Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-166543/2/Zo/Rei

Linz, 09.01.2012

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Zöbl über die Berufung der Frau M E, geb. x, L vom 14.12.2011 gegen das Straferkenntnis des Polizeidirektors von Linz vom 30.11.2011,

Zl. S-47223/11 wegen einer Übertretung der StVO zu Recht erkannt:

 

 

I.              Der Berufung wird stattgegeben und das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben.

 

II.           Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51e und 45 Abs. 1 VStG

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

 

1. Die Bundespolizeidirektion Linz hat der Berufungswerberin im angefochtenen Straferkenntnis vorgeworfen, dass sie sich am 01.10.2011 um 21.45 Uhr in Linz, Obere Donaulände, unmittelbar nach der Einmündung der Abfahrt Nibelungenbrücke im Einsatzfahrzeug der Verkehrsinspektion geweigert habe, sich der Untersuchung ihrer Atemluft auf Alkoholgehalt zu unterziehen, obwohl sie von einem besonders geschulten und hiezu von der Behörde ermächtigten Organ der Straßenaufsicht dazu aufgefordert wurde, weil der Verdacht bestand, dass ihr Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang stand (sie sei durch ein vorbeifahrendes Fahrzeug verletzt worden).

 

2. In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung führte die Berufungswerberin aus, dass sie von der Aufforderung zum Alkotest völlig überrascht gewesen sei. Sie habe sich an der Unfallstelle völlig richtig verhalten und habe daher nicht eingesehen, dass sie einen Alkotest hätte machen sollen. Sie sei auch sicherlich nicht alkoholisiert gewesen. Weiters beantragte sie die Beistellung eines Verfahrenshilfeverteidigers.  

 

3. Die Bundespolizeidirektion von Linz hat den Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen. Es ergibt sich daher die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates, wobei dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt. Bereits aus diesem ergibt sich, dass das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben ist, weshalb ein öffentliche mündliche Berufungsverhandlung nicht erforderlich war.

 

Auch die Beigabe eines Verfahrenshilfeverteidigers erübrigt sich dadurch.

 

4.1. Folgender Sachverhalt steht fest:

 

Die Berufungswerberin führte am 01.10.2011 um ca. 21.35 Uhr in Linz auf der Oberen Donaulände unmittelbar nach der Einmündung der Abfahrt Nibelungenbrücke im Zusammenhang mit einer Baustelle Verkehrsregelungen durch. Dabei hielt sie den stadteinwärts fahrenden Verkehr an, wobei die Fahrzeuge in weiterer Folge nur auf einem Fahrstreifen weiterfahren konnten. Die Berufungswerberin stand auf der Fahrbahn zwischen den beiden Fahrstreifen und gab den Verkehr jeweils nur für einen Fahrstreifen frei, sodass sich die Fahrzeuglenker entsprechend einordnen mussten (Reißverschlusssystem). Dabei kam es zu einer Meinungsverschiedenheit mit dem Lenker des Klein-LKW mit dem Kennzeichnen x, Herrn K R, weil dieser der Meinung war, dass er ohnedies bereits genug Fahrzeuge vor sich habe einreihen lassen. Er wollte daher vor dem auf dem linken Fahrstreifen fahrenden Fahrzeug weiterfahren.

 

Als die Berufungswerberin den Verkehr wieder freigab fuhr Herr R daher mit seinem Klein-LKW auf dem rechten Fahrstreifen hinter der Berufungswerberin vorbei, wobei er diese nach deren Angaben mit dem Außenspiegel im Bereich des Oberarms bzw. des Ellbogens streifte. Die Berufungswerberin kam dadurch nicht zu Sturz, gab aber an, leichte Schmerzen zu verspüren. Sie verständigte daraufhin die Polizei, von welcher der Vorfall aufgrund der behaupteten leichten Schmerzen als Verkehrsunfall eingeschätzt  und entsprechende Erhebungen getätigt wurden. Im Zuge dieser Unfallaufnahme wurde die Berufungswerberin von einem Polizeibeamten zum Alkotest aufgefordert, wobei sie darauf hingewiesen wurde, dass sie wegen der Beteiligung an einem Verkehrsunfall auch als Fußgängerin zu diesem verpflichtet ist. Die Berufungswerberin verweigerte jedoch den Alkotest.

 

5. Darüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in rechtlicher Hinsicht Folgendes erwogen:

 

5.1. Gemäß § 5 Abs.2 StVO sind die Organe des amtsärztlichen Dienstes oder besonders geschulte und von der Behörde hiezu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht berechtigt, jederzeit die Atemluft von Personen, die ein Fahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder zu lenken oder in Betrieb zu nehmen versuchen, auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Sie sind außerdem berechtigt, die Atemluft von Personen

1. die verdächtig sind, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug gelenkt zu haben, oder

2. bei denen der Verdacht besteht, dass ihr Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht,

auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Wer zu einer Untersuchung der Atemluft aufgefordert wird, hat sich dieser zu unterziehen.

 

5.2. Der gegenständliche Vorfall wurde von den erhebenden Polizeibeamten als Verkehrsunfall eingeschätzt, dies offenbar deswegen, weil die Berufungswerberin selbst angab, leichte Schmerzen im Oberarm zu verspüren. Offensichtliche Verletzungen lagen nicht vor und die weiteren Erhebungen ergaben, dass es auch zu keinem Sachschaden (auch nicht am beteiligten Fahrzeug) gekommen ist.

 

Im vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen, dass die Verpflichtung der Berufungswerberin als Fußgängerin zur Durchführung eines Alkotests nur dann besteht, wenn ihr Verhalten mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht. Ansonsten sind Fußgänger nicht zur Durchführung eines Alkotests verpflichtet. Als Verkehrsunfall ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes jedes mit dem Straßenverkehr in ursächlichem Zusammenhang stehende Ereignis anzusehen, bei welchem Personen verletzt oder Sachen beschädigt werden. Da im gegenständlichen Fall keine Sachbeschädigung vorliegt, ist zu beurteilen, ob die Berufungswerberin überhaupt verletzt wurde. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Herr R mit seinem Fahrzeug aus dem Stand weggefahren ist und bis zum Zusammenstoß seines Außenspiegels mit dem Oberarm der Berufungswerberin nur wenige Meter gefahren ist. Daraus ergibt sich zwangsläufig, dass er nur eine ganz geringe Geschwindigkeit eingehalten hatte. Die Berufungswerberin behauptet, nach diesem Zusammenstoß leichte Schmerzen im rechten Arm verspürt zu haben. Sie wollte jedoch weiterhin ihren Dienst versehen und fühlte sich daher offenbar arbeitsfähig. Auch in weiterer Folge hat sie keinen Arzt aufgesucht und es kam auch zu keinen offensichtlichen Verletzungen.

 

Nicht alle kurzfristigen geringfügigen Schmerzen sind rechtlich automatisch als Verletzung einzustufen. Dies ergibt sich einerseits aus der Einschätzung der Strafgerichte, wonach z.B. eine ansonsten folgenlose Ohrfeige lediglich als Ehrenbeleidigung, nicht aber als Körperverletzung zu werten ist und andererseits aus der allgemeinen Überlegung, dass nicht jede kurzfristige und geringe Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens eine Verletzung, also eine Beeinträchtigung der körperlichen Integrität, darstellt. Die Berufungswerberin hat aktenkundig nicht einmal einen blauen Fleck oder eine sonstige sichtbare Verletzung erlitten und auch die Schmerzen dürften nur sehr gering und kurzzeitig aufgetreten sein, weil sie keinerlei medizinische Behandlung in Anspruch nahm. Zusammengefasst ist der gegenständliche Vorfall nicht als Verkehrsunfall im Sinne des § 4 StVO anzusehen.

 

Zum Zeitpunkt der Erhebungen durch die Polizei stellte sich die Situation naturgemäß anders da, weil zu diesem Zeitpunkt das (geringe) Ausmaß der Beeinträchtigung der Berufungswerberin nicht erkennbar war. Die Polizisten sind daher zu Recht vom Vorliegen eines Verkehrsunfalls und damit von der Verpflichtung der Berufungswerberin zur Ablegung des Alkotests ausgegangen. Dies ändert aber nichts daran, dass – auch wenn sich das erst im nachhinein ergeben hat – objektiv gar keine Verletzung der Berufungswerberin vorlag, weshalb es sich auch nicht um einen Verkehrsunfall im Sinne des § 4 StVO handelt. Die Berufungswerberin war daher gemäß § 5 Abs.2 VStG auch nicht zur Durchführung des Alkotests verpflichtet. Es war daher ihrer Berufung stattzugeben.

 

 

Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

 

 

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

 

Mag. Gottfried  Z ö b l

 

 

 

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum