Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-522940/3/Fra/Bb/Gr

Linz, 02.12.2011

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Johann Fragner über den Antrag des Ing. X, geb. X, X, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Mag. X, X, vom 30. August 2011, auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 1. Juni 2011, GZ VwSen-522865/2, abgeschlossenen Verfahrens, zu Recht erkannt:

 

 

 

Dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wird gemäß § 69 Abs.1 Z3 AVG stattgegeben und die Wiederaufnahme des Berufungsverfahrens zu GZ VwSen-522865 bewilligt.

 

Aus Anlass der Wiederaufnahme wird der Berufung vom 17. Mai 2011 gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 4. Mai 2011, GZ FE 494/2011, FE 1210/2010, insofern stattgegeben, als Spruchpunkt 2.) und 3.) des Bescheides behoben und das Verfahren diesbezüglich eingestellt wird.

 

 

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 66 Abs.4 und 67a iVm § 69 Abs.1 Z3 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

iVm §§ 3 Abs.1 Z2, 7 Abs.1 Z2, 7 Abs.3 Z6 lit.a, 25 Abs.3, 28 Abs.1 Z2, 30 Abs.1 und 32 Abs.1 Z1 Führerscheingesetz 1997 – FSG.  

 

 


Entscheidungsgründe:

 

 

 

1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat mit Erkenntnis vom 1. Juni 2011, GZ VwSen-522865/2, die Berufung des Ing. X (des nunmehrigen Antragstellers) vom 17. Mai 2011 gegen den Bescheides der Bundespolizeidirektion Linz vom 4. Mai 2011, GZ FE 494/2011, FE 1210/2010, betreffend Abweisung der Anträge  

·         vom 2. Mai 2011 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 AVG,

·         vom 2. Mai 2011 auf Behebung des Mandatsbescheides der Bundespolizeidirektion Linz vom 19. April 2011, GZ X, wegen Entziehung der Lenkberechtigung der Klassen B, C, E und F mangels Verkehrszuverlässigkeit für die Dauer von drei Monaten (27. April bis 27. Juli 2011) mit begleitenden Maßnahmen (Aberkennung gemäß § 30 FSG und Lenkverbot gemäß § 32) und

·         vom 3. Mai 2011 auf Wiederausfolgung des Führerscheines gemäß § 28 Abs.1 Z2 FSG

abgewiesen und den angefochtenen Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz bestätigt.

 

Dieser Entscheidung liegt das Lenken eines Kraftfahrzeuges des Antragstellers am 18. April 2011 um 09.52 Uhr auf Straßen mit öffentlichem Verkehr trotz entzogener Lenkberechtigung zu Grunde. Die Bescheidbegründung stützt sich im Wesentlichen darauf, dass der Antragsteller, die Tatsache des Lenkens eines Kraftfahrzeuges trotz entzogener Lenkberechtigung objektiv verwirklicht habe, woraus gemäß § 25 Abs.3 FSG die gesetzliche Mindestentziehungsdauer von drei Monaten resultiere. Die Beurteilung der subjektiven Tatseite sei lediglich im Strafverfahren von Bedeutung.

 

2. Mit Eingabe vom 30. August 2011, gerichtet an den Unabhängigen Verwaltungssenat als auch an die Bundespolizeidirektion Linz, begehrt der anwaltlich vertretene Antragsteller die Wiederaufnahme des obgenannten Verfahrens zur Entziehung der Lenkberechtigung nach § 69 AVG, in eventu ein Vorgehen gemäß § 68 AVG.

 

Zur Begründung seines Antrages verweist er auf die Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenates vom 3. August 2011, GZ VwSen-166180/2/Fra/Gr, mit welcher das Verwaltungsstrafverfahrens wegen des Lenkens trotz entzogener Lenkberechtigung am 18. April 2011 um 09.52 Uhr in Linz (Verwaltungsübertretung gemäß § 1 Abs.3 iVm § 37 Abs.4 Z1 FSG) eingestellt wurde. Durch diese Einstellung sei in Ansehung der Entziehung der Lenkberechtigung eine anders lautende Vorfrageentscheidung im Sinne des § 38 Abs.1 Z3 AVG ergangen, weshalb im Wesentlichen die Wiederaufnahme des Führerscheinentziehungsverfahrens und die ersatzlose Behebung des Erkenntnisses des Unabhängigen Verwaltungssenates vom 1. Juni 2011, GZ VwSen-522865/2, und des erstinstanzlichen Bescheides vom 4. Mai 2011, GZ FE-494/2011, FE 1210/2010, beantragt wurde.

 

3. Der Polizeidirektor von Linz hat den bezughabenden Verwaltungsakt unter Anschluss des an die Bundespolizeidirektion Linz adressierten Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 69 AVG mit Vorlageschreiben vom
6. September 2011, GZ FE-494/2011, dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich ergibt sich aus     § 69 Abs.4 AVG, wobei dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 67a AVG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den zur Entscheidung vorgelegten Verwaltungsakt der Bundespolizeidirektion Linz und in den verfahrensrelevanten Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens vom 30. August 2011 sowie in das Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenates vom 3. August 2011, GZ VwSen-166180/2, betreffend Lenken trotz entzogener Lenkberechtigung am 18. April 2011 um 09.52 Uhr (Übertretung gemäß §§ 1 Abs.3 iVm 37 Abs.4 Z1 FSG).

 

Daraus ergibt sich der für das Verfahren zur Entscheidung relevante Sachverhalt zur Gänze, weshalb sich die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung nicht erforderlich erwies. Im Übrigen hat auch keine der beiden Verfahrensparteien – weder der anwaltlich vertretene Antragsteller noch die Bundespolizeidirektion Linz - eine Verhandlung beantragt.

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat über den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens Folgendes erwogen:

 

5.1. Gemäß § 69 Abs.1 Z3 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und der Bescheid gemäß § 38 von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde.

 

5.2. Im gegenständlichen Fall wurde das gegen den Antragsteller anhängige Verwaltungsstrafverfahren wegen des Lenkens eines Kraftfahrzeuges am 18. April 2011 um 09.52 Uhr auf Straßen mit öffentlichem Verkehr in Linz trotz entzogener Lenkberechtigung (§§ 1 Abs.3 iVm 37 Abs.4 Z1 FSG) mit Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 3. August 2011, GZ VwSen-166180/2, gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG eingestellt. 

 

Aus den in diesem Erkenntnis dargelegten Entscheidungsgründen hat der Antragsteller durch das Lenken eines Kraftfahrzeuges auf Straßen mit öffentlichen Verkehr trotz entzogener Lenkberechtigung zur damaligen Tatzeit zwar in objektiver Hinsicht tatbildlich gehandelt, jedoch sei ihm ein Verschulden nicht nachweisbar, da er - unbestritten - zum Zeitpunkt der polizeilichen Anhaltung am 18. April 2011 um 09.52 Uhr von der Ablieferungspflicht des Führerscheines bzw. der Entziehung der Lenkberechtigung für die Dauer von zwei Wochen auf Grund der Begehung einer schwerwiegenden Geschwindigkeitsüberschreitung im Juni 2010 nichts gewusst habe, da er von seinem Rechtsvertreter trotz Zustellung des Erkenntnisses des Unabhängigen Verwaltungssenates vom 4. April 2011, GZ VwSen-522777/8, am 12. April 2011 bis zum Zeitpunkt der polizeilichen Anhaltung nicht verständigt worden sei. Wenn er daher der Auffassung war, er durfte das Kraftfahrzeug berechtigterweise lenken, könne dieser Irrtum nicht auf Fahrlässigkeit beruhen, zumal es ihm nicht zumutbar gewesen sei, sich jeden Werktag bei seinem Rechtsvertreter zu erkundigen, ob nicht ein allenfalls abschlägiger Bescheid zugestellt wurde.

 

5.3. Mit der Aufhebung des Straferkenntnisses der Bundespolizeidirektion Linz vom 16. Juni 2011, GZ S-21509/11-4, und der Verfahrenseinstellung durch den Unabhängigen Verwaltungssenat ist der erstinstanzliche Strafbescheid wegen Übertretung nach §§ 1 Abs.3 iVm 37 Abs.4 Z1 FSG aus dem Rechtsbestand ausgeschieden. Der Berufungswerber hat damit anlässlich seiner Fahrt am 18. April 2011 den Tatbestand einer Verwaltungsübertretung nach §§ 1 Abs.3 iVm 37 Abs.4 Z1 FSG nicht erfüllt und war zum Lenken eines Kraftfahrzeuges berechtigt.

 

Der Berufungswerber hat daher, wie nunmehr rechtskräftig festgestellt ist, keine Verwaltungsübertretung nach §§ 1 Abs.3 iVm 37 Abs.4 Z1 FSG und damit auch keine die Verkehrsunzuverlässigkeit indizierende bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs.3 Z6 lit.a FSG begangen.

 

Unabdingbare Voraussetzung für die Verneinung der Verkehrszuverlässigkeit ist aber, wie der Wortlaut des § 7 Abs.1 FSG unmissverständlich zum Ausdruck bringt, das Vorliegen zumindest einer erwiesenen bestimmten Tatsache im Sinne des § 7 Abs.3 FSG. Fehlt es an einer solchen bestimmten Tatsache, so darf die Verkehrszuverlässigkeit nicht verneint und die Lenkberechtigung nicht entzogen werden.

 

Im Ergebnis ist daher dem vorliegenden Wiederaufnahmeantrag gemäß § 69 Abs.1 Z3 AVG stattzugeben und die Wiederaufnahme des Berufungsverfahrens zu GZ VwSen-522865, betreffend die Entziehung der Lenkberechtigung mit begleitenden Maßnahmen und die Abweisung des Antrages auf Wiederausfolgung des Führerscheines, zu bewilligen.

 

Als Folge des die Wiederaufnahme anordnenden Bescheides tritt der Bescheid, mit dem das wiederaufzunehmende Verfahren abgeschlossen wurde, außer Kraft und wird durch den rechtskräftigen Bescheid im wiederaufgenommenen Verfahren mit der Wirkung "ex tunc" ersetzt (VwGH 17. Jänner 1995, 93/08/0114).

 

5.4. Mangels Begehung einer bestimmten Tatsache liegt gegenständlich kein Grund für die Entziehung der Lenkberechtigung des Antragstellers und die Anordnung weiterer führerscheinrechtlicher Maßnahmen vor, weshalb aus Anlass des wiederaufgenommen Führerscheinverfahrens Spruchpunkt 2.) und 3.) des Bescheides der Bundespolizeidirektion Linz vom 4. Mai 2011, GZ FE 494/2011, FE 1210/2010, das betrifft die Entziehung der Lenkberechtigung der Klasse B in der Dauer von drei Monaten und die Anordnung der damit verbundenen weiteren Maßnahmen und die Abweisung betreffend Wiederausfolgung des Führerscheines – in Stattgebung der Berufung – zu beheben waren und das Verfahren diesbezüglich einzustellen war.

 

5.5. Was den hilfsweise gestellten Antrag gemäß § 68 AVG anlangt, so wird der Vollständigkeit halber darauf hingewiesen, dass die Abänderung oder Aufhebung eines Bescheides nach § 68 Abs.2 AVG nicht zurückwirkt, sondern nur ex nunc (ab dem Zeitpunkt der Bescheiderlassung) und daher im Rahmen einer Wertung gemäß § 7 Abs.4 FSG davon ausgegangen werden müsste, dass die Lenkerberechtigung entzogen war (vgl. VwGH 29. Mai 1990, 89/11/0207). Für  ein Absehen von der Anwendung dieser Gesetzesbestimmung nach § 68 AVG sieht das Gesetz trotz entsprechenden Antrages keine Bescheiderlassung durch die damit befasste Behörde vor.

 

Es resultiert daraus die spruchgemäße Entscheidung.

 


 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

 

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden.

Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. In diesem Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro angefallen.

 

 

 

 

Dr.  Johann  F r a g n e r

 

 

 

 

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