrafen ist, eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Wochen, zu bestrafen.

 

Von der Bundespolizeidirektion Wels wurde im angefochtenen Straferkenntnis für das gegenständliche Delikt (§ 18 Abs.1 StVO) eine Geldstrafe in der Höhe von 36 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 18 Stunden, festgesetzt. Strafmildernd wurde das Nichtvorliegen einschlägiger rechtskräftiger Verwaltungsvorstrafen, ein straferschwerender Umstand wurde nicht festgestellt.

 

Darüber hinaus wurden der Strafbemessung die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Berufungswerbers zu Grunde gelegt, wobei ein monatliches Einkommen in der Höhe von ca. 2.000 Euro, kein relevantes Vermögen und keine gewichtigen Sorgepflichten angenommen und berücksichtigt wurde. Diesen Werten hat der Berufungswerber nicht widersprochen, sodass von diesen angeführten Grundlagen auch durch den Unabhängigen Verwaltungssenat ausgegangen wird.

 

Das Nichteinhalten des gesetzlich gebotenen Sicherheitsabstandes gemäß § 18 Abs.1 StVO stellt kein Bagatelldelikt dar. Durch den zu geringen Abstand ist es oftmals nicht möglich, auf entsprechende Gefahrensituationen rechtzeitig zu reagieren, sodass es oft zu Verkehrsunfällen (Auffahrunfällen und in weiterer Folge Massenkarambolagen auf Autobahnen) mit gravierenden nachteiligen Folgen kommt. Es bedarf daher sowohl aus spezial- als auch generalpräventiven Überlegungen einer angemessenen Strafe, um sowohl den Berufungswerber selbst als auch die Allgemeinheit darauf hinzuweisen, dass die Einhaltung des Sicherheitsabstandes von wesentlicher Bedeutung ist.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat ist der Ansicht, dass die von der Bundespolizeidirektion Wels verhängte Geldstrafe in der Höhe von 36 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 18 Stunden) keinesfalls als überhöht, sondern eher als milde zu bezeichnen ist. Die Geldstrafe liegt an der Untergrenze des gesetzlichen Strafrahmens und beträgt lediglich 4,9 % der möglichen Höchststrafe
(726 Euro – § 99 Abs.3 lit.a StVO).
Eine Herabsetzung der Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe konnte nicht in Erwägung gezogen werden.

 

Es war folglich spruchgemäß (Spruchpunkt I.) zu entscheiden.

 

 

Zu II.:

 

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch (Spruchpunkt II.) angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden.

Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Dr. Michael  K e i n b e r g e r  

 

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