Linz, 10.01.2012
E r k e n n t n i s
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Wolfgang Weigl über die Berufung des X, geb. X, vertreten durch Rechtsanwalt X, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Steyr vom 23. Mai 2011, Zl. 1-1011528/FP/10, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 24. November 2011 zu Recht erkannt:
Der Berufung wird teilweise stattgegeben und der bekämpfte Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass die Dauer des Aufenthaltsverbotes mit 7 Jahren festgesetzt wird. Im Übrigen wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.
Se estima en parte la apelación y la decisión impugnada se confirma en la medida en que el tiempo de prohibición de residencia se fija en 7 años. Por lo demás, se desestima la apelación por considerarla infundada.
Rechtsgrundlagen/ Fundamento jurídico:
§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) iVm § 63 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 38/2011
Entscheidungsgründe:
Die Bundespolizeidirektion hat der Sicherheitsdirektion für Oberösterreich den Verfahrensakt zur Entscheidung übermittelt. Nachdem mit 1. Juli 2011 wesentliche Bestandteile des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2011 – FrÄG 2011, BGBl. I Nr. 38/2011, in Kraft getreten sind, hat die Sicherheitsdirektion für Oberösterreich dem Unabhängigen Verwaltungssenat den Akt zuständigkeitshalber übermittelt.
Der UVS hat am 24. November 2011 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt. Der rechtsanwaltliche Vertreter des Bw brachte darin vor: "Das Beweisverfahren hat eine sehr intensive Verfestigung in Österreich bzw. ein intensives Familienleben in Österreich ergeben. Aus diesem Grund wird unter Hinweis auf das Berufungsvorbringen beantragt, der Berufung stattzugeben und das bekämpfte Aufenthaltsverbot zu beheben."
Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 24. November 2011. Dabei wurden der Berufungswerber als Partei sowie X, X und X als Zeuginnen einvernommen.
Die Feststellungen zu den privaten bzw. familiären Verhältnissen des Berufungswerbers ergeben sich unstrittig aus dem Vorbringen der einvernommenen Zeugen sowie der Einvernahme des Berufungswerbers. Entscheidend ist, dass der Bw – anders als noch in seiner Stellungnahme vom 13. Oktober 2011 – letztlich einräumte, dass er mit X erst seit dem Sommer 2011 eine Beziehung führt. Es besteht kein gemeinsamer Haushalt. Der Berufungswerber ist nach der Entlassung aus der Haft wieder bei seiner Mutter eingezogen. Er leugnete in der mündlichen Verhandlung, die am 4. April 2011 vom Landesgericht Linz abgeurteilte Straftat begangen zu haben. Er verwies dabei auf einen Wiederaufnahmeantrag. Das Landesgericht Linz hat den Wiederaufnahmeantrag abgewiesen. Das OLG hat die dagegen erhobene Beschwerde abgewiesen. Für den Verwaltungssenat steht daher fest, dass der Berufungswerber die Tat auch tatsächlich begangen hat. Soweit er die Tat bestreitet, handelt es sich um eine bloße Schutzbehauptung. Es zeigt, dass der Bw seine Tat nach wie vor nicht einsieht.
Vorgelegt wurde der Beschluss des Landesgerichtes Linz, mit dem die Wiederaufnahme des Strafverfahrens abgewiesen wurde, sowie die dagegen erhobene Beschwerde. Diese beiden Dokumente wurden in Kopie als Beilage zur Niederschrift genommen.
Gemäß § 125 Abs. 16 FPG 2005 idF BGBl I 38/2011 (= idgF) sind vor dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I 38/2011 erlassene Aufenthaltsverbote gemäß § 60 FPG bis zum festgesetzten Zeitpunkt weiterhin gültig.
Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 31. Mai 2011, Zl. 2011/22/0097, ausgesprochen, dass es sich bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes (unabhängig von der innerstaatlichen Benennung des Rechtsinstituts) um eine Rückkehrentscheidung im Sinne des Art 3 Z 4 der Richtlinie 2008/115/EG vom 16. Dezember 2008, Abl. l. 348/98 (in der Folge: RückführungsRL) handelt. Aus diesem Erkenntnis folgt, dass durch die notwendige unmittelbare Anwendung der RückführungsRL der UVS als Rechtsmittelinstanz iSd Art 13 Abs. 1 der RückführungsRL berufen ist.
Der Berufungswerber ist mittlerweile wieder bei seiner Mutter, die nicht freizügigkeitsberechtigte österreichische Staatsbürgerin ist, eingezogen. Familienangehörige (§ 2 Abs.4 Z12) unterliegen gemäß § 65b FPG der Visumpflicht. Für sie gelten die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach den §§ 41a, 65a Abs.2, 66, 67 und 70 Abs. 3. Gemäß § 2 Abs.4 Z12 FPG ist Familienangehöriger, wer Drittstaatsangehöriger und Ehegatte oder minderjähriges lediges Kind, einschließlich Adoptiv- oder Stiefkind ist (Kernfamilie). Da der Berufungswerber bereits großjährig ist, ist er nicht Familienangehöriger im Sinn dieser gesetzlichen Bestimmung. Gemäß § 65b FPG kommt die Bestimmung des § 67 Abs.1 FPG nicht zur Anwendung.
Der Berufungswerber verfügt über einen Niederlassungsnachweis. Der erteilte "Niederlassungsnachweis" gilt gemäß § 11 Abs.1 der Niederlassungs- und Aufenthaltsgestz-Durchführungsverordnung (NAG-DV) als "Daueraufenthalt – EG". Der Berufungswerber hält sich aufgrund dieses Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet auf. In seinem Fall ist die Bestimmung des § 63 FPG (Aufenthaltsverbot für Drittstaatsangehörige mit Aufenthaltstitel) maßgeblich.
Gemäß § 63 Abs. 1 FPG 2005 idgF kann gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt
- die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder
- anderen in Art 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.
Bestimmte Tatsachen im Sinne des § 63 Abs. 1 FPG 2005 idgF sind insbesondere jene des § 53 Abs. 2 Z 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 und Abs. 3. § 53 Abs. 5 und 6 gelten.
Ein Aufenthaltsverbot ist gemäß § 63 Abs. 3 iVm Abs. 1 FPG 2005 idgF in den Fällen des § 53 Abs. 2 Z 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 FPG 2005 idgF für die Dauer von mindestens 18 Monaten, höchstens jedoch für 5 Jahre, in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 1 bis 4 FPG 2005 idgF für höchstens zehn Jahre und in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 5 bis 8 FPG 2005 idgF auch unbefristet zu erlassen. Die Frist beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.
Gemäß § 53 Abs. 2 FPG 2005 idgF ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von mindestens 18 Monaten, höchstens jedoch für fünf Jahre zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat die Behörde das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, ob der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige
- wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, iVm § 26 Abs. 3 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997, gemäß § 99 Abs. 1, 1 a, 1 b oder 2 StVO, gemäß § 37 Abs. 3 oder 4 FSG, gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl. Nr. 194, in Bezug auf ein bewilligungspflichtiges, gebundenes Gewerbe, gemäß den §§ 81 oder 82 des SPG, gemäß den §§ 9 oder 14 iVm § 19 des Versammlungsgesetzes 1953, BGBl. Nr. 98, oder wegen einer Übertretung des Grenzkontrollgesetzes, des Meldegesetzes, des Gefahrengutbeförderungs-gesetzes oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist;
- wegen einer Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von mindestens 1 000 Euro oder primären Freiheitsstrafe rechtskräftig bestraft wurde;
- wegen einer Übertretung dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist, sofern es sich dabei nicht um eine in Abs. 3 genannte Übertretung handelt;
- wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen oder wegen vorsätzlich begangener Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften rechtskräftig bestraft worden ist;
- wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, rechtskräftig bestraft worden ist;
- den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag, es sei denn, er ist rechtmäßig zur Arbeitsaufnahme eingereist und innerhalb des letzten Jahres im Bundesgebiet mehr als sechs Monate einer erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen;
- bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige hätte nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der der Drittstaatsangehörige betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen;
- eine Ehe geschlossen oder eine eingetragene Partnerschaft begründet hat und sich für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, zwecks Zugangs zum heimischen Arbeitsmarkt oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen, aber mit dem Ehegatten oder eingetragenen Partner ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geführt hat oder
- an Kindes statt angenommen wurde und die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, der Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, der Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt oder die Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausschließlicher oder vorwiegender Grund für die Annahme an Kindes statt war, er jedoch das Gericht über die wahren Verhältnisse zu den Wahleltern getäuscht hat.
Gemäß § 53 Abs. 3 FPG 2005 idgF ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn
- ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;
- ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht wegen einer innerhalb von drei Monaten nach der Einreise begangenen Vorsatztat rechtskräftig verurteilt worden ist;
- ein Drittstaatsangehöriger wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden ist;
- ein Drittstaatsangehöriger wegen einer Wiederholungstat oder einer gerichtlich strafbaren Handlung im Sinne dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft oder verurteilt worden ist;
- ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;
- auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);
- auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder
- ein Drittstaatsangehöriger öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.
Er wurde vom Landesgericht Linz wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs.1 5. Fall, Abs.2 Z3 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt, wobei ein Teil der verhängten Freiheitsstrafe im Ausmaß von 12 Monaten bedingt für eine Probezeit von 3 Jahren nachgesehen wurde. Es ist daher der Tatbestand für ein höchstens 10-jähriges Aufenthaltsverbot nach § 63 Abs.3 iVm § 53 Abs.3 Z1 FPG erfüllt.
Der Bw räumt ein, er sei nicht von Klein auf im Inland aufgewachsen. Er argumentiert, aus ihm unbekannten Gründen sei im Jahr 2003 die Staatsbürgerschaft nicht auf ihn erstreckt worden. Dies ergibt sich aber schon daraus, dass er zum Zeitpunkt als seiner Mutter die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen wurde, noch gar nicht in Österreich aufhältig war.
Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich aufgrund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, darf gemäß § 64 Abs 1 Z 1 FPG eine Ausweisung gemäß § 62 und ein Aufenthaltsverbot gemäß § 63 nicht erlassen werden, wenn ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs.1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StBG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können.
Der maßgebliche Zeitpunkt liegt in der Verwirklichung des ersten der von der Behörde zulässigerweise zur Begründung des Aufenthaltsverbotes herangezogenen Umstände, das sind vorliegend die dem Aufenthaltsverbot zu Grunde liegenden Straftaten (vgl VwGH vom 22. Juli 2011, GZ 2009/22/0179).
Die strafbaren Handlungen begannen im Jänner 2008. Da der Berufungswerber erst am 31. Dezember 2003 einreiste, ist diese 10-jährige Frist eindeutig nicht erfüllt. § 64 Abs.1 Z1 iVm § 10 Abs.1 Z1 Staatsbürgerschaftsgesetz stehen daher der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht entgegen.
Drittstaatsangehörige, die vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen waren und über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt – EG" oder "Daueraufenthalt – Familienangehöriger" verfügen, dürfen gemäß § 64 Abs.4 FPG nur mehr ausgewiesen werden, wenn ihr weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.
§ 64 Abs 4 FPG gilt dem Wortlaut zufolge nur für Ausweisungen (§ 62). Aus systematischen Gründen ist die Bestimmung aber jedenfalls auch im Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zu beachten.
Als schwere Gefahr iSd Abs.4 hat gemäß § 64 Abs.5 FPG insbesondere zu gelten, wenn ein Drittstaatsangehöriger von einem inländischen Gericht
- wegen eines Verbrechens oder wegen Schlepperei, entgeltlicher Beihilfe zum unbefugten Aufenthalt, Eingehens oder Vermittlung von Aufenthaltsehen oder Aufenthaltspartnerschaften, wegen einer Aufenthaltsadoption oder der Vermittlung einer Aufenthaltsadoption, wegen eines mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten Vergehens nach dem SMG oder nach einem Tatbestand des 16. oder 20. Abschnitts des besonderen Teils des StGB oder
- wegen einer Vorsatztat, die auf der selben schädlichen Neigung (§ 71 StGB) beruht, wie eine andere von ihnen begangene strafbare Handlung, deren Verurteilung noch nicht getilgt ist, zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als 6 Monaten
rechtskräftig verurteilt worden ist. § 73 StGB gilt.
Wurde der Fremde wegen eines Verbrechens verurteilt, so sind die auf den Fremden allenfalls anzulegenden – gegenüber § 63 FPG strengeren – Voraussetzungen des Gefährdungsmaßstabes nach § 64 Abs.4 FPG erfüllt (vgl. VwGH vom 3. November 2010, 2009/18/0405). Der Bw wurde wegen eines Verbrechens nach dem SMG verurteilt. Die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes iSd § 64 Abs.4 und 5 FPG sowie § 63 Abs.3 und § 53 Abs.3 Z1 FPG sind erfüllt.
Wird durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist gemäß § 61 Abs. 1 FPG 2005 idgF die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Gemäß § 61 Abs. 2 FPG 2005 idgF ist bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:
- die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war;
- das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;
- die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;
- der Grad der Integration;
- die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;
- die strafgerichtliche Unbescholtenheit;
- Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;
- die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;
- die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
Der Berufungswerber hat mit 19. Dezember 2011 einen Hauptwohnsitz an der Adresse X begründet. Dort leben seine Mutter, sein Stiefvater und seine beiden Schwestern. Es steht zweifelsohne fest, dass sich der Berufungswerber seiner Familie sehr verbunden fühlt. Das Aufenthaltsverbot würde zur Trennung von seinen Angehörigen führen und stellt damit einen schweren Eingriff in das Privat- und Familienleben des Berufungswerbers dar.
Dieser Eingriff wird dadurch relativiert, dass der Berufungswerber von 1. April 2011 bis zum Antritt der Strafhaft im August 2011 eine gesonderte Unterkunft hatte. Er ist volljährig und arbeitsfähig. Dies wird durch die – wenn auch durch lange Zeiten der Arbeitslosigkeit unterbrochenen – Beschäftigungsverhältnisse bestätigt. Er versucht seit seiner Entlassung am X erneut Arbeit zu finden.
Zur beruflichen Integration ist festzuhalten, dass es dem Bw noch nicht gelungen ist nachhaltig am österreichischen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Dies ist zweifelsohne auch darauf zurückzuführen, dass der Bw erst 22 Jahre alt ist. Erst seit dem 3. September 2010, als ihn der Verein für X zur Sozialversicherung anmeldete, sind sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse, die nicht bloß kurzfristig andauerten, nachgewiesen.
Der Bw ist in der Musikszene aktiv. Die sich aus der Dauer seines rechtmäßigen Aufenthaltes (seit dem 31. Dezember 2003) ergebende Integration wird jedoch durch das vom Landesgericht Linz am 4. April 2011 abgeurteilte Verbrechen nach dem SMG entscheidend gemindert (vgl VwGH vom 8. Juni 2010, GZ 2008/18/0758).
Der Berufungswerber verbrachte den größten Teil seines Lebens in der Dominikanischen Republik. Er spricht nach wie vor perfekt spanisch. In der Dominikanischen Republik leben seine Großeltern, bei denen er auch aufgewachsen ist. Es bestehen daher durchaus relevante Bindungen zum Heimatstaat iSd § 61 Abs 2 Z 5 FPG. Dort leben auch weitschichtige Verwandte, zu denen allerdings kein Kontakt besteht.
Bei der im fremdenpolizeilichen Verfahren durchzuführenden Gefährdungsprognose fällt die Uneinsichtigkeit des Berufungswerbers entscheidend ins Gewicht. Auch wenn die strafbaren Handlungen am 21. September 2008 beendet waren, ändert dies nichts daran, dass unter dem Blickwinkel des hier maßgeblichen Fremdenrechts ein allfälliger Gesinnungswandel eines Straftäters in erster Linie daran zu messen ist, innerhalb welchen Zeitraumes er sich nach der Entlassung aus der Strafhaft in Freiheit wohl verhalten hat (vgl. VwGH vom 19. Mai 2011, GZ: 2008/21/0486). Der Bw wurde am 9. Dezember 2011 aus der Strafhaft entlassen. Die seither vergangene Zeit ist noch nicht ausreichend, um eine nachhaltige Besserung des Berufungswerbers annehmen zu können. Dabei ist insbesondere auf die hohe Wiederholungsgefahr bei Suchtmitteldelikten hinzuweisen. Es ist zu befürchten, dass der Berufungswerber rückfällig wird und neuerlich Verbrechen nach dem Suchtmittelgesetz begehen wird. Im Sinne des öffentlichen Interesses an der Verhinderung von Straftaten (vgl. Artikel 8 Abs.2 EMRK) ist daher die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes dringend geboten.
Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ist auch seinem minderjährigen Sohn X zumutbar. Letzterer lebt in Familiengemeinschaft mit der Kindesmutter X, der auch die Obsorgeberechtigung zukommt. Die Kindesmutter vermittelte in der mündlichen Verhandlung den Eindruck, dass sie der Erziehung des minderjährigen X ohne weiteres gewachsen ist. Sie hat konkrete Pläne für die Zukunftsgestaltung. Sie will wieder arbeiten gehen. So ist der minderjährige X bereits in einer Krabbelstube angemeldet. Für die Zeit nach der Karenz ist X bereits in einem Kindergarten angemeldet Unstrittig ist, dass der Berufungswerber sich seinem Sohn emotional verbunden fühlt. X verwies darauf, dass der Bw nach der Geburt seinen Sohn regelmäßig gesehen habe. Er habe am Wochenende eigentlich immer bei ihr übernachtet. Der Bw bezahlte bis zum Antritt der Strafhaft aber lediglich 200 Euro an Unterhaltsleistungen. Zudem führte er zu keinem Zeitpunkt mit der Kindesmutter bzw. dem gemeinsamen Sohn einen gemeinsamen Haushalt. Es ist nicht ersichtlich, dass durch die Ausreise des Bw das Kindeswohl gefährdet wäre.
Im öffentlichen Interesse an der Verhinderung von Straftaten hat der Berufungswerber auch die Trennung von seiner derzeitigen Freundin X hinzunehmen. Abgesehen davon, dass er mit dieser erst seit dem Sommer 2011 wieder eine Beziehung führt, ist das rechtliche Interesse an der Fortsetzung dieser Beziehung auch deshalb zu relativieren, weil kein gemeinsamer Haushalt besteht.
Bei der Bemessung des Aufenthaltsverbotes sind vor allem zwei Umstände zu beachten, einerseits, bis zu welchem Zeitpunkt bei weiterem Wohlverhalten eine nachhaltige Besserung des Bw angenommen werden kann. Zum anderen, wie lange dem Bw bzw. seiner Familie eine Trennung zumutbar ist (vgl. VwGH vom 30.08.2011, 2008/21/0576).
Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt ist die von der belangten Behörde vorgeschriebene Dauer von 10 Jahren zu lange. Im vorliegenden Fall ist bei einer Gesamtwertung ein 7-jähriges Aufenthaltsverbot angemessen.
Aus diesem Grund war spruchgemäß zu entscheiden.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.
2. Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren sind Stempelgebühren für die Berufung und die ergänzenden Eingaben samt Beilagen idH von 97,50 Euro (3 Schriftsätze zu je 14,30 Euro sowie 2 Beilagen zu je 7,8 Euro, je 1 Beilage zu 11,70 Euro und 19,50 Euro und 2 Beilagen zu 3,90 Euro) angefallen.
Información sobre los posibles recursos:
Contra la presente decisión no cabe recurso ordinario alguno.
Advertencia:
La presente decisión puede ser impugnada con una denuncia ante el Tribunal Constitucional y/o el Tribunal Administrativo dentro del plazo de seis semanas a partir de su notificación; tal denuncia se tiene que presentar por una abogada apoderada o un abogado apoderado – salvo las excepciones contempladas por la ley. Para cada una de estas denuncias se tiene que pagar una tasa de 220 euros para su presentación.
Mag. Wolfgang Weigl
Beachte:
Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.
VwGH vom 28. August 2012, Zl.: 2012/21/0027-7