Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420657/6/SR/Sta

Linz, 11.02.2011

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Beschwerde des x, geboren am x, vertreten durch Rechtsanwalt x, x, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt am 1. November 2010 (Festnahme und Anhaltung in der Zeit 05.50 bis 06.08 Uhr) durch dem Bezirkshauptmann von Wels-Land zuzurechnende Polizeiorgane zu Recht erkannt:

 

 

Der Beschwerde wird mit der Maßgabe Folge gegeben als die Festnahme am 1. November 2010 um 05.50 Uhr und die weitere Anhaltung bis 06.08 Uhr für rechtswidrig erklärt werden.

 

 

 

Rechtsgrundlage:

Art 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG iVm § 67a Abs. 1 Z. 2 u § 67c AVG 1991; § 79a AVG 1991 iVm Aufwandersatzverordnung UVS, BGBl II Nr. 456/2008.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Mit dem am 6. Dezember 2010 vom Rechtsvertreter des Beschwerdeführers (im Folgenden: Bf) eingebrachten Schriftsatz vom 2. Dezember 2010 wurde Beschwerde wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Artikel 129a B-VG mit dem weiteren Hinweis auf § 67c AVG an den Oö. Verwaltungssenat erhoben und die Verletzung in verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechten (Schutz des Hausrechtes; Recht auf persönliche Freiheit; Recht auf körperliche Integrität) gerügt.

 

Zum Sachverhalt bringt der Rechtsvertreter vor, dass der Bf am 1. November 2010 mit Freunden eine Party gefeiert und Musik gehört habe. Gegen 05.45 Uhr habe die Polizei an die Terrassentür geklopft. Der Bf habe sofort die Musik abgedreht und die Tür geöffnet. Ohne seine Zustimmung hätten die Beamten das Wohnzimmer betreten und dieses trotz Aufforderung nicht verlassen. Obwohl die Identität des Bf festgestanden sei bzw. sich dieser zur Identitätsfeststellung bereit erklärt habe, sei der Bf aufgefordert worden, freiwillig auf den Posten mitzukommen. Für den Fall der Weigerung habe man ihm das Anlegen der Handschellen angedroht. Unmittelbar danach sei dem Bf die verletzte Hand mit einem Spezialgriff auf den Rücken gedreht worden. Dabei sei die Brille des Bf zu Boden gefallen. Die anwesenden Bekannten des Bf hätten die Beamten von der Verletzung des Bf in Kenntnis gesetzt. Aufgrund der Schmerzen sei der Bf wütend geworden und habe die Beamten beschimpft. In weiterer Folge seien dem Bf die Handschellen angelegt worden. Neben den angesprochenen Rechtsverletzungen hätten die einschreitenden Beamten auch die Richtlinien für das Einschreiten verletzt (Dienstnummer nicht ausgefolgt; weder Dienststelle bezeichnet noch Telefonnummer ausgehändigt; keine Information über die Möglichkeit einen Rechtsbeistand beizuziehen).

 

Abschließend stellt der Bf folgenden Antrag:

"Der Unabhängige Verwaltungssenat für Oberösterreich möge die Akte der unmittelbaren verwaltungsbehördlichen Befehls- und Zwangsgewalt der Beamten des Polizeipostens Lambach und zwar das unbefugte Eindringen in die Wohnung des Beschwerdeführers, die unbefugte Verhaftung und Abführung des Beschwerdeführers und die unbefugte Verletzung des Beschwerdeführers für rechtswidrig erklären."

 

Der Beschwerde legte der Rechtsvertreter einen Erstbefund des K W-G vom 3. November 2010, Aufnahmezahl 2010265543, bei.

 

2. Mit Schreiben vom 7. Dezember 2010 wurde die belangte Behörde zur Aktenvorlage aufgefordert und ihr freigestellt, eine Gegenschrift zu erstatten.

 

2.1. Die belangte Behörde hat ihre Verwaltungsakten vorgelegt und im Schriftsatz vom 13. Jänner 2011 auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

 

Zur vorliegenden Beschwerde führte die belangte Behörde aus, dass ihr am 4. November 2010 eine Anzeige nach dem SPG und dem Oö. Polizeistrafgesetz übermittelt worden sei. Die Anzeige beschreibe eine recht unstrukturierte Darstellung des Sachverhalts und formuliere zwei Tatzeiträume, wobei eine hundertprozentige Zuordnung aus der Anzeige nicht möglich sei. Die Anzeige beinhalte sowohl Elemente einer Privatanzeige als auch dienstlicher Wahrnehmungen. Nach dem Eintreffen der Polizeibeamten dürfte es zu einer Eskalation der Situation gekommen und der Bf unter Anwendung von Körperkraft um 5.50 Uhr festgenommen worden sein. Im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens seien die beiden Polizeibeamten befragt und insbesondere Bedacht auf die beschwerdebezogene Festnahme genommen worden. Zur Rechtmäßigkeit der Festnahme werde auf die Niederschriften vom 17. und 22. Dezember 2010 verwiesen. Nach Ausführungen, die sich nicht auf das gegenständliche Verfahren bezogen, hielt die belangte Behörde fest, dass sie im zeitlichen Umfeld nicht von der in Beschwerde gezogenen Maßnahme informiert worden sei.

 

3.1. Im Schreiben vom 28. Jänner 2011 hat der Rechtsvertreter die Beschwerde eingeschränkt und nur mehr den Antrag aufrecht erhalten, dass der Oö. Verwaltungssenat die Rechtswidrigkeit der Festnahme und folgenden Anhaltung feststellen möge.

 

3.2. Aufgrund der Aktenlage und der Beschwerdeschrift steht folgender Sachverhalt fest:

 

3.2.1. In der Anzeige der PI Lambach vom 1. November 2010,                        GZ 12507/1/2010/LEH, wurde der Bf verdächtigt, Verwaltungsübertretungen nach § 82 Abs. 1 SPG und § 3 Abs. 1 und 3 Oö. PolStG begangen zu haben.

 

Demnach habe er sich am 1. November 2010 um 5.50 bis 6.08 Uhr durch das "unten beschriebene Verhalten" trotz vorangegangener Abmahnung gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht, während dieses seine gesetzliche Aufgabe wahrnahm, aggressiv verhalten und dadurch eine Amtshandlung behindert. Weiters habe der Bf am 1. November 2010 um 4.50 bis 5.30 Uhr ungebührlicherweise störenden Lärm erregt. Der Lärm sei störend, ungebührlich und vermeidbar gewesen, habe gegen ein Verhalten verstoßen, wie es im Zusammenleben mit anderen verlangt werden müsse und jene Rücksichtnahme vermissen lassen, welche die Umwelt verlangen könne.

 

Unter Beweismittel hielt der Meldungsleger fest, dass "die Übertretung dienstlich wahrgenommen" worden sei.

 

Unter "weitere Beweismittel" führt der Meldungsleger aus, dass die Sektorstreife Lambach Sektor 2 aufgrund einer Anzeige wegen Lärmerregung um 05.23 Uhr zum Tatort beordert worden sei. Zum Zeitpunkt des Eintreffens um 05.35 Uhr habe es keinen Lärm gegeben. Während der Datenaufnahme beim Anzeiger sei erneut lauter Musiklärm aus dem Haus des Bf gekommen. Die beiden Polizeiorgane seien daher zum Haus des Bf gefahren und hätten in der Folge an die Terrassentür geklopft. Nachdem der Bf diese geöffnet hatte, hätten die beiden Beamten das Wohnzimmer betreten und den Bf ersucht, die Musik leiser zu drehen, da eine Anzeige wegen Lärmerregung vorliege. Im Wohnzimmer seien noch x, x und x anwesend gewesen. Trotz mehrmaliger Aufforderung sei der Bf "dem nicht nachgekommen" und habe die beiden Beamten immer wieder angeschrien und sie des Wohnzimmers verwiesen. Dabei habe sich der Bf verschiedener Schimpfwörter bedient, diese wiederholt und schlussendlich mit dem Behördenvertreter der belangten Behörde gedroht. "Diese Aussagen" habe der Bf damit bekräftigt, indem er mit wild gestikulierenden Armbewegungen in Richtung der Beamten gegangen sei. Der Bf sei daraufhin mehrmals abgemahnt und ihm im Falle der Beibehaltung seines Verhaltens die Festnahme angedroht worden. Die anwesenden Personen bzw. Freunde des Bf hätten versucht, den Bf zu beruhigen. Der Bf habe sich "kurzfristig beruhigt, jedoch sofort wieder zu toben angefangen". Zu diesem Zeitpunkt sei der Bf auf das aggressive Verhalten, die Strafbarkeit und die Anzeigeerstattung hingewiesen worden. Da der Bf trotzdem sein Verhalten nicht eingestellt, "weiterhin die Beamten beschimpft, gestikuliert und getobt" habe und trotz der "Androhung der Festnahme nicht mitgekommen" sei, sei ihm die Anwendung von Zwangsgewalt zur Durchführung der Festnahme mehrmals angedroht worden. Die Festnahme sei um 05.50 Uhr unter Anwendung von Körperkraft (Armwinkelsperre) erfolgt. Indem sich der Bf weiterhin heftig gewehrt habe, seien ihm die Handfesseln am Rücken angelegt worden. Nach Aufklärung seiner Rechte habe der Bf die Verständigung seiner Mutter verlangt. Diese habe "x" vorgenommen. Anschließend sei der Bf zur PI Lambach verbracht worden. Während der Fahrt habe der Bf sein Verhalten nicht eingestellt und die Beamten weiterhin beschimpft. Erst auf der PI habe sich der Bf beruhigt. Über sein Ersuchen seien ihm die Handfesseln abgenommen und die Festnahme um 06.08 Uhr aufgehoben worden. Zu diesem Zeitpunkt seien auch die Eltern des Bf auf der PI eingetroffen. Zum Vorfall wollte sich der Bf nicht äußern, er brachte jedoch vor, dass er aufgrund der Festnahme wieder Schmerzen in der rechten Hand verspüre; diese habe er sich vor kurzem gebrochen. Am rechten Handrücken sei darüber hinaus eine ca. 2 cm lange Abschürfung festgestellt werden. Eine Verständigung des Arztes habe der Bf abgelehnt. Die Eltern des Bf hätten vorgebracht, dass sie den Bf selbst in das Krankenhaus fahren würden.

Die im Wohnzimmer anwesenden drei Zeugen hätten keine Angaben gemacht und die beiden Privatanzeiger hätten ausgeführt, dass der Bf von 4.50 bis 5.30 Uhr ununterbrochen laut Musik gespielt habe.

 

3.2.2. Im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens zu den Zl. Pol96-94-2010 und Pol96-276-2010 wurden x, x, x und x nach Wahrheitserinnerung als Zeugen von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen.

 

3.2.2.1. Über Befragen führte x am 3. Dezember 2010 aus, dass weder sie noch die anderen Zeugen von der Polizei am Vorfallstag zum Ablauf der Amtshandlung befragt worden seien. Man habe von ihr lediglich einen Ausweis verlangt.

 

Am 1. November 2010 habe sie sich ab 02.00 Uhr im Haus des Bf aufgehalten. Gegen 05.00 Uhr seien der Bf und seine beiden Freunde nach Hause gekommen. Anschließend habe der Bf mittels Computer elektronische Musik gespielt. Dabei sei es üblich, dass man den Bass höre. Die Musik sei zwar laut gewesen, man habe sich aber unterhalten können. Gegen 05.45 Uhr habe sie bei laufender Musik ein Klopfen an der Terrassentür gehört. Sie habe den Bf ersucht, die Musik abzudrehen. Der Bf sei dem nachgekommen, habe sich zur Terrassentür begeben und der Polizei geöffnet. Zwei Polizeibeamte hätten das Wohnzimmer betreten und ein Polizist habe sinngemäß gesagt: "das ist ja nicht normal, wie laut die Musik da ist". Der Bf sei mit der Vorgangsweise der Polizeibeamten – Betreten des Wohnzimmers – nicht einverstanden gewesen und habe diese gebeten, das Wohnzimmer zu verlassen. Der Verbleib der beiden Polizisten habe zu einer lauten Diskussion zwischen diesen und dem Bf geführt, die vorerst noch ohne Beschimpfungen abgelaufen sei. Während der Diskussion habe der Bf den Polizisten gegenüber mit dem rechten Arm immer wieder in Richtung Tür gezeigt. Aufgrund der vorliegenden Anzeige hätten die Polizeibeamten den Bf aufgefordert, zur PI mitzukommen. Daraufhin habe der Bf gefragt, warum er wegen der Anzeige mit hinüber kommen solle. Außer der Anzeige hätten die Polizisten keinen Grund für das Mitkommen genannt. In der Folge habe ein Polizist die rechte, vor kurzem operierte Hand des Bf mit einem Polizeigriff ergriffen und diese auf den Rücken des Bf gedreht. Die Zeugin und die anwesenden Freunde hätten auf die Operation hingewiesen. Als der Polizist den Griff lockerte, habe der Bf sich zu befreien versucht und sei dabei gegen den Kamin und gegen die Wohnzimmertür geschubst worden. Im Anschluss daran habe der Bf die Polizisten – wie in der Anzeige formuliert – beschimpft. Sowohl sie als auch die Polizisten hätten versucht, den Bf zu beruhigen. Der Bf habe immer wieder gefragt, warum er mitkommen solle. Er habe sinngemäß die Antwort erhalten, dass er mitkommen müsse, wenn nicht freiwillig, dann mit Handschellen. Der Bf habe gesagt, dass er nicht mitkomme, da die Beamten seine Daten haben und sie ihm die Anzeige zuschicken sollten. Daraufhin seien ihm die Handschellen angelegt und er aus dem Wohnzimmer geführt worden. Auf Ersuchen des Bf habe sie seine Mutter angerufen und ihr die Situation geschildert. Die Eltern seien sofort mit dem Pkw gekommen und mit ihr auf die PI gefahren. Die Freunde x und x seien im Wohnzimmer geblieben.

 

3.2.2.2. Über Befragen führte x am 7. Dezember 2010 aus, dass er auf Verlangen der Polizei nur seinen Namen bekannt gegeben habe. Ein Ausweisdokument habe er nicht mitgehabt. Zum Hergang des Vorfalls seien weder er noch die anwesenden Freunde befragt worden.

 

Am 1. November 2010 um ca. 05.00 Uhr sei er mit dem Bf und mit x in die Wohnung des Bf gekommen. Die Freundin x sei bereits in der Wohnung gewesen. Der Bf habe seine über Computer gesteuerte Musikanlage eingeschaltet und elektronische Musik gespielt. Die Lautstärke sei so gewesen, dass sie sich noch unterhalten hätten können. Der Bass habe vibriert, ob er außerhalb des Wohnhauses noch hörbar gewesen ist, könne er nicht angeben. Um etwa 05.00 Uhr habe die Polizei an die Terrassentür des Wohnzimmers geklopft. Der Bf habe die Musikanlage abgedreht und die Tür geöffnet. Die beiden Polizeibeamten seien sofort hereingekommen und hätten dem Bf gesagt, dass es zu einer Anzeige gekommen sei, weil die Musik zu laut aufgedreht gewesen sei. Der Bf habe die Polizisten gebeten, das Wohnzimmer zu verlassen. Am Anfang hätten noch alle normal miteinander geredet. In der Folge habe sich der Bf nicht mehr so ausgedrückt, wie man sich ausdrücken solle und die Polizisten hätten das Wohnzimmer nicht verlassen. Daraufhin habe ein Polizist dem Bf die vor kurzem gebrochene Hand umgedreht und ihn informiert, dass er auf den Posten zur Anzeige mitkommen müsse. Von den Anwesenden seien die Polizisten über die gebrochene Hand informiert worden. Dem Ersuchen, dass das auch normal geregelt werden könne, sei nicht entsprochen worden. Der Bf habe mit den Polizeibeamten auf die PI Lambach mitfahren müssen. Im Laufe des Abends seien ein paar Bier getrunken worden. Nach der Abfahrt des Bf seien er und sein Freund nach Hause gegangen.

3.2.2.3. Über Befragen führte x am 17. Dezember 2010 aus, dass er und sein Kollege x am 1. November 2010 um 05.23 Uhr wegen einer Lärmerregung zum Tatort gerufen worden seien. Bei der Vorbeifahrt am Haus des Bf hätte bei geöffneten Autofenstern kein Lärm festgestellt werden können. Die Anzeiger hätten bereits bei ihrem Haus gewartet und angegeben, dass zwischen 04.50 Uhr und bis kurz vor dem Eintreffen laute Musik aus dem Haus des Bf gedrungen sei. Bei der Datenaufnahme sei plötzlich wieder laute Musik (Basstöne) aus dem Haus des Bf gekommen. Die Lautstärke der Musik sei geeignet gewesen, die Anzeiger zu stören. Ob die Musik auch im Haus der Anzeiger gehört werden hätte können, könne nicht gesagt werden. Der Lärm sei um ca. 05.40 Uhr in einer Entfernung von ca. 30 Meter vom Haus des Bf wahrgenommen worden. Aufgrund dessen seien sie zu dem Haus des Bf gefahren. Da der Lärm von einer Terrassentür gekommen sei, hätten sie sich dort hinbegeben und an die Glastür geklopft. Der Bf habe die Tür geöffnet und sie hätten sich in die Wohnung des Bf begeben. Der Grund des Einschreitens habe darin gelegen, dass die Daten aufgenommen, der Bf von der Anzeigeerstattung in Kenntnis gesetzt und zur Lärmerregung befragt werden sollte. Nach dem Klopfen sei die Musik ein wenig leiser gedreht worden. Die nunmehrige Lautstärke habe eine problemlose Unterhaltung ermöglicht. In der Wohnung sei der Bf informiert worden, dass er aufgrund der Privatanzeige und der eigenen dienstlichen Wahrnehmung angezeigt werde. "Dies" sei nicht das erste Mal und er habe sein Verhalten bezüglich der Lärmentwicklung einzustellen. Daraufhin habe der Bf sie in "lauterem" Ton beschimpft und aufgefordert, das Wohnzimmer zu verlassen. Auf den Hinweis, dass "dies so nicht gehe" und er sich beruhigen solle, habe der Bf mit dem Behördenvertreter der belangten Behörde gedroht und dienstrechtliche Konsequenzen in Aussicht gestellt. Dann habe der Bf begonnen, sie mit diversen Schimpfwörtern zu beschimpfen. Die Freunde hätten versucht den Bf zu beruhigen. Der Bf sei mehrmals (3-4 Mal) abgemahnt und ihm die Festnahme angedroht worden. Bei der verbalen Auseinandersetzung sei der Bf seinem Gesicht sehr nahe gekommen. Körperlich sei der Bf gegen ihn nicht vorgegangen, er habe aber ständig mit den Armen gestikuliert. Weil er sein aggressives Verhalten nicht eingestellt habe, hätte der Kollege eine Armwinkelsperre angewandt und in der Folge seien dem Bf die Handfesseln angelegt worden. Im Anschluss daran habe er den Bf von der Festnahme in Kenntnis gesetzt, ihm erklärt, dass er mit auf die Dienststelle fahren müsse und er das Recht habe, eine Vertrauensperson zu verständigen. x habe dann die Eltern verständigt. Im Wohnzimmer habe ihm der Bf oder einer seiner Freunde gesagt, dass sich der Bf vor kurzem die Hand gebrochen habe. Nach der Festnahme seien sie mit dem Bf zur Dienststelle gefahren. Auf dem Weg dorthin habe der Bf weiter geschimpft und sich auf den Behördenvertreter der belangten Behörde berufen. Der Bf sei auf die Dienststelle gebracht worden, um ihn bezüglich seines aggressiven Verhaltens einzuvernehmen. Auf der Dienststelle habe sich der Bf beruhigt und auf seinen Wunsch hin habe er dem Bf die Handschellen abgenommen. Angaben zum Vorfall habe der Bf verweigert. Bald nach Ankunft auf der Dienststelle seien die Eltern des Bf eingetroffen. Der Bf habe daraufhin selbst den Journalraum verlassen und sich mit seinen Freunden in die "Schleuse" begeben. Nach einer lautstarken Äußerung habe der Vater des Bf diesen deutlich zurechtgewiesen.

 

Abschließend machte x folgende Anmerkung:

"Zu folgender Passage in der Anzeige `.....und er trotz Androhung der Festnahme nicht mitkam´ gebe ich Folgendes an: Diese Passage ist schlecht formuliert, weil es nicht dem entspricht, was wir tatsächlich vorgehabt haben. Die Festnahme hat statt gefunden, weil Herr x sein aggressives Verhalten nicht eingestellt hat und ich ihn auf der Dienststelle vernommen habe. Auslöser für die Festnahme war § 82 Abs. 1 SPG, die Festnahme selbst erfolgte nach § 35 VStG.

 

3.2.2.4. Über Befragen führte x am 22. Dezember 2010 aus, dass er am 1. November 2010 gegen halb sechs über eine Lärmerregung in x informiert worden sei. Mit dem Kollegen x sei er dann zum dem Haus gefahren, wo die Lärmerregung vermutet wurde. Vom Auto aus, Fenster heruntergelassen, hätten sie keinen Lärm gehört. Die anschließend kontaktierten Anzeiger hätten vorgebracht, dass im Haus des Bf seit längerer Zeit die Musik sehr laut aufgedreht gewesen sei. Er sei daraufhin alleine in Richtung der behaupteten Lärmquelle gegangen. Nachdem er keinen Lärm habe wahrnehmen können, sei er wieder zur den Anzeigern zurückgegangen. Dort angekommen, habe er einen lauten Bass vom Haus des Bf vernommen. Der Lärm sei so stark gewesen, dass er sich zum Einschreiten veranlasst gesehen habe. Mit dem Kollegen sei er zum Haus des Bf gefahren. Im Nahbereich des Hauses habe man den Lärm noch deutlicher wahrnehmen können. x habe an die Balkontür geklopft. Die Musik sei jedoch erst leiser geworden, als er sich Richtung Haustür bewegte. Bei seiner Rückkehr zur Balkontür sei diese bereits offen gestanden und er habe mit x das Wohnzimmer betreten, um diesen zu sichern. Im Wohnzimmer hätten sich vier Personen befunden. Die Musik im Wohnzimmer sei so laut gewesen, dass man sich nicht gut verständigen habe können. Die Lautstärke sei aber nicht geeignet gewesen, nach außen eine Lärmerregung zu erzeugen. Zu Beginn der Amtshandlung sei die Musik leiser gedreht worden, so dass man sich unterhalten konnte. Er habe die Lautstärke aber als störend empfunden. Der Bf habe sie in nicht höflichem Ton und schreiend aufgefordert, das Wohnzimmer zu verlassen. Während der Anwesenheit im Wohnzimmer habe sie der Bf angeschrien, beschimpft und dabei gestikuliert, wobei sich die Ausdruckweise gesteigert habe. Der Bf habe sein Verhalten nicht eingestellt und er habe dieses als aggressiv empfunden. Auf die mehrmaligen Aufforderungen sein Verhalten einzustellen, habe der Bf mit diversen Beschimpfungen reagiert. Dabei habe der Bf auch zu verstehen gegeben, dass die ganze Aktion sinnlos sei, weil ihm nichts passieren werde. Dies sei nicht die erste Anzeige gegen ihn und er kenne den Behördenvertreter der belangten Behörde (sehr) gut. Der Bf sei daraufhin belehrt worden, dass er auf die Dienststelle mitkommen müsse, um den Sachverhalt zu klären. Er habe den Bf nicht gekannt, es sei aber klar ersichtlich gewesen, dass es sich bei ihm um den Hausherrn gehandelt habe. Eine Aufforderung, sich auszuweisen, sei an ihn ergangen. Ob x den Bf mit seinem Namen angesprochen habe, könne er nicht mehr sagen. Es sei ihm auch nicht bekannt, ob x den Bf persönlich gekannt hat. Die Freunde des Bf hätten versucht, positiv auf ihn einzuwirken. Die Bemühungen seien erfolglos verlaufen. x habe den Bf aufgefordert, sein aggressives Verhalten einzustellen. Aufgrund dieses Verhaltens sei ihm mehrmals die Festnahme angedroht worden. Die Lärmerregung sei zu diesem Zeitpunkt nicht mehr gegeben gewesen. Er habe den Eindruck, dass dem Bf nicht bewusst gewesen sei, was ihm hier angedroht wurde, da er sich nicht beruhigte. Das aggressive Verhalten habe sich "darin manifestiert, dass der Bf laut schimpfte, wild mit Armen und Händen gestikulierte und keinerlei Anzeichen setzte, dass er sich seiner Handlungsweise bewusst war". Um die Situation zu beruhigen, wandte x einen Armstreckhebel an. Er habe zu diesem Zeitpunkt noch immer die Befürchtung gehabt, dass es zu einem tätlichen Angriff kommen könnte. Gegen den polizeilichen Zugriff habe sich der Bf heftig gewehrt. Aufgrund der Gegenwehr habe er den Bf an der anderen Körperhälfte ergriffen und ebenfalls einen Armstreckhebel angewandt. Der Bf habe daraufhin geschrien, dass wir unsern Job an den Nagel hängen könnten. Im Zuge des Zugriffs habe x dem Bf die Handfesseln am Rücken angelegt und diese arretiert. Wann ihm die Festnahme mitgeteilt worden sei könne er nicht mehr angeben. x habe die Festnahme vorgenommen. Daher müsse die Verständigung von ihm erfolgt sein. Die Festnahme sei aufgrund des aggressiven Verhaltens des Bf erfolgt. Bei der Festnahme habe der Bf vorgebracht, dass ihm der Arm weh tue. Am Posten habe sich dann herausgestellt, dass der Bf vor kurzem einen Unfall mit dem Motorrad gehabt habe. Der Bf sei ihm nicht augenscheinlich alkoholisiert erschienen. Möglicherweise sei dieser aber beeinträchtigt gewesen. Im Wohnzimmer habe der Bf nach seiner Mutter verlangt. Die Kontaktaufnahme sei von einem seiner Freunde erfolgt. Nach der Festnahme sei der Bf zum Dienstwagen gebracht worden. Im Auto habe er zwar nicht mehr so wie im Haus geschrien, jedoch weitergeschimpft. Am Posten habe der Bf ebenfalls weitergeschimpft und sich dabei auf den Behördenvertreter der belangten Behörde bezogen. Nachdem sich der Bf am Posten etwas beruhigt hatte, seien ihm die Handfesseln – vermutlich vor dem Eintreffen der Eltern - abgenommen worden. Der Vater des Bf sei über den Sohn erbost gewesen und habe diesen, als dieser wieder lauter wurde, scharf zurechtgewiesen. Hinsichtlich der behaupteten Verletzung sei dem Bf angeboten worden, einen Arzt aufzusuchen. Das Angebot habe der Bf nicht angenommen.

 

3.3. Die getroffenen Tatsachenfeststellungen gründen sich auf die Angaben der einvernommenen Zeugen sowie auf die ausgewerteten Beweisurkunden.

 

Aufgrund der Anzeige vom 1. November 2010 ist unbestritten davon auszugehen, dass die beiden Polizeibeamten um 05.35 Uhr bei den Privatanzeigern eingetroffen sind. Knapp vor dem Eintreffen bei diesen und bis kurz nach Beginn der Aufnahme der Privatanzeige konnten die Polizeibeamten keine strafrechtlich relevante Lärmerregung durch den Bf wahrnehmen. Die einige Minuten danach auch außerhalb des Hauses des Bf hörbaren Basstöne haben die einschreitenden Beamten nicht als Lärm im Sinne des § 3 Oö. PolStG qualifiziert und daher diesen "Musiklärm" auch nicht zur Anzeige gebracht [siehe unter lit. a) Darstellung der Tat: Tatzeit um 04.50 bis um 05.30 Uhr]. Entgegen den Ausführungen in der Anzeige wurde die Lärmerregung im beschriebenen Tatzeitraum ausschließlich von den Privatanzeigern wahrgenommen und beruhen diese Angaben keinesfalls auf "dienstlicher Wahrnehmung" [siehe Anzeige unter lit. b) Beweismittel].

 

Hätte der Bf nach 05.35 Uhr einen strafrechtlich relevanten Lärm verursacht, ist davon auszugehen, dass die Polizeibeamten den Bf neuerlich zur Anzeige gebracht hätten.

 

Vergleicht man die Angaben des x, die den Beginn der Amtshandlung im Wohnzimmer schildern, in der Anzeige ("Weitere Beweismittel") vom 1. November 2010 und in der Niederschrift vom 17. Dezember 2010, so ist zu ersehen, dass diese deutliche Widersprüche aufweisen. Heißt es in der Anzeige noch, dass der Bf nach dem Betreten des Wohnzimmers der Aufforderung, die Musik leiser zu drehen, da gegen ihn eine Anzeige wegen Lärmerregung vorliege, nicht nachgekommen sei, bringt der Zeuge in der Niederschrift vor, dass bereits nach dem Klopfen die Musik ein wenig leiser gedreht worden sei und die Lautstärke ein problemloses Unterhalten ermöglicht habe. Im Hinblick auf die Aktenlage (Zeugenaussagen, keine weitere Anzeige wegen Lärmerregung aufgrund eigener dienstlicher Wahrnehmung, Klopfen wurde trotz der laufenden Musik sofort wahrgenommen) und das Vorbringen von x, dass die Musik bereits leiser geworden sei, als er sich Richtung Haustür bewegt habe, und zusätzlich zu Beginn der Amtshandlung noch weiter zurückgenommen worden sei, ist davon auszugehen, dass die Lautstärke der Musik eine ungestörte Unterhaltung ermöglicht hat. Daran ändert auch die Einschätzung des Zeugen x nichts, dass er die Musik als störend empfunden hat. Ob die Musik ganz abgeschaltet worden ist, wie x und x übereinstimmend ausgesagt haben, oder als "Hintergrundmusik" weitergelaufen ist, ist nicht entscheidungsrelevant.

 

Abstellend auf die Anzeige und die Aussagen der Zeugen, die unter Wahrheitspflicht gestanden sind, ist davon auszugehen, dass beim Betreten des Wohnzimmers der Bf weder einen strafrechtlich relevanten Lärm verursacht noch einen solchen zu vertreten hat.

 

Auch wenn die kurzfristig wahrnehmbaren Basstöne vordergründig Anlass zur Kontaktaufnahme gegeben haben sollten, ist unstrittig, dass die einschreitenden Beamten den Bf von der Privatanzeige in Kenntnis setzen wollten und deshalb das Wohnzimmers nach dem Öffnen der Terrassentür betreten haben. Allenfalls kann der Grund auch darin gelegen haben, dass sie den Verantwortlichen für die im Zeitraum 04.50 bis 5.30 Uhr erfolgte Lärmerregung eruieren wollten. Der Ablauf der Amtshandlung spricht aber dafür, dass für die Polizeibeamten nur der Bf als Täter in Frage gekommen ist, da dieser unmittelbar nach dem Betreten des Wohnzimmers von der Privatanzeige in Kenntnis gesetzt worden ist.

 

Widersprüchlich und nicht nachvollziehbar ist in diesem Zusammenhang, dass x dem Bf vorgehalten haben will, dass gegen ihn wegen der Lärmerregung auch "aufgrund eigener dienstlicher Wahrnehmung" Anzeige erstattet werde und er sein "Verhalten bezüglich der Lärmentwicklung einzustellen" habe. Wie bereits unstrittig festgestellt, lag zu diesem Zeitpunkt keine verwaltungsstrafrechtlich relevante Lärmerregung vor, welche vom Bf beendet werden hätte können und mangels Anwesenheit zur Tatzeit (Privatanzeige) konnte eine solche von den beiden Beamten dienstlich auch nicht wahrgenommen werden.

 

Sowohl aus der Anzeige als auch aus den Zeugenaussagen (x und x) ergibt sich übereinstimmend, dass die Polizeibeamten den Bf wegen der vorliegenden (Privat-)Anzeige auf der PI Lambach zum Sachverhalt befragen wollten und er deshalb mitkommen sollte (x in der Niederschrift vom 22. Dezember 2010: "Herr x wurde belehrt, dass er auf die Dienststelle mitkommen müsse, um den Sachverhalt zu klären"; x in der Niederschrift vom 3. Dezember 2010: "Wegen der vorliegenden Anzeige wurde Trost aufgefordert, zur Polizeiinspektion mitzukommen, woraufhin Trost gefragt hat, warum er wegen einer Anzeige mit hinüber kommen soll."). Dass die einschreitenden Polizeibeamten den "Sachverhalt" mit dem Bf auf der PI klären wollten, ist auch in der Anzeige dokumentiert (Seite 2 der Anzeige vom 1. November 2010: "trotz Androhung der Festnahme nicht mitkam wurde ihm die Anwendung von Zwangsgewalt zur Durchführung der Festnahme mehrmals angedroht."). Aufgrund der eindeutigen Faktenlage ist dem geänderten Vorbringen des x nicht zu folgen, wenn er nunmehr bei der Befragung am 17. Dezember 2010 die wiedergegebene Passage als "schlecht formuliert" bezeichnet, "weil diese nicht dem entspricht, was wir tatsächlich vorgehabt haben". Die versuchte "Richtigstellung" widerspricht darüber hinaus der Sichtweise seines Kollegen.

 

Auch die weiteren Ausführungen des x in der Niederschrift sind wenig glaubhaft, da sie in Widerspruch zur Anzeige und den zeitnahen Sachverhaltsschilderungen stehen. So war ursprünglich eine Einvernahme des Bf wegen seines aggressiven Verhaltens nicht beabsichtigt und wurde auch nicht vorgenommen (Anzeige und niederschriftlichen Angaben: "der Bf auf der PI – so wie bisher – keine Angaben zum Vorfall gemacht"; Niederschrift: ".... und ich ihn auf der Dienststelle vernommen habe.").

 

Ein wesentlicher Widerspruch ist auch darin zu erblicken, dass die Festnahme des Bf zeitgleich mit Beginn des ihm angelasteten Tatzeitraumes erfolgt ist. Demnach habe der Bf in der Zeit "05.50 bis 06.08 Uhr" das "unten beschriebene Verhalten trotz vorangegangener Abmahnung gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht, während dieses seine gesetzlichen Aufgaben wahrnahm", gesetzt, sich aggressiv verhalten und "dadurch eine Amtshandlung behindert. Würden diese Angaben zutreffen, dann hätte sich der Bf erst nach seiner Festnahme und nach dem Anlegen der Handfesseln tatbestandsmäßig verhalten. Dem widersprechen sogar die weiteren Ausführungen, wonach der Bf während der Fahrt zwar geschimpft aber nicht mehr wie im Haus geschrien habe.

 

Teilweise unbestritten ist, dass sich der Bf über weite Strecken der Amtshandlung nicht des üblichen Umgangstones bedient hat. Die Aussagen gehen auseinander, ab wann die Äußerungen des Bf das erträgliche Maß im zwischenmenschlichen Kontakt überschritten haben. Da die Unterhaltung bis zur Festnahme maximal Minuten dauern konnte, sind die verbalen Entgleisungen im Nahebereich der Festnahme anzusieden. Bestätigung findet diese Ansicht auch in den Aussagen der Zeugen, die eine Zunahme der Heftigkeit der Gesprächsführung wahrgenommen haben, als erkennbar war, dass die Polizeibeamten entgegen dem Willen des Bf in der Wohnung bleiben wollten und sich der Bf nachhaltig geweigert hatte, auf die PI zur Sachverhaltsfeststellung mitzukommen.

 

Unstrittig ist, dass der Bf nach Kenntnisnahme der Anzeigeerstattung die Beamten seiner Wohnung verwiesen hat und nachdem diese dem Begehren nicht nachgekommen sind, seinen Wunsch lautstark und unterstrichen durch deutliche Armbewegungen zum Ausdruck gebracht hat.

 

Im Gegensatz zum Anzeigeninhalt und den niederschriftlichen Ausführungen des x geht x davon aus, dass dem Bf nicht bewusst war, "was ihm hier angedroht wurde". Der letztgenannte Zeuge führt weiter aus, dass er keinerlei Anzeichen erkennen konnte, dass sich der Bf "seiner Handlungsweise bewusst sei." Den Aussagen des x und der weiteren Zeugen (ausgenommen x) ist zu entnehmen, dass der Bf nicht verstanden habe, dass ihm eine (weitere) Verwaltungsübertretung vorgeworfen werde und er sich aus diesem Grund auch keiner Abmahnung nach § 82 SPG (falls eine solche überhaupt stattgefunden hat) bewusst war. Die Wahrnehmungen der an der Amtshandlung nicht beteiligten Zeugen verstärken diese Annahme. So hat beispielsweise x ausgeführt, dass der Bf unmittelbar nach seiner Weigerung, wegen der (Privat-)Anzeige auf die PI mitzukommen, und der Frage, warum er mitkommen solle, mittels Polizeigriff gepackt worden ist. Bereits unmittelbar danach wurden dem Bf die Handfesseln angelegt.

 

Dass dem Bf auf der PI Lambach die Handfesseln abgenommen und dieser nach seiner Weigerung, eine Aussage zu machen, unverzüglich entlassen wurde, wird nicht bestritten.

 

4. In rechtlicher Hinsicht hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

 

4.1. Gemäß Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG iVm § 67a Abs. 1 Z 2 AVG erkennen die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten durch Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein (sog. Maßnahmenbeschwerde), ausgenommen Finanzstrafsachen des Bundes.

 

Die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt setzt nach der Judikatur der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts die unmittelbare Anwendung physischen Zwanges oder die Erteilung eines Befehles mit unverzüglichem Befolgungsanspruch voraus (vgl. VwGH 14.12.1993, 93/05/0191; VfSlg 11935/1988; VfSlg 10319/1985; VfSlg 9931/1984 und 9813/1983). Die bloße Untätigkeit einer Behörde erfüllt diesen Begriff nicht (vgl. VfSlg 9813/1983; VfSlg 9931/1984; VfSlg 10319/1985, VfSlg 11935/1988). Für die Ausübung von Zwangsgewalt ist ein positives Tun begriffsnotwendig (vgl. VwGH 25.4.1991, 91/06/0052; VwSlg 9461 A/1977; VfSlg 6993/1973; VfSlg 4696/1964). Dieses kann auch in einem schlüssigen Tun iSd § 863 ABGB bestehen (vgl Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1983, 74).

 

Voraussetzung für die Zulässigkeit einer sog. Maßnahmenbeschwerde ist daher, dass gegen den Beschwerdeführer physischer Zwang ausgeübt wurde oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehles droht (vgl. mwN Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Grundriss des österreichischen Bundesverfassungsrechts, 10. A, 2007, Rz 610).

 

Im Übrigen dient der subsidiäre Rechtsbehelf der Maßnahmenbeschwerde nur dem Zweck, Lücken im Rechtsschutzsystem zu schließen. Zweigleisigkeiten für die Verfolgung ein und desselben Rechts sollten mit der Maßnahmenbeschwerde nicht geschaffen werden. Was im Verwaltungsverfahren ausgetragen werden kann, ist daher kein zulässiger Gegenstand einer Maßnahmenbeschwerde (vgl. z.B. VwGH 18.3.1997, 96/04/0231; VwGH 17.4.1998, 98/04/0005). Das gilt auch dann, wenn das für die Rechtsdurchsetzung zur Verfügung stehende Verwaltungsverfahren allenfalls länger dauert (vgl. VwGH 15.6.1999, 99/05/0072, 0073, 0074 mwN). Demnach sind auch Zwangsmaßnahmen kein tauglicher Beschwerdegegenstand, wenn sie im Verwaltungsverfahren bekämpft werden können (vgl. VwGH 25.4.1991, 91/06/0052; VwSlg 9.461 A/1977 und VwSlg 9.439 A/1977).

 

Die gegenständliche Beschwerde gegen die ausgeübte verwaltungsbehördliche Befehls- und Zwangsgewalt durch die Festnahme am 1. November 2010 um 05.50 Uhr und die Anhaltung bis 06.08 Uhr ist daher zulässig.

 

Aufgrund der Einschränkung der Beschwerde war der Oö. Verwaltungssenat gehalten, sich ausschließlich mit dem vorliegenden Beschwerdepunkt auseinander zu setzten.

 

4.2.1. Nach Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seiner Wohnung. Das Recht auf Achtung der Wohnung schützt jenen Bereich, der den Lebensmittelpunkt einer Person bedeutet. Schutzgut des Grundrechts ist die Wohnung als persönlicher Entfaltungs- und Rückzugsraum. Jede staatliche Maßnahme, die diese Funktion signifikant beeinträchtigt, stellt einen Eingriff in das Grundrecht dar. Das Grundrecht schützt in seiner klassischen Dimension gegen unerwünschtes Eindringen und Verweilen in der Wohnung (siehe Wildhaber/Breitenmoser, Kommentierung von Art. 8, in: Golsong ua [Hrsg], Internationaler Kommentar zur Europäischen Menschenrechtskonvention, 2. Lfg 1992, Rz. 473). Ein Eingriff liegt nicht vor, wenn der Wohnungsinhaber die Beeinträchtigung aus freien Stücken gestattet.

 

Der Bf hat den Beamten deutlich zu verstehen gegeben, dass deren weitere Anwesenheit in seinem Haus nicht mehr erwünscht ist. Da diese seinem Ersuchen nicht nachgekommen sind, hat er mehrmals lautstark, unterstützt durch eindeutige Armbewegungen, die Beamten Richtung Terrassentür gewiesen.

 

Wie aus der Aktenlage zu ersehen ist, war den einschreitenden Beamten bewusst, dass der Bf ihren Aufenthalt im Haus nicht mehr geduldet hat.

 

4.2.2. Wer sich aus einer fremden Wohnung auf Verlangen des Berechtigten nicht entfernt begeht keinen Hausfriedensbruch (SSt 48/31). Auch wenn § 109 StGB nicht anwendbar ist, gibt das rechtwidrige Verweilen unerwünschter Besucher dem Berechtigten ein Recht auf Selbsthilfe. Der Berechtigte kann die unerwünschten Besucher mit angemessener Gewalt (§ 344 ABGB) selbst vor die Türe setzten (siehe Bertl in WK2 § 109 (2000) Rz 8f).

 

Der Bf hat überhaupt keine Gewalt angewendet und ausschließlich lautstark versucht, die Polizeibeamten zum Verlassen des Wohnzimmers zu bewegen. Um den verbalen Äußerungen mehr Bedeutung beizumessen, hat er diese durch teils heftige richtungsweisende Armbewegungen unterstrichen. Selbst x hat die Gestik des Bf nicht als Angriff gegen seine Person gedeutet (siehe Niederschrift vom 17. Dezember 2010: "Was x nicht gemacht hat, war, dass er körperlich gegen uns vorgegangen wäre").

 

4.3. Im vorliegenden Fall geht die Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt aus der Aktenlage eindeutig hervor.

 

Der Bf wurde am 1. November 2010 um 05.50 Uhr in x, x, festgenommen, ihm die Handfessel am Rücken angelegt, in weiterer Folge in die PI Lambach überstellt und um 06.08 Uhr ohne eine niederschriftliche Befragung durchzuführen formlos entlassen.

 

Die belangte Behörde wurde von der Festnahme und Anhaltung nicht in Kenntnis gesetzt.

 

4.3.1. Nach Art. 5 Abs. 1 EMRK hat jedermann ein Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf einem Menschen nur in den Fällen des Absatz 1 lit. a) bis f) und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden.

 

Art. 1 des BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit (PersFrSchG), BGBl Nr. 684/1988, gewährleistet dieses Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit) ebenfalls. Nach Art. 1 Abs. 2 PersFrSchG darf niemand aus anderen als den in diesem BVG genannten Gründen oder auf andere als die gesetzlich vorgeschriebene Weise festgenommen oder angehalten werden. Der Entzug der persönlichen Freiheit darf nach Art. 1 Abs. 3 PersFrSchG nur vorgesehen werden, wenn dies nach dem Zweck der Maßnahme notwendig ist. Er ist nur zulässig, wenn und soweit dies nicht zum Zweck der Maßnahme außer Verhältnis steht.

 

Die Freiheitsentziehung im Sinne des PersFrSchG und der EMRK umfasst sowohl die Verhaftung (Festnahme) als auch die Anhaltung. Die Verhaftung (Festnahme) ist ein einmaliges Ereignis, sozusagen der Eintritt einer Freiheitsbeschränkung, der vom Willensakt eines Organs (Menschen) getragen wird. Dagegen stellt die Anhaltung die Fortdauer, die Aufrechterhaltung des einmal eingetretenen Zustands der Festgenommenheit dar (vgl. Ermacora, Grundriss der Menschenrechte in Österreich [1988] Rz 364 ff). Auch dieses Verhalten eines Organs muss von dessen Willen getragen sein. Damit müssen jeweils zwei Elemente vorliegen, nämlich ein tatsächliches Verhalten und der Wille zur Freiheitsbeschränkung. Dieser Wille, durch den das bloße Verhalten erst zum normativen Akt - hier: zum Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt - wird, kann etwa dadurch ausdrücklich erklärt werden, dass jemand durch ein Organ "für verhaftet erklärt" wird. Andererseits kann ein Organverhalten auch dann eine Freiheitsentziehung bedeuten, wenn das Organ den Willen nicht ausdrücklich erklärt hat, dieser aber aus seinem Verhalten erschlossen werden muss.

 

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes kann von einem Eingriff in die persönliche Freiheit nur gesprochen werden, wenn der behördliche Wille primär auf eine Freiheitsbeschränkung gerichtet war, diese sich also nicht bloß als sekundäre Folge anderer Maßnahmen, mit denen Bewegungsbehinderungen verbunden sind, darstellt (vgl etwa VfSlg 5280/1966, 5570/1967, 8327/1978, 7298/1974, 12.017/1989, 12.792/1991). Im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Dezember 1998, B 1341/97, wurde in diesem Zusammenhang aber auch zum Ausdruck gebracht, dass eine nach Art und Umfang überschießende Amtshandlung eine einer Festnahme gleichkommende Beschränkung der persönlichen Freiheit darstellen kann.

 

4.3.2. Gemäß § 35 VStG dürfen die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes außer den gesetzlich besonders geregelten Fällen Personen, die auf frischer Tat betreten werden, zum Zwecke ihrer Vorführung vor die Behörde festnehmen, wenn

  1. der Betretene dem anhaltenden Organ unbekannt ist, sich nicht ausweist und seine Identität auch sonst nicht sofort feststellbar ist oder
  2. begründeter Verdacht besteht, dass er sich der Strafverfolgung zu entziehen suchen werde, oder
  3. der Betretene trotz Abmahnung in der Fortsetzung der strafbaren Handlung verharrt oder sie zu wiederholen sucht.

 

Nach § 36 Abs. 1 VStG ist jeder Festgenommene unverzüglich der nächsten sachlich zuständigen Behörde zu übergeben oder aber, wenn der Grund der Festnahme schon vorher wegfällt, freizulassen.

 

Gemäß § 82 Abs. 1 Sicherheitspolizeigesetz – SPG (BGBl. Nr. 566/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 98/2001) begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 218 Euro zu bestrafen, wer sich trotz vorausgegangener Abmahnung gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht oder gegenüber einer Militärstreife, während diese ihre gesetzlichen Aufgaben wahrnehmen, aggressiv verhält und dadurch eine Amtshandlung behindert.

 

4.4.1. Wie in der Beweiswürdigung dargestellt, hat zum Zeitpunkt, als die beiden Polizeibeamten das Wohnzimmer betraten, der Bf keinen ungebührlicherweise störenden Lärm erregt. Schon alleine aus dem Umstand, dass unmittelbar nach der Kontaktaufnahme der Bf von der Anzeigeerstattung in Kenntnis gesetzt worden ist, kann geschlossen werden, dass die Beamten wussten, mit wem sie es zu tun hatten und wer nach Ansicht der Privatanzeiger für die Lärmerregung die Verantwortung zu tragen hatte. Im vorliegenden Verfahren ist zu keinem Zeitpunkt hervorgekommen, dass die Identität des Bf in Frage stand bzw. sich dieser der Ausweisleistung entzogen hätte. Der Vorhalt der Beamten, dass der Bf in der Vergangenheit bereits mehrmals wegen Lärmerregung angezeigt worden ist, zeigt, dass die Identität des Bf als gesichert galt.

 

Im Hinblick darauf, dass zu diesem Zeitpunkt kein strafbares Verhalten des Bf (mehr) vorlag, seine Identität feststand und er von der Anzeigeerstattung in Kenntnis gesetzt worden war, kann der Weiterverbleib der Polizeibeamten im Haus des Bw nicht damit gerechtfertigt werden, dass die Amtshandlung noch nicht beendet war, weil der Bf keine Rechtfertigung zu den gegen ihn erhobenen Anschuldigungen abgeben wollte und deshalb auch nicht bereit war, auf die PI Lambach zur Sachverhaltfeststellung mitzukommen.

 

Die einschreitenden Polizeibeamten verkannten offenbar, dass der Bf weder gezwungen werden konnte, eine Rechtfertigung abzugeben, noch sich auf der PI Lambach einer niederschriftlichen Befragung zu unterziehen.

 

Selbst bei einer förmlichen Vernehmung kann der Beschuldigte gemäß § 33   Abs. 2 VStG nicht zur Beantwortung der an ihn gerichteten Fragen gezwungen werden. Das Recht des Beschuldigten zu schweigen und sich nicht selbst belasten zu müssen, wird auch aus Art. 6 Abs. 1 EMRK abgeleitet und steht damit sogar im Verfassungsrang (vgl. näher dazu Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention3 [2008] 367 f). Auch wenn sich der Bf nach Kenntnisnahme der Anzeigeerstattung unkooperativ verhalten hat, kann das zwar in einem Strafverfahren wegen einer Übertretung des Oö. PolStG gegen ihn sprechen, das Tatbild des § 82 Abs. 1 SPG erfülle er deswegen aber nicht. Die Verweigerung der Aussage kann in einem Rechtsstaat nicht als ungestümes oder aggressives Verhalten gewertet werden (siehe VwSen-231079/2/WEI/BA vom 31. Jänner 2011).

 

Ab der Weigerung des Bf, sich zu den Vorwürfen zu äußern bzw "freiwillig" auf die PI Lambach mitzukommen, waren die einschreitenden Beamten im vorliegenden Fall nicht mehr berechtigt, die Amtshandlung weiter auszudehnen.

 

4.4.2. Für die Beurteilung der in der Folge vorgenommenen Festnahme des Bf und seiner weiteren Anhaltung sind somit zwei Fallkonstellationen (die Amtshandlung war bereits abgeschlossen / die Amtshandlung war [inhaltlich] abgeschlossen und wurde rechtswidrigerweise fortgeführt) denkbar, die jedoch zum selben Ergebnis führen.

 

Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 VStG dürfen die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes Personen, die auf frischer Tat betreten werden, festnehmen.

 

Um ausreichenden Rechtschutz gewähren zu können, haben die einschreitenden Organe bereits in der Anzeige die Norm, aufgrund der die Festnahme erfolgte, anzuführen. In der vorliegenden Anzeige hat der einschreitende Polizeibeamte lediglich festgehalten, dass der Bf festgenommen worden ist. Erstmals in der Niederschrift vom 17. Dezember 2010 bezog sich der Polizeibeamte auf § 35 VStG. Auf welche Alternative des § 35 Abs. 1 VStG er die Festnahme gestützt hat, ist nicht erkennbar

 

4.4.2.1. Folgt man den "Ausführungen in der Anzeige", ist davon auszugehen, dass die Polizeibeamten den Bf festgenommen haben, weil er in der Fortsetzung der strafbaren Handlung (§ 82 Abs. 1 SPG) verharrt hat.

 

Das zentrale Tatbestandsmerkmal der Verwaltungsübertretung nach § 82 Abs. 1 SPG besteht in einem aggressiven Verhalten.

 

"Aggressiv" bedeutet so viel wie "angreifend" oder "angriffslustig". "Aggression" meint einen Überfall, einen Angriff oder feindseliges Verhalten. Unter aggressivem Verhalten ist ein sowohl in der Sprache als auch in der Bewegung der gebotenen Ruhe entbehrendes, mit ungewöhnlicher Heftigkeit verbundenes Verhalten anzusehen. Das Vertreten eines Rechtsstandpunktes, mag dies auch in entschiedener Weise geschehen, stellt eine angemessene Reaktion, nicht aber ein ungestümes Benehmen dar (vgl. Hauer/Keplinger, Kommentar zum Sicherheitspolizeigesetz3, A.5.1. f zu § 82).

 

Weiters ist unter einem aggressiven Verhalten ein solches zu verstehen, durch das die jedem Staatsbürger gegen das Einschreiten eines obrigkeitlichen Organs zuzubilligende Abwehr vermeintlichen Unrechts derart überschritten wird, dass diese Abwehr zufolge des Tones des Vorbringens, der zur Schau gestellten Gestik oder durch beides zusammen als "aggressives Verhalten" gewertet werden muss. Solches liegt etwa vor, bei "Gebrauch lautstarker Worte verbunden mit heftiger Gestik gegenüber einem Sicherheitswachebeamten". 

 

So kann unter aggressivem Verhalten auch ein "sowohl in der Sprache als auch in der Bewegung der gebotenen Ruhe entbehrendes, mit ungewöhnlicher Heftigkeit verbundenes Verhalten" angesehen werden. So gesehen reicht nach ständiger Rechtsprechung bereits allein das "Schreien mit einem Aufsichtsorgan" auch noch nach erfolgter Abmahnung zur Erfüllung des Tatbestandes aus (VwGH vom 20.12.1990, 90/10/0056; siehe auch Hauer/Keplinger, Kommentar zum Sicherheitspolizeigesetz3, Fn. 14 zu § 82  mit weiteren Verweisen). 

 

Da das Gesetz lediglich "aggressives Verhalten" verlangt, bedarf es keiner "besonderen" Aggressivität um den Tatbestand zu erfüllen. Das Tatbild der zitierten Verwaltungsvorschrift verlangt, ein "aggressives Verhalten" während der "Wahrnehmung gesetzlicher Aufgaben" durch das Aufsichtsorgen oder die Militärwache; zusätzlich die "Behinderung einer Amtshandlung". (vgl. Hauer/Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz3, zu § 82 SPG). Ein solches aggressives Verhalten liegt jedenfalls auch dann vor, wenn das Verhalten noch nicht als Anwendung von Gewalt oder als gefährliche Drohung (§ 269 des Strafgesetzbuchs [StGB] - Widerstand gegen die Staatsgewalt) zu qualifizieren ist.

 

Weiteres Tatbestandselement ist eine vorausgegangene Abmahnung. Abmahnung bedeutet so viel wie (Er-)Mahnung oder Zurechtweisung und besteht in der Aufforderung, ein Verhalten im Hinblick auf seine Gesetz- oder Ordnungswidrigkeit einzustellen, wobei die Aufforderung, ein bestimmtes Verhalten einzustellen, den Hinweis auf dessen Unzulässigkeit impliziert. Das Gesetz schreibt den Gebrauch bestimmter Worte für eine wirksame Abmahnung nicht vor, insbesondere muss sie nicht die Folgen weiteren Zuwiderhandelns zur Kenntnis bringen. Freilich muss dem Betroffenen die Abmahnung als solche erkennbar sein und bewusst werden.

 

4.4.2.2. Einleitend ist auf die Widersprüche in der Anzeige vom 1. November 2010 hinzuweisen, wonach der Bf die ihm vorgeworfene Tat erst in einem Zeitraum begangen haben soll, in dem er bereits festgenommen und gesichert (Handfesseln am Rücken) war (Tatzeit: 05.50 bis 06.08 Uhr; Festnahme um 05.50 Uhr). Würde man dieser Darstellung folgen, dann wäre der Bf bereits vor der Setzung der ersten Tathandlung festgenommen worden.

 

Bezieht man sich jedoch auf die weitergehenden Ausführungen in der Anzeige, so ist zu ersehen, dass x das als strafwürdig angenommene Verhalten des Bf kurz nach 05.40 Uhr wahrgenommen haben will.

 

Zu diesem Zeitpunkt hatten die einschreitenden Polizeibeamten die Amtshandlung zwar noch nicht förmlich beendet, es lag für sie aber kein erkennbarer Grund für einen Weiterverbleib im Haus des Bf vor. Der Bf war als Täter "ausgeforscht", ihm war die Privatanzeige zur Kenntnis gebracht worden und er hatte die Abgabe einer Rechtfertigung verweigert.

 

Die wiederholten Äußerungen des Bf, sich weder zu rechtfertigen noch auf die PI Lambach mitkommen zu wollen, die im Zuge der Unterredung an Lautstärke zunahmen und laut Ansicht der Zeugen in Beschimpfungen ausarteten, wurden von den Polizeibeamten als aggressiv gedeutet, zumal der Bf seine Worte auch durch heftige Gesten unterstrich.

 

Selbst wenn das Auftreten des Bf als aggressiv gewertet werden könnte, ist sein Verhalten nicht als Verwaltungsübertretung nach § 82 Abs. 1 SPG zu beurteilen.

 

Wie bereits ausgeführt, muss die Abmahnung dem Bf als solche erkennbar sein und ihm bewusst werden (siehe VwGH vom 26. Mai 1981, 79/2622). In diesem Zusammenhang hat GI X ausgeführt, dass er den Eindruck hatte, dass sich der Bf der Androhung (Abmahnung) nicht bewusst war. Dass die Abmahnung nicht unmissverständlich war, ergibt sich beispielsweise auch aus der Anzeige vom 1. November 2010. Demnach wurde dem Bf die Festnahme für den Fall der Weigerung auf die PI mitzukommen angedroht und nicht um ihn von der Fortsetzung des aggressiven Verhaltens abzuhalten. Im vorliegenden Fall kann daher von keiner gesetzeskonformen Abmahnung ausgegangen werden.

 

Darüber hinaus sind dem Vorlageakt nicht einmal ansatzweise "gesetzliche Aufgaben" erkennbar, die die einschreitenden Beamten durch ihren Weiterverbleib in der Wohnung wahrnehmen wollten. Bedingt dadurch, dass die Erhebungen im Umfeld der Privatanzeige abgeschlossen und keine weiteren Schritte zu setzen waren, kann nicht erkannt werden, welche Amtshandlung durch das "unbotmäßige Verhalten" des Bf behindert werden hätte können.

 

Im Ergebnis kann daher keine Rede davon sein, dass der Bf bei Begehung einer Verwaltungsübertretung gemäß § 82 Abs 1 SPG auf frischer Tat betreten worden ist. Eine solche Situation konnten die Polizeibeamten bei richtiger rechtlicher Beurteilung und sorgfältiger Würdigung der Umstände des Falles auch nicht vertretbar annehmen. Deshalb waren sowohl die Festnahme des Bf am 1. November 2010 um 05.50 Uhr in seinem Haus als auch seine weitere Anhaltung bis um 06.08 Uhr für rechtswidrig zu erklären.

 

5. Gemäß § 79a Abs 1 AVG hat die im Verfahren nach § 67c obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn der angefochtene Verwaltungsakt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß § 79a Abs 2 AVG der Bf die obsiegende und die belangte Behörde die unterlegene Partei. Wird die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen oder zurückgezogen, dann ist gemäß dem § 79a Abs 3 AVG die belangte Behörde die obsiegende Partei und der Bf die unterlegene Partei.

 

Nach § 79a Abs 4 AVG gelten als Aufwendungen gemäß Abs 1 neben Stempel- und Kommissionsgebühren sowie Barauslagen, für die der Bf aufzukommen hat, vor allem die durch Verordnung des Bundeskanzlers festgesetzten Pauschbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand. Gemäß § 79a Abs 6 AVG ist Aufwandersatz auf Antrag der Partei zu leisten. Von den Parteien wurden keine Aufwandersatzanträge gestellt.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Im gegenständlichen Verfahren sind Eingabe- und Beilagegebühren in Höhe von 16,80 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

Mag. Stierschneider

 

 

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